I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. April 2023 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Witwenrente.
Die Klägerin ist die Ehefrau des 1962 geborenen und am 27. September 2018 verstorbenen Z.A. (Versicherter).
Bei dem Versicherten wurde bereits im November 2001 eine interstielle Lungenerkrankung diagnostiziert. Die Beklagte bewilligte dem Versicherten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab dem 1. Februar 2002, die er bis zu seinem Lebensende durchgehend bezogen hat.
Die Klägerin und der Versicherte lebten seit dem 5. Juli 2010 in einem gemeinsamen Haushalt. Tag der Eheschließung war der 7. November 2017.
Am 15. Oktober 2018 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente. Vorgelegt wurde ein an die Klägerin adressiertes Schreiben des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 5. Oktober 2018 zur Vorlage bei der Beklagten, in dem dieser u.a. angab, die interstielle Lungenerkrankung des Versicherten sei histologisch seit November 2001 gesichert gewesen. Es habe ein Zustand nach Langzeitsauerstofftherapie vorgelegen. Seit 2003 habe zunächst keine immunologische Therapie mehr stattgefunden. Im August 2014 sei radiologisch und lungenfunktionell ein Progress festgestellt worden sowie erneut im Juli 2017 mit Exacerbation, d.h. einer deutlichen Verschlimmerung der Symptome. Ab Juli 2018 sei eine Palliativkomplexbehandlung erfolgt. Die Hochzeit der Klägerin und des Versicherten habe im November 2017 stattgefunden. Ursprünglich sei die Hochzeit für Ende 2016/Anfang 2017 geplant gewesen, habe jedoch wegen dauerhafter Krankenhausaufenthalte des Versicherten erst im November 2017 durchgeführt werden können. Das Paar habe in den vergangenen zehn Jahren in einer Wohnung gelebt. Die Klägerin habe ihren Ehemann während der gesamten Erkrankung, aber vor allem seit der massiven Verschlechterung ab diesem Jahr gepflegt. Ihren Beruf habe sie aufgrund der Pflege des Versicherten in diesem Jahr aufgegeben. Die Tatsache, dass die Hochzeit für Ende 2016/Anfang 2017 angesetzt gewesen sei und wegen akuter Exacerbation nicht habe stattfinden können, könne von ihm und seinen Mitarbeitern bestätigt werden.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2019 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Hinterbliebenenrente mit der Begründung ab, die gesetzliche Vermutung des Vorliegens einer Versorgungsehe sei nicht widerlegt. Die Ehe habe zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten am 27. September 2018 weniger als ein Jahr gedauert. In diesem Fall gehe der Gesetzgeber davon aus, dass der überwiegende Zweck der Eheschließung die Versorgung durch eine Hinterbliebenenrente gewesen sei. Diese gesetzliche Vermutung sei nicht widerlegt. Zum Zeitpunkt der Eheschließung sei absehbar gewesen, dass eine vorhandene Krankheit innerhalb eines Jahres zum Tode führen würde. Die Klägerin habe bereits über zehn Jahre mit dem Versicherten in einer eheähnlichen Gemeinschaft gelebt und sich offensichtlich bewusst für diese Lebensform entschieden, ohne die Ehe zu schließen. Wenn sich Partner nach über zehn Jahren eheähnlicher Gemeinschaft erst nach Eintritt einer schweren Erkrankung eines Partners zur Eingehung der Ehe bereitfänden, sei die Annahme gerechtfertigt, dass es sich um eine Versorgungsehe handele.
Hiergegen legte die Klägerin am 11. Januar 2019 Widerspruch ein und trug vor, die Vermutung einer Versorgungsehe sei widerlegt. Es könne keine Rede davon sein, dass die Heirat nur den Zweck ihrer Versorgung gehabt habe. Die zuvor bestehende nichteheliche Lebensgemeinschaft habe bereits seit zehn Jahren bestanden. Währenddessen seien einige Schicksalsschläge zu bewältigen gewesen, u.a. eine Krebserkrankung der Klägerin. Dies spreche für eine tiefe Bindung der Eheleute, nicht für eine überhastete Ehe unter dem Eindruck der Sicherung der zukünftigen Versorgung. Die Heiratsabsicht habe schon seit längerer Zeit bestanden. Bereits im Jahr 2016 hätten sie heiraten wollen. Hierfür habe sie im August 2016 die entsprechenden Papiere in Bulgarien besorgt. Die Ehe sollte geschlossen werden, da sie selbst von 2011 bis 2013 an Krebs erkrankt gewesen sei und die Beziehung sich dabei gefestigt habe. Die Heirat habe verschoben werden müssen, da der Versicherte sich im Januar einem stationären Krankenhausaufenthalt habe unterziehen müssen. Als der Versicherte im Februar 2017 aus dem Krankenhaus entlassen worden sei, sollte unmittelbar geheiratet werden. Die Klägerin habe erst dann festgestellt, dass die in Bulgarien besorgten Papiere nur sechs Monate Gültigkeit besessen hätten. Deswegen sei der jährliche Sommerurlaub in Bulgarien abgewartet worden, um neue Papiere zu besorgen. Nachdem diese vorgelegen hätten, sei die Heirat am 7. November 2017 vollzogen worden.
Vorgelegt wurde eine weitere ärztliche Bescheinigung des Dr. H. vom 7. März 2019, wonach dieser den Versicherten seit 2001 und die Klägerin seit 2014 behandele. Der Versicherte sei bezüglich seiner Lungenerkrankung ernsthaft erkrankt gewesen, habe jedoch durch naturheilkundliche Maßnahmen eine deutliche Verbesserung seines Zustands erreicht. Im Oktober/November 2017, d.h. kurz vor dem Zeitpunkt der Eheschließung, sei keineswegs absehbar gewesen, dass der Versicherte in Kürze versterben werde. Vorgelegt wurde zudem eine für die Klägerin erstellte Bescheinigung zwecks der Eheschließung von einem bulgarischen Staatsbürger im Ausland/Ehefähigkeitszeugnis vom 30. August 2016.
Im Rahmen der Amtsermittlung der Beklagten teilte das Standesamt der Stadt A-Stadt mit Schreiben vom 8. April 2019 mit, die Klägerin und der Versicherte hätten sich bereits im Frühjahr 2015 erkundigt, welche Unterlagen für eine Eheschließung benötigt würden. Die Geburtsurkunde der Klägerin sei am 9. September 2016 ausgestellt worden. Die Bescheinigung über die Eheschließung einer bulgarischen Staatsangehörigen im Ausland sei am 17. Oktober 2017 ausgestellt worden, sodass die Anmeldung der Eheschließung am 30. Oktober 2017 habe erfolgen können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2019 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, die durch Gesetz unterstellte Versorgungsabsicht sei nicht widerlegt. Der Versicherte habe seit 2002 an einer nicht heilbaren Lungenerkrankung gelitten. Im Juli 2017 sei es zu einer deutlichen Verschlechterung des Krankheitsbilds gekommen. Seit Juli 2018 sei der Versicherte nur noch palliativ behandelt worden. Aus medizinischer Sicht seien die tödlichen Folgen der Lungenerkrankung absehbar gewesen, auch wenn nicht damit zu rechnen gewesen sei, dass die Erkrankung binnen Jahresfrist zum Tode führen werde. Heilungsmöglichkeiten habe es mit Ausnahme einer Lungentransplantation nicht gegeben. Bei Eheschließung habe die Klägerin aufgrund der bestehenden lebensbedrohlichen Erkrankung damit rechnen müssen, dass der Tod des Versicherten in absehbarer Zeit eintreten werde. Nach den Gesamtumständen spreche alles dafür, dass sowohl dem Versicherten als auch der Klägerin die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung durchaus bewusst gewesen und die Ehe vor diesem Hintergrund geschlossen worden sei. Das lange Zusammenleben vor der Heirat könne für sich genommen sowohl Indiz für als auch gegen das Vorliegen einer Versorgungsehe sein. Es sei u.a. nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Eheschließung nicht bereits in den Jahren nach 2013 erfolgt sei. Ebenso lagen die bulgarischen Heiratsunterlagen im August 2016 vor. Eine Eheschließung habe daher sowohl im Herbst 2016 als auch im Februar oder März 2017 erfolgen können. Der Klägerin sei es nicht entscheidend auf das Heiratsdatum im Januar angekommen, da die Eheschließung letztlich am 30. Oktober 2017 angemeldet und am 7. November 2017 geschlossen worden sei.
Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 12. September 2019 Klage bei dem Sozialgericht Darmstadt und legte einen vorläufigen Entlassungsbericht der Espan-Klinik J-Stadt vom 1. September 2017 sowie Berichte der Thoraxklinik des Universitätsklinikums K-Stadt vom 30. Oktober 2017 und 19. Juli 2018 über einen stationären Aufenthalt vom 13. Juli bis 3. August 2018 vor. Im Bericht datiert auf den 30. Oktober 2017 nach stationärem Aufenthalt vom 27. Oktober bis 7. November 2017 wird hinsichtlich der interstiellen Lungenerkrankung angegeben, dass im November 2017 ein palliatives Konzept festgelegt worden sei. Es habe sich um eine notfallmäßige Vorstellung via Notarzt nach erneutem Dyspnoeanfall gehandelt. Aufgrund der fortgeschrittenen Erkrankung, schlechter Symptomkontrolle und fehlender kurativer Therapieoptionen sei der Versicherte dem Palliativteam vorgestellt worden. Er sei im Falle einer erneuten Verschlechterung mit einer Aufnahme auf der Palliativstation einverstanden. Im Bericht vom 19. Juli 2018 wird angegeben, der Kläger habe über einen stabilen Verlauf seiner Erkrankung bis Anfang Mai berichtet. Seitdem habe er zunehmende Atemnot. Bei Übernahme in die Palliativstation könne der Versicherte teils fast ohne Ruhedyspnoe sprechen, teils müsse er Pausen machen. Immer wieder käme es zu Hustenanfällen mit Luftnot und Dyspnoeattacken. Seine Ehefrau würde ihm in diesen Momenten Morphin spritzen. Röntgenologisch seien in einem CT vom 7. September 2017 bereits Milchglasinfiltrate als Zeichen einer Exazerbation der bekannten NSIP beschrieben. Es seien ausführliche Gespräche mit den Angehörigen sowie dem Versicherten über die palliative Situation geführt worden. Der Versicherte habe eine Verlegung in die Palliativ-Station gewünscht.
Das Sozialgericht holte Befundberichte der behandelnden Ärzte des Versicherten ein, so der Thoraxklinik K-Stadt (Eingang 30. Juli 2021), der Espan-Klinik J-Stadt (Eingang 25. August 2021), des Dr. H. vom 26. August 2021, des Dr. L. vom 28. August 2021 und des Dr. M. vom 14. September 2021. Aus den Berichten der Thoraxklinik K-Stadt, die der Versicherte zu Verlaufskontrollen regelmäßig aufgesucht hatte, ergab sich nach zwischenzeitlicher partieller Remission der Lungenerkrankung vom Typ DIP (desquamative interstielle Pneumonitis) ab 2006 eine erneute Verschlechterung ab März 2012. Der Versicherte gab seinerzeit an, er sei in großer Sorge, dass die Erkrankung wieder aufflackern könne, die Lebensqualität sei dadurch eingeschränkt. Anlässlich einer Untersuchung am 20. Januar 2017 stellte die Thoraxklinik K-Stadt in einem Bericht vom 23. Januar 2017 u.a. fest, im Langzeitverlauf zeige sich eine Verschlechterung lungenfunktionell. Zum Vergleich von Mai 2013 zum jetzigen Zeitpunkt habe der Kläger insgesamt 800 ml in der Vitalkapazität verloren. In einem Bericht vom 14. Juli 2017 nach stationärem Aufenthalt des Versicherten vom 5. bis 14. Juli 2017 zeigte ein CT des Thorax eine zur Voruntersuchung progrediente rechtsbetonte schwere interstielle Lungenstrukturvermehrung mit Milchglasverdichtungen und Traktionsbronchiektasen. Die Aufnahme des Versicherten sei bei progredienter Dyspnoe in Ruhe erfolgt. Im CT habe sich ein deutlich progredientes NSIP-Muster gezeigt. Laut Bericht vom 17. Oktober 2017 nach stationärem Aufenthalt des Versicherten vom 13. bis 26. Oktober 2017 wurde dieser am 6. Oktober 2017 im Krankenhaus N-Stadt notfallmäßig bei akuter Exazerbation der bekannten ILD aufgenommen und von der Thoraxklinik übernommen. Schon die kleinste Belastung (Toilettengang) sei mit einem Sättigungsabfall auf ca. 75 % verbunden gewesen. Es habe sich um den vierten Infekt gehandelt, seit er sich im Februar eine Influenza zugezogen habe. Es wurde eine Wiedervorstellung für den 11. Januar 2018 vereinbart. Tatsächlich erfolgte die nächste stationäre Aufnahme des Versicherten laut Bericht vom 30. Oktober 2017 bereits am 27. Oktober 2017, bei der erstmals ein palliatives Konzept festgelegt worden sei. Im Bericht vom 27. September 2018 über einen stationären Aufenthalt an diesem Tag gab die Thoraxklinik K-Stadt an, die stationäre Aufnahme sei notfallmäßig via Rettungswagen erfolgt bei massiver Verschlechterung des Allgemeinzustands im häuslichen Setting. Bei infauster Prognose und bereits festgelegtem palliativen Konzept im November letzten Jahres bei fortgeschrittener interstieller Lungenerkrankung seien keine weiteren intensivmedizinischen Maßnahmen mehr durchgeführt worden. Die hinzugekommene Ehefrau sei sich der Situation bewusst gewesen. Wenige Stunden nach Aufnahme sei der Versicherte in der Klinik verstorben. Dr. H. gab in seinem Befundbericht an, die Befunde des Versicherten hätten sich ab Mai 2018 deutlich verschlechtert. Es seien immer wieder stationäre Einweisungen in Kliniken notwendig gewesen. Mit dem Versicherten und der Ehefrau sei die Palliativsituation besprochen worden. Zur Gerichtsakte gelangte zudem ein Arztbrief des Klinikums O-Stadt vom 15. Februar 2017 nach stationärem Aufenthalt des Versicherten vom 28. Januar bis 15. Februar 2017 nach subjektiv empfundenen Herzrhythmusstörungen.
Das Sozialgericht vernahm in der mündlichen Verhandlung am 18. April 2023 als Zeugin die Standesbeamtin P. und befragte die Klägerin informatorisch.
Mit Urteil vom 18. April 2023 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2019, der Klägerin ab dem 15. Oktober 2018 aus der Versicherung des Versicherten eine große Witwenrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Gewährung einer Witwenrente nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) zu. Sie sei Witwe des verstorbenen Versicherten, erfülle die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren, habe zum Zeitpunkt des Todes ihres Ehemanns das 47. Lebensjahr vollendet und habe nicht wieder geheiratet. Der Anspruch sei auch nicht wegen § 46 Abs. 2a SGB VI ausgeschlossen. Die Ehe zwischen der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann habe vom 30. Oktober 2017 bis zum 27. September 2018 bestanden und damit nur knapp 11 Monate, so dass grundsätzlich die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI eingreife. Die Vermutung sei jedoch widerlegt, da die Kammer der Überzeugung sei, dass es nicht alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Hierbei stütze die Kammer ihre Auffassung insbesondere auf die Tatsache, dass der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung seit mehr als 16 Jahren mit einer lebensbedrohlichen Krankheit gelebt hatte und somit bereits lange bevor sich die Klägerin und der Versicherte kannten, festgestanden habe, dass der Versicherte irgendwann an dieser Krankheit sterben würde. Immer wieder habe sich der Versicherte erholt und habe auch diesmal zur Überzeugung der Kammer auf eine Besserung oder zumindest Stabilisierung seines Zustandes vertraut. Nachvollziehbar habe die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass der Versicherte bereits zu Beginn seiner Erkrankung auf die Möglichkeit einer Palliativbehandlung und damit auf den tödlichen Verlauf der Krankheit von seinen Ärzten hingewiesen worden sei. Ab 2013 sei die Erkrankung fortgeschritten, auf Verschlechterungen im Gesundheitszustand seien aber immer wieder Verbesserungen bzw. Stabilisierungen gefolgt. Auch im Zeitraum nach der Eheschließung belegten die Befundberichte einen stabilen Verlauf bis Mai 2018. Die Kammer sei daher von den Angaben der Klägerin überzeugt, dass der Versicherte mit dieser lebensbedrohlichen Krankheit zu leben gelernt hatte und seine privaten Ziele - wie die Eheschließung mit der Klägerin - nicht von der Krankheit abhängig gemacht habe und im Zeitpunkt der Eheschließung beide Eheleute nicht davon ausgegangen seien, dass der Versicherte zeitnah sterben würde. Ausweislich einer Stellungnahme vom 30. November 2018 sei auch aus beratungsärztlicher Sicht bei Eheschließung nicht damit zu rechnen gewesen, dass die Erkrankung binnen Jahresfrist in einer Form dekompensiere, dass ab Juli 2018 eine Palliativkomplexbehandlung durchgeführt werden musste. Gleiches habe der Hausarzt des Versicherten in seiner ärztlichen Bescheinigung zur Vorlage bei der Beklagten vom 7. März 2019 mitgeteilt. Ebenso lägen weitere Umstände vor, die das Vorliegen einer Versorgungsehe widerlegten. So habe bereits vor der deutlichen Verschlechterung im Gesundheitszustand des Versicherten ein konkret manifestierter Heiratswunsch der Klägerin und des Versicherten bestanden. Dies belegten die im August und September 2016 in Bulgarien ausgestellten Urkunden, die für die Eheschließung in Deutschland erforderlich gewesen seien und dafür von der Klägerin in Bulgarien angefordert worden seien. Die Angaben der Klägerin stimmen mit den vorgelegten Unterlagen und den glaubhaften Angaben der Standesbeamtin überein. Danach habe bereits im Frühjahr 2017 ein Termin zur Anmeldung der Ehe im Standesamt stattgefunden. Allerdings sei - übereinstimmend von der Standesbeamtin P. und der Klägerin vorgetragen - die sechsmonatige Gültigkeit der Ehefähigkeitsbescheinigung der Klägerin zum Zeitpunkt des Anmeldetermins kurz zuvor abgelaufen gewesen. Somit habe der erste Termin zur Anmeldung der Ehe im März oder April 2017 - und damit vor der akuten Exazerbation der Erkrankung des Versicherten (im Oktober 2017) - stattgefunden. Die Heiratsabsichten seien demnach auch schon vorher hinreichend konkret gewesen und die tatsächliche Eheschließung am 7. November 2017 habe sich als die konsequente Verwirklichung einer schon vor Bekanntwerden der Erkrankung [hier: vor Bekanntwerden der akuten Verschlechterung bei langjähriger, chronischer Krankheit] gefassten Heiratsabsicht dargestellt. Dies beweise, dass andere Heiratsmotive als der vermutete Wunsch nach Versorgung im Vordergrund gestanden haben. Glaubhaft schilderte die Klägerin, dass der Versicherte sie seit dem Kennenlernen unbedingt habe heiraten wollen. Auch die Standesbeamtin habe in ihrer Vernehmung angegeben, dass der Kläger sie vier bis fünf Jahre vor der eigentlichen Eheschließung bei einem zufälligen Treffen nach den Voraussetzungen für eine Heirat mit der aus Bulgarien stammenden Klägerin gefragt habe. Die Krebserkrankung der Klägerin habe dazu geführt, dass auch bei ihr der bisher nicht bestehende Wunsch nach einer Heirat gewachsen sei. Als Gründe habe sie überzeugend den Wunsch nach eigenen Kindern angegeben, der aber nach der Krebserkrankung und der Chemotherapie nicht mehr habe verwirklicht werden können, sodass eine Adoption in Betracht gezogen worden sei. Voraussetzung für eine Adoption sei nach den Angaben der Klägerin eine Heirat gewesen. Die Kammer halte das Heiratsmotiv zur Vorbereitung einer Adoption vorliegend für glaubhaft. Bis zur Eheschließung habe die Klägerin keine Informationen von Ärzten über den Gesundheitszustand des Versicherten erhalten. Diese belastende Ungewissheit, als der Versicherte im Frühjahr 2017 plötzlich eine Verschlechterung im Krankenhaus aufgrund der dort erfolgten Influenza-Infektion erlitten habe, habe die Klägerin nochmals in der Entscheidung bestärkt, nun endlich zu heiraten. Diesem Entschluss entsprechend sei zeitnah im März oder April 2017 der erste - letztlich erfolglose - Termin zur Anmeldung der Eheschließung im Standesamt A-Stadt erfolgt. Unter Abwägung aller zur Eheschließung führenden Motive beider Ehegatten und der konkreten Umstände der Erkrankung des Versicherten sei die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe widerlegt. Der Beginn der Rentenzahlung richte sich nach § 99 Abs. 2 SGB VI. Abweichend vom Tenor habe die Klägerin somit richtigerweise einen Anspruch auf Zahlung einer großen Witwenrente bereits ab dem 1. Oktober 2018.
Gegen das ihr am 22. Mai 2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1. Juni 2023 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt.
Die Beklagte ist im Wesentlichen der Auffassung, die gesetzliche Vermutung einer sog. Versorgungsehe nach § 46 Abs. 2a SGB VI sei nicht widerlegt worden. Bei der Eheschließung sei der Versicherte bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit erkrankt gewesen. Nach der im Verwaltungsverfahren erstatteten sozialmedizinischen Stellungnahme vom 30. November 2018 habe es für die Lungenerkrankung des Versicherten – abgesehen von einer beim Versicherten nicht möglichen Lungentransplantation – keine Heilungsmöglichkeit mehr gegeben. Grundsätzlich seien die tödlichen Folgen der Erkrankung des Lungengerüstes absehbar gewesen. Der Versicherte sei schließlich in der Thoraxklinik K-Stadt behandelt worden. Nach dem Bericht vom 14. Juli 2017 sei die Aufnahme bei respiratorischer Verschlechterung und progredienter Dyspnoe in Ruhe erfolgt. Im CT habe sich ein deutlich progredientes NSIP-Muster gezeigt. Am 27. Oktober 2017 sei der Versicherte notfallmäßig in die Thoraxklinik K-Stadt eingeliefert worden. Aufgrund der fortgeschrittenen Erkrankung, schlechter Symptomkontrolle und fehlender kurativer Therapieoptionen sei der Versicherte dem Palliativteam vorgestellt worden. Er sei im Falle einer erneuten Verschlechterung mit einer Aufnahme auf der Palliativstation einverstanden gewesen. Der stationäre Aufenthalt habe bis zum 7. November 2017 gedauert, dem Tag der Eheschließung. Die Klägerin habe während dieses Aufenthaltes am 30. Oktober 2017 die Eheschließung angemeldet und die Ehe sei direkt am Entlassungstag aus der Klinik am 7. November 2017 geschlossen worden. Sowohl der Klägerin als auch dem Versicherten sei die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung durchaus bewusst gewesen und die Ehe sei vor diesem Hintergrund geschlossen worden. Voraussetzung für die Widerlegung der Vermutung einer Versorgungsehe sei, dass das Ableben des Versicherten nach den gesundheitlichen Verhältnissen zur Zeit der Eheschließung nicht in absehbarer Zeit zu erwarten gewesen sei. Selbst wenn zum Zeitpunkt der Eheschließung das Ableben nicht konkret zu erwarten gewesen sei, aber eine in Betracht zu ziehende Möglichkeit gewesen sei, sei dies ausreichend. Denn vorhersehbar und nicht unerwartet in diesem Sinne sei der Tod bereits dann, wenn sein Eintritt jedenfalls als Möglichkeit in Betracht gezogen hätte werden müssen. Zum Zeitpunkt der Eheschließung am 7. November 2017 sei der Tod des Versicherten leider absehbar oder zumindest eine in Betracht zu ziehende Möglichkeit gewesen. Sollten tatsächlich ernsthafte Heiratsabsichten vor dem 7. November 2017 bestanden haben, hätten diese auch in die Tat umgesetzt werden können. Schließlich sei auch von Bedeutung, dass sich durch die Gewährung der Witwenrente die finanzielle Situation der Klägerin durchaus verbessern würde. Nach den Angaben der Klägerin sei sie aus Gründen wirtschaftlicher Not bei Verwandten in Bulgarien untergekommen. Sie habe die Miete für die Wohnung in Deutschland nicht mehr zahlen können, sie befinde sich in äußerst prekären wirtschaftlichen Verhältnissen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. April 2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI sei aus den dort zutreffend ausgeführten Gründen widerlegt. Ein Versterben des Versicherten aufgrund seiner Lungenerkrankung innerhalb eines Jahres nach Eheschließung sei nicht vorhersehbar gewesen. Es hätten zuvor schon nach außen hin dokumentierte konkrete Heiratsabsichten bestanden.
Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.
Die Berufung ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. April 2023 kann keinen Bestand haben. Der Bescheid der Beklagten vom 17. Dezember 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2019 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemanns, da der Anspruch nach § 46 Abs. 2a SGB VI ausgeschlossen ist.
Anspruchsgrundlage für die streitgegenständliche Leistung ist § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Danach haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, u.a. dann Anspruch auf große Witwerrente, wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist Witwe des am 27. September 2018 verstorbenen Versicherten, welcher die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI erfüllt hatte. Die 1971 geborene Klägerin hatte im Zeitpunkt des Todes des Versicherten am 27. September 2018 das 47. Lebensjahr bereits vollendet und hat nicht wieder geheiratet.
Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI besteht ein Anspruch auf Witwerrente jedoch nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Regelung geht von der Annahme aus, der überlebende Ehegatte habe bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr in den meisten Fällen von seinen eigenen wirtschaftlichen Verhältnissen vor der Eheschließung noch keinen so großen Abstand genommen, dass er diese nicht nach dem Tod des anderen Ehegatten fortsetzen bzw. wiederaufnehmen oder sich eine selbständige Lebensführung neu erarbeiten könnte (vgl. Steiner, Die Versorgungsehe in der gesetzlichen Rentenversicherung, SGb 2015, 589). Der Ausschluss von Hinterbliebenenversorgung bei einer sog. Versorgungsehe ist dabei auch in Ansehung des durch Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) garantierten besonderen Schutzes der Ehe verfassungsgemäß, was bereits höchstrichterlich entschieden worden ist (vgl. BSG, Beschluss vom 23. September 1997, 2 BU 176/97, zu § 594 RVO). Darüber hinaus verstößt die Vorschrift des § 46 Abs. 2a SGB VI im Übrigen auch nicht gegen den allgemeinen oder einen speziellen Gleichheitssatz des Art. 3 GG (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 53/08 R).
Die Vorschrift des § 46 Abs. 2a SGB VI begründet für alle seit dem Inkrafttreten am 1. Januar 2002 geschlossenen Ehen (vgl. § 242a Abs. 3 SGB VI) die gesetzliche Vermutung, dass bei Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgungsehe Ziel der Eheschließung war. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat vom 7. November 2017 bis zum 27. September 2018 und damit weniger als ein Jahr gedauert, so dass grundsätzlich die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI eingreift.
Diese Vermutung kann allerdings widerlegt werden, wie sich aus der in § 46 Abs. 2a SGB VI verwendeten Formulierung „es sei denn“ ergibt. Sie ist widerlegt, wenn besondere Umstände (insbesondere Unfalltod des Versicherten, vgl. BT-Drucks. 14/4595, S. 44) vorliegen, aufgrund derer trotz kurzer Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Widerlegung der Vermutung erfordert nach § 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils. Der Vollbeweis verlangt dabei zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit reicht hingegen nicht aus. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon oder einen so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit zu begründen, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2000, B 9 VG 3/99 R). Dies ändert zwar nichts an der sich aus dem Untersuchungsgrundsatz des § 20 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) ergebenden Amtsermittlungspflicht der Beklagten, führt im Ergebnis jedoch dazu, dass die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nach dem Grundsatz der sog. objektiven Beweislast von den Anspruchstellern zu tragen sind. Die gesetzliche Vermutung, „dass es der alleinige und überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen“, verfolgt den Zweck, die Träger der Rentenversicherung und die Sozialgerichte von der Ausforschung im Bereich der privaten Lebensführung zu entbinden (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 55/08 R). Aus diesem Grund ist vorrangig anhand aller vorhandenen objektiven Ermittlungsmöglichkeiten der Frage nachzugehen, ob entgegen der Vermutung es doch nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe bzw. dem Witwer eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 1986, 9a RV 8/84). Die Vermutung der Versorgungsabsicht ist nur dann widerlegt, wenn sich bei der Gesamtabwägung aller zur Eheschließung führenden Motive beider Ehegatten ergibt, dass insgesamt nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, dem Hinterbliebenen eine Versorgung zu verschaffen (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 1973, 5 RKnU 11/71).
Dabei sprechen folgende besondere Umstände grundsätzlich gegen eine Versorgungsehe:
- ein plötzlicher unvorhersehbarer Tod (z.B. Arbeits-/Verkehrsunfall, Verbrechen, Infektionskrankheit);
- die tödlichen Folgen einer Krankheit waren bei Eheschließung nicht vorhersehbar;
- die Nachholung einer gültigen deutschen Trauung durch hier in ungültiger - nach ausländischem Recht gültiger - Ehe lebende Ausländer;
- das Vorhandensein gemeinsamer leiblicher Kinder bzw. Schwangerschaft;
- die Erziehung eines minderjährigen Kindes des Verstorbenen durch den Hinterbliebenen;
- eine Heirat zur Sicherung der erforderlichen Betreuung oder Pflege des anderen Ehegatten.
Die vorgenannten Umstände sind jedoch keine pauschalisierten Widerlegungsgründe, die eine Versorgungsehe grundsätzlich ausschließen. Maßgebend sind stets die Umstände des konkreten Einzelfalles, die in einer Gesamtbetrachtung miteinander abzuwägen sind.
Als besondere Umstände im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dabei kommt es auf die (ggf. auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielsetzung) beider Ehegatten an (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 55/08 R). Allgemeine Gesichtspunkte, wie sie in mehr oder weniger starker Ausprägung nahezu bei jeder Eheschließung als Motiv eine Rolle spielen können, rechtfertigen für sich genommen noch nicht die Annahme von „besonderen Umständen“ im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 17. November 2006, L 5 R 19/06; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 11. Mai 2009, L 8 R 162/07). Um die gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer Versorgungsehe zu widerlegen, reicht es deshalb nicht aus, wenn allein der Wunsch, nicht mehr allein sein zu wollen, die Absicht, eine Lebensgemeinschaft auf Dauer zu begründen, das Bedürfnis, sich zum Ehepartner zu bekennen oder vergleichbare Beweggründe ausschlaggebend für die Eheschließung gewesen sind (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 25. Januar 1972, L 8/V 202/71). Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe derart im Vordergrund standen und für den Heiratsentschluss ausschlaggebend waren, dass in Ansehung der konkreten Situation im Zeitpunkt der Eheschließung nicht mehr von einem überwiegenden Versorgungszweck der Eheschließung ausgegangen werden kann. Dabei sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 55/08 R). Die abschließende Typisierung oder Pauschalisierung der von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe ist angesichts der Vielgestaltigkeit von Lebenssachverhalten nicht möglich (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010, B 13 R 134/08 R).
Die von dem hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind zudem nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falles zu bewerten (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2010, B 13 R 134/08 R). Eine besonders gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- und Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 11. Dezember 2009, L 5 R 84/09). Bei der Heirat eines bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten ist in der Regel die Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht widerlegt.
Insgesamt gilt, dass bei der abschließenden Gesamtbewertung insbesondere die (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, um so gewichtiger sein müssen, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme („Vermutung“) einer Versorgungsehe bei dem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (Hessisches LSG, Urteil vom 15. Dezember 2017, L 5 R 51/17).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist vorliegend die gesetzlich unterstellte Versorgungsabsicht zur Überzeugung des Senats und entgegen der Ansicht des Sozialgerichts nicht durch den Nachweis „besonderer Umstände“ widerlegt. Denn der Senat kann nach Gesamtabwägung der für den Eheschluss im vorliegenden Fall maßgebenden, ermittelbaren Beweggründe nicht mit der für den Vollbeweis notwendigen Gewissheit feststellen, dass die Eheschließung zwischen der Klägerin und dem Versicherten nicht allein oder nicht überwiegend der Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gedient hat, mithin neben dem vom Gesetzgeber vermuteten Versorgungscharakter der Ehe zumindest gleichwertige andere besondere Motive vorgelegen haben.
Bei verständiger Würdigung des medizinischen Berichtswesens muss zur Überzeugung des Senats davon ausgegangen werden, dass die tödlichen Folgen der bei dem Versicherten vorliegenden interstiellen Lungenerkrankung zum Zeitpunkt der Eheschließung am 7. November 2017 bekannt waren. Der Versicherte litt ausweislich des Berichts des behandelnden Hausarztes Dr. H. vom 5. Oktober 2018 bereits seit November 2001 an einer histologisch gesicherten interstiellen Lungenerkrankung. Die Erkrankung war bereits zum damaligen Zeitpunkt lebensgefährlich. Auch wenn der Versicherte ab 2003 zunächst auf eine weitere schulmedizinische Behandlung in Form einer immunologischen Therapie verzichtete, war er keinesfalls geheilt. Auch zum Zeitpunkt des Beginns der Beziehung mit der Klägerin war zumindest dem Versicherten seine potentiell lebensgefährdende Grunderkrankung bekannt. Die Klägerin und der Versicherte lebten seit dem 5. Juli 2010 in einem gemeinsamen Haushalt. Aus den Berichten der Thoraxklinik K-Stadt, die der Versicherte regelmäßig aufgesucht hatte, ergibt sich nach zwischenzeitlicher partieller Remission der Lungenerkrankung eine erneute Verschlechterung ab März 2012. Der Versicherte habe angegeben, er sei in großer Sorge, dass die Erkrankung wieder aufflackern könne. Laut Bericht des Hausarztes Dr. H. sei im August 2014 bei dem Versicherten radiologisch und lungenfunktionell ein Progress festgestellt worden. Anlässlich einer Untersuchung am 20. Januar 2017 stellte die Thoraxklinik K-Stadt im Bericht vom 23. Januar 2017 u.a. fest, im Langzeitverlauf zeige sich eine Verschlechterung lungenfunktionell. Im Vergleich zu Mai 2013 habe der Kläger insgesamt 800 ml in der Vitalkapazität verloren. Laut Bericht der Thoraxklinik K-Stadt vom 14. Juli 2017 nach stationärem Aufenthalt des Versicherten vom 5. bis 14. Juli 2017 zeigte ein CT des Thorax eine zur Voruntersuchung progrediente rechtsbetonte schwere interstielle Lungenstrukturvermehrung mit Milchglasverdichtungen und Traktionsbronchiektasen. Zu diesem Zeitpunkt erfolgte damit eine Exacerbation der vorhandenen Lungenerkrankung, d.h. eine deutliche Verschlimmerung der Symptome. Die Aufnahme des Versicherten sei bei progredienter Dyspnoe in Ruhe erfolgt. Im CT habe sich ein deutlich progredientes NSIP-Muster gezeigt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt mussten dem Versicherten wie auch der Klägerin die andauernde lebensgefährdende Erkrankung der Versicherten nochmals bewusstgeworden sein. Laut Bericht vom 17. Oktober 2017 nach stationärem Aufenthalt des Versicherten vom 13. bis 26. Oktober 2017 wurde dieser am 6. Oktober 2017 im Krankenhaus N-Stadt notfallmäßig bei akuter Exazerbation der bekannten ILD aufgenommen und von der Thoraxklinik K-Stadt übernommen. Schon die kleinste Belastung (Toilettengang) sei mit einem Sättigungsabfall auf ca. 75 % verbunden gewesen. Es habe sich um den vierten Infekt gehandelt, seit er sich im Februar eine Influenza zugezogen habe. Eine Wiedervorstellung sei für den 11. Januar 2018 vereinbart worden. Tatsächlich sei die nächste stationäre Aufnahme des Versicherten jedoch laut Bericht vom 30. Oktober 2017 bereits am Folgetag der Entlassung, d.h. am 27. Oktober 2017 erfolgt, bei der erstmals ein palliatives Konzept festgelegt worden sei. Es habe sich um eine notfallmäßige Vorstellung via Notarzt nach erneutem Dyspnoeanfall gehandelt. Aufgrund der fortgeschrittenen Erkrankung, schlechter Symptomkontrolle und fehlender kurativer Therapieoptionen sei der Versicherte dem Palliativteam vorgestellt worden. Er sei im Falle einer erneuten Verschlechterung mit einer Aufnahme auf der Palliativstation einverstanden. Die Hochzeit fand am Tag der Entlassung des Versicherten aus dieser stationären Behandlung statt. Die Hochzeit fand damit bereits im Lichte einer anstehenden palliativen Behandlung statt.
Wenn der behandelnde Hausarzt Dr. H. insoweit ausführt, ursprünglich sei die Hochzeit für Ende 2016/Anfang 2017 geplant gewesen, habe jedoch wegen dauerhafter Krankenhausaufenthalte des Versicherten erst im November 2017 durchgeführt werden können, zeigt sich auch hieraus, dass der Versicherte bereits vor der Hochzeit unter erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund seiner lebensbedrohlichen Lungenerkrankung gelitten hat, von der auch die Klägerin Kenntnis hatte und beeinflusst wurde. Der Senat vermag sich vor diesem Hintergrund nicht der Auffassung des Sozialgerichts anzuschließen, bis zur Eheschließung habe die Klägerin keine Informationen von Ärzten über den Gesundheitszustand des Versicherten erhalten und habe damit gegebenenfalls das Ausmaß der Erkrankung des Versicherten nicht gekannt. Für den Versicherten selbst und auch für die seit Jahren mit ihm in einem Haushalt lebende Klägerin, welche die beeinträchtigenden Symptome der Lungenerkrankung des Versicherten, insbesondere die gravierenden Dyspnoeanfälle des Versicherten, unmittelbar miterleben konnte, musste die Möglichkeit der Verschlechterung des Gesundheitszustands des Versicherten jederzeit zu erwarten gewesen sein. Allein der Umstand, dass der Versicherte außergewöhnlich lange mit der diagnostizierten lebensbedrohenden Erkrankung leben durfte, vermag ein Versterben an der interstiellen Lungenerkrankung nicht als unvorhersehbar und überraschend darzustellen. Schließlich hat auch das Sozialgericht festgestellt, dass der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung seit mehr als 16 Jahren mit einer lebensbedrohlichen Krankheit gelebt hat und somit bereits lange bevor sich die Klägerin und er kannten, festgestanden hat, dass der Versicherte irgendwann an dieser Krankheit sterben wird. Bei dieser Ausgangslage kann nicht von einer die Vermutungsregelung des § 46 Abs. 2a SGB VI widerlegenden überraschenden und bei Heirat nicht vorhersehbaren gesundheitlichen Entwicklung ausgegangen werden.
Es lagen zum Zeitpunkt der erstmaligen Kenntnis des Versicherten von seiner Erkrankung auch noch keine derart konkreten Heiratspläne vor, als dass die Erkrankung keinen Einfluss auf die Eheschließung hätte nehmen können. Bereits seit 2001, d.h. bereits lange vor Beginn der Beziehung zwischen dem Versicherten und der Klägerin, hatte der Versicherte Kenntnis von seiner interstiellen Lungenerkrankung, welche ohne konkrete Heilungsmöglichkeit für ihn letztlich tödlich enden würde. Bereits zu Beginn der Beziehung zwischen dem Versicherten und der Klägerin litt der Versicherte unter einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Ein Zeitpunkt, zu dem unbeeinflusst von der Erkrankung des Versicherten Heiratspläne hätten geschmiedet werden können, liegt nicht vor. Eine erste Bescheinigung der Klägerin zwecks Eheschließung von einem bulgarischen Staatsbürger im Ausland/Ehefähigkeitszeugnis wurde bereits am 30. August 2016 ausgestellt. Nachdem damit alle erforderlichen Unterlagen vorlagen, warteten die Klägerin und der Versicherte jedoch zunächst ab und planten nach Angaben der Klägerin eine Hochzeit im Januar 2017. Der Versicherte musste sich jedoch im Januar 2017 vorübergehend wegen eines Infektes in stationäre Behandlung begeben. Der für Januar 2017 vorgesehene Hochzeitstermin hätte unmittelbar nach Verlassen der Klinik durch die Klägerin und den Versicherten realisiert werden können, da die aus Bulgarien stammende Urkunde ihre zeitlich begrenzte Gültigkeit soweit ersichtlich erst Ende Februar 2017 verlor. Die Hochzeit wurde von der Klägerin und dem Versicherten jedoch vorerst nicht umgesetzt. Auch in der Folge wurde ein aktuelles Ehefähigkeitszeugnis der Klägerin nicht unverzüglich erneut besorgt, sondern erst am 17. Oktober 2017 ausgestellt, d.h. nachdem sich der Gesundheitszustand des Versicherten durch die Exacerbation im Juli 2017 nochmals deutlich verschlechtert hatte. Erst nach nochmaligen stationären Aufenthalt des Versicherten wurde dann die Hochzeit am 30. Oktober 2017 zeitnah angemeldet und noch am Entlassungstag des Versicherten aus dem Krankenhaus in die Tat umgesetzt. Die Eheschließung am 7. November 2007 stand dabei für die Eheleute bereits im Lichte der drohenden Palliativbehandlung des Versicherten.
Allein der Umstand, dass die Klägerin und der Versicherte vor der Eheschließung nach außen erkennbar seit mehr als sieben Jahren in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gelebt haben, kann für sich genommen sowohl ein Indiz für als auch gegen das Vorliegen einer Versorgungsehe sein (Hessisches LSG, Urteil vom 24. Juli 2015, L 5 R 39/14). Letztlich führte erst die erneute stationäre Aufnahme des Versicherten ab dem 27. Oktober zur Anmeldung der Eheschließung am 30. Oktober 2017 und der Heirat am 7. November 2017 unmittelbar nach Verlassen des Krankenhauses durch den Versicherten. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ergibt sich für den Senat letztlich nicht die Überzeugung, dass der Umstand der lebensbedrohlichen Erkrankung und damit auch der Versorgungsgedanke nicht ausschlaggebend waren, am 7. November 2017 zu heiraten.
Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer sog. Pflegeehe (vgl. dazu BSG, Urteil vom 3. September 1986, 9a RV 8/84), bei der die Rechtsvermutung einer sogenannten Versorgungsehe in der Regel als widerlegt gilt, können im vorliegenden Fall nicht bejaht werden. Weder hat die Klägerin vorgetragen noch ist es für den Senat erkennbar, dass die Ehe offenkundig zu dem Zweck geschlossen wurde, die häusliche Pflege eines Versicherten, der dauernd auf fremde Hilfe angewiesen ist, durch die verbesserte Rechtsposition eines Ehegatten sicherzustellen. Nach dem Ergebnis der Sachverhaltsaufklärung war der Versicherte nicht dauerhaft auf fremde Hilfe angewiesen. So litt er zwar bereits vor der Eheschließung unter Dyspnoeanfällen, eine deutliche Verschlechterung des Gesundheitszustands trat indes erst ab Mai 2018 ein. So heißt es im Bericht der Thoraxklinik K-Stadt vom 19. Juli 2018, der Versicherte habe über einen stabilen Verlauf seiner Erkrankung bis Anfang Mai berichtet. Seitdem habe er zunehmende Atemnot. Bei Übernahme in die Palliativstation könne der Versicherte teils fast ohne Ruhedyspnoe sprechen, teils müsse er Pausen machen. Immer wieder sei es zu Hustenanfällen mit Luftnot und Dyspnoeattacken gekommen. Die Klägerin würde ihm in diesen Momenten Morphin spritzen. Ein entsprechend erhöhter Pflegebedarf durch die Klägerin ist damit erst nach der Eheschließung am 7. November 2017 dokumentiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.