Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig sind die Kosten für ein Widerspruchsverfahren in Höhe von 1.206,18 Euro.
Mit Datum vom 10.01.2022 beantragte der am 00.00.0000 und unter Betreuung stehende Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten.
Mit Schreiben vom 14.01.2022 bestätigte die Beklagte den formlos gestellten Antrag des Klägers und bat um Übersendung der Rentenantragsvordrucke zur weiteren Bearbeitung des Antrages. Hieran erinnerte sie mit weiterem Schreiben vom 30.03.2022, nachdem die erbetenen Antragsformulare noch nicht eingegangen waren. Die Beklagte wies darauf hin, dass sie den Rentenantrag wegen fehlender Mitwirkung ablehnen werde, wenn sie innerhalb der nächsten zwei Wochen keine Nachricht des Klägers erhalte, weil ohne Vorlage der angeforderten Unterlagen bzw. der Angaben zum Sachverhalt der Rentenanspruch nicht anerkannt werden könne.
Die Betreuerin des Klägers bat hierauf mit Schreiben vom 07.04.2022 um eine Verlängerung der gesetzten Frist. Der Kläger sei wegen seiner schweren kognitiven Einschränkungen – jetzt noch verstärkt durch eine umfangreiche Operation infolge Gehirnblutungen – und auch wegen tiefgreifender Änderungen in seinem Lebensumfeld, nicht fähig mitzuwirken.
Mit weiteren Schreiben an die Betreuerin des Klägers vom 10.08.2022, 17.08.2022, 15.09.2022 bat die Beklagte erneut um Übersendung der Formanträge (R0100 +R0210 + R0810 für die Krankenkasse). Die Betreuerin des Klägers übersandte daraufhin lediglich das Formular R0810.
Mit Schreiben vom 01.11.2022 teilte die Beklagte dem Kläger über dessen Betreuerin mit, dass weiterhin die Antragsformulare R0100 und R0210 zur weiteren Bearbeitung des Rentenantrages fehlten. Die Betreuerin des Klägers wurde gebeten, zumindest alle Angaben zu machen, die ihr bekannt seien. Die übrigen Angaben könne sie offenlassen. Ferner wurde sie gebeten, das Betreuungsgutachten und, soweit vorhanden, medizinische Unterlagen beizufügen. Abschließend wies die Beklagte daraufhin, dass sie den formlosen Antrag nach Aktenlage bescheiden werde, wenn die Anträge nicht innerhalb der nächsten sechs Wochen vorlägen.
Nachdem weder der Kläger noch dessen Betreuerin die erbetenen Antragsvordrucke bei der Beklagten eingereicht hatten, lehnte diese mit Bescheid vom 16.01.2023 den Rentenantrag des Klägers wegen fehlender Mitwirkung ab. Hiergegen legte der Kläger durch seine Betreuerin mit Schreiben vom 21.01.2023 Widerspruch ein. Mit Datum vom 31.01.2023 holte die Betreuerin die Mitwirkung durch Vorlage des Antragsvordrucks (R0100) nach.
Daraufhin hob die Beklagte mit Bescheid vom 07.02.2023 den Bescheid vom 16.01.2023 auf. Dieser Bescheid ergehe aufgrund des Widerspruchs vom 21.01.2023. Dem Widerspruch sei damit in vollem Umfang abgeholfen worden. Die Kosten, die durch das Widerspruchsverfahren entstanden seien, seien nicht zu erstatten. Der Bescheid vom 16.01.2023 habe den Informationen entsprochen, die der Beklagten vorgelegen hätten. Eine andere Entscheidung sei nicht möglich gewesen, weil der Kläger seine Mitwirkungspflicht nicht erfüllt habe. Zwar habe die Beklagte den Bescheid nach dem Widerspruch geändert; dies allerdings nicht wegen des Widerspruchs, sondern der Kläger erst nachträglich im Widerspruchsverfahren seine Mitwirkungspflicht erfüllt habe. Daher bestehe kein Anspruch auf Erstattung der Kosten.
Mit Schreiben vom 14.02.2023 legte der Kläger durch seine Betreuerin Widerspruch gegen die Kostenentscheidung aus dem Bescheid vom 07.02.2023 ein. Nicht das Einreichen des Formulars R0100 habe zur Abhilfe des Widerspruchs vom 21.01.23 geführt. Kausal für die Abhilfe sei vielmehr allein der Widerspruch gewesen. Schließlich greife auch der Vorwurf fehlender Mitwirkung nicht. Der Kläger sei krankheitsbedingt nicht in der Lage, ausreichend an dem Rentenverfahren mitzuwirken. Dies sei der Beklagten im Laufe des Verwaltungsverfahrens mehrfach mitgeteilt worden. Die rechtliche Betreuerin des Klägers habe seinen Lebenslauf allenfalls in Ansätzen gekannt und habe diesen auch durch Befragungen von Angehörigen und Behörden nur unzureichend aufklären können. Dennoch habe sie die Formulare weitestgehend ausgefüllt und eingereicht. Da es daher nicht an Mitwirkung gemangelt habe und das Fehlen weiterer Mitwirkung weder dem Kläger noch seiner Betreuerin habe zugerechnet werden können, sei der Bescheid vom 16.01.2023 zu Unrecht ergangen und der Widerspruch vom 21.01.2023 zur Wahrung der Interessen des Klägers notwendig gewesen. Die Beklagte habe daher die zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten dem Grunde nach zu erstatten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.05.2023 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der Bescheid vom 07.02.2023 sei zu Recht ergangen. Eine Kostenerstattung nach § 63 Absatz 1 SGB X komme nicht in Betracht, wenn erst eine nachträgliche Erfüllung von Mitwirkungspflichten eine Entscheidung (hier die Fortführung des Rentenverfahrens) erlaube.
Mit der am 15.05.2023 erhobenen Klage hat der Kläger hiergegen Klage erhoben. Er ist der Ansicht, dass die Beklagte zur Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Widerspruchsverfahrens verpflichtet ist, da der Widerspruch erfolgreich gewesen sei. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Widerspruchverfahren.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
den Bescheid vom 07.02.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2023 hinsichtlich der Kostenentscheidung zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm die notwendigen außergerichtlichen Kosten für die Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Inhaltlich bezieht sie sich auf die Argumentation in den angegriffenen Bescheiden.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die bei der Entscheidung vorlagen.
Das Gericht hat die Beteiligten zu seiner Absicht angehört gemäß § 105 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte gemäß § 105 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besondere Schwierigkeit tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist ein Widerspruch nicht immer schon dann erfolgreich, wenn zeitlich nach der Einlegung des Widerspruchs eine dem Widerspruchsführer begünstigende Entscheidung ergeht, sondern er ist nur dann erfolgreich im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wenn zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde auch eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne besteht. Eine solche ursächliche Verknüpfung besteht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zwar, wenn eine während des Widerspruchsverfahrens eingetretene Rechtsänderung zu einem für den Widerspruchsführer günstigen Verfahrensausgang führt (BSG, Urteil vom 13. Oktober 2010, B 6 KA 29/09 R, Juris, Rdnr. 18), oder wenn eine umstrittene Rechtsfrage während des Widerspruchsverfahrens höchstrichterlich geklärt und dann auf den Widerspruchsführer angewendet wird (BSG, Urteil vom 25. März 2004, B 12 KR 1/03 R, Juris, Rdnr. 18). Sie besteht jedoch nicht, wenn erst die nachträgliche Erfüllung von Mitwirkungspflichten während des Widerspruchsverfahrens eine positive Entscheidung für den Widerspruchsführer ermöglicht hat (BSG, Urteil vom 21. Juli 1992, 4 RA 20/91, Juris, Rdnr. 20). Hieraus ist ersichtlich, dass es sich bei der ursächlichen Verknüpfung im Rechtssinne um ein normatives Korrektiv handelt und nicht eine (tatsächliche) Kausalität gefordert wird. Der erforderliche Ursachenzusammenhang wurde vom BSG immer dann verneint, wenn der Erfolg durch ein Ereignis in der Sphäre des Widerspruchsführers, insbesondere durch eine nachträglich vorgenommene dem Widerspruchsführer obliegende Mitwirkung, herbeigeführt wurde.
Das Verhalten der Widerspruchsführer, die erst im Widerspruchsverfahren die bereits im Verwaltungsverfahren gebotene Handlung nachholten und dann die Erstattung der Vorverfahrenskosten verlangten, wurde zutreffend als rechtsmissbräuchlich bzw. widersprüchlich angesehen. (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Juni 2019 – L 8 SB 2932/18 –, Rn. 30, juris) Der Rechtsfigur der ursächlichen Verknüpfung im Rechtssinne liegen also nicht tatsächliche Kausalitätszusammenhänge zugrunde, sondern der Gedanke des Rechtsmissbrauchs und eines venire contra factum proprium. Deshalb differenziert das Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Juni 2019 – L 8 SB 2932/18 a.a.O. auch zu Recht danach, in wessen Sphäre das Ereignis liegt.
Entscheidend ist dabei, ob dieses Ereignis nach bzw. mit Widerspruchseinlegung herbeigeführt wurde und in der Sphäre des Widerspruchsführers lag.
Hier liegt die Mitwirkungshandlung des Klägers erst nach der Widerspruchserhebung. Unabhängig davon, ob dem Kläger aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder dessen Betreuerin die zunächst unterbliebene Mitwirkung vorgeworfen werden kann, fällt der Umstand, dass das benötigte Antragsformular der Beklagten nicht rechtzeitig vorlag, in die Sphäre des Klägers. Die Beklagte hat während des Verfahrens mehrfach um Übersendung gebeten und der Betreuerin des Klägers sogar eingeräumt, nur die Angaben zu machen, die ihr bekannt sind. Das Verhalten des Klägers, der erst im Widerspruchsverfahren die bereits im Verwaltungsverfahren gebotene Handlung nachgeholt hat und dann die Erstattung der Vorverfahrenskosten verlangt, sieht das Gericht vorliegend als rechtsmissbräuchlich bzw. widersprüchlich an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.