Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Dezember 2023 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dessen Tenor in der Hauptsache wie folgt gefasst wird:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13. Mai 2022 geändert, der Bescheid der Beklagten vom 23. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2020 für den Monat April aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, für diesen Monat das Vorliegen eines Arbeitsausfalls und der betrieblichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld durch Bescheid festzustellen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
G r ü n d e :
I
1
Die Beteiligten streiten nach dem in der mündlichen Verhandlung geschlossenen Vergleich nur noch über das Vorliegen eines Arbeitsausfalls und der betrieblichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld (Kug) für den Monat April 2020.
2
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft italienischen Rechts (Società per azioni) mit Sitz in L. Sie stellt Maschinen zur Werkzeugvermessung her. Der in Deutschland (K) wohnende, vom LSG als Zeuge gehörte Arbeitnehmer S1 (im Folgenden: Arbeitnehmer) war seit 2007 bei der Klägerin angestellt und jedenfalls von April bis Juni 2020 als einziger Mitarbeiter in Deutschland beschäftigt. Er betreute Kunden der Klägerin in Deutschland. Beratungen erledigte er überwiegend von seiner Privatwohnung aus. Die Maschineneinrichtung und -wartung erfolgten vor Ort. Die Klägerin stellte ihm dazu einen Laptop, einen Werkzeugkoffer, Muster, Arbeitskleidung und einen Firmenwagen zur Verfügung. Die Lohnabrechnung wurde über eine Anwaltskanzlei in M vorgenommen. Leitung, Koordinierung sowie Einteilung der Einsätze erfolgten durch die Zentrale in Italien, wo sich auch die Personalleitung befand. Ab April 2020 führte die COVID19Pandemie dazu, dass die VorOrtTermine weitestgehend entfielen und keine Neuinvestitionen stattfanden, mit Auswirkungen auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers.
3
Am 14.4.2020 vereinbarte die Klägerin mit dem Arbeitnehmer Kurzarbeit und zeigte den Arbeitsausfall von April bis Juni 2020 der Agentur für Arbeit W an. Die Beklagte verfügte, dass der Anzeige nicht entsprochen werden könne (Bescheid vom 23.4.2020). Die Gewährung von Kug sei nur möglich, wenn der Betrieb seinen Sitz in Deutschland habe. Dagegen legte die Klägerin mit der Begründung Widerspruch ein, die lohnsteuerrechtliche Betriebsstätte befinde sich in Deutschland und der Arbeitnehmer sei in Deutschland sozialversicherungspflichtig.
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Sie beantragte außerdem Kug und die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen am 30.4.2020 für April 2020 (2169,76 Euro), am 2.6.2020 für Mai 2020 (1651,15 Euro) und am 3.7.2020 für Juni 2020 (1317,97 Euro).
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Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.4.2020 wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 1.10.2020). Die Anträge auf Zahlung von Kug und Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Abrechnungsmonate Mai und Juni 2020 lehnte sie ab (Bescheide vom 12.10.2020). Hiergegen legte die Klägerin ebenfalls Widersprüche ein. Die Widerspruchsverfahren ruhen. Eine Entscheidung über den Leistungsantrag für April 2020 ist noch nicht erfolgt.
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Die von der Klägerin gegen den Bescheid vom 23.4.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.10.2020 beim SG Duisburg erhobene Klage mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des angegriffenen Bescheids zur Gewährung von Kug gemäß Antrag vom 14.4.2020 ab April 2020 zu verpflichten, hat das SG abgewiesen (Urteil vom 13.5.2020). Die Klägerin habe keinen Betrieb in Deutschland. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 23.4.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.10.2020 sowie die Bescheide vom 12.10.2020 aufzuheben und die Beklagte für den Zeitraum April bis Juni 2020 zur Zahlung von Kug und zur Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Arbeitnehmer zu verurteilen. Das LSG hat das Urteil des SG geändert, den Bescheid vom 23.4.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.10.2020 sowie die Bescheide vom 12.10.2020 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, für den Zeitraum April bis Juni 2020 für den Arbeitnehmer Kug zu zahlen und Sozialversicherungsbeiträge zu erstatten. Die Bescheide vom 12.10.2020 seien nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Zulässige Klageart sei die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage. Die Klage sei begründet. Insbesondere liege ein inländischer Betrieb iS des § 97 SGB III vor.
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Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§ 95 Satz 1 Nr 2, § 97 SGB III). Ein inländischer Betrieb sei nur anzunehmen, wenn sich auch die institutionelle Leitung in Deutschland befinde. Außerdem habe die Klägerin in ihrer Anzeige nur Kug für den Gesamtbetrieb, nicht aber für eine Betriebsabteilung in Deutschland geltend gemacht. Eine Betriebsabteilung liege mangels organisatorischer Trennung nicht vor.
8
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs die Klägerin ihr Klagebegehren auf die Anerkennung des Vorliegens eines erheblichen Arbeitsausfalls und der betrieblichen Voraussetzungen nach § 99 Abs 3 SGB III im Monat April 2020 begrenzt. Die Beklagte hat sich verpflichtet, unter Berücksichtigung der Senatsentscheidung über Kug für die Monate April bis Juni 2020 (neu) zu befinden.
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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Dezember 2023 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13. Mai 2022 zurückzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Dezember 2023 zurückzuweisen.
11
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
12
Die zulässige Revision ist nach der Beschränkung des Streitgegenstands im Revisionsverfahren unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Beklagte ist verpflichtet, das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls und der betrieblichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kug im allein noch streitigen Monat April 2020 durch einen sog Anerkennungsbescheid iS des § 99 Abs 3 SGB III festzustellen. Wegen der über das noch streitbefangene Begehren der Klägerin hinausgehenden Verurteilung der Beklagten durch das LSG war der Tenor des Berufungsurteils neu zu fassen.
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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die vorinstanzlichen Entscheidungen und der Bescheid vom 23.4.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.10.2020, soweit die Beklagte die Anerkennung eines erheblichen Arbeitsausfalls und der betrieblichen Voraussetzungen für Kug iS von § 99 Abs 3 SGB III für den Monat April 2020 abgelehnt hat. Dies ergibt sich aus der Beschränkung des Streitgegenstands durch den Vergleich im Termin zur mündlichen Verhandlung. Eine Entscheidung über Ansprüche auf Kug für den bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer und die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum von April bis Juni 2020 war vor diesem Hintergrund entbehrlich. Die Beklagte hat zudem eine Entscheidung über den Leistungsantrag der Klägerin für den Monat April 2020 bisher nicht getroffen, sodass sich die Frage der Einbeziehung eines darauf bezogenen Ablehnungsbescheids nicht stellt.
14
Der Bescheid vom 23.4.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.10.2020 enthält nach Maßgabe des objektiven Empfängerhorizonts nur Regelungen über den nach § 99 Abs 3 SGB III auf eine Anzeige über den Arbeitsausfall hin feststellungsfähigen Inhalt (ausführlich zur Auslegung entsprechender Bescheide BSG vom 5.6.2024 - B 11 AL 3/23 R - juris RdNr 21 mwN, für BSGE und SozR 44300 § 325 Nr 3 vorgesehen). Gemäß § 99 Abs 3 SGB III hat die Agentur für Arbeit der oder dem Anzeigenden unverzüglich einen schriftlichen Bescheid darüber zu erteilen, ob aufgrund der vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt und die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind. Im Bescheid vom 23.4.2020 hat die Beklagte verfügt "Ihrer Anzeige kann nicht entsprochen werden". In Verbindung mit dem Betreff ("Ihre Anzeige über Arbeitsausfall vom 14.4.2020") ist dies so zu verstehen, dass die Erteilung eines positiven Bescheids über die Feststellung der Inhalte der Anzeige das Vorliegen eines Arbeitsausfalls und der betrieblichen Voraussetzungen des Kug abgelehnt wird.
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Anders als das LSG meint, wäre über Leistungsansprüche (Kug und Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen) nur zu entscheiden gewesen, wenn hierzu entsprechende Verwaltungsentscheidungen vorgelegen hätten. Von diesem Erfordernis ist auch im Hinblick auf das bis zur Gewährung von Kug zu durchlaufende zweistufig ausgestaltete Verfahren nicht abzusehen (dazu im Einzelnen Urteil des Senats vom 12.3.2025 B 11 AL 1/24 R mwN). Soweit frühere BSGEntscheidungen dahingehend verstanden werden konnten, dass für den zulässigen Übergang von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegen den sog negativen Anerkennungsbescheid zur unechten Leistungsklage allein das Vorliegen eines Leistungsantrags ausreicht (BSG vom 17.5.1983 7 RAr 13/82 insoweit in SozR 4100 § 63 Nr 2 nicht abgedruckt - juris RdNr 17; BSG vom 16.8.1989 7 RAr 24/88 BSGE 65, 238 = SozR 4100 § 72 Nr 11- juris RdNr 24; BSG vom 20.9.1989 7 RAr 110/87 BSGE 65, 272 = SozR 4100 § 78 Nr 8 juris RdNr 34), folgt der nunmehr allein für das Recht der Arbeitsförderung zuständige 11. Senat des BSG dieser Auffassung nicht (vgl auch insoweit Urteil des Senats vom 12.3.2025 B 11 AL 1/24 R mwN).
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2. Die danach allein statthafte kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) auf Erlass eines sog Anerkennungsbescheids für den Monat April 2020 ist begründet. Zutreffend hat die Beklagte - trotz des Sitzes der Klägerin in Italien - nach deutschem Recht entschieden (dazu a). Nach Maßgabe der Vorschriften des SGB III über das Kug hat die Klägerin Anspruch auf Erlass des begehrten Anerkennungsbescheids durch die Beklagte (dazu b).
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a) Die Anwendbarkeit deutschen Rechts folgt aus Art 11 Abs 3 der Verordnung (VO) der Europäischen Gemeinschaft (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl L 166 vom 30.4.2004, 1) iVm Art 3 Abs 1 Buchst h VO (EG) Nr 883/2004.
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Auch Kug ist vom sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) Nr 883/2004 erfasst. Die VO (EG) Nr 883/2004 gilt für alle Rechtsvorschriften, die den Zweig der Leistungen bei Arbeitslosigkeit betreffen (Art 3 Abs 1 Buchst h VO <EG> Nr 883/2004). Unter den von Art 3 Abs 1 Buchst h VO (EG) Nr 883/2004 genannten Leistungen bei Arbeitslosigkeit werden Leistungen verstanden, die den aufgrund der Arbeitslosigkeit verlorenen Arbeitslohn ersetzen sollen und deshalb für den Unterhalt des arbeitslosen Arbeitnehmers bestimmt sind (zum Saison-Kug BSG vom 7.5.2019 B 11 AL 11/18 R SozR 44300 § 175 Nr 3 RdNr 23 mwN). Lohnersatzleistung ist auch die Sozialleistung Kug (BSG vom 3.11.2021 - B 11 AL 6/21 R - BSGE 133, 91 = SozR 44300 § 106 Nr 1, RdNr 18), die in Prozessstandschaft vom Arbeitgeber für seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geltend zu machen ist.
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Personen, für die die VO (EG) Nr 883/2004 gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach dem zweiten Titel der VO (EG) Nr 883/2004 (Art 11 Abs 1 VO <EG> Nr 883/2004). Vorbehaltlich hier nicht abweichender Regelungen in Art 12 bis 16 VO (EG) Nr 883/2004 unterliegt gemäß Art 11 Abs 3 Buchst a VO (EG) Nr 883/2004 eine Person, die in einem Mitgliedstaat ua eine Beschäftigung ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats. Hier übte der Arbeitnehmer der Klägerin eine Beschäftigung nur in Deutschland aus, mit der Folge, dass deutsche Rechtsvorschriften anwendbar sind.
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b) Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Erlass eines sog Anerkennungsbescheids sind § 99 Abs 1, § 95 Satz 1 Nr 4, § 99 Abs 3 iVm § 95 Satz 1 Nr 1, § 96 bzw § 95 Satz 1 Nr 2, § 97 SGB III. Nach diesen Vorschriften haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter weiteren Voraussetzungen Anspruch auf Kug, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt, die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist (§ 95 Satz 1 Nr 1, 2 und 4 SGB III). Mit der Anzeige ist glaubhaft zu machen, dass ein erheblicher Arbeitsausfall besteht und die betrieblichen Voraussetzungen für das Kug erfüllt sind (§ 99 Abs 1 Satz 1 und 4 SGB III). Die Agentur für Arbeit hat der oder dem Anzeigenden unverzüglich einen schriftlichen Bescheid darüber zu erteilen, ob aufgrund der vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt und die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind (§ 99 Abs 3 SGB III).
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Die betrieblichen Voraussetzungen sind erfüllt, weil der Arbeitnehmer der Klägerin, für den allein Kug begehrt wird, seine Tätigkeit in einer vom Betrieb der Klägerin abgrenzbaren Betriebsabteilung im Sinne des Kurzarbeitergeldrechts erbracht hat (dazu aa). Die weitere Voraussetzung des Arbeitsausfalls mit Entgeltausfall sind nach den Feststellungen des LSG erfüllt und die Anzeige von Kurzarbeit ist durch die Arbeitgeberin bei den zuständigen Agenturen für Arbeit erfolgt (dazu bb), weshalb ein sog Anerkennungsbescheid zu erteilen ist.
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aa) Nach § 97 Satz 1 SGB III sind die betrieblichen Voraussetzungen des Kug erfüllt, wenn in dem Betrieb mindestens eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer beschäftigt ist. Betrieb im Sinne der Vorschriften über das Kug ist auch eine Betriebsabteilung, § 97 Satz 2 SGB III.
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Von einer Betriebsabteilung ist auszugehen, wenn es sich um eine im Grundsatz personell und organisatorisch vom Gesamtbetrieb abgegrenzte Einheit handelt, die in der Regel einen eigenen Betriebszweck verfolgt und mit eigenen Betriebsmitteln ausgestattet ist. Auf eine eigene technische oder fachliche Leitung kommt es nicht an. Das ergibt sich unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Kurzarbeitergeldregelungen (1) und dem Sinn und Zweck der Kurzarbeitergeldleistungen (2). Systematische Erwägungen führen zu keinem anderen Ergebnis (3).
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Eine ausdrückliche Definition oder weitere Vorgaben nimmt das SGB III in Bezug auf das Kug weder für den Betrieb noch für die Betriebsabteilung vor. Dem Wortlaut und der Binnenlogik des § 97 SGB III nach sind allerdings die Anforderungen an eine Betriebsabteilung geringer als die an einen Betrieb; anderenfalls bedürfte es der Gleichstellung in § 97 Satz 2 SGB III nicht.
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(1) Schon entstehungsgeschichtlich folgt die Unterscheidung zwischen Betrieb und Betriebsabteilung aus der Verordnung über die Kurzarbeiterunterstützung (vom 30.10.1928, Beilage zum Reichs-Arbeitsmarkt-Anzeiger Nr 44, 161/28) idF vom 5.11.1930 (RArbBl 1930, I 241; Beilage zum Reichs-Arbeitsmarkt-Anzeiger Nr 26, 94/30), die für die Gewährung von Leistungen voraussetzte, dass ein Arbeitnehmer in einem (gewerblichen) "Betrieb" beschäftigt ist (Art 2 Abs 1 Verordnung über die Kurzarbeiterunterstützung), während für das Maß des Arbeitsausfalls auf den "Betrieb oder eine Abteilung" abgestellt wurde (Art 4 Verordnung über die Kurzarbeiterunterstützung idF vom 5.11.1930). Insoweit hat das Reichsversicherungsamt (RVA) zu dem Begriff der Abteilung ausgeführt, dass damit die Erfüllung der Voraussetzungen erleichtert worden sei. Hierfür sei grundsätzlich maßgebend, ob nach der Organisation des Betriebs eine auf fachlichen Gründen beruhende Gliederung in Abteilungen vorliege, was ohne Weiteres der Fall sei, wenn die Abteilung besonderen Betriebszwecken diene. Eine Abteilung liege jedenfalls auch dann vor, wenn sich ein Betriebsteil durch die Betriebsorganisation, namentlich durch besondere technische Leitung und durch die Art des Arbeitsvorgangs von dem übrigen Betrieb abhebe (Entscheidungen und Mitteilungen des RVA, Bd 2, Nr 78 vom 6.11.1931 - IIIa Ar 194, 31 - S 191, 194). Maßgeblich war nach dieser Definition der Betriebszweck. Die einfacher zu objektivierenden und an diesem Punkt leichter festzustellenden Merkmale einer besonderen technische Leitung und die Art des Arbeitsvorgangs waren insoweit nur Hilfsmerkmale ("jedenfalls auch"), verdrängten aber die eigentlich maßgebliche Bestimmung der Abteilung nach dem "besonderen Betriebszweck" nicht.
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Dieser Bestimmung ist das BSG unter Geltung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) gefolgt und hat sie fortgebildet. In diesem Rahmen hat es allerdings nicht von der grundsätzlichen Maßgeblichkeit des Betriebszwecks Abstand genommen, sondern Ausnahmen für die Fälle zugelassen, in denen zwar der Betriebszweck gleich, die Betriebsteile aber räumlich so weit voneinander entfernt waren, dass wegen des Zwecks des Kug, die "bisherigen Arbeitsplätze" zu erhalten, eine weitere Betriebsabteilung anzunehmen sei (BSG vom 17.3.1972 - 7 RAr 50/69 - BSGE 34, 120 = SozR Nr 1 zu § 129 AVAVG - juris RdNr 16). Unter einer Betriebsabteilung iS des § 63 Abs 3 Arbeitsförderungsgesetzes hat das BSG einen personell und organisatorisch vom Gesamtbetrieb abgegrenzten Teil verstanden, der mit eigenen technischen Mitteln ausgestattet ist und in der Regel einen eigenen Betriebszweck verfolgt (BSG vom 29.4.1998 - B 7 AL 102/97 R - BSGE 82, 124 = SozR 34100 § 64 Nr 4 - juris RdNr 17 und BSG vom 20.1.1982 - 10/8b RAr 9/80 - SozR 4100 § 75 Nr 9 juris RdNr 29). Das Erfordernis einer von der Beklagten verlangten institutionellen oder einheitlichen Leitung lässt sich für eine Betriebsabteilung dieser Rechtsprechung nicht entnehmen. Vielmehr war entscheidend das Zusammenwirken von erheblichem Arbeitsausfall und organisatorischer Einheit, mit Blick auf das Ziel, durch Kug die bisherigen Arbeitsplätze zu erhalten.
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(2) Damit hat sich die Rechtsprechung schon in der Vergangenheit stets auf den Sinn und Zweck des Kug bezogen, durch Stabilisierung bestehender Arbeitsverhältnisse Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Arbeitsplatz und dem Betrieb die (eingearbeitete) Belegschaft zu erhalten (vgl BSG vom 11.12.2014 - B 11 AL 3/14 R - SozR 44300 § 170 Nr 3 RdNr 16; BSG vom 14.3.2012 - B 14 AS 18/11 R - SozR 44200 § 30 Nr 2 RdNr 17; s Begründung zum Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung <Arbeitsförderungs-Reformgesetz - AFRG>, BT-Drucks 13/4941, S 183). Maßgeblicher Aspekt für die Frage, ob eine Betriebsabteilung vorliegt, ist mithin, ob sie potentiell von einem spezifischen Arbeitsausfallrisiko im Verhältnis zum Gesamtbetrieb bzw zu anderen Betriebsabteilungen betroffen ist (vgl Bieback in BeckOK Sozialrecht, § 97 SGB III RdNr 2, Stand 1.3.2025; ders, DB 2021, 732, 733). Dies ist nicht von einer gesonderten fachlichen Leitung abhängig, sondern von den Ursachen des Arbeitsausfalls und ihren Auswirkungen auf die Tätigkeit einzelner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Letztere lassen sich aus Gründen der Arbeitsorganisation zwar in Gruppen zusammenfassen, weil sie den gleichen oder miteinander verwandten Tätigkeiten nachgehen. Die Organisation und personelle Zusammensetzung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu einer Gruppe folgt insoweit aber regelmäßig dem Zweck der Tätigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Je nach Spezialisierung auf einen bestimmten Zweck kann diese zu einer Betriebsabteilung zusammengefasste Einheit unterschiedlich groß sein. Mit wachsender Größe mag eine fachliche Leitung erforderlich werden, so dass sich die Betriebsabteilung in ihren Merkmalen dem Betrieb annähert. Dadurch wird die fachliche Leitung indes nicht zu einem bestimmenden Merkmal des Begriffs der Betriebsabteilung.
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(3) Vor dem Hintergrund dieser Darlegungen führen systematische Erwägungen mit Blick auf die Maßstäbe bei der Anwendung des "Betriebsbegriffs" etwa in § 613a BGB, § 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) oder § 4 Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) zu keinem anderen Ergebnis (aA Fachliche Weisungen Kug der Bundesagentur für Arbeit, Stand 20.12.2018, S 36, 97.5). Die dortigen Maßstäbe sind nicht auf die Auslegung des Begriffs der Betriebsabteilung iS des § 97 Satz 2 SGB III übertragbar. Bereits die Zweckrichtung des § 613a BGB mit der Sicherung der Arbeitsplätze bei einem Betriebsübergang, der Kontinuität des Betriebsrats, der Aufrechterhaltung der kollektivrechtlich geregelten Arbeitsbedingungen und der Verteilung der Haftungsrisiken zwischen dem alten und dem neuen Arbeitgeber (Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 25. Aufl 2025, § 613a BGB RdNr 2) sowie nach § 4 BetrVG mit der Bestimmung des Betriebsteils als betriebsratsfähiger Einheit in einer betriebsverfassungsrechtlichen Organisation (Koch in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 25. Aufl 2025, § 4 BetrVG RdNr 1) unterscheidet sich grundlegend von denen der Kurzarbeitergeldregelungen. Entscheidend ist jedoch, ebenso wie im Rahmen des § 17 KSchG, dass bei den benannten Regelungen der Betrieb Bezugspunkt der die Arbeitnehmer schützenden Bestimmungen ist. Erkenntnisse zur Auslegung des Begriffs der Betriebsabteilung iS des § 97 Satz 2 SGB III sind hieraus nicht zu gewinnen.
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Nach den vorgenannten Maßstäben ist hier die Tätigkeit des Arbeitnehmers der Klägerin als Tätigkeit in einer Betriebsabteilung iS des § 97 Satz 2 SGB III zu beurteilen. Es liegt zunächst eine personell und organisatorisch vom Gesamtbetrieb in Italien abgegrenzte Einheit vor, denn der Arbeitnehmer der Klägerin ist als deren einziger Mitarbeiter in Deutschland für die Betreuung der Kunden in Deutschland zuständig. Eine Eigenständigkeit der Einheit wird dadurch unterstrichen, dass sie räumlich, vom Gesamtbetrieb in Italien abgegrenzt ist. Aus dem Umstand, dass die Arbeiten nach den Feststellungen des LSG zum Teil in der Privatwohnung des Arbeitnehmers durchgeführt werden, folgt nichts anderes. Denn die Wohnung ist hier Teil der eigenständigen Organisation und Ausgangspunkt für die Erledigung der weiteren Tätigkeiten. Der eigene Betriebszweck liegt in der Betreuung von Kunden und der Wartung beziehungsweise der Reparatur der von der Klägerin gelieferten Geräte in Deutschland. Damit obliegt dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit, die sich von den Aufgaben des Produktionsbetriebs in Italien inhaltlich unterscheidet. Mit eigenen Betriebsmitteln in Gestalt eines Computers, Fahrzeugs und von Werkzeugen ist der Arbeitnehmer ebenfalls ausgestattet.
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bb) Ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall nach § 95 Satz 1 Nr 1, § 96 SGB III iS des § 99 Abs 3 SGB III ist nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG glaubhaft gemacht. Bezugspunkt ist auch insoweit nicht das Unternehmen als rechtlich-wirtschaftliche Einheit, sondern die Betriebsabteilung als technisch-organisatorische Einheit. Der Arbeitsausfall betrifft allein den deutschen Arbeitsmarkt (vgl BSG vom 7.5.2019 - B 11 AL 11/18 R - SozR 44300 § 175 Nr 3 RdNr 22 für das Saison-Kug). Da es sich hier um eine inländische Betriebsabteilung handelt, kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin ein Betrieb mit Sitz im Ausland ist.
31
Die Klägerin hat den Arbeitsausfall schließlich rechtzeitig ordnungsgemäß der für die Betriebsabteilung zuständigen Agentur für Arbeit angezeigt, § 99 Abs 1 SGB III (vgl Müller-Grune in jurisPKSGB III, § 99 RdNr 33, Stand 26.11.2024; zum Unterschied der Anzeige des Arbeitsausfalls für Betrieb und Betriebsabteilung BSG vom 21.1.1987 - 7 RAr 76/85 - SozR 4100 § 66 Nr 1 juris). Die insoweit gesetzlich vorgesehene räumliche Verknüpfung der zuständigen Agentur für Arbeit zum Ort der Betriebsabteilung mit Arbeitsausfall ermöglicht zeit- und ortsnahe Prüfungen der Voraussetzungen des sog Anerkennungsbescheids.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die Anzeige, die eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung darstellt (s BSG vom 21.1.1987 - 7 RAr 76/85 - SozR 4100 § 66 Nr 1 - juris RdNr 19; aA Estelmann in Eicher/Schlegel, SGB III, § 99 RdNr 42 f, Stand Oktober 2013, der eine - aber ebenfalls der Auslegung zugängliche - "Wissenserklärung" annimmt), nicht so verstanden werden, dass damit ein Arbeitsausfall in einem Betrieb in Italien anzeigt werden sollte. Zwar wird in der Anzeige vom 14.4.2020 als Betrieb "S2 Italien" angegeben. Damit wollte die Klägerin aber erkennbar nur mitteilen, wer Arbeitgeber ist. Obwohl eine Anzeige nach § 99 Abs 1 SGB III die Angabe des Anzeigeerstattenden enthalten muss (s zB Estelmann in Eicher/Schlegel, SGB III, § 99 RdNr 59, Stand Oktober 2013), weist das zur Verfügung gestellte Anzeigeformular lediglich ein Feld für Bezeichnung und Anschrift des Betriebs auf. Dass die Klägerin aber (nur) einen Arbeitsausfall bezüglich des (einzigen) Arbeitnehmers angezeigt und einen entsprechenden Betrieb bzw eine Betriebsabteilung in Deutschland gemeint hat, ergibt sich aus der weiteren Ausführung, dass im Betrieb "1 Arbeitnehmer/innen beschäftigt" sei sowie aus der beigefügten Kopie der Vereinbarung über Kurzarbeit nur mit dem Arbeitnehmer.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. § 197a Abs 1 Satz 1 SGG findet keine Anwendung (s BSG vom 5.6.2024 - B 11 AL 1/23 R - juris RdNr 51, für BSGE und SozR 44300 § 325 Nr 2 vorgesehen).