1. Für die Bewertung, ob es sich um ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich oder zur Krankenbehandlung handelt, sind die Angaben des Herstellers zu der der Zweckbestimmung entsprechenden Verwendung zugrunde zu legen.
2. Bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich wird nicht in erster Linie auf den regelwidrigen bzw. funktional beeinträchtigten Körperzustand mit dem Ziel der Heilung oder Besserung in einem kurativ-therapeutischen Sinne eingewirkt, sondern das Funktionsdefizit wird lediglich möglichst weitreichend kompensiert. Ein Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich setzt vorrangig erst an den Folgen des regelwidrigen Körperzustands an, indem es die Funktionsbeeinträchtigung ausgleicht oder die beeinträchtigte Funktion ersetzt (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.2018 – B 3 KR 18/17 R – Rn. 34).
3. Bei dem Ganzkörperanzug Exopulse Mollii Suit (Mollii Suit) handelt es sich nach seiner schwerpunktmäßigen Zielrichtung um ein Hilfsmittel zur Krankenbehandlung und nicht um ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich. Insbesondere indem er durch Elektrostimulation Nervensignale ersetzen soll, die beim gesunden Menschen auf natürliche Weise die Hemmung von Muskeleigenreflexen bewirken, erfolgt eine Einwirkung auf den Körper (Behandlung) und wird nicht an den Folgen des regelwidrigen Zustandes angesetzt.
4. Die Krankenbehandlung durch den Mollii Suit stellt eine neue Behandlungsmethode dar, die gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu Lasten der Krankenkassen erst erbracht werden darf, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 eine entsprechende Empfehlung abgegeben hat.
Krankenversicherung - Hilfsmittelversorgung - Ganzkörperanzug "Exopulse Mollii Suit" - Abgrenzung zwischen Krankenbehandlung und unmittelbarem Behinderungsausgleich - neue Behandlungsmethode
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- Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 3. September 2024 wird zurückgewiesen.
- Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Versorgung mit dem Hilfsmittel "Exopulse Mollii Suit" als (Sach-) Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Die 1971 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin leidet unter einer spastischen Tetraparese bei infantiler Zerebralparese. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung von 100 sowie der Pflegegrad 3 festgestellt worden. Kurze Strecken in ihrer Wohnung und bei der Arbeit legt sie mit einem Rollator, weitere Strecken mit einem Rollstuhl mit E-Fix-Ausrüstung zurück.
Unter dem 10.01.2023 verordnete die Fachärztin für Neurologie und Naturheilkunde MUDr. Z.... einen "elektrischen Neurostimulations-Ganzkörper-Anzug (Exopulse Mollii Suit) zur Reduktion der Spastik bei infantiler Zerebralparese (ICP) nach erfolgreicher 4-wöchiger Testphase mit erheblicher Steigerung der Mobilität und in der Durchführung alltagsrelevanter Tätigkeiten". Unter Vorlage dieser Verordnung und eines Kostenvoranschlages vom 20.01.2023, der Kosten für das Hilfsmittel in Höhe von 8.539,79 € ausweist, beantragte die Klägerin am 24.01.2023 die entsprechende Versorgung.
Zur Zweckbestimmung und Wirkungsweise des "Exopulse Mollii Suit" heißt es in dem Benutzerhandbuch des Herstellers auszugsweise:
"Der EXOPULSE Mollii Suit ist ein Multi-Kanal-Ganzkörperanzug mit Niedrigenergie-Elektrostimulation – 20 Volt und 20 Hz. Er setzt sich aus einem Bediengerät, einer Jacke und einer Hose mit 58 eingebetteten Elektroden zusammen, die direkt auf der Haut aufliegen und im Voraus so positioniert werden, dass 88 wichtige Muskelgruppen stimuliert werden.
…
Welche Nerven/Muskeln stimuliert werden sollen, wird von geschultem medizinischen Personal auf der Grundlage einer klinischen Beurteilung des Anwenders programmiert. Das Ergebnis wird anschließend nach standardisierten Verfahren ausgewertet. Der Bediener oder Anwender kann die vorprogrammierte Session zwar starten/pausieren/stoppen, aber nicht ändern, welche Nerven/Muskeln mit welcher Intensität stimuliert werden sollen.
…
EXOPULSE Mollii Suit ist für die folgende bestimmungsgemäße Verwendung vorgesehen:
• Entspannung von verspannter und spastischer Muskulatur
• Muskelaktivierung
• Erhöhung der lokalen Durchblutung
• Symptomatische Linderung chronischer Schmerzen.
EXOPULSE Mollii Suit ist für den Gebrauch im häuslichen sowie im klinischen Umfeld vorgesehen.
…
Zweckbestimmung: EXOPULSE Mollii Suit dient zur Entspannung verspannter und spastischer Muskeln und zur Muskelaktivierung, zur Verbesserung der lokalen Durchblutung und der Schmerzlinderung bei Patienten mit CP, MS, Schlaganfall und anderen neurologischen Erkrankungen, die derartige Symptome verursachen können, sowie zur Schmerzlinderung bei Patienten mit Fibromyalgie und anderen neurologischen Erkrankungen, die derartige Symptome verursachen können.
Soweit nichts anderes vom medizinischen Fachpersonal verordnet, ist das Hilfsmittel für eine 60-minütige Anwendung alle zwei Tage im häuslichen sowie im klinischen Bereich vorgesehen.
…
Wirkungsweise: EXOPULSE Mollii Suit wird für die Aktivierung von Muskeln oder die Entspannung spastischer Muskeln durch einen als reziproke Hemmung bezeichneten physiologischen Reflexmechanismus verwendet. Durch Senden eines elektrischen Signals an einen antagonistischen Muskel kann eine Entspannung des spastischen Muskels herbeigeführt werden. EXOPULSE Mollii Suit wird auch für das Management chronischer Schmerzen durch selektive Stimulation der Nervenfasern verwendet, die nicht-schmerzhafte sensorische Reize aus einer bestimmten Region weiterleiten, was zu einer Verringerung der Wirkung von Schmerzsignalen führen kann.
….
EXOPULSE Mollii Control Unit ist CE-gekennzeichnet und entspricht somit der Verordnung (EU) 2017/745 (MDR)."
Mit Bescheid vom 03.02.2023 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Für dieses neuartige Produkt sei der therapeutische Nutzen bisher nicht nachgewiesen. Alternativ empfahl die Beklagte funktionelle Elektrostimulation, Physiotherapie sowie Hausübungen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 10.02.2023 Widerspruch. Nach Erprobung sei sie überrascht gewesen, was der "Exopulse Mollii Suit" (nachfolgend: Mollii Suit) bei nur einer Stunde Stimulation bei ihr bewirkt habe. Die schmerzhaften Spasmen hätten sich deutlich reduziert. Sie habe eine weitere Strecke in einer kürzeren Zeit bewältigen können, einen sicheren Gang gehabt und sich nicht mehr so verkrampft festhalten müssen. Die Feinmotorik habe sich so verbessert, dass sie mit der in der Motorik stark eingeschränkten rechten Hand nach der Stimulation einen Stift habe halten und einen Becher gezielt zum Mund führen können. Die Tage nach der Stimulation sei ihr – ansonsten ungeregelter und schmerzhafter – Stuhlgang geregelt und der Gang zur Toilette viel leichter gewesen. Sie habe erstmals eine entspannte Muskulatur erlebt und für eine gewisse Zeit Ruhe und Leichtigkeit in den Muskeln verspürt.
Im Widerspruchsverfahren konsultierte die Beklagte den Medizinischen Dienst Sachsen (MD). In ihrem Gutachten vom 08.06.2023 stellte die MD-Gutachterin Dr. med. Y.... zunächst fest, dass es sich bei dem Produkt um eine transkutane Niedrigenergie-Ganzkörperelektrostimulation handele. Nach Ablegen des Produktes werde weiterhin eine Wirkung bzw. ein Effekt, der bei den Anwendern unterschiedlich lange anhalte, beschrieben. Es handele sich bei dem Produkt um Krankenbehandlung mittels einer bisher durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) noch nicht bewerteten Methode. Ein Nachweis des medizinischen Nutzens in evidenzbasierten Studien sei bisher noch nicht erbracht worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2024 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei dem beantragten Produkt handele es sich nicht um ein dauerhaft einzusetzendes Hilfsmittel im Sinne eines Behinderungsausgleiches, sondern es komme vielmehr im Rahmen der Krankenbehandlung zum Einsatz. Dabei handele es sich um ein neuartiges Produkt bzw. Hilfsmittel, welches untrennbar mit einer neuen Behandlungsmethode verbunden sei. Bewertungsverfahren nach § 135 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) beim G-BA seien nicht bekannt. Ein notstandsähnlicher Zustand nach § 2 Abs. 1a SGB V liege nicht vor.
Die Klägerin hat am 25.01.2024 Klage zum Sozialgericht (SG) Chemnitz erhoben. Bei der begehrten Versorgung handele es sich um eine Versorgung im Rahmen des unmittelbaren Behinderungsausgleichs, bei dem es auf die Bewertung des G-BA nicht ankomme (Hinweis auf SG Potsdam, Urteil vom 15.02.2024 – S 3 KR 255/21). Der Mollii Suit sei als orthopädisches Hilfsmittel zu qualifizieren, das insbesondere die Folgen eines Schlaganfalls, einer Zerebralparese oder bei Multipler Sklerose ausgleiche. Der Mollii Suit löse durch die Elektrostimulation verkrampfte Muskeln mit elektrischen Impulsen und könne verschiedenen Formen der Muskelverkürzung und Muskelsteifigkeit vorbeugen. So könnten Menschen mit Spastiken mobilisiert werden. Demnach werde die Körperfunktion durch den Mollii Suit – soweit möglich – ausgeglichen. Die vorhandene, aber fehlgebildete oder sonst wie geschädigte Muskulatur bzw. Nervenaktivität, werde gefördert, unterstützt und stabilisiert. Die Versorgung mit dem Mollii Suit führe vorliegend zu wesentlichen Gebrauchsvorteilen. Durch Tragen des Mollii Suits werde bei ihr – der Klägerin – ein wesentlich besseres Gangbild ohne Stolpern und Beinahestürze erzielt. Gleichgewicht und Koordination würden erheblich verbessert. Das Hilfsmittel sei auch erforderlich, da sein Einsatz zur Lebensbewältigung im Bereich der Grundbedürfnisse – hier des Gehens, Stehens, Greifens und Aufnehmens von Nahrung, der elementaren Körperpflege, des selbstständigen Wohnens und des Erschließens eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums – benötigt werde. Nicht jedwede gesundheitsfördernde Betätigung sei als spezifischer Einsatz im Rahmen der ärztlich verordneten Krankenbehandlung anzusehen. Selbst wenn man in der Anwendung des Mollii Suits eine "neue" Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne von §§ 135 ff. SGB V sehen würde, käme es im vorliegenden Fall nicht auf eine positive Beurteilung des G-BA an, denn es liege eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung vor. Ihre Erkrankung sei nicht behandelbar und bleibe auf Dauer bestehen. Der gesundheitliche Zustand verschlechtere sich nach und nach, sodass sich die Beeinträchtigungen auch weiter verstärkten.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat an ihren Ausführungen aus dem Widerspruchbescheid festgehalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 03.09.2024 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Mollii Suit ersetze keine ausgefallenen Körperfunktionen in konkreten Alltagssituationen im Rahmen des Behinderungsausgleichs i.S.v. § 33 Abs. 1 Satz 1 3. Var. SGB V. Dagegen spreche bereits, dass der Anzug nach den Empfehlungen des Herstellers nur alle zwei Tage für eine begrenzte Zeit (max. zwei Stunden) getragen werden solle. Eine Versorgung als Behinderungsausgleich würde im Falle der Klägerin, die unter Spastiken und damit verbundenen Kraft- und Bewegungseinschränkungen leide, keine Funktion ersetzen. Schon nach dem Vortrag der Klägerin selbst wirke sich die Anwendung lediglich positiv auf das eigene Gehvermögen sowie die Beweglichkeit und das Schmerzempfinden aus. Dies entspreche einer Behandlung und nicht dem Ersatz ausgefallener Körperfunktionen. Dem Anspruch auf Versorgung mit dem Hilfsmittel stehe entgegen, dass es sich um einen untrennbaren Teil einer neuen Behandlungsmethode handele, für die keine positive Empfehlung des G-BA vorliege. Die Voraussetzungen für einen individuellen Behandlungsversuch im Rahmen des § 2 Abs. 1a SGB V lägen schließlich nicht vor, denn es stünden jedenfalls zur Behandlung allgemein anerkannte, dem medizinischen Stand entsprechende Therapien zur Verfügung.
Gegen den Gerichtsbescheid des SG Chemnitz vom 03.09.2024 hat die Klägerin am 27.09.2024 Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Der Mollii Suit ersetze mit Hilfe der Elektrostimulation eine Körperfunktion, nämlich die fehlenden Signale, die die Muskeleigenreflexe hemmten. Es liege daher ein unmittelbarer Behinderungsausgleich und keine Behandlung im Sinne der §§ 135 ff. SGB V vor. Ihre Erkrankung werde mit dem Mollii Suit nicht kurativ behandelt. Der Anzug wirke nur dann, wenn er getragen werde, weil er nur dann den Muskeleigenreflex hemmen könne, der bei gesunden Menschen in natürlicher Weise gehemmt werde. Elektrostimulation stelle keine Behandlung einer Behinderung dar. So könne z.B. das Hilfsmittel "L300 Go" als Hilfsmittel im Rahmen des unmittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht werden.
Die Klägerin beantragt,
durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens auf dem Fachgebiet der Neurologie die Frage zu beantworten, ob der "Mollii Suit" in dem Zeitpunkt, in dem er getragen wird, auf den Körper in physiologischer Hinsicht konkret einwirkt und ob es sich dabei um Vorgänge bzw. Funktionen handelt, die bei einem gesunden Menschen grundsätzlich vorhanden sind, sowie
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 3. September 2024 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 3. Februar 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2024 zu verurteilen, die Klägerin mit dem Hilfsmittel Mollii Suit zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Beigezogen waren die Verwaltungsvorgänge der Beklagten. Auf diese und auf die Gerichtsakte wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Der Senat hatte in der Besetzung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden. Der Übertragungsbeschluss des 9. Senats des Sächsischen LSG nach § 153 Abs. 5 SGG hat nach Zuweisung des Verfahrens an den 1. Senat aufgrund der Änderung des Geschäftsverteilungsplans zum 01.04.2025 seine Wirksamkeit verloren (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 153 Rn. 25c; Burkiczak in jurisPK-SGG, 2. Aufl., Stand 30.07.2025, § 153 SGG Rn. 204).
II. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Streitgegenständlich ist – neben der erstinstanzlichen Entscheidung des SG – der Bescheid vom 03.02.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.01.2024, mit dem die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Versorgung mit dem Mollii Suit abgelehnt hatte. Gegen diese ablehnende Entscheidung wendet sich die Klägerin zulässigerweise im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4, § 56 SGG, wobei sie die Versorgung mit dem begehrten, bislang nicht selbstbeschafften Hilfsmittel als Sachleistung der GKV begehrt.
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Mollii Suit.
Der Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel steht entgegen, dass es untrennbarer Bestandteil einer neuen vertragsärztlichen Behandlungsmethode ist, für die der G-BA noch keine positive Bewertung abgegeben hat. Im Einzelnen:
a) Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (Var. 1), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (Var. 2) oder eine Behinderung auszugleichen (Var. 3), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 (Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischem Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung) ausgeschlossen sind. Nicht Voraussetzung ist, dass das Hilfsmittel bereits im Hilfsmittelverzeichnis gelistet ist.
b) Ob ein Hilfsmittel der Krankenbehandlung oder dem Behinderungsausgleich zuzuordnen ist, bestimmt sich nach dessen Funktionalität und schwerpunktmäßiger Zielrichtung bzw. Zwecksetzung (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15.03.2018 – B 3 KR 18/17 R – juris Rn. 23 ff.; BSG, Urteil vom 18.04.2024 – B 3 KR 13/22 R – juris Rn. 18 ff.).
Der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGB V) dient ein Hilfsmittel, das spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V) eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen (BSG, Urteil vom 08.07.2015 – B 3 KR 5/14 R – juris Rn. 20). Dabei stellt eine medizinische Maßnahme eine Krankenbehandlung dar, wenn sie eines der in den § 27 oder § 11 Abs. 2 SGB V genannten Ziele (Erkennen oder Heilen einer Krankheit, Verhütung der Krankheitsverschlimmerung, Linderung von Krankheitsbeschwerden, Vermeidung, Beseitigung oder Besserung einer Behinderung) verfolgt und dabei an der Krankheit selbst bzw. an ihren Ursachen ansetzt (BSG, Urteil vom 03.09.2003 – B 1 KR 34/01 R – juris Rn. 15).
Im Rahmen der Hilfsmittelversorgung zum Behinderungsausgleich i.S.v. § 33 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 SGB V ist zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Ausgleich zu unterscheiden. Danach dient ein Hilfsmittel dem unmittelbaren Behinderungsausgleich, wenn es die ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktion ausgleicht, indem es die entsprechende Körperfunktion ermöglicht oder sie weitestgehend (z.B. durch eine Beinprothese) ersetzt, während es im Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs zum Ausgleich der direkten und indirekten Behinderungsfolgen (z.B. durch einen Rollstuhl) eingesetzt wird (BSG, Urteil vom 14.06.2023 – B 3 KR 8/21 R – juris Rn. 16).
c) Unter Anwendung dieser Maßstäbe handelt es sich bei dem Mollii Suit um ein Hilfsmittel zur Krankenbehandlung und nicht – oder jedenfalls nicht nach der schwerpunktmäßigen Zielrichtung – um ein Hilfsmittel, das dem Behinderungsausgleich zuzuordnen ist.
Für die Bewertung, ob es sich um ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich oder zur Behandlung handelt, sind die Angaben des Herstellers zu der der Zweckbestimmung entsprechenden Verwendung zugrunde zu legen (vgl. zur Abgrenzung von medizinischen Behandlungszwecken BSG, Urteil vom 03.09.2003 – B 1 KR 34/01 R – juris Rn. 16). Eine Verwendung außerhalb der angegebenen und im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens nach der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.04.2017 über Medizinprodukte (Verordnung [EU] 2017/745 – in Kraft seit dem 26.05.2021) geprüften Zweckbestimmung ist auch nicht zulässig. Bei dem Mollii Suit handelt es sich um ein Medizinprodukt i.S.v. Art. 2 Nr. 1 Verordnung (EU) 2017/745. Gemäß Art. 5 Abs. 1 Verordnung (EU) 2017/745 darf ein Produkt nur in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, wenn es bei sachgemäßer Lieferung, korrekter Installation und Instandhaltung und seiner Zweckbestimmung entsprechenden Verwendung der Verordnung entspricht. Da das streitige Hilfsmittel mit dem CE-Konformitätskennzeichnung versehen ist, ist gemäß Art. 20 Abs. 1 Verordnung (EU) 2017/745 davon auszugehen, dass die Anforderungen der Verordnung erfüllt sind, jedoch nur in Bezug auf die vom Hersteller angegebene Zweckbestimmung.
Aus den danach maßgeblichen Herstellerangaben ergibt sich, dass der Mollii Suit sowohl nach seiner Zweckbestimmung als auch nach der beschriebenen Wirkungsweise im Rahmen der Krankenbehandlung zum Einsatz kommt. Denn diesen Angaben zufolge dient das Hilfsmittel "zur Entspannung verspannter und spastischer Muskeln und zur Muskelaktivierung, zur Verbesserung der lokalen Durchblutung und der Schmerzlinderung bei Patienten mit CP, MS, Schlaganfall und anderen neurologischen Erkrankungen, die derartige Symptome verursachen können, sowie zur Schmerzlinderung bei Patienten mit Fibromyalgie und anderen neurologischen Erkrankungen, die derartige Symptome verursachen können." Nach der beschriebenen Wirkungsweise, die vor allem darin besteht, dass durch Senden eines elektrischen Signals an den antagonistischen Muskel eine Entspannung des spastischen Muskels herbeigeführt wird, setzt das Hilfsmittel an der Krankheit bzw. ihren Symptomen (der Spastik etc.) an und dient damit einer medizinisch-therapeutischen Krankenbehandlung gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V im Sinne einer Linderung der Krankheitsbeschwerden. Dass durch den Einsatz des Hilfsmittels, wie die Klägerin berichtet hat, z.B. das Gehen und Greifen erleichtert wird, Schmerzen reduziert werden und die Obstipation abgemildert wird, ist ein Ergebnis dieser auf den Körper einwirkenden Krankenbehandlung.
Dass die Behandlung nicht auf die Heilung der Grunderkrankung (infantile Zerebralparese) gerichtet ist, steht entgegen der Ansicht der Klägerin der Einstufung als Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung nicht entgegen. Denn es ist im Rahmen von § 33 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGB V ausreichend, wenn mit dem Hilfsmittel ein therapeutischer Erfolg angestrebt wird, der auch in der Beseitigung oder Besserung von Symptomen bestehen kann (BSG, Urteil vom 08.07.2015 – B 3 KR 5/14 R – juris Rn. 21 [Glucosemonitoring]; BSG, Urteil vom 15.03.2012 – B 3 KR 2/11 R – juris Rn. 17 [Matratzen-Encasings]).
Dagegen ersetzt der Mollii Suit – anders als die Klägerin meint – durch die vom Hersteller beschriebene Wirkungsweise der Elektrostimulation keine körperliche Funktion im Sinne des unmittelbaren Behinderungsausgleichs. Bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich wird nicht in erster Linie auf den regelwidrigen bzw. funktional beeinträchtigten Körperzustand mit dem Ziel der Heilung oder Besserung in einem kurativ-therapeutischen Sinne eingewirkt, sondern das Funktionsdefizit wird im Schwerpunkt lediglich möglichst weitreichend kompensiert. Ein Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich setzt vorrangig also erst an den Folgen des regelwidrigen Körperzustands an, indem es hauptsächlich die Funktionsbeeinträchtigung ausgleicht oder die beeinträchtigte Funktion ersetzt (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.2018 – B 3 KR 18/17 R – Rn. 34 [Definitiv-Unterschenkelprothese]). Der Mollii Suit zielt aber – wie schon aufgezeigt – auf eine temporäre positive Veränderung des regelwidrigen Körperzustandes (Reduzierung der Spastik usw.) ab. Insbesondere das von der Klägerin in den Vordergrund gestellte "Ersetzen" der Nervensignale, die beim gesunden Menschen auf natürliche Weise die Hemmung von Muskeleigenreflexen bewirken, durch Elektrostimulation stellt eine Einwirkung auf den Körper (Behandlung) dar und setzt gerade nicht an den Folgen des regelwidrigen Zustandes an.
Dass die zuvor ausgefallene Funktion, etwa die des sicheren Ganges, nicht durch den Mollii Suit ersetzt, sondern durch den Körper selber wahrgenommen wird, wird besonders deutlich durch den Umstand, dass der Anzug nur über eine Stunde getragen wird, um eine Wirkung von bis zu 48 Stunden zu erzielen. Die Tatsache, dass nach dem Benutzerhandbuch der Patient während der einstündigen Anwendung des Mollii Suit auch still sitzen oder liegen kann, zeigt, dass es vorrangig auf den Behandlungseffekt ankommt, der auch nach der Anwendung für eine geraume Zeit nachwirken soll. Der Anzug ersetzt damit keine ausgefallene Körperfunktion in konkreten Alltagssituationen und ist somit kein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2025 – L 5 KR 1837/24 – juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 14.05.2025 – L 16 KR 315/24 – juris; Thüringer LSG, Urteil vom 13.06.2024 – L 2 KR 473/23 – juris; SG Augsburg, Urteil vom 24.07.2024 – S 10 KR 381/23 – juris; SG München, Urteil vom 28.11.2024 – S 51 KR 1038/23 – juris; SG Köln, Urteil vom 16.08.2024 – S 24 KR 1058/23 und Urteil vom 20.01.2022 – S 31 KR 1648/21; SG Heilbronn, Urteil vom 20.03.2024 – S 12 KR 2798/22 – juris; abweichend, aber – ohne plausible Abgrenzung nach einer Einwirkung auf den regelwidrigen Körperzustand und einer Kompensation der Folgen dieses Zustands – nicht überzeugend SG Potsdam Urteil vom 15.02.2024 – S 3 KR 255/21 – juris Rn. 37 ff.).
Der Senat sieht sich nicht veranlasst – wie von der Klägerin beantragt – ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, "ob der Mollii Suit in dem Zeitpunkt, in dem er getragen wird, auf den Körper in physiologischer Hinsicht konkret einwirkt und ob es sich dabei um Vorgänge bzw. Funktionen handelt, die bei einem gesunden Menschen grundsätzlich vorhanden sind". Denn er legt seiner Bewertung bereits den Sachverhalt zugrunde, den die Klägerin durch das Sachverständigengutachten beweisen möchte. Er geht nämlich gerade davon aus, dass der Mollii Suit nach seiner Zweckbestimmung und Wirkungsweise auf den Körper in physiologischer Hinsicht konkret einwirkt, um durch diese Einwirkung eine positive Änderung des Körperzustandes in Gestalt der Entspannung der von der Spastik betroffenen Muskeln möglichst entsprechend dem Zustand eines gesunden Menschen zu erreichen. Er bewertet diese Vorgänge – anders als die Klägerin – gerade deswegen als Krankenbehandlung und nicht als Behinderungsausgleich und zwar unabhängig davon, ob der gewünschte Effekt nur während des Tragens oder auch darüber hinaus eintritt.
Aus dem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 19.06.2018 (L 11 KR 1996/17 – juris) zum Fußhebesystem "Ness L300" (jetzt "L300 Go") ergibt sich für den Senat keine andere Bewertung des Sachverhalts. Nach den Feststellungen des LSG Baden-Württemberg wird durch das Fußhebesystem "Ness L300", bestehend aus einer Beinmanschette, einem Gangsensor und einer Fernbedienung, die über eine kabellose Verbindung in Kontakt stehen, durch Elektrostimulation eine Kontraktion bewirkt, so dass die Fußspitze beim Gehen angehoben wird. Der Sachverhalt ist mit dem hier zu beurteilenden schon nicht zu vergleichen, da das vom LSG Baden-Württemberg beurteilte Hilfsmittel in der konkreten Fußhebesituation zum Einsatz kommt und gezielt auf die Fußhebeaktion hinwirkt. Ein vergleichbar auf bestimmte Bewegungen oder Bewegungsabläufe – etwa das Gehen – ausgerichteter Wirkmechanismus wird nach den für den Senat allein maßgeblichen Herstellerangaben in Bezug den Mollii Suit nicht angegeben. Unabhängig hiervon kann der Senat vor dem Hintergrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Einordnung des Hilfsmittels "Ness L300" als Mittel allein des Behinderungsausgleichs nicht nachvollziehen, da auch dieses Hilfsmittel mittels Elektrostimulation auf einen Körperzustand einwirkt, um eine Veränderung desselben zu bewirken und damit jedenfalls auch Krankenbehandlung darstellt.
d) Die Krankenbehandlung durch den Mollii Suit stellt des Weiteren eine neue Behandlungsmethode dar, die gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu Lasten der Krankenkassen erst erbracht werden darf, wenn der G-BA in Richtlinien nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine entsprechende Empfehlung abgegeben hat. Allein schon weil es hier an einer solchen Empfehlung fehlt, besteht kein Anspruch auf Erbringung der begehrten Leistung zu Lasten der GKV (ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2025 – L 5 KR 1837/24 – juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 14.05.2025 – L 16 KR 315/24 – juris; Thüringer LSG, Urteil vom 13.06.2024 – L 2 KR 473/23 – juris; SG Augsburg, Urteil vom 24.07.2024 – S 10 KR 381/23 – juris; SG München, Urteil vom 28.11.2024 – S 51 KR 1038/23 – juris; SG Köln, Urteil vom 16.08.2024 – S 24 KR 1058/23 und Urteil vom 20.01.2022 – S 31 KR 1648/21; SG Heilbronn, Urteil vom 20.03.2024 – S 12 KR 2798/22 – juris).
aa) Die Sperrwirkung des § 135 Abs. 1 SGB V greift auch bei Hilfsmitteln, die – wie hier – als untrennbarer Bestandteil einer neuen vertragsärztlichen Behandlungsmethode eingesetzt werden sollen (BSG, Urteil vom 08.07.2015 – B 3 KR 5/14 R – juris Leitsatz [Glucosemonitoring]). Im Hinblick auf den Schutzzweck des § 135 Abs. 1 SGB V obliegt (ausschließlich) dem G-BA die Beurteilung, ob das therapeutische Hilfsmittel, das bei bestimmten Krankheitsbildern systematisch zum Einsatz kommen soll, in Bezug auf Nutzen, Risiken und Wirtschaftlichkeit zur Sicherung des Erfolgs einer ärztlich verantworteten Krankenbehandlung zur Erreichung eines bestimmten diagnostischen oder therapeutischen Nutzens angewandt werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.2016 – B 3 KR 5/14 R – Rn. 33 [Glucosemonitoring]; BSG, Urteil vom 12.06.2025 – B 3 KR 12/23 R – Terminsbericht [propriozeptive/sensomotorische Einlagen]). Stellen sich bei einem solchen Hilfsmittel Fragen zur Erforderlichkeit einer Methodenbewertung durch den G-BA, entfaltet die Regelung des § 135 Abs. 1 SGB V vorwirkende Sperrwirkungen im Hinblick auf jedes in der GKV neu einzusetzende Hilfsmittel, solange das dazu berufene – und entsprechend interessenplural zusammengesetzte – Beschlussgremium des G-BA noch nicht entschieden hat, ob dessen Einsatz gemessen an den Schutzzwecken des § 135 Abs. 1 SGB V einer Bewertung durch den G-BA zu unterziehen ist oder ob sich die Voraussetzungen für die Versorgung und die dabei einzuhaltenden Maßgaben hinreichend sicher aus den bereits eingeführten Einzelelementen der fraglichen Methode ableiten lassen (BSG, Urteil vom 18.04.2024 – B 3 KR 17/22 R – juris Rn. 15 [Lagerungsmatratze]; BSG, Urteil vom 14.06.2023 – B 3 KR 8/21 R – juris Rn. 19 ff. [Bewegungstrainer Innowalk]). Solange das zuständige Beschlussgremium des G-BA zu einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode noch keine Bewertung abgegeben hat, haben die Gerichte zu prüfen, ob die Methode im Vergleich zu bereits anerkannten Methoden oder zugelassenen vertragsärztlichen Leistungen so deutliche Unterschiede aufweist, dass eine selbstständige Bewertung durch den G-BA erforderlich ist (BSG, Urteil vom 11.05.2017 – B 3 KR 17/16 R – juris Rn. 41 [Kopforthese]).
bb) Bei der Anwendung des Mollii Suits handelt es sich um eine Behandlungsmethode.
Der Begriff der Behandlungsmethode beschreibt hierbei eine medizinische Vorgehensweise, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet, und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (BSG, Urteil vom 11.05.2017 – B 3 KR 17/16 R – juris Rn. 31; BSG, Urteil vom 08.07.2015 – B 3 KR 6/14 R – juris Rn. 32).
Diese Voraussetzung ist zu bejahen, denn mit dem vom Hersteller als "reziproke Hemmung" bezeichneten "physiologischen Reflexmechanismus" (siehe Benutzerhandbuch) liegt der Behandlung ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde. Die Methode wird auch systematisch durch regelmäßiges Tragen des Mollii Suit angewandt, um die beabsichtigte Wirkungsweise (Reduzierung der Spastiken usw.) zu erzielen.
cc) Die Wirkungsweise der betreffenden ärztlich veranlassten und verordneten Behandlungsmethode ist auch untrennbar mit der Anwendung des Hilfsmittels verbunden.
dd) Die Behandlungsmethode ist ferner "neu" im Sinne von § 135 Abs. 1 SGB V.
Als "neu" in diesem Sinne ist eine Methode einzustufen, wenn sie bisher überhaupt nicht oder jedenfalls nicht in dieser Form Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung war. Davon ist grundsätzlich auszugehen, wenn für sie zum Zeitpunkt der Behandlung keine abrechnungsfähige Position im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) aufgeführt ist (BSG, Urteil vom 26.05.2020 – B 1 KR 21/19 R – juris Rn. 13 m.w.N.). Setzt sich eine Behandlungsmethode aus einer Kombination verschiedener – für sich allein jeweils anerkannter oder zugelassener – Maßnahmen zusammen, kann es sich um eine neue Behandlungsmethode handeln, wenn das zugrundeliegende theoretisch-wissenschaftliche Konzept gerade in der neuartigen Kombination verschiedener Einzelleistungen liegt. Es kommt dann darauf an, ob die im EBM-Ä bereits enthaltenen ärztlichen Einzelleistungen oder bereits zugelassene Behandlungsmethoden eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren (BSG, Urteil vom 08.07.2015 – B 3 KR 6/14 R – juris Rn. 20 m.w.N.). Eine Behandlungsmethode ist dagegen nicht "neu" i.S.v. § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wenn ein Hersteller ein neues Hilfsmittel auf den Markt bringt, das nicht der Anwendung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode dienten, sondern im Rahmen einer eingeführten, anerkannten Behandlungsmethode zum Einsatz kommen soll, sich lediglich in Konzeption und Ausführung unterscheidet und das zugrunde liegende theoretisch-wissenschaftliche Konzept der Behandlungsmethode keine wesentliche Änderung erfahren hat (BSG, Urteil vom 28.09.2006 – B 3 KR 28/05 R – juris Rn. 32 [Vakuumstützsystem Vacoped]; BSG, Urteil vom 08.07.2015 – B 3 KR 6/14 R – juris Rn. 23 [Kniebewegungsschiene Camoped]. Um zu beurteilen, welche Änderungen oder Erweiterungen wesentlich sind, bedarf es einer Orientierung am Schutzzweck des § 135 Abs. 1 SGB V.
Nach § 135 Abs. 1 SGB V hat der G-BA Empfehlungen abzugeben über (1.) die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit – auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden – nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung, (2.) die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und (3.) die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung. Danach dient die vor dem Einsatz einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode zu Lasten der GKV ausgesprochene Empfehlung des G-BA der Sicherung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen. Neue medizinische Verfahren dürfen zum Schutz der Patienten nicht ohne hinreichende Prüfung ihres diagnostischen bzw. therapeutischen Nutzens und etwaiger gesundheitlicher Risiken in der vertragsärztlichen Versorgung angewandt werden. Ferner darf im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot die Leistungspflicht der GKV nicht auf unwirksame oder unwirtschaftliche Untersuchungs- und Behandlungsverfahren ausgedehnt werden (BSG, Urteil vom 08.07.2015 – B 3 KR 6/14 R – juris Rn. 21). Eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren bereits im EBM-Ä enthaltene ärztliche Leistungen oder zu Lasten der GKV abrechnungsfähige Methoden insbesondere dann, wenn sich der diagnostische bzw. therapeutische Nutzen aus einer bisher nicht erprobten Wirkungsweise der Methode ergeben soll oder wenn mit der Methode gesundheitliche Risiken verbunden sein könnten, denen bisher nicht nachgegangen wurde. Eine neue Wirkungsweise und bisher nicht erforschte Risiken können sich auch aus der Komplexität der Methode oder ihres technischen Ablaufs ergeben (BSG, Urteil vom 08.07.2015 – B 3 KR 6/14 R – juris Rn. 22).
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben stellt sich der Mollii Suit als "neu" i.S.v. § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V dar. Er war bislang nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung, ist nicht im Hilfsmittelverzeichnis (HMV) der GKV enthalten und unterscheidet sich auch wesentlich von den bislang bekannten Behandlungsmethoden der Elektrostimulation zur häuslichen Anwendung und entsprechenden, im HMV aufgeführten Geräten.
Elektrostimulationsgeräte sind in der Produktgruppe 09 (Elektrostimulationsgeräte) des HMV gelistet. In der Produktgruppe 09, Anwendungsort 37 (Nerven/Muskel) finden sich in Untergruppen Hilfsmittel zur Elektrostimulation gelistet, die zur Stimulierung einzelner Muskeln oder Muskelgruppen zur Anwendung kommen (Untergruppe 01: Niederfrequente Elektrostimulationsgeräte zur Schmerzbehandlung; Untergruppe 02: Niederfrequente Elektrostimulationsgeräte zur Muskelstimulation; Untergruppe 03: biphasische niederfrequente Elektrostimulationsgeräte bei Inkontinenz; Untergruppe 04: Elektrostimulationsgeräte zur funktionellen Elektrostimulation). Zur näheren Beschreibung der Produkte und ihrer Wirkungsweise wird auf die Information zur Produktgruppe 09 des HMV verwiesen.
Der Mollii Suit unterscheidet sich in mehreren Punkten wesentlich von den genannten Hilfsmitteln. Mit dem Anzug sollen mit 58 Elektroden bis zu 88 Muskelgruppen angesteuert werden. Eine derart über die ganze Körperfläche verteilte gleichzeitige Einwirkung mittels Elektrostimulation mit dem Wirkprinzip der Antagonistenhemmung unterscheidet sich deutlich von den bislang im HMV gelisteten Hilfsmitteln, die gezielt auf eine oder wenige Muskelgruppen gleichzeitig einwirken. Unterschiede bestehen auch in der Applikation der Elektroden, die bei "herkömmlichen" Elektrostimulationsgeräten unter Verwendung leitungsvermittelnder Materialien auf der Haut angebracht werden, während bei dem Mollii Suit die Elektroden in dem Anzug selber eingebettet sind. Die Verwendung eines eigens dafür konzipierten Ganzkörperanzugs ist bislang bei keinem gelisteten Hilfsmittel vorgesehen. Vor einer derart neuartigen Anwendungsweise in der vertragsärztlichen Versorgung sind der therapeutischen Nutzen und etwaige gesundheitliche Risiken zu überprüfen.
Bei der an dieser Stelle vorzunehmenden Beurteilung, ob eine "neue" Behandlungsmethode vorliegt, ist darüber hinaus der in § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V genannte Schutzzweck der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Die Versorgung mit dem Mollii Suit verursacht Kosten in Höhe von über 8.500,00 € und weicht damit auch preislich von den herkömmlichen Geräten zur Elektrostimulation deutlich ab, ohne dass durch den G-BA überprüft worden ist, ob diesen höheren Kosten auch eine Überlegenheit der Methode gegenüber anderen Methoden gegenübersteht. Im Hinblick darauf ergibt sich wiederum und unabhängig von den bereits dargestellten Unterschieden, dass die Behandlungsmethode mittels des Hilfsmittels Mollii Suit im Vergleich zu herkömmlichen Methoden als "neu" zu bewerten ist.
ee) Nur ergänzend sei angemerkt, dass dem G-BA für ein positives Votum – soweit ersichtlich – auch noch keine hinreichenden Entscheidungsgrundlagen vorlägen, da der therapeutische Nutzen und die potentiellen Risiken der Wirkungsweise des Mollii Suit bislang nicht durch Studien mit ausreichender wissenschaftlicher Evidenz belegt worden sind. Der Senat verweist hierzu auf das MD-Gutachten vom 08.06.2023 und die Stellungnahme des Ärztlichen Beirates der Deutschen Multiplen Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V. und des Krankheitsbezogenen Kompetenznetzes Multiple Sklerose Nr. 1/2023 vom 17.11.2023 (abrufbar unter https://www.dmsg.de/news/detailansicht/stellungnahme-zur-wirksamkeit-von-exopulse-mollii-suit). In der aktuellen AWMF-Leitlinie "Therapie des spastischen Syndroms" (Entwicklungsstufe S2k, Stand 01.12.2024) wird das Hilfsmittel (nur) im Zusammenhang mit der Behandlung von Schlaganfallpatienten erwähnt, wobei dort auf eine Studie verwiesen wird, die keinen unmittelbaren positiven Effekt auf die Spastik während oder nach 60 Minuten elektrischer Stimulation mit dem Mollii Suit feststellen konnte.
e) Ein anderes Ergebnis würde sich auch nicht ergeben, wenn man annehmen würde, dass der Mollii Suit zusätzlich den Ausgleich der Behinderung bezweckt. Auch dann müsste berücksichtigt werden, dass das Hilfsmittel aufgrund der beschriebenen Wirkungsweise zumindest auch kurativen Zwecken dient. In diesem Fall würde gleichfalls die Sperrwirkung des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V entgegenstehen, da bei Hilfsmitteln, die jedenfalls auch zu kurativen oder präventiven Zwecken bestimmt sind, vom G-BA Feststellungen zum allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu treffen sind, wenn sie – wie hier – in medizinischer Hinsicht wesentliche, bisher nicht geprüfte Neuerungen im Vergleich zu in der ambulanten Versorgung etablierten Therapien betreffen (BSG vom 14.06.2023 – B 3 KR 8/21 R – Rn. 19; BSG, Urteil vom 18.04.2024 – B 3 KR 17/32 R – juris Rn. 19).
f) Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V liegen im Fall der Klägerin ebenfalls nicht vor. Die Klägerin leidet nicht an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung. Die bei ihr vorliegende infantile Zerebralparese ist mit einer solchen Erkrankung auch nicht wertungsmäßig vergleichbar. Die wertungsmäßige Vergleichbarkeit einer Erkrankung mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung erfordert eine notstandsähnliche Extremsituation, wie sie auch für eine nahe Lebensgefahr typisch ist. Kennzeichnend dafür ist neben der Schwere der Erkrankung ein erheblicher Zeitdruck für einen bestehenden akuten Behandlungsbedarf. § 2 Abs. 1a SGB V erfasst daher nur Behandlungen, die sich auf ein akutes Krankheitsgeschehen beziehen, das von seiner Schwere und seinem Ausmaß mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankungen vergleichbar ist und bei dem eine unmittelbare und kurzfristige Interventionsnotwendigkeit besteht, um den Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion oder eine unmittelbar bevorstehende wesentliche Verschlechterung des akuten Krankheitszustands zu verhindern. Erst in einer solchen notstandsähnlichen Extremsituation, für die – wie bei der Lebenserhaltung – ein erheblicher Zeitdruck typisch ist, ist es gerechtfertigt, eine Erkrankung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung wertungsmäßig gleichzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 16.08.2021 – B 1 KR 29/20 R – juris Rn. 14 m.w.N. [Trainingsprogramm "Project Walk" bei Querschnittslähmung]). Denn der zentrale Anknüpfungspunkt des Anspruchs ist das Vorliegen einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Kammerbeschluss vom 11.04.2017 – 1 BvR 452/17 – Rn. 22; BVerfG, Beschluss vom 10.11.2015 – BvR 2056/12 – juris Rn. 17 ff.; BSG, a.a.O.). An einer solchen individuellen Notlage fehlt es hier. Die Klägerin leidet bereits seit ihrer Geburt an infantiler Zerebralparese. Die Klägerin hat lediglich unkonkret vorgetragen, dass sich ihre Befunde verschlechtern. Dass eine notstandsähnliche Situation mit Interventionsbedarf in einem engen Zeitfenster vorliegt oder zeitnah droht, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
IV. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.