Die Klagen werden abgewiesen.
Der Beklagte hat 1/10 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der „Rücknahme“ einer Bewilligung ab 1. Dezember 2019 sowie von endgültigen Bewilligungen von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum Juni bis August 2018 und September 2018 bis 18. Januar 2019 und Erstattungen von Leistungen in Höhe von insgesamt 4.956,00 Euro für den Zeitraum Juni bis November 2018.
Die Klägerin bezog ursprünglich Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten.
Im Rahmen eines persönlichen Gespräches teilte die Klägerin dem Beklagten am 16. April 2018 mit, dass sie demnächst eine Erbschaftsauszahlung erhalten werde.
Der die Erbschaft auseinandersetzende Rechtsanwalt und Notar übermittelte den Erbauseinandersetzungsvertrag vom 5. April 2018 am 9. April 2018 dem Beklagten. Daraus ergibt sich eine Erbschaft i.H.v. 2/15. Dies entspricht einem Betrag von 22.667,00 Euro.
Mit Schreiben vom 14. Mai 2018 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Beklagten mit, dass eine Zahlung seitens des Miterben C. auf sein Konto erfolgt sei und er das Geld am heutigen Tag der Klägerin auszahlen werde.
Mit Schreiben vom 16. Mai 2018 forderte der Beklagte die Klägerin zur Mitwirkung auf. Er beabsichtige, den Weiterbewilligungsantrag abzulehnen.
Die Klägerin teilte daraufhin am 21. Mai 2018 mit, dass sie am Sonntag, den 20. Mai 2018 in ihrer Wohnung beklaut worden sei. Den Geldbeutel mit dem Geld des Erbes habe der Einbrecher mitgenommen.
Mit vorläufigem Bescheid vom 12. Juni 2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin vorläufige Leistungen für Juni bis August 2018 in Höhe von monatlich 826,00 Euro.
Mit Bescheid vom 3. August 2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin vorläufige Leistungen für den Zeitraum 1. September 2018 bis zum 28. Februar 2019 in Höhe von monatlich 826,00 Euro.
Die ermittelnden Behörden teilten dem Beklagten am 19. Oktober 2018 mit, dass das Verfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben worden sei. Es seien von Amts wegen Ermittlungen wegen des Vortäuschens einer Straftat eingeleitet worden. Die Ermittlungen gegen den Beschuldigten Herrn D. wegen des Diebstahls der Erbschaft seien eingestellt worden.
Mit Bescheid vom 20. November 2018 stellte der Beklagte die Leistungen sodann vorläufig ab Dezember 2018 ein.
Mit Schreiben vom 27. November 2018 hörte der Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Rücknahme der bewilligten Leistungen ab 1. Dezember 2018 an.
Mit eidesstattlicher Versicherung vom 8. Dezember 2018 versicherte die Klägerin, dass sie kein Vermögen habe und ihr das Geld geklaut worden sei.
Die Klägerin stellte am 21. Dezember 2018 einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz (Verfahren S 8 AS 832/18 ER und anschließend L 9 AS 52/19 ER).
Mit Bescheid vom 16. Januar 2019 nahm der Beklagte den Bescheid vom 12. Juni 2018 und somit die Bewilligung von Leistungen ab 12/2018 ganz zurück.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 21. Januar 2019 Widerspruch ein, welchen der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2019 als unbegründet zurückwies. Nach dem Abschluss der polizeilichen Ermittlungen sei davon auszugehen, dass der Diebstahl nicht stattgefunden habe und von der Klägerin nur vorgetäuscht worden sei. Der Verbleib des Geldes aus der Erbschaft sei ungeklärt. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Leistungen, da sie nicht hilfebedürftig sei.
Die Klägerin hat vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten am 11. Februar 2019 Klage am Sozialgericht Gießen erhoben (S 25 AS 88/19).
Im März 2019 hat die Klägerin erneut einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz gestellt (S 8 AS 114/19 ER und anschließend L 9 AS 154/19 ER).
Die Klägerin hat zum 15. April 2019 eine Wohnung in A-Stadt im Lahn-Dill Kreis bezogen.
Mit Bescheiden vom 16. Mai 2019 hat der Beklagte die Gewährung von Leistungen für den Zeitraum Juni bis August 2018 endgültig abgelehnt (ursprüngliches Verfahren S 29 AS 474/19 bzw. S 29 AS 36/23) und die Klägerin zur Erstattung von Leistungen in Höhe von 2.478,00 Euro aufgefordert (ursprüngliches Verfahren S 29 AS 476/19). Ferner hat der Beklagte mit Bescheiden vom gleichen Tag die Gewährung von Leistungen für den Zeitraum Dezember 2018 bis 18. Januar 2019 endgültig abgelehnt (ursprüngliches Verfahren S 29 AS 475/19) und die Klägerin zur Erstattung von Leistungen für den Zeitraum September 2018 bis November 2018 in Höhe von 2.478,00 Euro aufgefordert (ursprüngliches Verfahren S 29 AS 477/19).
Die Klägerin hat gegen die Bescheide vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 20. Mai 2019 Widerspruch eingelegt.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 5. Juli 2019 hat der Beklagte die Widersprüche jeweils als unbegründet zurückgewiesen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat jeweils am 11. Juli 2019 Klage am Sozialgericht Gießen erhoben.
Die 29. Kammer hat die Verfahren S 29 AS 475/19, S 29 AS 476/19 und S 29 AS 477/19 durch Beschluss vom 19. September 2019 zu dem ursprünglichen Verfahren S 29 AS 474/19 hinzuverbunden. Die 25. Kammer hat das Verfahren S 29 AS 36/23 (vor Wideraufruf S 29 AS 474/19) kammerübergreifend durch Beschluss vom 28. Februar 2023 zu dem Verfahren S 25 AS 88/19 hinzuverbunden.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin trägt vor, die Klägerin sei als bedürftig anzusehen. Ihr stünden auch ab 1. Januar 2019 keine Einkünfte zur Verfügung. Die Klägerin verfüge auch nicht über Vermögen, der aus der Erbschaft stammende Betrag sei der Klägerin geklaut worden. Der Diebstahl der Erbschaft habe stattgefunden. Die Klägerin habe dem Beklagten auch zunächst die Erbschaft gemeldet. Habe sie dies verschleiern wollen, hätte sie den Anfall des Vermögens erst gar nicht dem Beklagten mitgeteilt. Angesichts der Wohnungsdurchsuchung sei der Betrag nicht aufgefunden worden. Herr D. habe sich selbst in den Bekennerschreiben der Tat bezichtigt. Die Klägerin habe die Schreiben nicht verschickt. Die Klägerin könne sich nicht erklären, wie einige Schreiben auf die bei ihr beschlagnahmten Rechner gelangten. Es sei für andere auch sehr leicht, in die Wohnung zu gelangen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein Dritter sich Zutritt verschafft habe. Der Umstand, dass bis heute ungeklärt sei, wo das Geld verblieben sei, dürfe nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Ferner sei das Mietverhältnis der Klägerin gekündigt worden, da die Klägerin für die Monate Dezember 2018, Januar 2019 und Februar 2019 keine Miete gezahlt habe. Dies spreche ebenfalls dafür, dass die Klägerin weder Einkommen noch Vermögen habe. Die Klägerin habe Unterstützung durch die Schwester sowie Pflegegeld erhalten. Das Pflegegeld sei dann auch im Rahmen der Durchsuchung in der Wohnung der Klägerin aufgefunden worden. Weiteres Geld sei jedoch nicht aufgefunden worden. Schließlich sei die Klägerin verpflichtet gewesen, das Geld, sofern ihr dieses nicht abhandengekommen wäre, an den Treuhänder im Insolvenzverfahren zu überweisen. Daher sei allenfalls die Hälfte des Betrages anzurechnen. Die Klägerin habe im Rahmen des Berufungsverfahrens nur eingeräumt, einen Fehler gemacht zu haben.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Bescheid des Beklagten vom 16. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 11. Februar 2019 aufzuheben,
unter Abänderung des Bescheids des Beklagten vom 16. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2019 der Klägerin Leistungen in Höhe von 826,00 Euro monatlich für den Zeitraum 1. Juni 2018 bis 31. August zu zahlen,
den Erstattungsbescheid des Beklagten vom 16. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2019 für den Zeitraum 1. Juni 2018 bis 31. August aufzuheben,
unter Abänderung des Bescheids des Beklagten vom 16. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2019 der Klägerin Leistungen in Höhe von 826,00 Euro monatlich für den Zeitraum 1. September 2018 bis 18. Januar zu zahlen,
den Erstattungsbescheid des Beklagten vom 16. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2019 für den Zeitraum 1. August 2018 bis 30. November 2018 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist maßgeblich auf die im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Gründe. Der Beklagte trägt ergänzend vor, dass aus einer Mitteilung des ermittelnden Beamten hervorginge, dass die Klägerin im Rahmen des Berufungsverfahrens vor dem Landgericht Gießen eingeräumt habe, gelogen zu haben.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte des Beklagten, die Akten der Ermittlungsbehörde (Polizeipräsidium Mittelhessen/Polizeistation Friedberg), der Staatsanwaltschaft Gießen sowie des Landgerichts Gießen beigezogen. Die Kammer hat zudem die Akten der Eilrechtsschutzverfahren vor dem SG Gießen, Aktenzeichen S 25 AS 832/18 ER und S 8 AS 114/19 ER sowie der Beschwerdeverfahren vor dem Hessischen Landessozialgericht, Aktenzeichen L 9 AS 52/19 B ER sowie L 9 154/19 B ER beigezogen. Schließlich hat die Kammer Beweis erhoben durch die Einvernahme der Zeugin Frau H. Wegen des Inhalts der Zeugenaussage wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3. Februar 2023 Bezug genommen. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Behördenvorgänge sowie der Gerichtsakten verwiesen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte vorliegend durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Absatz 2 SGG entscheiden. Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung am 3. Februar 2023 im Rahmen der mündlichen Verhandlung zugestimmt.
Die als isolierte Anfechtungsklage bzw. kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthafte Klage nach § 54 Absatz 1, Absatz 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig, jedoch unbegründet.
1. Die endgültigen Bewilligungs- sowie Erstattungsbescheide des Beklagten vom 16. Mai 2019 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2019 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in Ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum Juni bis August 2018 und September 2018 bis 18. Januar 2019 sowie darüber hinaus. Die Kammer sieht es vorliegend nicht als erwiesen an, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Leistungszeitraum hilfebedürftig war.
Nach § 7 Absatz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Nach § 9 Absatz 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Ob und in welchem Umfang Hilfebedürftigkeit vorliegt, lässt sich für die laufenden (Geld-) Leistungen aus der Gegenüberstellung des Gesamtbedarfs (Regelbedarf, Mehrbedarfe, Bedarf für Unterkunft und Heizung, Bedarfe für Bildung und Teilhabe, § 19 Absatz 1 Satz 3, Abs. 2, Abs. 3 SGB II) des Antragstellers bzw. der Bedarfsgemeinschaft (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II) mit dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen ermitteln.
Als Einkommen sind gemäß § 11 Absatz 1 Satz 1 SGB II Einnahmen in Geld oder in Geldeswert im Sinne von § 11 Absatz 1 Satz 2 SGB II abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen. Nach § 12 Absatz 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Bestimmte Absetzbeträge und Schonvermögen sind nach § 12 Absatz 2 und 3 SGB II von der Heranziehung dauerhaft ausgenommen.
Einkommen ist demnach grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält; Vermögen ist alles, was er vor der Antragstellung bereits hatte.
Vorliegend wurde der Klägerin im Mai 2018 ein Erbe in Höhe von 22.667,00 Euro durch ihren Prozessbevollmächtigten in bar ausgezahlt. Der Prozessbevollmächtigte erhielt den Betrag am 11. Mai 2018 auf sein Konto ausgezahlt und hat dieses am 14. Mai 2018 abgehoben und der Klägerin in bar übergeben, so dass allein in Frage steht, ob die Klägerin mit vorhandenem Vermögen ihren Lebensunterhalt sichern konnte. Im Zeitraum 1. Juni 2018 bis einschließlich November 2018 erhielt die Klägerin zudem ursprünglich vorläufige Leistungen nach dem SGB II ausgezahlt.
Das Gericht sieht es im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 128 Absatz 1 Satz 1 SGG nicht als erwiesen an, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Leistungszeitraum hilfebedürftig war. Vielmehr begründen die dargelegten Umstände erhebliche Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Klägerin, welche die Konsequenz der Beweislosigkeit zu tragen hat (zur Beweislast bei Umständen in der Sphäre eines Beteiligten: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15. Juni 2016 – B 4 AS 41/15 R, Rdnr. 30; zur allgemeinen Beweislast für die Hilfebedürftigkeit: BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 – B 14 AS 6/08 R, Rdnr. 19).
Gemäß § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Ein Vollbeweis ist erbracht, wenn für das Gericht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass die Klägerin hilfebedürftig ist.
Eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist dabei gegeben, wenn eine Tatsache in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. Gewisse Zweifel sind unschädlich, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten. Beim Richter muss allerdings ein Maß an persönlicher Gewissheit erreicht sein, welches Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie andererseits völlig auszuschließen (s.a. SG Duisburg, Urteil vom 29. Mai 2020 – S 49 AS 3304/16, juris, Rn. 77 ff.).
Vorliegend überwiegen nach Auffassung der Kammer jedoch die erheblichen Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Klägerin.
Diese Zweifel begründen sich zum einen auf den unglaubwürdigen Angaben der Klägerin sowie den Ermittlungsergebnissen der Ermittlungsbehörden, welche den seitens der Klägerin angegebenen Tathergang zur Überzeugung des Gerichts nicht stützen. Darüber hinaus schließt sich die Kammer vorliegend auch den Ausführungen der Strafgerichte an. Die Klägerin ist durch rechtskräftiges Urteil in dem Verfahren 8 Ns – 401 Js 26298/18 auf Grund des Urteils des Amtsgerichts Friedberg vom 9. Juli 2019 in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Gießen vom 2. November 2020 und dem Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. Mai 2021 der Falschverdächtigung schuldig und unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Neunkirchen vom 6. Mai 2019 (10 Ls 09 Js 288/16 [91/18]) und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtstrafe von 2 Jahren verurteilt worden, deren Vollstreckung auf Bewährung ausgesetzt wurde. Die Kammer schließt sich den Ausführungen der Strafgerichte an und hält es ebenfalls für erwiesen, dass die Klägerin bewusst einen Dritten des Diebstahls des Erbes bezichtigt hat.
Die Klägerin hält im hiesigen Verfahren vorliegend weiterhin daran fest, dass ihr das Geld gestohlen worden sei, wenn auch von einer anderen Person. Auf Grund der umfangreichen Ermittlungen steht aber zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der Tathergang nicht wie von der Klägerin vorgegeben, zugetragen haben kann. Somit bestehen erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Angaben der Klägerin. Dies stützt die Kammer auf die umfangreichen Ermittlungen sowie die seitens der Ermittlungsbehörden gesicherten Beweise auf den Rechnern der Klägerin. Insbesondere wurden vorliegend Schreiben, die angeblich von Herrn D. stammen sollten, auf dem Rechner der Klägerin sichergestellt, ohne dass diese eine hinreichende Erklärung dafür hat. Auch der Tathergang, wie von der Klägerin dargelegt, ist auf Grund der räumlich örtlichen Umstände unglaubwürdig. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen der Strafgerichte sowie der Ermittlungsakten verwiesen.
Darüber hinaus konnte die Klägerin auch im hiesigen Verfahren keine glaubwürdigen Angaben machen, die ihre Angabe, das Erbe sei geklaut worden, stützen. Vielmehr begründen sich weitere Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Klägerin auf Grund der beigezogenen Akten des Landessozialgerichts sowie der Zeugenaussage der Schwester der Klägerin sowie deren Prozessbevollmächtigten.
Die Klägerin selbst gab im Rahmen des am 26. April 2019 durchgeführten Erörterungstermins in den Verfahren L 9 AS 52/19 B ER und L 9 AS 154/19 B ER an, sie habe sich „seit Dezember 2018 jeden Monat 400,00 Euro von Herrn B. geliehen“. Ferner gab die Klägerin auf Vorhalt der im erstinstanzlichen Eilrechtsschutzverfahren getätigten Angaben an: „Ja, es kann sein, dass ich auch mal Geld von meiner Schwester geliehen habe. Die Höhe habe ich geschätzt. Das weiß ich nicht mehr so genau.“
Der Prozessbevollmächtigte gab nunmehr an, der Klägerin zwar Geld geliehen zu haben, konnte aber keine konkrete Angabe mehr machen. Er gab an, es seien mehr als 50,00 Euro gewesen, aber es sei auch nicht so sonderlich viel gewesen. Der Prozessbevollmächtigte bezog im streitgegenständlichen Zeitraum aufstockende Leistungen nach dem SGB II. Der Prozessbevollmächtigte gab an, dass das geliehene Geld wohl aus Zahlungen von Mandanten stammen müsse. Dass tatsächlich monatlich 400,00 Euro, wie durch die Klägerin im Eilrechtsschutzverfahren angegeben, seitens des Prozessbevollmächtigten geliehen wurde, lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen.
Zur Überzeugung des Gerichts steht demgegenüber jedoch fest, dass die Klägerin sich zu keinem Zeitpunkt Geld bei ihrer Schwester, der Zeugin H., geliehen hat. Dies begründet die Kammer mit der glaubhaften Aussage der Zeugin, die eine Leihe an die Klägerin kategorisch ausschloss. Darüber hinaus begründen sich die gewichtigen Zweifel der Kammer an der Hilfebedürftigkeit der Klägerin in den weiteren seitens der Schwester gemachten Angaben. So habe die Klägerin sich zunächst nach dem Diebstahl ein Auto gekauft, was rund 1.000,00 Euro gekostet hat. Die Klägerin hat den Kauf zwar nicht bestritten, der Prozessbevollmächtigte konnte aber keine weiteren Angaben machen, woher das Geld stammte. Die Klägerin bezog im streitgegenständlichen Zeitraum neben Leistungen nach dem SGB II nur Pflegegeld. Ferner gab die Schwester an, dass die Klägerin in einem Zeitraum nach dem „Diebstahl“ im Rahmen von zwei Gelegenheiten mit einem 500,00 Euro-Schein bezahlt habe. Dies zum einen während einer gemeinsamen Urlaubsreise, zum anderen im Rahmen eines Einkaufs bei Real in C-Stadt. Die nach Angaben der Schwester getätigten Aussagen der Klägerin zur Herkunft der Scheine (Zurücklassen durch den Dieb bzw. Auffinden in einer Bahnhofstoilette) sind nach Auffassung der Kammer unglaubwürdig. Vielmehr begründet diese Aussage der Schwester der Klägerin weitere gewichtige Zweifel daran, dass der Klägerin tatsächlich selbst keine hinreichenden Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden haben. Letztlich obliegt es der Klägerin, den Beweis für ihre Hilfebedürftigkeit zu erbringen, den sie vorliegend nicht erbracht hat.
Die Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheids richtet sich vorliegend nach § 41a Absatz 3 SGB II. Die Leistungen sind vollständig zu erstatten, da die Leistungen vollständig aufgehoben wurden.
2. Der Bescheid des Beklagten vom 16. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 11. Februar 2019 war für die Zeit bis zum 18. Januar rechtswidrig. Für den nachfolgenden Zeitraum rechtmäßig.
Für die Vergangenheit folgt die Rechtswidrigkeit des Bescheides daraus, dass ursprünglich eine vorläufige Bewilligung erfolgt ist. Demnach hat eine endgültige Bewilligung zu erfolgen. Der Aufhebungsbescheid des Beklagten vom 16. Januar 2019 kann nicht als abschließende Entscheidung im Sinne des § 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II ausgelegt werden (s. Landessozialgericht Hessen, Beschluss vom 7. Mai 2019, L 9 AS 52/19 B ER). Der auf § 45 SGB X i.V.m. § 40 Absatz 1 SGB II und § 330 Absatz 2 SGB III gestützte Aufhebungsbescheid vom 16. Januar 2019 kann nicht in eine abschließende Entscheidung nach § 41a Absatz 3 Satz 1 SGB II umgedeutet werden (s. Landessozialgericht Hessen, Beschluss vom 7. Mai 2019, L 9 AS 52/19 B ER). Eine wie hier erfolgte Rücknahme ist rechtswidrig. § 45 Absatz 2 SGB X findet keine Anwendung (§ 41a Absatz 2 Satz 5 SGB II). § 41a Absatz 2 Satz 4 SGB II normiert die Verpflichtung des Leistungsträgers, eine rechtswidrige vorläufige Entscheidung für die Zukunft zurückzunehmen. Für die Zukunft ist der Bescheid jedoch rechtmäßig. Die Voraussetzungen liegen vor. Der Beginn des Zeitpunkts der Aufhebung für die Zukunft ist der 19. Januar 2019 (vgl. § 37 Abs. 1 SGB X - Zugang mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ab 19. Januar 2019. Für die weiteren Ausführungen wird auf die bereits in Nr. 1 getätigten Ausführungen verwiesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Vorliegend war zu berücksichtigen, dass der Bescheid des Beklagten vom 16. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 11. Februar 2019 für die Vergangenheit rechtswidrig war. Daraus folgt eine Kostenlast des Beklagten in Höhe von 1/10.