I. Die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. Mai 2021 - S 9 AS 137/17 - und vom 1. Juli 2022 - S 9 AS 363/22 - werden zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
Mit der Klage begehrt der Kläger die Gewährung höherer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) vom Beklagten im Zeitraum 1. Januar 2017 bis 30. Oktober 2017, wobei er sich auf die Verfassungswidrigkeit des SGB II beruft, eine Aufrechnung aus einem Mietkautionsdarlehen für rechtswidrig hält und dessen Umwandlung in einen Zuschuss begehrt.
Der 1961 geborene Kläger steht seit mehreren Jahren im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II beim Beklagten. Im Jahr 2014 schloss der Kläger mit dem Beklagten einen öffentlich-rechtlichen Darlehensvertrag über die Gewährung eines zinslosen Mietkautionsdarlehens in Höhe von 705,- Euro. Diese Darlehensschuld sollte in monatlichen Raten in Höhe von 15,- Euro beginnend ab 1. Juni 2014 getilgt werden. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 160 ff. der Gerichtsakte (GA) zum Az. L 6 AS 310/21 Bezug genommen. Gleiches gilt für die weiteren nachfolgend unter Angabe der Aktenfundstelle (Gerichts- und Verwaltungsakte) aufgeführten Unterlagen.
Ausweislich der vorliegenden Dokumente erfolgte eine (Teil-)Aufrechnung mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab 1. Dezember 2014 in Höhe von 10,- Euro monatlich.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 30. September 2016 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 4. Oktober 2016 (Bl. 72 f. Band I der Leistungsakte des Beklagten – LA I) Leistungen für den Zeitraum vom 1. November 2016 bis 30. Oktober 2017 in Höhe von monatlich 808,17 Euro, bestehend aus dem Regelsatz in Höhe von 404,- Euro und aus den Unterkunftskosten in Höhe von 404,17 Euro. Es erfolgte die oben genannte Aufrechnung i.H.v. 10,- Euro monatlich. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Am 1. Dezember 2016 legte der Kläger unter anderem die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2015 vor, aus der sich ein Guthaben in Höhe von 391,75 Euro ergab. Die Gutschrift war zum 1. Dezember 2016 fällig. Aus dem Schreiben des Klägers ging hervor, dass die Gutschrift mit der nächsten Mietzahlung an den Vermieter, die vom Beklagten direkt erfolgte, verrechnet werden könne (Bl. 79 LA I).
Mit Änderungsbescheid vom 26. November 2016 (Bl. 94 – 95 LA I) passte der Beklagte den Regelsatz für die Zeit ab 1. Januar 2017 an und bewilligte Leistungen in Höhe von 813,17 Euro, wobei er vom Regelsatz in Höhe von 409,- Euro ausging. Es erfolgte weiterhin eine Aufrechnung i.H.v. 10,- Euro. Den Bescheid vom 4. Oktober 2016 hob er insoweit auf. Mit Änderungsbescheid vom 5. Dezember 2016 (Bl. 84 – 86 LA I) hob der Beklagte den Bescheid vom 4. Oktober 2016 insoweit auf und bewilligte für Januar 2017 Leistungen in Höhe von 421,42 Euro. Dabei berücksichtigte er das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2015 in Höhe von 391,75 Euro und bewilligte Unterkunftskosten in Höhe von 12,42 Euro. Es erfolgte weiterhin eine Aufrechnung i.H.v. 10,- Euro.
Gegen die Bescheide vom 26. November 2016 sowie vom 5. Dezember 2016 legte der Kläger am 27. Dezember 2016 Widerspruch ein (Bl. 91 – 93 LA I). Gleichzeitig beantragte er die Überprüfung der Bescheide der Jahre 2015 bis 2016. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass sowohl führende Politiker als auch Vertreter der Arbeitsverwaltung immer wieder betont hätten, wie sehr doch die Hartz-IV-Gesetze samt zugehöriger Rechtsprechung in die Grund- und Persönlichkeitsrechte eingriffen, was vor allem bei längerem Leistungsbezug nicht hinnehmbar sei. Der Kläger sei bereits seit 13 Jahren diesen massiven Eingriffen ausgesetzt, sodass eine grundlegende rechtliche Überprüfung des Zustandes anstehe. Zudem ließen sich laut einer Reihe von Veröffentlichungen zu Langzeituntersuchungen über die sehr geringen positiven gesamtwirtschaftlichen Erfolge der Agenda 2010 die rigorosen Ein- und Übergriffe durch die Hartz-IV-Gesetze zu heutiger Zeit kaum rechtfertigen. Diese seien unverhältnismäßig. Auch seien Untersuchungen zum Ergebnis gekommen, dass arme und benachteiligte Menschen, zu denen auch die Hartz-IV-Empfänger gehörten, durchschnittlich eine rund zehn Jahre geringere Lebenserwartung hätten. Er sei der Auffassung – unter Berufung auf „verschiedene öffentlich gewordene Berechnungen seriöser Organisationen und wissenschaftliche Autoren und deren Vorschläge“ –, dass der Regelsatz pauschal monatlich auf 530,- Euro bis 610,- Euro anzuheben sei. Des Weiteren fordere er die Anhebung folgender Leistungen bzw. Berechnungselemente:
- Anhebung der Verkehrspauschale auf 60,- Euro, damit die Monatskarte für den Nahverkehr sowie eine monatliche Familienfahrt umfasst würden;
- Anhebung der Strompauschale auf 40,- Euro für den Ein-Personen-Haushalt, damit bei einem „normal-sparsamen“ Verhalten, soweit dies die typische Geräteausstattung von Bedürftigen zuließe, der Monatsverbrauch vollständig abgedeckt sei;
- Gewährung eines Zuschusses für den Erwerb eines energiearmen Kühlschranks in Höhe von 250,- Euro einmalig;
- Gewährung eines Zuschusses für Brille/Sehkorrektur/Augengesundheit in Höhe von 60,- Euro alle zwei Jahre;
- Gewährung eines Weihnachtszuschusses in Höhe von 50,- Euro sowie eines Geburtstagszuschusses in Höhe von 30,- Euro pro Jahr.
Darüber hinaus genügten die Hartz-IV-Gesetze offenkundig nicht der verfassungsrechtlichen Normenklarheit. Dies ergäbe sich aus der Anzahl von Widersprüchen und Klagen, von denen die Erfolgsquote bei 40 – 50 % bei Widersprüchen und 30 – 40 % bei Klagen betrage. Außerdem verlange er die Umwandlung des gewährten Darlehens für die Mietkaution in einen Zuschuss.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2017 (Bl. 98 – 101 LA I) hob der Beklagte auch den Änderungsbescheid vom 26. November 2016 für Januar 2017 auf. Im Übrigen wies er den Widerspruch als unbegründet zurück. Das Bundesverfassungsgericht habe am 23. Juli 2014 mit Beschlüssen zu den Aktenzeichen 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12 und 1 BvL 1691/13 festgestellt, dass die Regelleistungen des Arbeitslosengeldes II verfassungsgemäß geregelt seien. Im Übrigen sei die Verrechnung der Gutschrift aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2015 rechtmäßig erfolgt.
Hiergegen hat der Kläger am 11. Februar 2017 Klage beim Sozialgericht Darmstadt erhoben. Er hat erklärt, dass die Verrechnung mit dem Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung mit den Unterkunftskosten unstreitig und nicht Gegenstand seines Widerspruchs gewesen sei. Vielmehr habe er Bedenken gegen die Anwendung der Hartz-IV-Gesetzgebung hinsichtlich ihrer Verfassungs- und Verhältnismäßigkeit. Dabei hat er im Wesentlichen das Vorbringen aus der Widerspruchsbegründung wiederholt und darauf hingewiesen, dass der Beklagte darauf nicht eingegangen sei. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 23. Juli 2014 grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken zur Harz-IV-Gesetzgebung und ihren Berechnungsgrundlagen geäußert. Er könne nicht erkennen, dass der Gesetzgeber in den seither vergangenen zweieinhalb Jahren den dort erhobenen Forderungen im notwendigen Maße und der notwendigen Dringlichkeit nachgekommen sei. Er sei der Auffassung, dass der Beklagte sich aus diesem Grund zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr auf die Verfassungsmäßigkeit berufen könne. Hinsichtlich der beantragten Einzelleistungen hat er auf die Aufstellung im Widerspruchsscheiben vom 26. Dezember 2016 Bezug genommen. Der Kläger hat beantragt, einen angehobenen Regelsatz in Höhe von monatlich zwischen 530,- Euro bis 610,- Euro, eine angehobene Verkehrspauschale in Höhe von 60,- Euro, eine angehobene Strompauschale in Höhe von 40,- Euro, einen Zuschuss für den Erwerb eines energiearmen Kühlschranks in Höhe von 250,- Euro einmalig, einen Zuschuss für Brille/Sehkorrektur/Augengesundheit in Höhe von 60,- Euro alle zwei Jahre und einen Weihnachtszuschuss in Höhe von 50,- Euro sowie Geburtstagszuschuss in Höhe von 30,- Euro pro Jahr zu gewähren und das gewährte Darlehen für die Mietkaution in einen Zuschuss umzuwandeln.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat auf die Widerspruchsbegründung Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat, nach vorheriger Anhörung der Beteiligten zu dieser Verfahrensweise, die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18. Mai 2021 als teilweise bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet abgewiesen. Streitgegenständlich sei der in den angegriffenen Bescheiden beschiedene Zeitraum ab Januar 2017. Aufgrund der eindeutigen Erklärung des Klägers seien die Unterkunftskosten jedoch nicht Klagegegenstand, eine solche Beschränkung des Streitgegenstandes sei zulässig.
Die Klage sei hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche auf die Gewährung der Zuschüsse zum Erwerb eines energiearmen Kühlschranks in Höhe von 250,- Euro einmalig und für Brille/Sehkorrektur/Augengesundheit in Höhe von 60,- Euro alle zwei Jahre sowie hinsichtlich der begehrten Umwandlung des gewährten Darlehens für die Mietkaution in einen Zuschuss bereits unzulässig. Die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten enthielten insoweit keine Regelung, ein entsprechender Antrag sei beim Beklagten nicht gestellt, ein Verwaltungsverfahren sei diesbezüglich nicht durchgeführt worden. Zudem bestehe ein solcher Anspruch auch nicht (Verweis auf die folgenden Ausführungen).
Im Übrigen sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Die Bescheide des Beklagten seien rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung eines höheren Regelsatzes, u.a. auch unter Berücksichtigung der von ihm angeführten Positionen.
Der Regelbedarf enthalte die in § 20 Abs. 1 SGB II genannten Bestandteile. Gemäß § 20 Abs. 1a SGB II werde der Regelbedarf in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 SGB XII in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Nach § 20 Abs. 1 Satz 3 SGB II werde der Regelbedarf als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt.
Für das Jahr 2017 habe der Regelsatz für eine alleinstehende Person 409,- Euro betragen. Die darin enthaltene Verkehrspauschale habe 32,90 Euro, die Strompauschale 33,13 Euro betragen, ein Weihnachts- oder Geburtstagszuschuss sei nicht vorgesehen. Eine Anspruchsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachten, über die vorstehend bezeichneten Beträge hinausgehenden Ansprüche sei im SGB II demnach nicht gegeben
Die Kammer habe, unter Bezugnahme auf die für die Zeit ab Januar 2011 ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12 -, Rn. 74 ff., juris), keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Regelsatzes nach dem SGB II.
Anhaltspunkte für eine aktuelle Unterdeckung lägen nicht vor. Soweit sich der Kläger allein auf die Dauer des Leistungsbezugs berufe, sei das Argument nicht geeignet, eine grundsätzliche Bedarfsunterdeckung zu begründen.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 20. Juni 2021 die Urteilsergänzung beantragt (Bl. 61 ff. GA L 6 AS 310/21 bzw. Bl. 3 ff. GA L 6 AS 361/22). Zur Begründung hat er vorgetragen, das Gericht habe „die Prüfung eines atypischen Falls bei der Mietkaution, die Prüfung auf Einhaltung der Vorgaben des BVerfG der Hartz-IV-Bezüge im streitgegenständlichen Zeitraum, die Prüfung auf Normenklarheit des gesamten Hartz-IV-Regelwerks und die Prüfung auf Verfassungsmäßigkeit bei Hartz-IV-Langbezug, soweit dazu nichts vom BVerfG und BSozG bisher vorliegt“ ganz oder teilweise im Gerichtsbescheid übergangen (Bl. 3 – 6 GA L 6 AS 361/22). Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten zu einer beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid hat das Sozialgericht in dem hierfür angelegten Verfahren mit dem Az. S 9 AS 363/22 den Antrag mit Gerichtsbescheid vom 1. Juli 2022 (Bl. 25 ff. GA L 6 AS 361/22) wegen Unzulässigkeit abgelehnt. Der Antrag auf Urteilsergänzung sei nur zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit des Übergehens eines gestellten Antrags oder der Kostenfolge schlüssig aufgezeigt worden sei. Dies sei nicht der Fall. Mit dem Gerichtsbescheid sei über den gesamten Streitgegenstand entschieden worden. Auf die Frage, ob gegebenenfalls einzelne Begründungselemente des Klägers nicht vollständig gewürdigt worden seien, komme es im Rahmen der Frage der Urteilsergänzung nicht an.
Der Kläger hat gegen den Gerichtsbescheid im Verfahren S 9 AS 137/17, ihm zugestellt am 20. Mai 2021, am 20. Juni 2021 Berufung eingelegt. Gegen den Gerichtsbescheid im Verfahren S 9 AS 363/22, ihm zugestellt am 5. Juli 2022, hat er am 3. August 2022 Berufung eingelegt. Die Berichterstatterin hat mit Einverständnis der Beteiligten mit Beschluss vom 4. Oktober 2022 das Verfahren L 6 AS 310/21 (Berufungsverfahren) mit dem Verfahren L 6 AS 361/22 (Urteilsergänzungsverfahren) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (Bl. 108 GA L 6 AS 310/21). Es führt das Verfahren mit dem Aktenzeichen L 6 AS 310/21.
Der Senat hat mit Beschluss vom 16. Januar 2023 die Berufung im Verfahren L 6 AS 310/21 der Berichterstatterin gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) übertragen und mit Beschluss vom 9. Februar 2023 klargestellt, dass diese Übertragung auch das verbundene Verfahren L 6 AS 361/22 erfasst.
Im Verfahren L 6 AS 310/21 wiederholt und vertieft der Kläger seinen Vortrag aus dem Widerspruch- und Klageverfahren. Er ist der Ansicht, die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid des Sozialgerichts seien nicht erfüllt gewesen.
Die Mietkaution müsse als Zuschuss gewährt werden. Das Jobcenter habe die frühere Obdachlosigkeit verschuldet und der Darlehensvertrag sei unter Zwang unterzeichnet worden und daher nichtig. Es liege ein atypischer Fall vor, weshalb die Mietkaution als Zuschuss habe gewährt werden müssen. Durch die dauerhafte Aufrechnung lebe er ständig unterhalb des Existenzminimums. Die über das SGB II gewährten Ansprüche seien verfassungswidrig. Eine Sehschwäche sei ein Vermittlungshindernis und müsse daher im Rahmen der SGB II-Leistungsgewährung mitberücksichtigt werden. Durch die geringe Höhe des für Verkehrsdienstleistungen vorgesehenen Satzes werde der persönliche Kontakt in der Familie auf entscheidende Weise beschränkt. Geburtstags- und Weihnachtsgeld seien im Rahmen des BSHG als soziokulturell existenzsichernd anerkannt gewesen.
Die bisher ergangene Rechtsprechung des 6. Senats und insbesondere auch der im vorliegenden Verfahren ergangene PKH-Beschluss berücksichtige nicht die Anhaltspunkte für eine mögliche Unterdeckung des Existenzminimums in der veröffentlichten Untersuchung „Politik für eine nachhaltigere Ernährung“ vom Juni 2020. Die Frage der Rechtsklarheit der SGB II-Systematik sowie die Auswirkungen verfassungswidrig zu niedriger Leistungen insbesondere im Langzeitbezug seien unberücksichtigt geblieben.
Im Verfahren zur Urteilsergänzung hat der Kläger sich nicht weiter zur Sache eingelassen.
Der Kläger beantragt,
1. Den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. Mai 2021 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 26. November 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 5. Dezember 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2017 zu verurteilen, ihm einen angehobenen Regelsatz in Höhe von monatlich zwischen 530 bis 610 Euro unter Berücksichtigung einer angehobenen Verkehrspauschale in Höhe von 60 Euro, einer angehobenen Strompauschale in Höhe von 40 Euro sowie einen Zuschuss für den Erwerb eines energiearmen Kühlschranks in Höhe von 250 Euro einmalig, einen Zuschuss für eine Brille/Sehkorrektur/ Augengesundheit in Höhe von 60 Euro alle zwei Jahre, einen Weihnachtszuschuss in Höhe von 50 Euro sowie einen Geburtstagszuschuss in Höhe von 30 Euro pro Jahr zu gewähren und das gewährte Darlehen für die Mietkaution in einen Zuschuss umzuwandeln und
2. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 1. Juni 2022 zu ergänzen hinsichtlich der Prüfung eines atypischen Falls bei der Mietkaution, die Prüfung auf Einhaltung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts der Hartz-IV-Bezüge im streitgegenständlichen Zeitraum, die Prüfung auf Namenklarheit des gesamten Hartz-IV-Regelsatz und die Prüfung auf Verfassungsmäßigkeit bei Hartz-IV-Langzeitbezug soweit dazu nichts vom Bundesverfassungsgericht und Bundessozialgericht bisher vorliegt.
Der Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Er verteidigt die angegriffenen Gerichtsbescheide.
Am 22. März 2023 hat eine mündliche Verhandlung unter Anwesenheit des Klägers stattgefunden, welche vertragt wurde. Mit Beschluss vom 28. März 2023 hat der Senat den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt. Am 5. Oktober hat der Kläger Einsicht in die Verwaltungs- und Gerichtsakten genommen.
Im weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. November 2023 hat das Gericht den erneuten PKH-Antrag des Klägers abgelehnt. Diesem fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da kein neuer Sachstand zur Entscheidung gestellt werde. Zudem hat der Kläger eine erneute Frist zur weiteren Berufungsbegründung um vier Wochen beantragt. Überdies wurden dem Gericht durch eine Mitarbeiterin der Serviceeinheit während der mündlichen Verhandlung die Schriftsätze des Klägers vom 19. Oktober 2023 (Bl. 205 f. GA L 6 AS 361/22), vom 31. Oktober 2023 (Bl. 207 ff. GA L 6 AS 361/22) und vom 14. November 2023 (Bl. 210 GA L 6 AS 361/22) übergeben, welche alle am 27. November 2023 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangen sind. Im Schriftsatz vom 19. Oktober 2023 hat der Kläger die frühere Berichterstatterin im Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. In seinem Schriftsatz vom 31. Oktober 2023 hat er eine fehlerhafte Besetzung des Gerichts gerügt, die Terminsverlegung beantragt, da das gesamte Verfahren aufgrund des Berichterstatterwechsels neu aufgerollt werden müsse und noch keine vollständige Berufungsbegründung vorliege, wofür dem Kläger weitere Zeit eingeräumt werden müsse. Dies ergebe sich auch daraus, dass der erneute Antrag auf Prozesskostenhilfe noch nicht beschieden sei. Hinsichtlich der Frage der Verfassungswidrigkeit der Regelsätze müsse Beweis erhoben werden. Zudem hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Im Schriftsatz vom 14. November 2023 hat sich der Kläger auf das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. Juni 2023 - S 12 AS 2208/22 u.a. -, berufen. Hieraus gehe die Verfassungswidrigkeit der Leistungssätze hervor und es sei eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht erfolgt. Daher werde das Ruhen des Verfahrens bis zu einer dortigen Entscheidung beantragt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte beider Verfahren und der beigezogenen Leistungsakte aus dem streitgegenständlichen Zeitraum verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. Mai 2021 (S 9 AS 137/17) ist unbegründet. Weder der Gerichtsbescheid noch die Bescheide vom 26. November 2016 sowie vom 5. Dezember 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2017 verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hatte im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 31. Oktober 2017 keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II (hierzu A.). Ebenso ist die zulässige Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 1. Juli 2022 (S 9 AS 363/22) unbegründet. Der Gerichtsbescheid verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (hierzu B.).
A. Gerichtsbescheid vom 18. Mai 2021 (S 9 AS 137/17)
I. Gegenstand des Verfahrens ist der Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 30. Oktober 2017, da nur dieser Zeitraum Gegenstand der beiden angegriffenen Bescheide vom 26. November 2016 sowie vom 5. Dezember 2016 ist. Der Bewilligungsbescheid vom 4. Oktober 2016, welcher auch Leistungen für November und Dezember 2016 bewilligte, wurde hingegen bestandskräftig.
Sofern diesbezüglich auf den Antrag des Klägers gegebenenfalls ein Überprüfungsverfahren stattgefunden hat, ist dieses nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind zudem die Kosten der Unterkunft. Denn der Kläger hat – wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat – diese vom Streit ausgenommen.
II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere von Gesetzes wegen statthaft (vgl. § 143, § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt (vgl. § 151 Satz 1 SGG).
III. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Senat verweist insofern auf Grundlage des § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts und macht sich diese nach Überprüfung zu eigen.
Ergänzend wird ausgeführt:
1. Das Sozialgericht hat die Klage zutreffend hinsichtlich der Anträge auf einen Zuschuss für einen energiearmen Kühlschrank in Höhe von 250-, Euro sowie einen Zuschuss für eine Brille/Sehkorrektur/Augengesundheit in Höhe von 60,- Euro für unzulässig erachtet. Unzulässig ist die Klage jedoch ebenso hinsichtlich der beantragten Zuschüsse anlässlich Weihnachten und Geburtstag sowie der Umwandlung des Kautionsdarlehens in einen Zuschuss. Denn hierüber hat der Beklagte in den streitgegenständlichen Bescheiden keine Entscheidung getroffen. Voraussetzung für eine zulässige Klage ist jedoch, dass zunächst ein Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren durchlaufen wurde, d.h. der Beklagte eine Entscheidung über den Streitgegenstand getroffen hat. Dies ist nicht der Fall. Überdies ist anzumerken, dass der hier streitgegenständliche Zeitraum von Januar bis Oktober 2017 weder Weihnachten noch den Geburtstag des Klägers Ende Dezember erfasst.
2. Im Übrigen ist die Klage zwar zulässig, aber unbegründet. Die Bescheide vom 26. November 2016 und 5. Dezember 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2017 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen höheren, als den bereits bewilligten Regelsatz. Hinsichtlich der gesetzlichen Grundlagen sowie der Höhe der hier bewilligten Leistungen wird auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid verwiesen. Der Beklagte hat den Regelsatz unter Zugrundlegung der gesetzlichen Vorgaben richtig bestimmt.
a) Der Senat hat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Regelsatzes nach dem SGB II im hier streitgegenständlichen Zeitraum. Hierzu hat der Senat bereits für den Regelbedarf in 2016 und 2017 (letzterer ist auch hier streitgegenständlich) in seinem Urteil vom 10. März 2021 ausgeführt (Hess. LSG, Urteil vom 10. März 2021 - L 6 AS 439/18 -, Rn. 76 ff., juris):
„Der Senat ist von der Verfassungswidrigkeit der Bemessung des Regelbedarfs nicht überzeugt, so dass kein Raum für eine Aussetzung des Verfahrens und dessen Vorlage an das Bundesverfassungsgericht auf der Grundlage von Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) besteht. Das gilt sowohl für den für 2016 wie für den für 2017 maßgeblichen Betrag.
Die auf der Grundlage des Regelbedarfsermittlungsgesetzes 2011 festgesetzten Beträge hat das Bundesverfassungsgericht, wenn auch mit bindender Wirkung nur für die gesetzlichen Regelungen selbst und die Fortschreibungsverordnung für das Jahr 2012 und verbunden mit einer Reihe von Prüfaufträgen an den Gesetzgeber für die nächste Regelbedarfsfestsetzung, durch Beschluss vom 23. Juli 2014 als verfassungsgemäß bestätigt (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12 u.a. –, BVerfGE 137, 34). Der Senat hat keine Bedenken, die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen auch für die Zeit bis 2016 und damit bis zur Neufestsetzung der Regelbedarfe nach Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 als zutreffend anzusehen und von der Verfassungsmäßigkeit auch der im Jahr 2016 maßgeblichen Beträge auszugehen.
Auch für das Jahr 2017 ergeben sich weder aus dem Vorbringen der Kläger noch sonst Argumente, die den Senat von der Verfassungswidrigkeit der Regelbedarfsfestsetzung und namentlich von einem Verstoß gegen das Recht auf Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG überzeugen könnten (vgl. hierzu und zum Folgenden auch Hess. LSG, Beschluss vom 15. August 2019 – L 4 SO 120/19 B –, juris, Rn. 9 ff.). Von entscheidender Bedeutung ist insoweit, dass das Bundesverfassungsgericht, nachdem es durch sein Urteil vom 9. Februar 2010 (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 u.a. –, BVerfGE 125, 175) die Verfassungswidrigkeit der bis dahin maßgeblichen Regelsätze ausgesprochen hatte, das vom Gesetzgeber in Reaktion auf diese Entscheidung gewählte Vorgehen im Regelbedarfsermittlungsgesetz 2011 in seiner Entscheidung aus dem Juli 2014 (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12 u.a. –, BVerfGE 137, 34) grundsätzlich gebilligt hat. Nachdem diese gesetzgeberische Konzeption auch dem Regelbedarfsermittlungsgesetz 2017 im Wesentlichen zugrunde liegt und jedenfalls nicht deutlich ist, dass der Gesetzgeber die Prüfaufträge des Bundesverfassungsgerichts dabei nicht hinreichend abgearbeitet hätte, geht der Senat von der Verfassungsmäßigkeit auch des Regelbedarfsermittlungsgesetzes 2017 aus. Namentlich ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und entgegen der Auffassung der Kläger aus der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers für ein Statistikmodell, also einer an den Verbrauchsausgaben einer Referenzgruppe orientierten Bemessung, kein verfassungsrechtliches Verbot, das es ihm ausnahmslos verwehren würde, bestimmte tatsächliche Ausgabepositionen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bei der Regelbedarfsermittlung aus normativen Gründen unberücksichtigt zu lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12 u.a. –, BVerfGE 137, 34, Rn. 109). Auch gegen den Zuschnitt der Referenzgruppe, deren Ausgaben für die Lebensunterhaltssicherung der Gesetzgeber bei der Bemessung der Regelbedarfe herangezogen hat, hat das Bundesverfassungsgericht keine grundsätzlichen Bedenken geäußert. Dass sich die vom Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 23. Juli 2014 angesprochenen möglichen zukünftigen Gefahren (Unterdeckung konkreter Bedarfe, besondere Preisentwicklungen) für 2017 tatsächlich verwirklicht haben könnten, ist, auch angesichts des Umfangs der Regelbedarfserhöhungen und der Inflationsraten, weder ersichtlich noch von den Klägern dargelegt worden. Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vermag der Senat daher nicht zu erkennen, dass die Regelbedarfsermittlung für 2017 ihrer Konzeption nach verfassungswidrig sein könnte. Konkrete Anhaltspunkte für eine evidente Unterdeckung des Existenzminimums haben die Kläger weder vorgetragen noch sind sie sonst erkennbar.
Auch soweit das Bundesverfassungsgericht schließlich in seiner Entscheidung aus dem Jahre 2014 zukunftsgerichtete Anforderungen an die Festlegung der Regelbedarfe formuliert hat, vermag der Senat sich jedenfalls nicht die Überzeugung zu bilden, dass der Gesetzgeber diese in einer Weise verfehlt hätte, die zur Verfassungswidrigkeit des Regelbedarfsermittlungsgesetzes 2017 führen würde. Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Gesetzgeber namentlich Folgendes aufgegeben:
„a) Ergibt sich eine offensichtliche und erhebliche Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Preisentwicklung und der bei der Fortschreibung der Regelbedarfsstufen berücksichtigten Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter, muss der Gesetzgeber zeitnah darauf reagieren. So muss die Entwicklung der Preise für Haushaltsstrom berücksichtigt werden (…)
b) Der Gesetzgeber muss sicherstellen, dass der existenznotwendige Mobilitätsbedarf tatsächlich gedeckt werden kann (…).
c) Der Gesetzgeber muss die Verteilungsschlüssel anpassen, wenn sich bei einer Bedarfsposition erhebliche Veränderungen zeigen, die eine Zuordnung von ermittelten Verbrauchsausgaben der Familienhaushalte mit dem bisherigen Verteilungsschlüssel an einzelne Mitglieder des Haushalts offensichtlich unrealistisch werden lassen (…).
d) Der Gesetzgeber hat in dem von ihm gewählten Modell sicherzustellen, dass Unterdeckungen, die aufgrund des statistisch ermittelten, durch nachträgliche Kürzungen modifizierten monatlichen Pauschalbetrags entstehen, im Wege internen Ausgleichs oder Ansparens auch tatsächlich gedeckt werden können (…). Es liegt im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, dazu einen hinreichend großen finanziellen Spielraum zu schaffen, einen eigenen Leistungsanspruch auf einen Zuschuss neben dem Regelbedarf für aus dem Pauschalbetrag offensichtlich nicht zu deckende existentielle Bedarfe vorzusehen oder, soweit es sich um öffentliche Dienstleistungen handelt, die Kosten für diese zu erlassen oder zu stunden.“ (BVerfGE 137, 34, Rn. 144 ff.).
Der Gesetzgeber hat sich diesen Prüfaufträgen gestellt (vgl. BT-Drs. 18/9984, S. 23 ff.) und diese, wenn auch zum Teil nur kurz, abgearbeitet (im Ergebnis wie hier: Hess. LSG, Beschluss vom 15. August 2019 – L 4 SO 120/19 B –, juris, Rn. 18 ff.; LSG NRW, Beschluss vom 5. Februar 2018 – L 19 AS 2324/17 B –, juris Rn. 14 ff.; LSG NRW, Beschluss vom 6. September 2018 – L 7 AS 195/18 NZB –, juris Rn. 6): Eine Diskrepanz zwischen der Fortschreibung der Regelbedarfe und der tatsächlichen Preisentwicklung konnte sich im ersten Geltungsjahr des Regelbedarfsermittlungsgesetzes 2017 noch nicht ergeben; auch ist eine solche in der Zeit zwischen dem Erhebungszeitraum und dem Inkrafttreten des Regelbedarfsermittlungsgesetzes 2017 nicht erkennbar. Es ist weiter weder ersichtlich noch konkret vorgetragen, dass der Gesetzgeber die Höhe des Mobilitätsbedarfs verfehlt hätte; das gilt sowohl allgemein als auch bezogen auf die konkrete Situation der Kläger und deren Möglichkeiten, eine Unterdeckung in einem Lebensbereich durch Reserven in einem anderen im Wege eines internen Ausgleichs zu beheben. Ähnliches gilt auch für die verbreitete Diskussion um die hinreichende Berücksichtigung des Bedarfs für langlebige Konsumgüter oder die Stromkosten.
Die Kläger verkennen letztlich, dass sich, nachdem das Bundesverfassungsgericht das gesetzgeberische Modell der Regelbedarfsermittlung dem Grunde nach bereits anlässlich des Regelbedarfsermittlungsgesetzes 2011 gebilligt hat und für das Jahr 2017 eine Neufeststellung der Bedarfe anhand der letzten ausgewertet vorliegenden Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfolgt war, die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfsfestsetzung insbesondere auf die Gefahr einer Unterdeckung in besonderen Situationen zuspitzt. Hierzu fehlt konkreter Vortrag sowohl im Allgemeinen als auch zur besonderen Situation der Kläger als auch schließlich mit Blick auf die Möglichkeit, durch eine ausreichend weite Auslegung von § 21 Abs. 6 SGB II verfassungswidrige Bedarfsunterdeckungen zu vermeiden: Die mögliche und unter Umständen gebotene verfassungskonforme Auslegung dieser Vorschrift (vgl. zu dieser: BSG, Urteil vom 8. Mai 2019 – B 14 AS 13/18 R –, BSGE 128, 114, Rn. 14 ff.) ist zugleich geeignet, grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelbedarfsbemessung aufzufangen.“
An diesen Ausführungen hält der Senat – auch unter Berücksichtigung der vom Kläger im vorliegenden Verfahren vorgetragenen Argumente – fest. Diese sind aufgrund der Ausführungen in der zuvor zitierten Entscheidung sowie den nachfolgenden Ausführungen nicht geeignet, Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit zu begründen.
Soweit der Kläger vorträgt, die Verfassungswidrigkeit bestehe insbesondere aufgrund des Langzeitbezugs sowie etwaiger Vermittlungshemmnisse, so kann sich hieraus keine Verfassungswidrigkeit ergeben. Entweder das Existenzminimum ist durch die gesetzlichen Vorgaben ausreichend gesichert, oder eben nicht. Sofern besondere Bedarfslagen bestehen, hat der Senat bereits in der zuvor zitierten Entscheidung auf die in § 21 SGB II enthaltenen Mehrbedarfsregelungen verwiesen. Darin werden verschiedene spezielle Mehrbedarfe aufgeführt. Dessen Absatz 6 enthält sogar eine Anspruchsgrundlage für einen nicht speziell benannten Mehrbedarf, weshalb gegebenenfalls individuell auf bestimmte Bedarfslagen reagiert werden kann. Dem Kläger steht es frei, einen Mehrbedarf – sofern ein solcher denn gegeben ist – geltend zu machen.
Eine Verfassungswidrigkeit ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger angeführten Gutachten „Politik für eine nachhaltigere Ernährung“ aus Juni 2020.
Darin wird zwar ausgeführt, dass die derzeitige Grundsicherung ohne weitere Unterstützungsressourcen nicht ausreichend ist, um eine gesundheitsfördernde Ernährung zu realisieren (vgl. Politik für eine nachhaltigere Ernährung: Eine integrierte Ernährungspolitik entwickeln und faire Ernährungsumgebungen gestalten - WBAE-Gutachten, S. 108, abrufbar unter:
https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ministerium/Beiraete/agrarpoliti k/wbae-gutachten-nachhaltige-ernaehrung.pdf?__blob=publicationFile&v=3). Dies führt jedoch nicht zur Verfassungswidrigkeit des Regelsatzes. Eine solche mag zwar wünschenswert sein. Für die Verfassungsmäßigkeit des Regelsatzes kommt es aber darauf an, ob die Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums evident unzureichend sind. Hierauf beschränkt sich die materielle Kontrolle der Höhe von Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12 -, Rn. 81, juris). Eine solche evidente Unterdeckung ist nach der Überzeugung des Senats nicht gegeben.
Soweit der Kläger die Überprüfung der „Normenklarheit des gesamten Hartz-IV-Regelwerks“ begehrt, steht dieses hier nicht zur Überprüfung des Gerichts. Im vorliegenden Klageverfahren findet allenfalls eine Überprüfung der konkret zur Anwendung stehenden gesetzlichen Vorschriften statt, hinsichtlich der – wie zuvor ausgeführt – keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.
Auch die vom Kläger vorgebrachte Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. Juni 2023 vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Denn diese befasst sich allein mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des seit dem 1. April 2021 geltenden § 70 Satz 1 SGB II in der Fassung vom 10. März 2021. Das Sozialgericht Karlsruhe hält diese Vorschrift für verfassungswidrig, da der Gesetzgeber die Höhe der anlässlich der COVID-19-Pandemie existenznotwendigen Aufwendungen hilfebedürftiger Menschen nicht folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht ermittelt habe, die Höhe der Einmalzahlung zu niedrig bemessen sei, die für Mai 2021 vorgesehen nachträgliche Einmalzahlung denknotwendig nicht mehr zweckentsprechend eingesetzt werden könne, die Leistungen zeitlich auf die erste Jahreshälfte 2021 beschränkt seien und die Leistungen in persönlicher Hinsicht auf jene Menschen beschränkt würden, die im Mai 2021 existenzsichernde Hilfen benötigten (vgl. SG Karlsruhe, Urteil vom 6. Juni 2023 - S 12 AS 2208/22 -, Rn. 364 ff., juris). Zwar führt das Sozialgericht Karlsruhe in seiner Entscheidung aus, der Regelsatz sei schon vor der Pandemie knapp bemessen gewesen und kaum für eine gesunde Ernährung sowie soziale Teilhabe ausreichend (vgl. SG Karlsruhe, Urteil vom 6. Juni 2023 – S 12 AS 2208/22 -, Rn. 418, 432, juris). Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit der Regelsätze enthält diese Entscheidung jedoch nicht, schon gar nicht hinsichtlich des hier relevanten Zeitraums (Januar bis Oktober 2017).
Aufgrund der vorherigen Ausführungen sieht der Senat keine Notwendigkeit, dem Begehren des Klägers auf Beweiserhebung hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit des Regelsatzes und dem Begehren auf Aussetzung des Verfahrens nachzukommen.
b) Des Weiteren bestehen keine Bedenken hinsichtlich der erfolgten Aufrechnung in Höhe von 10,- Euro. Diese ist rechtmäßig.
Die Aufrechnung beruht auf einem zwischen dem Kläger und dem Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag für eine Mietkaution i.H.v. 705-, Euro. An diesen Darlehensvertrag und die darin getroffene Aufrechnungsregelung knüpft die tatsächlich erfolgte Aufrechnung an. Die Aufrechnungsregelung sieht eine Aufrechnung i.H.v. 15,- Euro monatlich, beginnend ab dem 1. Juni 2014 vor.
Ausweislich der vorliegenden Dokumente erfolgte eine (Teil-)Aufrechnung mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab 1. Dezember 2014 in Höhe von nur 10,- Euro monatlich. Der Grund der Abweichung – zugunsten des Klägers – in der vertraglich vereinbarten Rate (15,- Euro monatlich) gegenüber der vom Gesetz vorgesehenen Rate (10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs, § 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II in der vom 11. April 2011 bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung [a.F.]) und der Abweichung – wiederum zugunsten des Klägers – in der tatsächlich vorgenommenen Höhe der Aufrechnung (10,- Euro monatlich) gegenüber der im Darlehensvertrag vereinbarten Rate von 15,- Euro, ist nicht aktenkundig.
Die monatliche Nichtauszahlung bewilligter Leistungen an den Kläger in Höhe von 10,- Euro für den streitbefangenen Zeitraum 1. Januar 2017 bis 31. Oktober 2017 ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden, da die Darlehensschuld jedenfalls noch nicht getilgt war. Auch aus dem Umstand, dass der Beklagte bei der Gewährung des Darlehens nicht durch Verwaltungsakt gehandelt hat, sondern mit dem Kläger einen öffentlich-rechtlichen Vertrag geschlossen hat, der für den Kläger günstigere Bedingungen als das Gesetz vorsieht, kann der Kläger nichts herleiten.
Nach § 53 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) kann ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden (öffentlich-rechtlicher Vertrag), soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Insbesondere kann die Behörde, anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließen, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde (Absatz 1). Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag über Sozialleistungen kann nur geschlossen werden, soweit die Erbringung der Leistungen im Ermessen des Leistungsträgers steht (Absatz 2). Nach § 22 Abs. 6 SGB II können Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden (Satz 1). Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden (Satz 3). Diese Vorschrift dient als Anspruchsgrundlage für die Gewährung eines Mietkautionsdarlehens durch Verwaltungsakt, welcher in das Ermessen der Behörde gestellt wird. Eine Regelung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag war daher nach den oben zitierten Vorgaben des SGB X möglich. Nach § 42a Abs. 2 SGB II a.F. werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen, solange Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs getilgt (Satz 1). Die Aufrechnung ist gegenüber den Darlehensnehmern schriftlich durch Verwaltungsakt zu erklären (Satz 3). Auch hier hätte der Beklagte also durch Veraltungsakt handeln können, weshalb auch die Ausgestaltung der Modalitäten der Aufrechnung durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag möglich war. Die Einschränkung des § 53 Abs. 2 SGB X gilt für die Aufrechnung nicht, da es sich hierbei nicht um die Erbringung einer Sozialleistung handelt. Demnach konnte der Beklagte – statt Verwaltungsakte zu erlassen – die Gewährung des Mietkautionsdarlehens und die Aufrechnung in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag regeln.
Der Senat sieht keinen Anhalt dafür, dass dieser Vertrag gemäß § 58 Sozialgesetzbuch SGB X nichtig ist. Nach dessen Absatz 1 ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches ergibt. Nach dessen Absatz 2 ist ein Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 ferner nichtig, wenn ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre (Nr. 1), ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des § 42 rechtswidrig wäre und dies den Vertragschließenden bekannt war (Nr. 2), die Voraussetzungen zum Abschluss eines Vergleichsvertrages nicht vorlagen und ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des § 42 rechtswidrig wäre (Nr. 3), sich die Behörde eine nach § 55 unzulässige Gegenleistung versprechen lässt (Nr. 4).
Eine Nichtigkeit nach § 58 Abs. 2 Nr. 1 SGB X ist nicht gegeben. Denn nach § 40 Abs. 1 SGB II ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Nach dessen Absatz 2 ist ein Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 nichtig, der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt (Nr. 1), der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt (Nr. 2), den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann (Nr. 3), der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht (Nr. 4), der gegen die guten Sitten verstößt (Nr. 5). In Betracht zu ziehen ist hier allenfalls ein Verstoß gegen die guten Sitten aufgrund der vom Kläger geltend gemachten Zwangslage. Eine solcher Verstoß ist jedoch nicht gegeben. Soweit der Kläger aus der damals bestehenden Obdachlosigkeit eine Zwangslage ableitet ist festzustellen, dass eine solche allein nicht ausreicht, um eine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB zu begründen. Denn zusätzlich müssen besondere Umstände vorliegen, die das Geschäft nach seinem Gesamtcharakter als sittenwidrig erscheinen lassen (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 -, Rn. 20, juris). Solche besonderen Umstände sind hier nicht ersichtlich.
Ebenso wenig ist eine Nichtigkeit im Sinne des § 58 Abs. 1 Nr. 2 SGB X gegeben. Denn ein Verwaltungsakt hätte – auf Basis der oben genannten Vorschriften des SGB II – mit eben diesem Inhalt (Mietkautionsdarlehen und Aufrechnung) rechtmäßig ergehen können. Gründe dafür, warum eine Mietkaution vorliegend nicht als Darlehen, sondern als Zuschuss hätte erbracht werden müssen, ergeben sich aus dem Vortrag des Klägers nicht. Dadurch, dass die Aufrechnung nicht in der Höhe vorgesehen ist, wie sie § 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II a.F. vorsah (10 Prozent des Regelbedarfs), wird der Kläger nicht beschwert. Der Kläger hat auch über Jahre die Aufrechnung in Höhe von (nur) 10,- Euro monatlich hingenommen. Je geringer der monatliche Aufrechnungsbetrag, umso länger zieht sich die Abzahlung des Darlehens hin. Es ist indessen nichts dafür erkennbar, dass gerade im streitgegenständlichen Zeitraum die Aufrechnung in so geringer Höhe rechtswidrig geworden sein sollte. Überdies hätte der Kläger die Höhe der Aufrechnung sicherlich jederzeit durch den Beklagten anheben lassen können.
Die weiteren Nichtigkeitsgründe des § 58 SGB X sind nicht erfüllt.
Soweit der Kläger eine Terminsverlegung aufgrund des Berichterstatterwechsels begehrte, damit das Verfahren insgesamt neu aufgerollt werden könne, so war dem nicht zu entsprechen. Denn der inzwischen zuständigen Berichterstatterin waren sämtliche Akten zugänglich. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. November 2023 konnte der Kläger sich vollumfänglich zum Sach- und Streitstand äußern.
3. Ebenso wenig war dem Kläger eine weitere Frist zur weiteren Berufungsbegründung einzuräumen. Der Kläger hatte ausreichend Zeit, sich in der Sache zu äußern. Das Berufungsverfahren ist seit dem 21. Juni 2021 anhängig. Der Kläger hatte mehrfach die Möglichkeit, sich in der Sache zu äußern, und hat dies auch getan. Überdies wurde ihm rechtliches Gehör in der (vertagten) mündlichen Verhandlung am 22. März 2023 und in der weiteren mündlichen Verhandlung am 27. November 2023 gewährt. Auch wenn er das Verfahren zur gewährten Akteneinsicht beanstandet, so hat der Kläger doch am 5. Oktober 2023 Einsicht in die Gerichts- und Verwaltungsakten genommen. Dem Kläger muss – vor allem aufgrund des gerichtlichen Hinweises vom 12. September 2023 („Ich setze Ihnen eine Frist bis Ende September 2023, einen Termin zur Akteneinsicht auszumachen und Einsicht zu nehmen. Danach wird die Sache wieder zur Sitzung genommen.“) – klar gewesen sein, dass das Gericht das Verfahren für sitzungsreif hält. Aus der vom Kläger vorgebrachten Entscheidung des Bundessozialgerichts folgt nichts anderes. Darin heißt es: (BSG, Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 31/13 B -, Rn. 9, juris)
„Maßgebend hierfür ist der Umstand, dass die gemäß § 153 Abs 4 S 1 SGG vorausgesetzte Beurteilung, dass das LSG die Berufung einstimmig für unbegründet hält, an sich nur auf der Grundlage der Akten, insbesondere des angefochtenen Urteils, und der Begründung der Berufung durch den Berufungskläger erfolgen kann. Zur Abgabe einer derartigen Begründung hat sich der Kläger indes gegenüber dem LSG mehrfach außerstande erklärt und um Bewilligung von PKH sowie Beiordnung eines Rechtsanwalts gebeten, damit dieser die Berufung begründe. In dieser Situation muss das Berufungsgericht über den Antrag auf Bewilligung von PKH entscheiden, bevor es die Berufung ohne mündliche Verhandlung zurückweist. Versagt es die beantragte PKH, etwa weil es die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen hierfür nicht als gegeben ansieht oder auch weil es eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Berufung nicht erkennen kann, hat es dem Berufungskläger nochmals Gelegenheit zur Begründung der Berufung zu geben, ggf in einem Erörterungstermin oder einer mündlichen Verhandlung. Erst dann kann sich das Gericht abschließend eine Meinung darüber bilden, ob es die Berufung für unbegründet hält oder nicht.“
Zwar ist vorliegend in der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2023 ablehnend über den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers entschieden worden.
Daraus folgt jedoch nicht, dass dem Kläger eine weitere Stellungnahmemöglichkeit einzuräumen war. Denn bei dem unzulässigen und daher abgelehnten Antrag handelte es sich um einen wiederholten Prozesskostenhilfeantrag. Der erste Prozesskostenhilfeantrag war bereits mit Beschluss vom 28. März 2023 abgelehnt worden. Der Kläger hatte anschließend ausreichend Zeit und Möglichkeiten, sich zu äußern. Überdies lag der oben zitierten Entscheidung ein anderer Sachverhalt zugrunde. Denn das Landessozialgericht hatte – nach Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags – die Berufung durch einstimmigen Beschluss im Sinne des § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG zurückgewiesen, also ohne mündliche Verhandlung. Wie das Bundessozialgericht in der Entscheidung ausführt, hätte dem dortigen Kläger nochmals Gelegenheit zur Begründung der Berufung gegeben werden müssen, ggf. in einem Erörterungstermin oder einer mündlichen Verhandlung. Im vorliegenden Verfahren haben aber gerade zwei mündliche Verhandlungen stattgefunden, in denen sich der Kläger äußern konnte und dies auch umfangreich getan hat.
6. Der Senat hat auch keine Bedenken hinsichtlich der Entscheidung des Sozialgerichts durch Gerichtsbescheid und der Übertragung des Berufungsverfahrens auf die Berichterstatterin. Zudem wurden bei der Umverteilung des Verfahrens zum 1. Oktober 2023 die Vorgaben des Geschäftsverteilungsplans des Hessischen Landessozialgerichts sowie des senatsinternen Geschäftsverteilungsplans befolgt.
B. Gerichtsbescheid vom 1. Juli 2022 (S 9 AS 363/22)
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 1. Juli 2022 ist zulässig, insbesondere von Gesetzes wegen statthaft (vgl. § 143, § 144 SGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt (vgl. § 151 Satz 1 SGG).
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Urteilsergänzung gemäß § 140 SGG. Das Sozialgericht hat in seinem Gerichtsbescheid vom 18. Mai 2021 die geltend gemachten Ansprüche sämtlich abgearbeitet. Die Möglichkeit des Übergehens eines gestellten Antrags oder der Kostenfolge ist nicht schlüssig aufgezeigt worden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Juni 2011 - 3 C 14/11 -, juris). Ob sich das Gericht gegebenenfalls mit einzelnen Begründungselementen und Verteidigungsmitteln des Klägers nicht (hinreichend) befasst hat, kommt es im Rahmen der Urteilsergänzung nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das vollständige Unterliegen des Klägers.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgezählten Zulassungsgründe vorliegt.