S 9 AS 137/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 9 AS 137/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 310/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 32/24 BH
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid


Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.


Tatbestand

Mit der Klage begehrt der Kläger die Gewährung höherer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) vom Beklagten, wobei er sich ausschließlich auf die Verfassungswidrigkeit des SGB II beruft. 

Der 1961 geborene Kläger steht seit dem 1. Januar 2005 im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II beim Beklagten. Auf Weiterbewilligungsantrag vom 30. September 2016 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 4. Oktober 2016 Leistungen für den Zeitraum vom 1. November 2016 bis 30. Oktober 2017 in Höhe von monatlich 808,17 €, bestehend auf dem Regelsatz im Höhe von 404,00 € und aus den Unterkunftskosten in Höhe von 404,17 €. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Am 1. Dezember 2016 legte der Kläger unter anderem die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2015, aus der sich ein Guthaben in Höhe von 391,75 € ergab. Die Gutschrift war zum 1. Dezember 2016 fällig. Aus dem Schreiben des Klägers ging hervor, dass die Gutschrift mit der nächsten Mietzahlung an den Vermieter, die vom Beklagten direkt erfolgte, verrechnet werden könne. 

Mit Änderungsbescheid vom 26. November 2016 passte der Beklagte den Regelsatz für die Zeit ab 1. Januar 2017 an und bewilligte Leistungen in Höhe von 813,17 €, wobei er vom Regelsatz in Höhe von 409,00 € ausging. Den Bescheid 4. Oktober 2016 hob er insoweit auf. Mit Änderungsbescheid 5. Dezember 2016 hob der Beklagte den Bescheid vom 4. Oktober 2016 insoweit auf und bewilligte für Januar 2017 Leistungen in Höhe von 421,42 €. Dabei berücksichtigte er das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2015 in Höhe von 391,75 € und bewilligte Unterkunftskosten in Höhe von 12,42 €. 

Gegen die Bescheide vom 26. November 2016 sowie vom 5. Dezember 2016 legte der Kläger am 27. Dezember 2016 Widerspruch ein. Gleichzeitig beantragte er die Überprüfung der Bescheide der Jahre 2015 bis 2016. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass sowohl führende Politiker als auch Vertreter der Arbeitsverwaltung immer wieder betont hätten, wie sehr doch die Harz-IV-Gesetze samt zugehöriger Rechtsprechung in die Grund- und Persönlichkeitsrechte eingriffen. Sowohl die Bundeskanzlerin Merkel als auch das Vorstandsmitglied Alt hätten seinerzeit öffentlich im Fernsehen völlig eindeutig und ausdrücklich erklärt, dass diese massiven Eingriffe nur hinnehmbar seien, wenn sie für den einzelnen Betroffenen absehbar von kurzer Dauer sind. Der Kläger sei bereits seit 13 Jahren diesen massiven Eingriffen ausgesetzt, sodass eine grundlegende rechtliche Überprüfung des Zustandes anstehe. Zudem ließe eine Reihe von Veröffentlichungen zu Langzeituntersuchungen über die sehr geringen positiven gesamtwirtschaftlichen Erfolge der Agenda 2010 die rigorosen Ein- und Übergriffe durch die Harz-IV-Gesetze zu heutiger Zeit kaum rechtfertigen und seien unverhältnismäßig. Auch seien Untersuchungen zum Ergebnis gekommen, dass arme und benachteiligte Menschen, zu denen auch die Harz-IV-Empfänger gehörten, durchschnittlich rund zehn Jahre geringere Lebenserwartung hätten. Er war der Auffassung – unter Berufung auf „verschiedene öffentlich gewordene Berechnungen seriöser Organisationen und wissenschaftliche Autoren und deren Vorschläge„ –, dass der Regelsatz pauschal monatlich auf 530,00 € bis 610,00 € anzuheben sei. Des Weiteren forderte die Anhebung folgender Leistungen bzw. Berechnungselemente: 
-    Anhebung der Verkehrspauschale auf 60,00 €, damit die Monatskarte für den Nahverkehr sowie eine monatliche Familienfahrt umfasst würden; 
-    Anhebung der Strompauschale auf 40,00 € für Ein-Personen-Haushalt, damit bei einem „normal-sparsamen“ Verhalten, soweit dies die typische Geräteausstattung von Bedürftigen zuließe, der Monatsverbrauch vollständig abgedeckt ist; 
-    Gewährung eines Zuschusses für den Erwerb eines energiearmen Kühlschranks in Höhe von 250,00 € einmalig; 
-    Gewährung eines Zuschusses für Brille/Sehkorrektur/Augengesundheit in Höhe von 60,00 € alle zwei Jahre; 
-    Umwandlung des gewährten Darlehens für die Mietkaution in einen Zuschuss; 
-    Gewährung eines Weihnachtszuschusses in Höhe von 50,00 € sowie eines Geburtstagszuschusses in Höhe von 30,00 € pro Jahr.

Darüber hinaus genügten die Harz-IV-Gesetze offenkundig nicht der verfassungsrechtlichen Normenklarheit. Dies ergäbe sich aus der Anzahl von Widersprüchen und Klagen, von denen die Erfolgsquote bei 40-50% bei Widersprüchen und 30-40% bei Klagen betrage. 

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2017 hob der Beklagte auch den Änderungsbescheid vom 26. November 2016 für Januar 2017 auf. Im Übrigen wies er den Widerspruch als unbegründet zurück. Das Bundesverfassungsgericht habe am 23. Juli 2014 mit Beschlüssen zu den Aktenzeichen 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12 und 1 BvL 1691/13 festgestellt, dass die Regelleistungen des Arbeitslosengeldes II verfassungsgemäß geregelt seien. Im Übrigen sei die Verrechnung der Gutschrift aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2015 echtmäßig erfolgt. 

Hiergegen hat der Kläger am 13. Februar 2017 Klage beim Sozialgericht Darmstadt erhoben. 

Er erklärt, dass die Verrechnung mit dem Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung mit den Unterkunftskosten unstreitig und nicht Gegenstand seines Widerspruchs gewesen sei. Vielmehr habe er Bedenken gegen die Anwendung der Harz-IV-Gesetzgebung hinsichtlich ihrer Verfassungs- und Verhältnismäßigkeit. Dabei wiederholt er im Wesentlichen das Vorbringen aus der Widerspruchsbegründung und weist darauf hin, dass der Beklagte darauf nicht eingegangen sei. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 23. Juli 2014 grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken zur Harz-IV-Gesetzgebung und ihren Berechnungsgrundlagen geäußert. Er könne nicht erkennen, dass der Gesetzgeber in den seither verfangenen zweieinhalb Jahren den dort erhobenen Forderungen im notwendigen Maße und der notwendigen Dringlichkeit nachgekommen wäre. Er ist der Auffassung, dass der Beklagte sich aus diesem Grund zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr auf die Verfassungsmäßigkeit berufen könne. Hinsichtlich der beantragten Einzelleistungen nimmt er auf die Aufstellung im Widerspruchsscheiben vom 26. Dezember 2016 Bezug. 

Der Kläger beantragt sinngemäß, 
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 26. November 2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 5. Dezember 2016 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2017 zu verurteilen, ihm folgende Leistungen zu gewähren: 
-        angehobenen Regelsatz in Höhe von monatlich zwischen 530,00 € bis 610,00 €;
-        angehobene Verkehrspauschale in Höhe von 60,00 €; 
-        angehobene Strompauschale in Höhe von 40,00 €; 
-        Zuschuss für den Erwerb eines energiearmen Kühlschranks in Höhe von 250,00 € einmalig; 
-        Zuschuss für Brille/Sehkorrektur/Augengesundheit in Höhe von 60,00 € alle zwei Jahre; 
-        Umwandlung des gewährten Darlehens für die Mietkaution in einen Zuschuss; 
-        Weihnachtszuschuss in Höhe von 50,00 € sowie Geburtstagszuschuss in Höhe von 30,00 € pro Jahr.

Der Beklagte beantragt, 
die Klage abzuweisen. 

Er nimmt auf die Widerspruchsbegründung Bezug. 

Das Gericht hat die Beteiligten mit gerichtlichem Schreiben vom 27. August 2018, zugestellt am 6. Und 8. September 2018, zur beabsichtigten Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung angehört. Im Schriftsatz vom 8. Oktober 2019 hat der Kläger einer solchen Entscheidung widersprochen. Auf die Ausführung auf Bl. 30 ff. der Gerichtsakte wird Bezug genommen. 

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichts- sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten ergänzend Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.   


Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte den Rechtsstreit gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden hierzu angehört. Das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 8. Oktober 2019 hindert das Gericht nicht, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, weil eine Zustimmung hierzu – anders als bei einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung im Sinne des § 124 Abs. 2 SGG – nicht erforderlich ist.

Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1, 4, 56 SGG statthafte Klage ist teilweise bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet. 

Streitgegenständlich ist der Änderungsbescheid des Beklagten vom 26. November 2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 5. Dezember 2016, die die Leistungshöhe ab Januar 2017 regeln, wobei die Unterkunftskosten im Sinne des § 22 SGB II nach eindeutiger Erklärung des Klägers in der Klagschrift nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist eine Begrenzung des Streitgegenstandes zulässig, wenn ein Bescheid im Einzelfall mehrere abtrennbare Verfügungen enthält (vgl. BSG Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – m.w.N.; Urteil vom 6. April 2011 – B 4 AS 119/10 R –). Um eine derartige abtrennbare Verfügung handelt es sich bei den Ansprüchen auf Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II, sodass eine Beschränkung des Streitgegenstandes insoweit auf die Unterkunftskosten oder auf die Regelleistung zulässig ist (vgl. BSG Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – m.w.N.; Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/11b AS 55/06 R –; Urteil vom 6. April 2011 – B 4 AS 119/10 R –). 

1) Die Klage ist hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche auf die Gewährung der Zuschüsse zum Erwerb eines energiearmen Kühlschranks in Höhe von 250,00 € einmalig und für Brille/Sehkorrektur/Augengesundheit in Höhe von 60,00 € alle zwei Jahre sowie hinsichtlich der begehrten Umwandlung des gewährten Darlehens für die Mietkaution in einen Zuschuss bereits unzulässig. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 26. November 2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 5. Dezember 2016 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2017 enthält insoweit keine Regelung. 

Die Ansprüche wären im Sinne des § 37 Abs. 1 SGB II allesamt – unabhängig davon, ob ein solcher Anspruch dem Kläger tatsächlich zustünde – mit einem gesonderten Antrag geltend zu machen. 

Soweit der Kläger einen Anspruch auf diese Leistungen allein aus der vertretenen Verfassungswidrigkeit der SGB II-Regelungen ableiten will, wird auf die nachstehenden Ausführungen verwiesen. 

2) Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 26. November 2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 5. Dezember 2016 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm steht kein Anspruch auf die Gewährung eines Regelsatzes in Höhe von monatlich zwischen 530,00 € bis 610,00 €, der Verkehrspauschale in Höhe von 60,00 €, der Strompauschale in Höhe von 40,00 €, sowie auf die Gewährung eines Weihnachtszuschusses in Höhe von 50,00 € sowie eines Geburtstagszuschusses in Höhe von 30,00 € pro Jahr zu. 

Gemäß § 20 Abs. 1 SGB II umfasst der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen. Gemäß § 20 Abs. 1a SGB II wird der Regelbedarf in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 SGB XII in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Nach § 20 Abs. 1 Satz 3 SGB II wird der Regelbedarf als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt.

Für das Jahr 2017 betrug der Regelsatz für eine alleinstehende Person 409,00 €. Die darin enthaltene Verkehrspauschale betrug 32,90 €, die Strompauschale 33,13 €, ein Weihnachts- oder Geburtstagszuschuss sind nicht vorgesehen. Eine Anspruchsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachten, über die vorstehend bezeichneten Beträge hinausgehenden Ansprüche ist im SGB II demnach nicht vorgesehen. 

Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Kammer keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Regelsatzes nach dem SGB II. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 23. Juli 2014 (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12 –) die Regelbedarfe im SGB II für die Zeit ab 1. Januar 2011 für verfassungsgemäß erachtet. Dazu führt das Bundesverfassungsgericht unter anderem aus: 

„1. Das Grundgesetz garantiert mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch; das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, ein menschenwürdiges Existenzminimum tatsächlich zu sichern. Das Grundrecht ist dem Grunde nach unverfügbar und muss durch einen Leistungsanspruch eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen im Hinblick auf die konkreten Bedarfe der Betroffenen auszurichten hat. Dem Gesetzgeber steht ein Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 125, 175 <222>; 132, 134 <159, Rn. 62>). Dabei ist er auch durch völkerrechtliche Verpflichtungen gebunden (vgl. BVerfGE 132, 134 <161 f., Rn. 68>).

a) Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf die unbedingt erforderlichen Mittel zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (vgl. BVerfGE 125, 175 <223>; 132, 134 <160, Rn. 64>).

b) Der Gesetzgeber muss bei der Ausgestaltung der Leistungen zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums die entsprechenden Bedarfe der Hilfebedürftigen zeit- und realitätsgerecht erfassen. Ihm kommt ein Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung von Art und Höhe der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu. Er hat einen Entscheidungsspielraum bei der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie bei der wertenden Einschätzung des notwendigen Bedarfs. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber seine Entscheidung an den konkreten Bedarfen der Hilfebedürftigen ausrichtet (vgl. BVerfGE 125, 175 <224 f.>; 132, 134 <160 f., Rn. 67>) und die Leistungen zur Konkretisierung des grundrechtlich fundierten Anspruchs tragfähig begründet werden können (vgl. BVerfGE 132, 134 <162, Rn. 69> unter Verweis auf BVerfGE 125, 175 <225>).

aa) Die sich aus der Verfassung ergebenden Anforderungen an die methodisch sachgerechte Bestimmung grundrechtlich garantierter Leistungen beziehen sich nicht auf das Verfahren der Gesetzgebung, sondern auf dessen Ergebnisse (BVerfGE 132, 134 <162 f., Rn. 70>). Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs.1 GG bringt für den Gesetzgeber keine spezifischen Pflichten im Verfahren mit sich; entscheidend ist, ob sich die Höhe existenzsichernder Leistungen durch realitätsgerechte, schlüssige Berechnungen sachlich differenziert begründen lässt. Das Grundgesetz enthält in den Art. 76 ff. GG zwar insofern Vorgaben für das Gesetzgebungsverfahren, die auch die Transparenz der Entscheidungen des Gesetzgebers sichern. Das parlamentarische Verfahren mit der ihm eigenen Öffentlichkeitsfunktion (vgl. BVerfGE 119, 96 <128>) sichert so, dass die erforderlichen gesetzgeberischen Entscheidungen öffentlich verhandelt (Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG) und ermöglicht, dass sie in der breiteren Öffentlichkeit diskutiert werden (vgl. BVerfGE 70, 324 <355>; in Abgrenzung zur Bundesversammlung BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 2/09 -, juris, Rn. 100). Die Verfassung schreibt jedoch nicht vor, was, wie und wann genau im Gesetzgebungsverfahren zu begründen und zu berechnen ist, sondern lässt Raum für Verhandlungen und für den politischen Kompromiss. Das Grundgesetz verpflichtet den Gesetzgeber insofern auch nicht, durch Einbeziehung aller denkbaren Faktoren eine optimale Bestimmung des Existenzminimums vorzunehmen; darum zu ringen ist vielmehr Sache der Politik (vgl. BVerfGE 113, 167 <242>). Entscheidend ist, dass die Anforderungen des Grundgesetzes, tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge zu tragen, im Ergebnis nicht verfehlt werden.

bb) Das Grundgesetz schreibt insofern auch keine bestimmte Methode vor, wodurch der dem Gesetzgeber zustehende Gestaltungsspielraum begrenzt würde. Es kommt dem Gesetzgeber zu, die Methode zur Ermittlung der Bedarfe und zur Berechnung der Leistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz im Rahmen der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst auszuwählen (vgl. BVerfGE 125, 175 <225>). Die getroffene Entscheidung verändert allerdings nicht die grundrechtlichen Maßstäbe. Daher darf keine Methode gewählt werden, die Bedarfe von vornherein ausblendet, wenn diese ansonsten als existenzsichernd anerkannt worden sind (vgl. BVerfGE 132, 134 <162 f., Rn. 71>). Werden hinsichtlich bestimmter Personengruppen unterschiedliche Methoden zugrunde gelegt, muss dies sachlich zu rechtfertigen sein (vgl. BVerfGE 125, 175 <225>).

cc) Die Ergebnisse eines sachgerechten Verfahrens zur Bestimmung grundrechtlich garantierter Ansprüche sind fortwährend zu überprüfen und weiter zu entwickeln (vgl. BVerfGE 125, 175 <225>).

2. Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums entspricht eine zurückhaltende Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht. Das Grundgesetz selbst gibt keinen exakt bezifferten Anspruch vor (vgl. BVerfGE 125, 175 <225 f.>; 132, 134 <165, Rn. 78>). Deswegen kann auch der Umfang dieses Anspruchs im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und die dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden (vgl. BVerfGE 91, 93 <111 f.>). Dem Bundesverfassungsgericht kommt nicht die Aufgabe zu, zu entscheiden, wie hoch ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums sein muss; es ist zudem nicht seine Aufgabe, zu prüfen, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung zur Erfüllung seiner Aufgaben gewählt hat (vgl. BVerfGE 130, 263 <294> m.w.N.). Aus verfassungsrechtlicher Sicht kommt es vielmehr entscheidend darauf an, dass die Untergrenze eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht unterschritten wird und die Höhe der Leistungen zu dessen Sicherung insgesamt tragfähig begründbar ist.

a) Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen vorgibt, beschränkt sich die materielle Kontrolle der Höhe von Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind (BVerfGE 125, 175 <225 f.>; 132, 134 <165, Rn. 78>). Diese Kontrolle bezieht sich im Wege einer Gesamtschau (vgl. BVerfGE 130, 263 <295>) auf die Höhe der Leistungen insgesamt und nicht auf einzelne Berechnungselemente, die dazu dienen, diese Höhe zu bestimmen. Evident unzureichend sind Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich ist, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen können, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist.

b) Jenseits dieser Evidenzkontrolle überprüft das Bundesverfassungsgericht, ob Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen sind. Das Bundesverfassungsgericht setzt sich dabei nicht mit eigener Sachkompetenz an die Stelle des Gesetzgebers, sondern überprüft lediglich die gesetzgeberischen Festlegungen zur Berechnung von grundgesetzlich nicht exakt bezifferbaren, aber grundrechtlich garantierten Leistungen. Lassen sich diese nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen, stehen sie mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang (vgl. BVerfGE 125, 175 <225 f.>; 132, 134 <165 f., Rn. 79>; oben C I 1 b).

aa) Die gesetzgeberischen Festlegungen zur Berechnung der Höhe existenzsichernder Leistungen müssen sachlich vertretbar sein. Auch ein politisch ausgehandelter Kompromiss darf nicht zu sachlich nicht begründbaren Ergebnissen führen, wobei schlicht gegriffene Zahlen ebenso wie Schätzungen ins Blaue hinein den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügen (vgl. BVerfGE 125, 175 <237 f.>; 132, 134 <170 f., Rn. 90 f.>).

bb) Die Art und die Höhe der Leistungen müssen sich mit einer Methode erklären lassen, nach der die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt werden und nach der sich die Berechnungsschritte mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses Verfahrens im Rahmen des Vertretbaren bewegen. Die Berechnung des Existenzminimums anhand eines Warenkorbes notwendiger Güter und Dienstleistungen mit anschließender Ermittlung und Bewertung der dafür zu entrichtenden Preise ist in gleicher Weise wie der Einsatz einer Verbrauchsstatistik für die Berechnung der Leistungshöhe zulässig (vgl. BVerfGE 125, 175 <234 f.>). Entscheidet sich der Gesetzgeber für das Statistikmodell, muss er Vorkehrungen gegen die damit einhergehenden spezifischen Risiken der Unterdeckung aktuell existenzsichernder Bedarfe treffen. Er ist von Verfassungs wegen nicht gehindert, aus der Statistik in Orientierung an einem Warenkorbmodell nachträglich einzelne Positionen wieder herauszunehmen. Wenn er aber in dieser Weise Elemente aus dem Warenkorbmodell in die Berechnung einführt, muss er sicherstellen, dass das Existenzminimum gleichwohl tatsächlich gesichert ist. Die Leistungen müssen entweder insgesamt so bemessen sein, dass entstehende Unterdeckungen intern ausgeglichen werden können (vgl. BVerfGE 125, 175 <238>), oder dass Mittel zur Deckung unterschiedlicher Bedarfe eigenverantwortlich angespart und die Bedarfe so gedeckt werden (vgl. BVerfGE 125, 175 <229>), oder es muss ein Anspruch auf den anderweitigen Ausgleich solcher Unterdeckungen bestehen.

cc) Der Gesetzgeber kommt seiner Pflicht zur Aktualisierung von Leistungsbeträgen zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach, wenn er die Entwicklung der tatsächlichen Lebenshaltungskosten zur Deckung des existenznotwendigen Bedarfs durch regelmäßige Neuberechnungen und Fortschreibungen berücksichtigt (vgl. BVerfGE 125, 175 <225>; 132, 134 <165 f., Rn. 79>). Auf Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie auf Preissteigerungen oder auf die Erhöhung von Verbrauchsteuern muss zeitnah reagiert werden, um sicherzustellen, dass der aktuelle Bedarf gedeckt wird (BVerfGE 132, 134 <163, Rn. 72>).

II. 

Nach diesen Maßstäben genügen die vorgelegten Vorschriften für den entscheidungserheblichen Zeitraum in der erforderlichen Gesamtschau noch den Vorgaben von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber hat den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Regelbedarfs nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums und die Anpassung der Leistungshöhe mit den Regelungen der § 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1, Abs. 4, Abs. 5, § 23 Nr. 1, § 77 Abs. 4 Nr. 1 und 2 SGB II und § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 und 6, Abs. 2 Nr. 1 und 3 RBEG, jeweils in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II und § 28a SGB XII, sowie der Anlage zu § 28 SGB XII sowie § 2 RBSFV 2012, § 2 RBSFV 2013 und § 2 RBSFV 2014 gesetzlich gesichert. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Leistungen evident unzureichend festgesetzt sind (1). Die Vorgaben für die Bestimmung der Leistungshöhe genügen derzeit den Anforderungen an eine sachangemessene Berechnung der Leistungshöhe; der Gesetzgeber hat jedoch nach Maßgabe der Gründe dafür Sorge zu tragen, dass erkennbare Risiken einer Unterdeckung existenzsichernder Bedarfe nicht eintreten werden (2). Die Vorgaben für die Fortschreibung des Regelbedarfs sind mit der Verfassung vereinbar (3). Ein Verstoß gegen weitere Grundrechte liegt nicht vor (4).“ 
(BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12 –, BVerfGE 137, 34-103, Rn. 74 - 85). 

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer vollumfänglich an. Anhaltspunkte für eine aktuelle Unterdeckung liegen nicht vor. Soweit der Kläger sich allein auf die Dauer des Leistungsbezugs beruft, ist das Argument nicht geeignet, eine grundsätzliche Bedarfsunterdeckung zu begründen. 

Nach alledem war die Klage abzuweisen. 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Das statthafte Rechtmittel der Berufung ergibt sich aus §§ 105 Abs. 2, 143 SGG.
 

Rechtskraft
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