Die Klage gegen den Schiedsspruch der Beklagten vom 14. Oktober 2022 wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 2.500.000,- € festgesetzt.
Tatbestand
Der klagende Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) wendet sich gegen den Schiedsspruch der gemeinsamen Schiedsstelle (Beklagte) nach § 129 Abs. 8 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) vom 14. Oktober 2022 (2 AP 44-22). Gegenstand des Schiedsspruchs ist die Festlegung der Herstellungszuschläge für die Herstellung parenteraler Lösungen nach Anlage 3 Teil 2 und 6 des Vertrages über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen (nachfolgend Hilfstaxe). Die Hilfstaxe ist eine Vereinbarung zwischen dem beigeladenen D A-Verband e.V. und dem Kläger nach § 129 Abs. 5c SGB V iVm § 78 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) und den §§ 4 und 5 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Die Höhe der Preise und Herstellungszuschläge differieren in den Teilen 2 bis 7a der Anlage 3 in Abhängigkeit von den jeweils verwendeten Wirkstoffen. Differenzierungen der Herstellungszuschläge wurden in der Hilfstaxe erstmalig zum 1. Januar 2006 vereinbart. Mit der Anpassung zum 17. Juli 2009 wurden die differenzierten Herstellungszuschläge - mit höheren Preisen - vom Verordnungsgeber in die AMPreisV übernommen. In der Hilfstaxe (Anlage 3 Teil 2 Nr 8 bzw Anlage 3 Teil 6 Nr 5) waren zuletzt zum 1. September 2014 folgende, von dem hier streitigen Schiedsspruch erfasste Zuschläge pro applikationsfähiger Einheit als abrechnungsfähig vereinbart worden: für die Herstellung zytostatikahaltiger parenteraler Zubereitungen 81,- €, für die Herstellung parenteraler Lösungen mit monoklonalen Antikörpern 71,- €, für die Herstellung parenteraler Lösungen mit den in Anhang 3 aufgeführten Wirkstoffen 81,- €, für die Herstellung parenteraler Calcium- und Natriumfolinatlösungen 39,- €. Werden Calcium- und Natriumfolinat mit Wirkstoffen gemischt, die unter die Regelungen der Anlage 3 Teil 2 fallen, kann nur ein Arbeitspreis nach den Regelungen der Anlage 3 des Teils 2 Nr. 8 berechnet werden.
Mit Inkrafttreten der Regelungen des § 129 Abs. 5c Sätze 2ff SGB V durch das Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV (GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz - AMVSG) vom 4. Mai 2017 (BGBl I 1050) am 13. Mai 2017 hatten die Vertragspartner für parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln die Höhe der Preise nach § 129 Abs. 5c Satz 1 SGB V bis zum 31. August 2017 neu zu vereinbaren (vgl § 129 Abs. 5c Satz 2 und Satz 4 SGB V). Zugleich wurde geregelt, dass, sofern keine Vereinbarung nach § 129 Abs. 5c Satz 1 oder Satz 2 SGB V zustande kommt, die Schiedsstelle nach § 129 Abs. 8 SGB V entscheidet.
In einem ersten im Jahr 2018 beendeten Schiedsverfahren traf die Beklagte Anpassungen zu den Regelungen im Vertrag zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen über die Hilfstaxe und zum Ausspruch der außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung der Vereinbarung über die prozentualen Abschläge für die in der Krebsbehandlung eingesetzten Wirkstoffe bzw Fertigarzneimittel Bortezomid, Cabazitaxel, Bevacizumab, Rituximab und Trastuzumab. Über eine Neufestlegung der Herstellungszuschläge entschied die Beklagte nicht; einen entsprechenden Antrag verfolgte der Beigeladene seinerzeit nicht weiter.
m 16. März 2022 fanden Verhandlungen zwischen den Vertragspartnern für neue Abschläge zu den vorgenannten Wirkstoffen bzw Fertigarzneimitteln statt. Im Zuge dieses Verhandlungstermins regte der Beigeladene an, die Arbeitspreise (= Herstellungszuschläge) im Gegenzug zu den geforderten Wirkstoffabschlägen zu erhöhen, weil sie bei Weitem nicht mehr kostendeckend seien. Bis dahin hätten die herstellenden Apotheken die seines Erachtens viel zu niedrig bemessenen Herstellungszuschläge über die beim Einkauf – direkt beim pharmazeutischen Unternehmen oder beim pharmazeutischen Großhandel – verhandelten Einkaufsvorteile zu den nun in die Verhandlung eingebrachten Wirkstoffen und Fertigarzneimitteln kompensiert. Der Beigeladene kündigte nach ergebnislosen Verhandlungen die Vereinbarung über die Zuschläge für die Herstellung zytostatikahaltiger parenteraler Zubereitungen, parenteraler Lösungen mit monoklonalen Antikörpern und für die Herstellung parenteraler Calcium- und Natriumfolinatlösungen ordentlich fristgerecht mit Wirkung zum 30. Juni 2022, forderte den Kläger (erneut) auf, ua Verhandlungen über die von der Kündigung erfassten Arbeitspreise zu führen (Schreiben vom 3. Mai 2022) und verlangte nachfolgend einheitliche Herstellungszuschläge pro applikationsfähiger Einheit iHv zuletzt 146,87 €. Im Verhandlungstermin vom 10. Juni 2022 wurde hierüber keine Einigung erzielt. Der Kläger teilte per E-Mail vom 17. Juni 2022 an den Beigeladenen und in Kopie an die Beklagte (Betreff: Anlage 3 Teil 2 der Hilfstaxe/Feststellung des Scheiterns der Verhandlung am 10. Juni 2022) mit, dass die Verhandlung für die Anpassung der Abschläge gescheitert sei. Er, der Kläger, stehe für die Verhandlung der Arbeitspreise jedoch weiter zur Verfügung.
Der Beigeladene übersandte dem Kläger mit E-Mail vom 20. Juni 2022 das Gutachten der REFA C AG des Sachverständigen Dipl.-Ing. Dr. G vom 15. Juni 2022 zur Bewertung der Aufwände zur Herstellung von Zystostatika-Zubereitungen auf der Basis eines erweiterten Stichprobenumfangs (2018/2019) (nachfolgend REFA-Gutachten). Dieses weiche erheblich, so der Kläger per E-Mail vom 21. Juni 2022, von seinen Vorstellungen ab, eine Abstimmung mit den Krankenkassenverbänden habe zu erfolgen. In einem nach Anrufung der Schiedsstelle mit Schreiben des Klägers vom 21. Juni 2022 zwecks Vereinbarung neuer Preisabschläge stattgefundenen Gespräch am 28. Juni 2022 wurde keine Einigung erzielt. Der Beigeladene hatte in diesem Termin zugleich angekündigt, das seitens des Klägers eingeleitete Schiedsverfahren um einen eigenen Antrag zur Erhöhung der Herstellungszuschläge zu erweitern, falls der Antragsteller keine Bereitschaft zur Verhandlung von Zuschlägen oberhalb des Arzneimittelabgabepreises nach § 5 Abs. 6 AMPreisV zeige.
Der Beigeladene stellte mit Antrag vom 7. Juli 2022 den Antrag auf Festsetzung der Zuschläge für die Herstellung zystostatikahaltiger parenteraler Zubereitungen, parenteraler Lösungen mit monoklonalen Antikörpern in Anlage 3 Teil 2 und parenteraler Calcium- und Natriumfolinatlösungen in Anlage 3 Teil 6 des Vertrages über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen (§§ 4 und 5 der Arzneimittelpreisverordnung) sowie auf Festsetzung angepasster Wirkstoffabschläge zum Az. 1 AP 40-22 mit der Bitte, diesen Antrag mit dem Verfahren zur Festsetzung der Abschläge für die Wirkstoffe bzw. Fertigarzneimittel Bortezomib, Cabazitaxel, Bevacizumab, Rituximab und Trastuzumab in Anlage 3 Teil 2 des Vertrages über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen (§§ 4 und 5 der Arzneimittelpreisverordnung) zu verbinden.
Mit Beschluss vom 29. August 2022 (1 AP 40-22) lehnte die Beklagte die Verbindung der Verfahren 1 AP 40-22 und 2 AP 44-22 (dem für den mit Schriftsatz vom 7. Juli 2022 des Beigeladenen zum Verfahren 1 AP 40/22 gestellten Antrag, die Herstellungszuschläge in Anlage 3 Teil 2 Nr. 8 der Hilfstaxe und in Anlage 3 Teil 6 Nr. 5 auf 146,87 Euro zu erhöhen, eröffneten neuen Verfahren) ab. Zugleich stellte sie fest, dass das Schiedsverfahren 2 AP 44-22 anhängig und zulässig sei, weil von einem Scheitern der Verhandlungen über die vom Beigeladenen beantragte Anhebung der Herstellungszuschläge über die Arzneimittelabgabe hinaus auszugehen sei. Im genannten Beschluss vom 29. August 2022 setzte die Beklagte zugleich mWv 1. September 2022 Rabatthöhen als prozentuale Abschläge für die og Wirkstoffe im Umfang zwischen 56% bis 77% fest.
Der Kläger trat dem Antrag des Beigeladenen vom 7. Juli 2022 mit Schriftsatz vom 30. September 2022 entgegen mit der wesentlichen Begründung, dass keine Wechselwirkung zwischen den Wirkstoffpreisen und Herstellungszuschlägen bestehe, das REFA-Gutachten zur Begründung der Herstellungszuschläge ungeeignet sei und die allgemeinen Überlegungen des Beigeladenen zur aktuellen wirtschaftlichen Situation die geforderte Anpassung der Herstellungszuschläge nicht rechtfertigen könnten. Er bezog sich dabei auf ein als Anlage beigefügtes Gutachten des IGES-Instituts (Gutachten Arbeitspreise parenterale Zubereitungen vom 19. September 2022), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Der Kläger beantragte, den Antrag des Beigeladenen abzulehnen und ferner in Anlage 3 Teil 2 Ziffer 8 in Satz 1 für die Herstellung zytostatikahaltiger parenteraler Zubereitungen pro applikationsfertiger Einheit einen Zuschlag iHv 31,- €, in Satz 2 für die Herstellung parenteraler Lösungen mit monoklonalen Antikörpern pro applikationsfertiger Einheit einen Zuschlag iHv 31,- € und in Satz 3 für die Herstellung von parenteralen Lösungen mit den in Anhang 3 aufgeführten Wirkstoffen pro applikationsfertiger Einheit einen Zuschlag iHv 31,00 € sowie in Anlage 3 Teil 6 Ziffer 5 Satz 1 für die Herstellung parenteraler Calcium- und Natriumfolinatlösungen pro applikationsfertiger Einheit einen Zuschlag iHv 29,- festzusetzen. Er bezweifelte insofern, dass das REFA-Gutachten für die Arbeitspreise belastbar zugrunde gelegt werden könne und legte einen im Auftrag des seinerzeitigen Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) erstellten Forschungsbericht zur Ermittlung der Erforderlichkeit und des Ausmaßes von Änderungen der in der AMPreisV geregelten Preise (Autoren: an der Heiden/Meyrahn, 2HM & Associates GmbH, Bereich IF! Institut sozioökonomische Forschung; Kurzfassung auf der Basis einer langen Fassung vom 16. März 2018, nachfolgend: BMWi-Gutachten; abrufbar unter der Homepage des BMWi, Abschnitt zu parenteralen Zubereitungen S 145 bis 151 des Gutachtens) vor.
In der Schiedsverhandlung vom 14. Oktober 2022 zum Verfahren 2 AP 44-22, an der unter anderem Vertreter der Vertragsparteien teilnahmen, befürwortete der Kläger die methodische Vorgehensweise des BMWi-Gutachtens gegenüber dem REFA-Gutachten, wies ua darauf hin, dass die finanziellen Auswirkungen für die GKV unter Berechnung einer Gesamtdifferenz zwischen den Anträgen in Höhe von ca. 400 Millionen (Mio) € pro Jahr netto erheblich seien und es für eine Unterfinanzierung der Apotheken bzw Herstellungsbetriebe ebenso wenig Anzeichen gebe wie für eine Unterversorgung.
Die Beklagte beschloss durch Schiedsspruch vom selben Tag die Festsetzung eines Zuschlags iHv 100,- € für die Herstellung zytostatikahaltiger parenteraler Zubereitungen und parenteraler Lösungen mit monoklonalen Antikörpern in Anlage 3 Teil 2 Nr. 8 und für die Herstellung parenteraler Calcium- und Natriumfolinatlösungen in Anlage 3 Teil 6 Nr. 5 des Vertrages über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen (§§ 4 und 5 der AMPreisV). Ferner beschloss sie, dass für die Kündigung dieser Regelung Anlage 3 Teil 2 Nr. 9 der Hilfstaxe entsprechend gelte und dass der Schiedsspruch am 17. Oktober 2022 in Kraft trete. Zur Begründung des Schiedsspruchs führte sie aus, die Verhandlungen über den Abschluss einer Folgevereinbarung seien nach außerordentlicher Kündigung durch den Beigeladenen gescheitert. Weder dem Antrag des Beigeladenen auf Verbindung beider Verfahren, der mit Beschluss vom 29. August 2022 abgelehnt worden sei, noch dem Antrag des Klägers auf Feststellung der rechtlichen Unwirksamkeit des in dem von ihm eingeleiteten Schiedsverfahren gestellten Antrags des Beigeladenen auf Erhöhung des Herstellungszuschlags habe stattgegeben werden können. Denn es bestehe ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der jetzt erfolgten Absenkung der Arzneimittelpreisabschläge und der Höhe der Herstellungszuschläge, sodass eine zeitnahe Entscheidung über die Anhebung der Herstellungszuschläge erforderlich sei, mit der Folge, dass die Verhandlungen über die beantragte Anhebung der Herstellungszuschläge über die Arzneimittelabgabe hinaus als gescheitert anzusehen gewesen seien. Aus diesem Grund sei ein Schiedsverfahren – das vorliegende – eröffnet worden, in dem zeitnah über die im Grundsatz auch vom Kläger als notwendig anerkannte Anhebung der Herstellungszuschläge zu entscheiden gewesen sei. Eine rechtliche Grundlage für die Absenkung der bisher vereinbarten Herstellungszuschläge sei nicht gesehen worden. Dem BMWi-Gutachten sei nicht zu folgen, weil die Rücklaufzahlen der Apotheken teilweise gering gewesen seien und das Gutachten keine Kostenanalyse der ca 300 „Refraktionsarzneimittel“ herstellenden Apotheken enthalte. Im Übrigen habe der Kläger trotz dieses bereits seit 2018 vorliegenden Gutachtens mit seinem Antrag auf Absenkung der Herstellungszuschläge Jahre gewartet und diesen erst jetzt kurzfristig gestellt. Die damit letztlich beantragte doppelte Absenkung von Einkaufspreisen einerseits und des mit der Herstellung von Refraktionsarzneimitteln verbundenen Aufwandes andererseits könne die Beklagte nicht mittragen. Der im REFA-Gutachten ermittelte Mittelwert der Kostenanalyse von 99,90 € sei daher trotz der Schwächen auch dieses Gutachtens, nur 29 Apotheken hätten teilgenommen, ein Anhalt gewesen, um im Rahmen des Entscheidungsermessens eine Abwägung eingetretener Kostenveränderungen gegenüber dem zuletzt am 1. Juli 2014 vereinbarten Herstellungszuschlag von 81,- € vorzunehmen. Dem insoweit in Erwägung gezogenen Zuschlag von 10% sei wegen der Zweifel an der Repräsentativität des REFA-Gutachtens ein Unsicherheitsabschlag von 10% gegenübergestellt und deswegen der Herstellungszuschlag auf 100,- € festgelegt worden. Den vollständigen Schiedsspruch erhielt der Kläger in der Ausfertigung vom 8. November 2022 am 10. November 2022. Nach erfolgloser Durchführung eines gerichtlichen Eilverfahrens (Landessozialgericht <LSG> Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Juni 2023 – L 28 KR 428/22 KL ER -) erfolgten die entsprechenden Änderungen in Anlage 3 Teil 2 Nr 8 bzw Anlage 3 Teil 6 Nr 5 der Hilfstaxe.
Mit der am 5. Dezember 2022 vor dem LSG Berlin-Brandenburg erhobenen Klage begehrt der Kläger eine Aufhebung des Schiedsspruchs vom 14. Oktober 2022. Dieser sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Die Beklagte habe den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und trotz der gesehenen Mängel des BMWi-Gutachtens bzw des REFA-Gutachtens keine eigene Kostenanalyse zu den tatsächlichen Kosten der in Rede stehenden parenteralen Zubereitungen angestellt. Den REFA-Mittelwert habe die Beklagte trotz der erwähnten Schwächen dieses nicht repräsentativen Gutachtens letztlich als maßgebend zugrunde gelegt. Das REFA-Gutachten, auf das sich die Beklagte faktisch allein stütze, enthalte keine objektivierbaren Ist-Daten, sondern beruhe auf Angaben von 29 freiwillig teilnehmenden Apotheken aus den Jahren 2016 bis 2022 zu den einem Sterillabor von der jeweiligen zytostatikaherstellenden Apotheke nach eigenen Maßstäben zugeordneten Kosten, die dann in Relation zu einer nicht genannten Zahl an Zubereitungen gesetzt worden seien, deren Art und Menge offenbleibe. Ebenso sei dem Gutachten nicht zu entnehmen, wie sonstige Leistungen der Apotheke im Zusammenhang mit dem Sterillabor berücksichtigt würden. Die erhebliche Streuung der ermittelten Kosten zwischen 38,42 € und 142,69 € falle auf. Die ermittelten Durchschnittskosten von 99,99 € seien damit nicht plausibel, zumal auch nicht der Hilfstaxe unterfallende Zubereitungen eingeflossen seien. Die Beklagte habe zudem die Kostenentwicklung seit der letzten Anpassung 2014, auf die sie sich stütze, ebenso wenig nachvollziehbar ermittelt wie die Kostenentwicklung der nächsten Jahre ab Festsetzung. Die behauptete Sicherung einer arztpraxisnahen Versorgung durch den angesetzten Zuschlag habe die Beklagte nicht verifiziert, zumal die Versorgung durch alle Offizin-Apotheken im Bundesgebiet erfolge. Auch die ansonsten drohende Insolvenzgefahr sei nicht belegt. Die Beklagte gehe selbst davon aus, dass über 50% der Zubereitungen nicht durch Apotheken, sondern Herstellbetriebe erfolgten. Aufgrund der Fixkosten in Sterillaboren hätten zudem Apotheken mit einer großen Zahl von Herstellungen tendenziell geringere Stückkosten. Für die von der Beklagten angeführte „doppelte Absenkung“ und den Zusammenhang zwischen Abrechnungspreis für die Wirkstoffe und den Herstellungszuschlägen fehle gerade die von ihr geforderte gesicherte aktuelle Kostenanalyse, die im Übrigen für das Jahr 2016 durch die für das BMWi-Gutachten eingeholte Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes für die Apotheken, die über Sterillabore verfügten, vorliege. Das Verfahren sei insgesamt auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes rechtlichen Gehörs nicht fair geführt worden, weil die Beklagte letztlich mit dem Argument, er – der Kläger – habe seinen Absenkungsantrag nicht früher unter Bezugnahme auf das seit 2018 vorliegende BMWi-Gutachten gestellt, sich mit diesem Gutachten offensichtlich inhaltlich nicht auseinandergesetzt habe. Das BMWi-Gutachten beruhe auf einer für den gesamten Markt repräsentativen Datengrundlage (Auswertung der Jahresstatistik im Handel durch das Statistische Bundesamt für alle Apotheken), die insbesondere auch die Kostenstrukturen der hier betroffenen Apotheken berücksichtige. Die Kostenanalyse sei nach einzelnen Kostenarten aufgeschlüsselt. Für die ausgewählten Apotheken bestehe eine gesetzliche Auskunftspflicht. Für die Sonderauswertung seien die Angaben freiwillig erfolgt, und zwar 207 Datensätze und damit weit mehr als im REFA-Gutachten. Die erhobenen Daten wiesen eine geringe Streuung und eine hohe Konsistenz auf. Im Rahmen des BMWi-Gutachtens seien die für das Jahr 2018 ermittelten Vergütungshöhen ab dem Jahr 2019 nach § 71 Abs. 3 SGB V fortgeschrieben worden und ergäben die vom Kläger errechneten Beträge. Letztlich verstoße der Schiedsstellenspruch auch gegen die vom Verordnungsgeber bewusst höher als die Hilfstaxe angesetzte Preisobergrenze in § 5 Abs. 6 AMPreisV. Diese habe nur sicherstellen sollen, dass auch für den Bereich der privaten Krankenversicherung (PKV) bzw der Sozialleistungsträger, die keine Preisvereinbarungen mit dem Beigeladenen getroffen haben, die niedrigeren Preise der Hilfstaxe nicht angehoben werden. Die Hilfstaxe habe nur einvernehmlich geändert werden können, was ein Überschreiten der rechtlichen Rahmenbedingungen ausgeschlossen habe. Erst mit Einführung der Schiedsstellenregelung zu den hier in Rede stehenden parenteralen Lösungen im Jahr 2017 sei ohne Änderung der rechtlichen Regelungen im Übrigen ein neuer „Akteur“ eingeführt worden, dessen Entscheidungen für die PKV und Sozialleistungsträger, die aufgrund der Regelungen in der AMPreisV auf die Hilfstaxe sowohl bei den Wirkstoffpreisen als auch den Herstellungszuschlägen abstellen könnten, keine Bindungswirkung entfalteten. Da die Hilfstaxe bei Einführung des § 5 Abs. 6 AMPreisV bereits bestanden habe, bestünde andernfalls für die GKV gar keine Begrenzung der Herstellungszuschläge, was auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach den §§ 2, 12, 70 SGB V widerspreche. Demgegenüber sei es abwegig, dass die PKV bzw Sozialleistungsträger freiwillig die zu Lasten der GKV festgelegten höheren, über § 5 Abs. 6 AMPreisV hinausgehenden Herstellungszuschläge bezahlen würden. Der Schiedsstellenspruch stelle schließlich auch keine Vereinbarung iSv § 5 Abs. 6 AMPreisV dar.
Der Kläger beantragt,
den Schiedsspruch der Beklagten vom 14. Oktober 2022 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet wesentliche Mängel bei der Ermittlung des Sachverhalts, weil die Schiedsstelle grundsätzlich nicht in der Lage sei, Daten, die nicht von den Vertragspartnern eingebracht worden sind und die nicht durch ergänzende Befragungen erfasst werden können, selbst zu ermitteln. Sowohl das BMWi-Gutachten als auch das REFA-Gutachten wiesen als Schwäche eine geringe Zahl einbezogener, auf die Refraktionierung unter sterilen Bedingungen spezialisierter Apotheken auf. Jedoch sehe die Beklagte die einzig verfügbare Gesamtkostenanalyse im REFA-Gutachten trotz der nicht erfolgten Differenzierung einzelner Kostenarten und insbesondere der fehlenden Zuordnung insbesondere auf die hier entscheidungsrelevanten Zubereitungen als tragfähige Grundlage ihrer Einschätzung an, dass angesichts der unmittelbar vorausgehenden weitgehenden Abschöpfung der Einkaufsvorteile für die Ausgangssubstanzen und in Anbetracht von Inflation und Grundlohnentwicklung eine Anpassung auf 100,- € vertretbar sei, wobei auch berücksichtigt worden sei, dass die Beklagte einer einseitigen Marktverschiebung auf möglicherweise kostengünstiger arbeitende Krankenhausapotheken und Herstellungsbetriebe keinen Vorschub leisten wolle. Der Schiedsspruch beruhe auf den bisher vereinbarten Herstellungszuschlägen, weil keine gesicherte Grundlage für deren Absenkung bestehe. Aufgrund des untrennbaren Zusammenhangs zwischen den Regelungen zu den Herstellungszuschlägen und den – bereits abgesenkten – Preisen für die Ausgangssubstanzen bzw der Möglichkeit entsprechender Rabattverträge sei nicht davon auszugehen, dass die gesetzlichen Kassen mehr für parenterale Zubereitungen zahlten als private Kassen und Kostenträger. Vielmehr sei aufgrund der bereits 2018 und zuletzt im unmittelbar vorausgehenden Schiedsverfahren erfolgten massiven Abschläge auf die Herstellerlistenpreise der Ausgangssubstanzen nach der Hilfstaxe insgesamt von einem ganz erheblichen Preisvorteil zugunsten nur der GKV (265 Mio bzw 306 Mio €) auszugehen – unabhängig von zusätzlich möglichen ergänzenden Rabattverträgen gemäß § 130 Abs. 8 SGB V. Der Vorwurf eines unfairen Verfahrens sei zurückzuweisen. Sämtliche Umstände betreffend das Schiedsverfahren seien dem Kläger bekannt gewesen. Die monierte kurze Schriftsatzfrist von drei Wochen sei erfolgt, weil dem Kläger bereits aus den Vorverhandlungen und den Verhandlungen im ersten Schiedsverfahren die Argumentation des Beigeladenen bekannt gewesen sei und die Unparteiischen schon im ersten Verfahren deutlich auf den aus ihrer Sicht bestehenden wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen beiden Verfahren und die Notwendigkeit einer zeitnahen Entscheidung auch für die Herstellungszuschläge hingewiesen hätten. Im Übrigen folge aus § 5 Abs. 6 AMPreisV auch keine Preisobergrenze, weil die Vorschrift nur greife, soweit keine Vereinbarung über die Herstellungszuschläge bestehe. Dies sei hier mit der Hilfstaxe aber gerade der Fall. Diese gelte im Übrigen nach § 5 Abs. 5 Satz 2 Halbs 2 AMPreisV auch für die privaten Kassen und Kostenträger.
Der Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Schiedsspruch sei formal und inhaltlich nicht zu beanstanden. Das REFA-Gutachten sei ausgehend von seiner Methodik und der Kostenermittlung bei einer aussagekräftigen Anzahl von Apotheken eine nachvollziehbare Grundlage für die Darstellung des – bezogen auf die Kosten des Zubereitungsprozesses – konkreten Ist-Zustandes. Das BMWi-Gutachten erhebe Anspruch darauf, den bei den Apotheken vorgenommenen Zubereitungsprozess abzubilden und daraus die notwendigen Kosten herzuleiten. Diesem Anspruch werde dessen Methodik allerdings nicht gerecht, wenn einzelne Aufwände – wie geschehen – fehlerhaft dargestellt würden. Weitergehende Ermittlungen hätten der Beklagten nicht oblegen. Diese habe sämtliche Argumente der Beteiligten erwogen und im Übrigen einen weiten Ermessensspielraum. Die Erhöhung des Zuschlags im Schiedsspruch resultiere aus der Unterfinanzierung der Apotheken aufgrund der erheblichen Rabattweitergabe in Höhe von ca. 300 Mio € durch den vorherigen Schiedsspruch mit Wirkung zum 1. September 2022 und die Angemessenheit der entsprechenden Erhöhung des Zuschlags in Höhe von ca. 90 Mio € (Inkrafttreten erst zum 17. Oktober 2022). § 5 Abs. 6 AMPreisV stelle wegen der vorrangigen abweichenden Vereinbarung bzw dem diese ersetzenden Schiedsspruch keine Preisobergrenze dar. Insbesondere werde die GKV gegenüber privaten Kassen bzw Kostenträgern nicht benachteiligt. Im PKV-Bereich sei neben dem Zuschlag nach § 5 Abs. 6 AMPreisV der vom Hersteller gemeldete Listenpreis und ferner die vollständige Packung zugrunde zu legen. Dadurch ergäben sich regelmäßig deutliche höhere Abrechnungspreise als in der GKV.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren vorbereitende Schriftsätze, die Gerichtsakten im Übrigen sowie die elektronisch übersandte Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Schiedsspruch ist rechtmäßig.
Das LSG Berlin-Brandenburg ist für die Entscheidung im ersten Rechtszug nach § 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG sachlich zuständig, da es um eine Klage gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 129 Abs. 8 SGB V geht. Eine Zuständigkeit der Spruchkörper, die gemäß § 31 Abs. 2, § 40 Satz 2 iVm § 10 Abs. 2 SGG für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts gebildet worden sind, besteht nicht.
Der Kläger hat mit seinem Anfechtungsbegehren gemäß § 54 Abs. 1 iVm § 131 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit dem Ziel, den angegriffenen Schiedsspruch der Beklagten aufzuheben, die insoweit statthafte isolierte Anfechtungsklage erhoben. Die Festsetzung der Vergütung durch die Schiedsstelle nach § 129 Abs. 8 SGB V ist als Verwaltungsakt anzusehen. Die Schiedsstelle nach § 129 Abs. 8 SGB V wird hier als Stelle tätig, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung iSv § 1 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) wahrnimmt und damit als Behörde im funktionalen Sinne (vgl zur Schiedsstelle nach § 120 Abs. 4 SGB V: Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 10. Mai 2017 – B 6 KA 10/16 R = SozR 4-2500 § 120 Nr 5 – Rn 15 mwN). Die Schiedsstelle trifft mit ihrer Festsetzung eine Regelung in Gestalt eines vertragsgestaltenden Verwaltungsakts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen iSv § 31 Satz 1 SGB X (BSG aaO; vgl zur Festsetzung des Schiedsamtes nach § 89 SGB V stRspr seit BSGE 20, 73, 75 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO S A a 2; BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 – Rn 20; zu § 85 Abs. 5 Satz 1 SGB XI: BSGE 105, 126, 130 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2 – Rn 20; anders für die Entscheidungen der Schiedspersonen nach § 73b SGB V und § 132a SGB V BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1 sowie BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5; vgl Beschlüsse des LSG Berlin-Brandenburg vom 19. März 2015 – L 1 KR 499/14 KL ER – und vom 14. März 2017 – L 1 KR 372/16 KL ER – beide juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Dezember 2022 – L 4 KR 290/22 KL ER – juris – Rn 16 mwN). Auch nach der Rspr des Bundesverwaltungsgerichts hat die Festsetzung der Schiedsstelle, der kein Genehmigungsakt folgt, selbst den Charakter eines vertragsgestaltenden Verwaltungsakts (BVerwGE 146, 369 – Rn 27). Eines weitergehenden Prozessantrags der Klägerin bedarf es nicht, weil bei einer Aufhebung des Schiedsspruchs die Beklagte gehalten wäre, über den Schiedsantrag erneut zu entscheiden; das Schiedsverfahren wäre wiedereröffnet, ohne dass es einer Zurückverweisung der Sache an die Schiedsstelle bedürfte. Soweit der Regelungsauftrag des § 129 Abs. 5c Sätze 1 und 2 SGB V mWv 13. Mai 2017 durch das AMVSG vom 4. Mai 2017 (BGBl I 1050) um eine Schiedsstellenregelung in § 129 Abs. 5c Satz 3 SGB V ergänzt worden ist, kann von äußersten Grenzen abgesehen nach der Rspr des BSG zu Vergütungsregelungen für nichtärztliche Leistungserbringer im Bereich der GKV zudem keine Seite eine gerichtliche Entscheidung über die angemessene Vergütung beanspruchen (vgl BSG, Urteil vom 22. Februar 2023 – B 3 KR 7/21 R = SozR 4-2500 § 129 Nr 6 – Rn 17).
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass ein Vorverfahren nach § 78 SGG nicht durchgeführt worden ist. Zwar liegt einer der in § 78 Abs. 1 Satz 2 SGG genannten Fälle, in denen es eines Vorverfahrens nicht bedarf, nicht vor. Eine gesetzliche Vorschrift, die ausdrücklich bestimmt, dass es vor der Anfechtung von Entscheidungen der Schiedsstelle nach § 129 Abs. 8 SGB V eines Vorverfahrens nicht bedarf, gibt es – anders als etwa bei der Schiedsstelle über die Festsetzung der Arzneimittelerstattungsbeträge nach § 130b Abs. 4 Satz 6 SGB V - nicht (vgl § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGG). Bei der Schiedsstelle iSv § 129 Abs. 5c Satz 3 iVm Abs. 8 SGB V handelt es sich auch nicht um eine oberste Landes- oder Bundesbehörde iSv § 78 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGG. Die Entbehrlichkeit der Durchführung eines Vorverfahrens ergibt sich aber aus der Eigenart der Tätigkeit der Schiedsstelle, die bei der Vergütungsfestsetzung an die Stelle der Vertragsparteien tritt (BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4 – Rn 24; für das Schiedsamt nach § 89 SGB V vgl BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2 – Rn 21; BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1 – Rn 21; BSG, Urteil vom 10. Mai 2017 – B 6 KA 10/16 R – aaO – Rn 17 mwN). Der Zweck des Vorverfahrens, im Interesse des Rechtsschutzes des betroffenen Bürgers eine Selbstkontrolle der Verwaltung zu ermöglichen, wird bei der Überprüfung einer Festsetzung durch diejenigen, die dieses Ergebnis in einer bestimmten Verhandlungssituation erzielt haben, nicht erreicht. In der besonderen Situation der Vertragsgestaltung durch eine Schiedseinrichtung kann eine Überprüfung nur im gerichtlichen Verfahren erfolgen, weil die Schiedsstelle keine Trägerorganisation und keine übergeordnete Instanz hat, die über einen Widerspruch entscheiden könnte (Schnapp in: Schnapp/Düring (Hrsg), Handbuch des sozialgerichtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl, Rn 40 mwN aus der Rspr des BSG). Für die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 129 Abs. 5c Satz 3 iVm Abs. 8 SGB V gilt insofern nichts anderes, zumal § 129 Abs. 9 Satz 7 SGB V anordnet, dass Klagen gegen Festsetzungen des Beklagten keine aufschiebende Wirkung haben. Hieraus folgt zugleich, dass ein vorheriges Widerspruchsverfahren nicht stattfindet. Denn die Regelung soll – wie zB die gleichlautende Regelung in § 130b Abs. 4 Satz 5 SGB V - gewährleisten, dass der Schiedsspruch sofort umgesetzt wird und zugleich verhindern, dass ein Rechtsbehelf allein deswegen eingelegt wird, um die Rechtswirkung des Schiedsspruchs zu verzögern (vgl zB Begründung des Gesetzentwurfs zum AMNOG, BT-Drucks 17/2413 S 32). Dass in § 129 Abs. 9 Satz 7 SGB V keine explizite Entbehrlichkeit des Vorverfahrens geregelt wurde, ändert daran nichts. Die Klage ist ausgehend von der vollständigen Bekanntgabe der Ausfertigung des vollständigen Schiedsspruchs gegenüber dem Kläger am 10. November 2022 auch innerhalb der Monatsfrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG fristgerecht erhoben.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der angefochtene Schiedsspruch ist nicht bereits aus formellen Gründen rechtswidrig. Verstöße gegen die Geschäftsordnung der Beklagten (§ 129 Abs. 9 Satz 1 SGB V) sind weder vorgetragen noch im Übrigen ersichtlich. Auch in Bezug auf Verfahrens- und Formvorschriften sind Rechtsverletzungen nicht ersichtlich. Die vorangegangenen Verhandlungen hatten nach der fristgerechten Kündigung der einschlägigen Hilfstaxenregelungen durch den Beigeladenen zu keiner Einigung der Vertragsparteien geführt. Gemäß § 129 Abs. 5c Satz 3 SGB V wird der Vertragsinhalt durch die Schiedsstelle nach § 129 Abs. 8 SGB V festgesetzt, wenn eine Vereinbarung § 199 Abs. 5c Satz 1 oder 2 SGB V ganz oder teilweise zustande kommt. Dies war hier der Fall. Eine Vereinbarung über den Vertragsinhalt ist zwischen den Vertragsbeteiligten, dem Kläger und dem Beigeladenen, „nicht zustande“ gekommen (vgl § 129 Abs. 5c Satz 3, Abs. 7 SGB V; § 6 Abs. 1 der aufgrund von § 129 Abs. 10 Satz 2 SGB V erlassenen Schiedsstellenverordnung <SchStV> vom 29. September 1994 - BGBl I S. 2784 -, zuletzt geändert durch Art 15c des Gesetzes vom 11. Juli 2021 - BGBl. I S 2754 -) und der Beigeladene hat die beklagte Schiedsstelle am 7. Juli 2022 angerufen. Dass die Beklagte für das hier in Rede stehende Schiedsverfahren gesetzlich gar nicht schiedsbefugt gewesen wäre, wie der Kläger im Verhandlungstermin erstmals hat anklingen lassen, trifft nicht zu. Die Schiedsbefugnis folgt für die vorliegend streitbefangenen Herstellungszuschläge ohne weiteres aus der in § 129 Abs. 5c Satz 3 SGB V ausdrücklich genannten Schiedsfähigkeit für parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie. Die Beklagte durfte von einem Scheitern der Verhandlungen auch betreffend das Verfahren zur Erhöhung der Herstellungszuschläge (2 AP 44-22) ausgehen, ohne dass dies vom Senat als rechtswidrig zu beanstanden ist, obgleich der Kläger weitere Verhandlungsbereitschaft signalisiert hatte. Denn soweit der Kläger bereits unter Bezugnahme auf seinen Antrag auf Festsetzung der Abschläge für die Wirkstoffe bzw Fertigarzneimittel Bortezomib, Cabazitaxel, Bevacizumab, Rituximab und Trastuzumab in Anlage 3 Teil 2 des Vertrages über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen (§§ 4 und 5 AMPreisV) vom 21. Juni 2022 mit Schriftsatz vom 1. August 2022 geltend gemacht hatte, dass mangels Verhandlungen über die Arbeitspreise diese auch noch nicht hätten scheitern können, sodass auch (noch) kein Grund für die Anrufung der Schiedsstelle bestehe, kann dies dahinstehen, nachdem er schon zuvor per E-Mail vom 17. Juni 2022 zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen erklärt hatte, die Verhandlungen für die Anpassung der Abschläge seien gescheitert, und sodann unter dem 21. Juni 2022 die Schiedsstelle zwecks Vereinbarung neuer Preisabschläge angerufen hatte.
Die Klage hat auch in der Sache keinen Erfolg.
Der von der Beklagten getroffene Schiedsspruch ist durch seinen Kompromisscharakter geprägt und regelmäßig nicht die einzig sachlich vertretbare Entscheidung. Deshalb ist der Schiedsstelle ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist (stRspr; vgl nur BSG, Urteil vom 12. August 2021 – B 3 KR 3/20 R – juris – Rn 39 mwN; BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 - B 3 KR 20/17 R = SozR 4-2500 § 130b Nr 1 – Rn 22 mwN; BSG, Urteil vom 10. Mai 2017- B 6 KA 10/16 R – aaO – Rn 21 mwN. Die Vertragsgestaltungsfreiheit, die der gerichtlichen Überprüfung Grenzen setzt, ist für die Schiedsstelle nicht geringer als diejenige der Vertragspartner einer im Wege freier Verhandlung erzielten Vereinbarung (zB BSG, Urteil vom 10. Mai 2017 - B 6 KA 14/16 R = SozR 4-2500 § 87a Nr 3 – Rn 51 mwN). Die inhaltliche gerichtliche Kontrolle ist daher darauf beschränkt, ob der von der Beklagten zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob diese den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh insbesondere die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben beachtet hat, die auch für die Vertragsparteien gelten. (Auch) Entscheidungen der Schiedsstelle nach § 129 Abs. 8 SGB V unterliegen im Ergebnis somit nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle darauf hin, ob die Schiedsstelle zwingendes Gesetzesrecht beachtet, den bestehenden Beurteilungsspielraum eingehalten und den zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs hinreichend ermittelt hat (vgl BSG vom 4. Juli 2018 - B 3 KR 20/17 R – aaO – Rn 19).
Durchgreifende Mängel bei der Ermittlung des Sachverhaltes sind der Beklagten nicht anzulasten. Der Schiedsspruch gründet auf einer hinreichenden Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs. Die Beklagte hat sämtliche von den Beteiligten des Schiedsstellenverfahrens beigebrachten Stellungnahmen und Unterlagen erwogen und gewürdigt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte von vornherein schon aufgrund ihrer Verfasstheit zur vollständigen Sachverhaltsermittlung nicht in der Lage und auch nicht verpflichtet ist. Zwar gilt auch für das Verfahren vor der Schiedsstelle der Ermittlungsgrundsatz des § 20 SGB X; die Mitglieder der Schiedsstelle üben ihr Amt aber als Ehrenamt aus (§ 129 Abs. 9 Satz 2 SGB V). Schon daraus sowie aus der Zusammensetzung der Schiedsstelle mit einem fehlenden Verwaltungsunterbau wird deutlich, dass die Notwendigkeit zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts nicht gefordert werden kann; eine uneingeschränkte Anwendung des Amtsermittlungsgrundsatzes für die Schiedsstelle würde diese überfordern und das Verfahren entgegen dem gesetzlichen Gebot, dass von der Schiedsstelle nach § 129 Abs. 7 SGB V innerhalb eines Monats nach Einleitung des Schiedsverfahrens zu entscheiden ist (vgl § 8 Abs. 4 Schiedsstellenverordnung), zudem erheblich verzögern. Vor dem Hintergrund der Besonderheiten des Schiedsverfahrens ist der Ermittlungsgrundsatz deshalb durch besondere Mitwirkungspflichten der Beteiligten in wesentlicher Hinsicht begrenzt (vgl BSG, Urteil vom 7. Oktober 2015 – B 8 SO 21/14 R – juris – Rn 20 mwN; BSG, Urteil vom 25. Januar 2017 – B 3 P 3/15 R = SozR 4-3300 § 76 Nr 1 – Rn 44 mwN). Zu den für einen Schiedsspruch bedeutsamen Umständen gehören neben der Berücksichtigung zwingender Grundsätze und Normen insbesondere solche Umstände, denen die Schiedsstelle im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums Bedeutung beimisst. Bei der Bestimmung von Art und Umfang der Ermittlungen muss die Schiedsstelle insbesondere auch dem Beschleunigungsgrundsatz gerecht werden und kann sich deshalb regelmäßig auf den von den Beteiligten vorgebrachten Sachverhalt und die von ihnen beigebrachten Unterlagen stützen. Denn das Schiedsverfahren ist in besonderem Maße von den Mitwirkungspflichten der Beteiligten geprägt. Dies zeigt sich nicht nur daran, dass sich die Schiedsstelle selbst zum großen Teil aus Vertretern der Interessengruppen der Beteiligten zusammensetzt. Das Schiedsstellenverfahren ist auch als Verlängerung der Vertragsverhandlungen unter Führung unparteiischer Mitglieder zu verstehen, denn zu einem Schiedsspruch kommt es erst, wenn sich die Beteiligten auch vor der Schiedsstelle nicht einigen können. Der Schiedsspruch ersetzt dann die fehlende, konsensual getroffene Regelung durch eine Rechtsetzung, die häufig im Wege eines Kompromisses die unterschiedlichen Interessen zusammenführt. Der Gesetzgeber hat das Verfahren damit insgesamt weitgehend in die Hände der Beteiligten und deren Mitwirkung gelegt. Eine Einschränkung der Ermittlungspflicht von Amts wegen erfolgt auch in anderen Zusammenhängen, wenn ein Beteiligter Informationen in das Verfahren einbringen kann. Dies gilt im Schiedsstellenverfahren wegen der gesteigerten Mitwirkungspflichten in besonderem Maße. In Ermangelung eines Verwaltungsunterbaus und im Hinblick auf Stellung und Funktion der Schiedsstelle genügt sie ihrer Amtsermittlungspflicht iSd dargelegten modifizierten Beibringungsgrundsatzes regelmäßig, wenn sie solche Unterlagen und Angaben von den Vertragsparteien anfordert, denen sie im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums Bedeutung beimessen möchte oder denen nach der Rechtslage für die Schiedsstellenentscheidung Bedeutung beizumessen ist. Weitergehende, eigene Ermittlungen der Schiedsstelle, zB durch die Einholung von Gutachten oder Auskünften von Dritten, sind insbesondere dann nicht ausgeschlossen, wenn sich die Beteiligten auf deren Durchführung durch die Schiedsstelle und die Übernahme der Kosten einigen; andernfalls unterfallen solche Ermittlungen regelmäßig weitgehend dem Beurteilungsspielraum der Schiedsstelle und nicht der Amtsermittlungspflicht (BSG aaO Rn 45). Auch der erkennende Senat war daher zu weiteren eigenen Amtsermittlungen nicht verpflichtet.
Letztlich rügt der Kläger auch in der Sache gar keine unzureichende Sachaufklärung, sondern hält die Plausibilitätsprüfung der Beklagten in Bezug auf die widerstreitenden Gutachten des BMWi/IGES einerseits und des REFA-Gutachtens andererseits für falsch und meint, einzig das Gutachten des BMWi/IGES sei schlüssig und enthalte eine nachvollziehbare Kostenanalyse.
Die Beklagte hat bei ihrer Plausibilitätsprüfung, die sich danach nur auf die genannten Gutachten stützen konnte und im Ergebnis eine Schlüssigkeitsprüfung unter Berücksichtigung des Vortrags der Beteiligten darstellt (vgl BSG aaO), die Schwächen beider Gutachten benannt und davon ausgehend dargelegt, dass sie ihre Entscheidung nicht unmittelbar auf eines der genannten Gutachten stützen konnte. Diese gerichtlich überprüfbare Schlüssigkeitsprüfung der Beklagten ist nicht zu beanstanden, was sich aus Folgendem ergibt:
Das REFA-Gutachten weist keine vollständig transparente und differenzierte Zuordnung der Personal-, Sach- und Materialkosten zu in den geprüften Labors tatsächlich durchgeführten Verfahren und insbesondere zu den hier in Rede stehenden parenteralen Zubereitungen auf. Zudem mangelt es angesichts der niedrigen Zahl einbezogener Apotheken - das Gutachten beruht auf Angaben von 29 freiwillig teilnehmenden Apotheken aus den Jahren 2016 bis 2022 zu den einem Sterillabor von der jeweiligen zytostatikaherstellenden Apotheke nach eigenen Maßstäben zugeordneten Kosten, die dann in Relation zu einer nicht genannten Zahl an Zubereitungen gesetzt worden sind, deren Art und Menge offenbleiben – an der Repräsentativität der erhobenen Daten, die eine erhebliche Streuung der ermittelten Kosten zwischen 38,42 € und 142,69 € ergaben. Insbesondere lässt sich dem REFA-Gutachten im Ergebnis auch keine zureichende Diskussion der der Kostenanalyse zugrunde liegenden Datenqualität entnehmen. Präzision und Nachvollziehbarkeit der erhobenen Kosten sind eingeschränkt. Auch der Anpassungsfaktor für die Kostenfortschreibung 2016 – 2022 wird unzureichend differenziert. Aufgrund der Preisberechnung pro Apotheke anstatt pro Zubereitung und der nicht belegten Repräsentativität bestehen danach auch nach Auffassung des Senats Zweifel, ob die Ergebnisse als verallgemeinerbar für die Herstellung und Abgabe parenteraler Zubereitungen und somit als ausschlaggebend für die Festsetzung der Herstellungszuschläge gelten können.
Demgegenüber weist aber auch das BMWi-Gutachten (2HM-Gutachten) Mängel auf. Es enthält gerade keine auf „Refraktionsarzneimittel“ (vgl die von der Beklagten verwendete Begrifflichkeit), dh auf die Herstellung parenteraler Zytostatikalösungen spezialisierter Apotheken bezogene konkrete Ist-Kostenanalyse. Die Stichprobe der Primärerhebung war ausgehend von der Annahme, dass in Deutschland ca. 300 entsprechend spezialisierte Apotheken existieren – wie schon im Gutachten selbst ausgeführt wird (S 146, 151) – dementsprechend klein (3 bis 36 Apotheken) und demgemäß ebenfalls nicht repräsentativ. Die zusätzlich durchgeführte Sonderstichprobe mit hochgerechnet 270 Spezialapotheken im Bundesgebiet anhand der Jahresstatistiken im Handel umfasst nur einen Teil der genannten Spezialapotheken, „bei dem zudem unklar ist, in welchem Ausmaß es sich tatsächlich um herstellende Zytostatika-Apotheken handelt“ (S 151). Die im BMWi-Gutachten gewählte, mit dem REFA-Gutachten nicht zu vergleichende Methodik hebt darauf ab, den bei den Apotheken vorgenommenen Zubereitungsprozess, dh die insoweit bestehenden Einflussgrößen für die Höhe der Zubereitungsaufwendungen, abzubilden und daraus die notwendigen Kosten herzuleiten. Bereits hinsichtlich der insoweit zugrunde zu legenden Positionen bzw deren Kalkulation (zB dem zugrunde zu legenden Unternehmerlohn des Apothekers) besteht indes zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen Streit, ohne dass die Beklagte letztlich selbst in der Lage gewesen wäre, aussagekräftigere Daten zu erheben (vgl zB die Kritik an dem im BMWi-Gutachten zugrunde gelegten DESTATIS-Daten-Set von Diener, 2hm-Gutachten zur Apothekerhonorierung, 3. Mai 2018, in: observer-gesundheit.de).
Die Beklagte war angesichts der Mängel beider Gutachten bei Ausübung ihres Beurteilungsspielraums jedenfalls aus Rechtsgründen nicht gehindert, im Ergebnis ausgehend von den kritisch gewürdigten Ist-Kosten-Werten des REFA-Gutachtens und auf der Grundlage der bereits seit 1. September 2014 bestehenden Zuschläge gemäß der Hilfstaxe für Zytostatika iHv 81,- € unter Einbeziehung der Lohn- und Gehaltsentwicklung, aber auch der inflationsbedingten Steigerungen der weiteren Zubereitungsfaktoren zu der Beurteilung zu gelangen, dass der im REFA-Gutachten ermittelte Mittelwert als „Anhalt“ und damit Ankerpunkt für ihre weitere Abwägungsentscheidung plausibel erscheine. Die dann erfolgte Abwägung, die zudem Versorgungsgesichtspunkte und auch den jedenfalls wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Festsetzung der Herstellerabschläge im vorausgegangenen Schiedsverfahren und der damit verbundenen erheblichen Abschläge auf die Hersteller-Listenpreise der Ausgangssubstanzen (vgl im Übrigen auch § 78 Abs. 2 Satz 1 AMG, wonach die Preise und Preisspannen den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen müssen; zu den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher gehört auch die Sicherstellung der Versorgung sowie die Bereitstellung von Arzneimitteln nach § 52b AMG; vgl jetzt auch die in § 40b Arzneimittel-Richtlinie, in Kraft getreten am 15. März 2024, geregelte kostendämpfende Substitution durch Nachahmerpräparate, sog Biosimilars, für sechs Parenteralia-relevante Wirkstoffe, darunter Bevacizumab, Rituximab und Trastuzumab, im neu ergänzten Anhang 4 von Anlage Teil 2 der Hilfstaxe, der insoweit feste Preise festlegt) beanstandungsfrei berücksichtigen durfte, ist willkürfrei erfolgt, nachvollziehbar begründet und verstößt – was noch darzulegen sein wird – nicht gegen zwingendes Recht.
Ob der erkennende Senat die Abwägungsentscheidung im Ergebnis teilt oder ob es sich um die einzig sachlich vertretbare Entscheidung handelt, kann dahinstehen, solange sie – wie hier – vom Beurteilungsspielraum der Beklagten gedeckt ist. Die Vertragsgestaltungsfreiheit, die der gerichtlichen Überprüfung Grenzen setzt, ist für die Schiedsstelle – wie bereits ausgeführt - nicht geringer als diejenige der Vertragspartner einer im Wege freier Verhandlung erzielten Vereinbarung (zB BSG, Urteil vom 10. Mai 2017 - B 6 KA 14/16 R – aaO - Rn 51 mwN). Dass die Vertragspartner durch zwingende Rechtsvorschriften nicht gehindert gewesen wären, eine gleichlautende Vereinbarung abzuschließen, steht indes fest.
Der angegriffene Schiedsspruch verstößt nicht gegen zwingendes Recht. Insbesondere folgt aus § 5 Abs. 6 AMPreisV keine Preisobergrenze, welche die Beklagte rechtswidrig missachtet hätte.
Für die hier streitgegenständlichen Zubereitungen ist im Rahmen des SGB V als allgemeine Regelung für die Bestimmung der Preise § 129 Abs. 5c Satz 1 SGB V einschlägig. Danach sind die Preise verbindlich, die zwischen den Spitzenorganisationen der Apotheker und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen auf Grundlage der Vorschriften des AMG vereinbart sind. Gemeint ist damit § 78 AMG. Diese Regelung führt über deren Ermächtigung zur Maßgeblichkeit der Bestimmungen der AMPreisV. Eingeführt worden war diese Maßgabe des § 129 Abs. 5c Satz 1 SGB V zwar erst mit Wirkung zum 23. Juli 2009 durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (BGBl I 1990; 15. AMG-Novelle). Dieser Verweis aus dem SGB V auf das AMG war allerdings ausschließlich klarstellender Natur (vgl BT-Drucks 16/12256, S 65). Schon zuvor sahen § 5 Abs. 4 und 5 AMPreisV die Regelungsbefugnis der Apothekenverbände und des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen vor, die Kalkulation der Preise von Herstellungen zu bestimmen. Von dieser Befugnis war und wird auch in der Hilfstaxe Gebrauch gemacht, in der nach wie vor die Regelung zur Preiskalkulation auf Basis des AMG erfolgt. Zum 23. Juli 2009 waren Auffangregelungen hinzugetreten für den Fall, dass die Hilfstaxe zB aufgrund Kündigung wegfallen würde. Dann sollten die tatsächlichen Einkaufspreise der Apotheken zu Grunde gelegt werden, höchstens jedoch die Einkaufspreise, die für Abgaben an Verbraucher auf der Grundlage des AMG gelten (§ 129 Abs. 5c Satz 2 idF vom 23. Juli 2009 = Satz 6 in der aktuell gültigen Fassung). Parallel dazu war in § 5 Abs. 6 AMPreisV eine – zunächst befristete -Auffangregelung für die Zuschläge für die dort bezeichneten parenteralen Zubereitungen vorgesehen worden. Die bis dahin geltende Regelung der Zuschläge für Arzneimittelzubereitungen, nach welcher bei Abgabe einer Zubereitung hierfür stets ein Festzuschlag in Höhe von 90 % des Apothekeneinkaufspreises sowie ein Rezepturzuschlag von 2,50 bis 7,- € erhoben werden konnte, wurde durch Vereinbarungsmöglichkeiten der Apothekerverbände mit den jeweiligen Verbänden der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung (§ 5 Abs. 4 und 5 AMPreisV) bzw alternativ durch eine Kappung beider Zuschläge gemäß § 5 Abs. 6 AMPreisV ersetzt. Der Verordnungsgeber hielt den 90%igen Festzuschlag gerade bei hochpreisigen Arzneimitteln (wie Zytostatikazubereitungen) für nicht leistungsgerecht und sah daher zur Kostendämpfung zwingenden Handlungsbedarf (vgl BT-Drucks 16/13428 S 87). Weiterhin sieht § 5 Abs. 4 Satz 3 AMPreisV eine Auffangregelung für den Einkaufspreis vor.
Ergänzend zu dieser auch im vorliegend streitigen Zeitraum geltenden Basissystematik, nach welcher die Hilfstaxe auf Basis des AMG den Ausgangspunkt bildet, ist zu beachten, dass die Bindung der Apotheken an die Preisspannen und Preise der AMPreisVO für Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen mWv 23. Juli 2009 aufgehoben wurde, § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 AMPreisVO. Damit sollte für die Apotheken eine Wettbewerbsgleichheit mit den Krankenhausapotheken bei der Gestaltung der tatsächlichen Einkaufspreise erreicht werden (vgl BT-Drucks 16/12256, S 62). Die Krankenhausapotheken waren nämlich bis 12. Mai 2017 (vgl die Änderung des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr 1 AMPreisV durch das AMVSG) insgesamt, dh auch soweit es sich um die Abgabe von parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur ambulanten Versorgung handelt, aus der Preisbindung ausgenommen, § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AMPreisVO, aber in erheblichem Umfang an der Versorgung mit parenteralen Zubereitungen beteiligt. Nunmehr sollten Offizin- und Krankenhausapotheken die Einkaufspreise frei bestimmen können. Die vorgenannten Bestimmungen des § 5 AMPreisVO einschließlich der Geltung der Hilfstaxe und der Auffangregelungen bei Entfallen der Hilfstaxe waren und sind gleichwohl weiterhin anzuwenden. Die Freigabe der tatsächlichen Einkaufspreise entband also nicht von der Beachtung der Maßgaben der AMPreisVO für die Abgabepreise gegenüber den Krankenkassen.
In der Folge entschloss sich der Gesetzgeber durch das AMVSG mWv 13. Mai 2017 einerseits, die umstrittene Bestimmung des § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V, die mWv 1. April 2007 die Möglichkeit der Direktvereinbarung eingeführt hatte, abzuschaffen, indem die darauf fußenden Verträge mit Wirkung zum 31. August 2017 beendet wurden (§ 129 Abs. 5 Satz 4 SGB V). Zugleich schaffte er die Voraussetzungen, die Hilfstaxenpreise für parenterale Zubereitungen per Schiedsstellenverfahren abzusenken, § 129 Abs. 5c Satz 2 bis 4 SGB V. Davon war nachfolgend Gebrauch gemacht worden durch Beschluss der Schiedsstelle vom 19. Januar 2018. Unbeschadet der individuellen Rabattregelungen im Verhältnis zu den Pharmaunternehmen (§ 130 Abs. 8a SGB V) kehrte die Regelungssystematik dann wieder zur faktischen Relevanz der Hilfstaxenregelungen auf Basis des AMG zurück (vgl zur Rechtsentwicklung Penner, Anmerkung zum Urteil des BSG vom 20. Dezember 2018 – B 3 KR 6/17 R = SGb 2020, 173-185).
Gestützt auf die insoweit seither unverändert gebliebene Ermächtigungsgrundlage in § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG (idF der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005, BGBl I 3394), durch Rechtsverordnung Preise für Arzneimittel, die in Apotheken hergestellt und abgegeben werden, festzusetzen, bestimmt § 5 AMPreisV (idF des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes <AMNOG> vom 22. Dezember 2010, BGBl I 2262) Apothekerzuschläge bei der Abgabe von Zubereitungen aus Stoffen, die in Apotheken angefertigt werden: einen Festzuschlag auf die Apothekeneinkaufspreise von Stoffen und Fertigarzneimitteln (§ 5 Abs. 1 Nr 1, Abs. 2) und einen Rezepturzuschlag (§ 5 Abs. 1 Nr 2, Abs. 3). Trifft die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker mit dem GKV-Spitzenverband Vereinbarungen über die Höhe des Rezepturzuschlags, so sind die vereinbarten Zuschläge abweichend von § 5 Abs. 3 AMPreisV bei der Preisberechnung zu berücksichtigen (§ 5 Abs. 5 Satz 1 AMPreisV, vgl auch § 5 Abs. 6 AMPreisV). Solche abweichenden Regelungen enthält der Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen (sog Hilfstaxe). Nach § 2 Abs. 2 dieser Hilfstaxe werden für bestimmte Rezepturen Rezepturzuschläge nach § 5 Abs. 5 AMPreisV auf Vorschlag der technischen Kommission nach § 3 dieses Vertrags vereinbart und sind die Regelungen zu diesen Rezepturen als Anlagen Bestandteil dieses Vertrags und der Abrechnung zugrunde zu legen. § 5 Abs. 6 AMPreisV lautet wie folgt: Besteht keine Vereinbarung über Apothekenzuschläge für die Zubereitung von Stoffen nach § 5 Abs. 5 Satz 1 oder Satz 2, beträgt der Zuschlag für parenterale Lösungen abweichend von Absatz 1 oder Absatz 3 für (1.) zytostatikahaltige Lösungen 90,- €, (2.) Lösungen mit monoklonalen Antikörpern 87,- €, (3.) antibiotika- und virustatikahaltige Lösungen 51,- €, (4.) Lösungen mit Schmerzmitteln 51,- €, (5.) Ernährungslösungen 83,- €, (6.) Calciumfolinatlösungen 51,- € und (7.) sonstige Lösungen 70,- €.
Die hier maßgebliche Anlage 3 der Hilfstaxe (idF ab 1. September 2014) enthält Regelungen für die Preisbildung für parenterale Lösungen. Während in Teil 1 allgemeine Bestimmungen für die Preisbildung aus der Summe der Preise für die in der Zubereitung enthaltenen Stoffe und des Preises für Primärpackmittel, zuzüglich des in den nachfolgenden Teilen festgelegten Zuschlags ("Arbeitspreis"), enthalten sind (Ziffer 2.1) sowie Festlegungen für die Bildung der abrechnungsfähigen Menge getroffen werden, wonach bei parenteralen Zubereitungen abrechnungsfähig ärztliche Verordnungen sind, die den Bedarf von bis zu einer Woche umfassen, soweit es sich um nach Art und Menge identische Zubereitungen (applikationsfertige Einheiten) handelt (Ziffer 3.1), und eine Charge als die an einem Tag je Verordnung hergestellte Anzahl identischer applikationsfertiger Einheiten definiert wird (Ziffer 3.3.), enthält Teil 2 der Anlage 3 die Preisbildung für zytostatikahaltige parenterale Lösungen, die den nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 iVm Abs. 3 und 6 AMPreisV abrechenbaren Rezepturzuschlag ersetzt. Für die Herstellung zytostatikahaltiger parenteraler Zubereitungen war nach Ziffer 8 der Anlage 3 Teil 2 pro applikationsfertiger Einheit ab 1. September 2014 ein Zuschlag von 81,- € abrechnungsfähig, für die Herstellung parenteraler Lösungen mit monoklonalen Antikörpern 71,- €, für die Herstellung parenteraler Lösungen mit den in Anhang 3 aufgeführten Wirkstoffen 81,- € und nach Ziffer 5 der Anlage 3 Teil 6 für die Herstellung parenteraler Calcium- und Natriumfolinatlösungen 39,- €.
Die Preisgrenzen des mWv 1. Januar 2011 durch das AMNOG eingeführten § 5 Abs. 6 AMPreisV (die zeitlich befristete Vorgängerregelung des § 5 Abs. 6 AMPreisV wurde zum 31. Dezember 2010 durch das Gesetz vom 17. Juli 2009 – BGBl I 1990 – aufgehoben) stehen ausdrücklich unter dem insoweit keiner anderen Wortlautauslegung zugänglichen Vorbehalt, dass „keine Vereinbarung über Apothekenzuschläge für die Zubereitung von Stoffen nach § 5 Abs. 5 Satz 1 oder Satz 2“ AMPreisV besteht. Es handelt sich daher um eine Auffangregelung. Eine solche Vereinbarung bildet nämlich die der Preisberechnung zugrunde zu legende Hilfstaxe bzw der gemäß § 129 Abs. 7 SGB V deren „Vertragsinhalt“ festsetzende Schiedsspruch der Beklagten (vgl auch § 129 Abs. 5c Satz 5 SGB V, wonach die Vereinbarung bzw der Schiedsspruch bis zum Wirksamwerden einer erneuten Vereinbarung fortgelten). Dass die in § 5 Abs. 6 AMPreisV geregelten Zuschläge nur dann gelten sollten, wenn keine geringeren Zuschläge vereinbart worden sein sollten, ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus Systematik bzw Sinn und Zweck der Regelung. Die Erwägung des Klägers, die Regelung des § 5 Abs. 6 AMPreisV wäre, da es bei deren Inkrafttreten bereits eine vereinbarte Hilfstaxe gab, für die GKV ansonsten von Anfang an ins Leere gelaufen, ergibt sich im Ergebnis schon aus den dargelegten Erwägungen zur durchgehenden Geltung der Hilfstaxe und jedenfalls für die Zeit ab 13. Mai 2017 bereits aus § 129 Abs. 5c Satz 5 SGB V idF des AMVSG und ist keine unmittelbare Folge dessen, dass § 5 Abs. 6 AMPreisV als Auffangregelung zu verstehen ist (vgl zum Charakter als „Auffangregelung“ schon LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Oktober 2017 – L 4 KR 3408/15 – juris – Rn 38; Penner aaO, Rn 2.b.bb <2>).
Dass § 5 Abs. 6 AMPreisV nur einen Vorbehalt für eine zwischen den Vertragspartnern nach § 129 Abs. 2 bzw Abs. 5c SGB V getroffene konsensuale Vereinbarung – und dies auch nur bei Vereinbarung geringerer Zuschläge – und nicht für einen Schiedsspruch regelt, ist ungeachtet dessen, dass die Hilfstaxe bereits vor der Einführung der Regelung existierte, nicht ersichtlich. § 5 Abs. 6 AMPreisV konstituiert keine bereits in § 78 Abs. 2 AMG vorgenommene bindende Interessenabwägung des Gesetzgebers. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 8 AMPreisV sind Preisspannen und Preise der Apotheken ausgenommen, wenn es sich um Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen handelt, weshalb diese Preise verhandelt werden können. Gemäß § 129 Abs. 5c Satz 1 SGB V gelten zwar auch insoweit die Regelungen des AMG, auf der die AMPreisV beruht. Dass hieraus jedoch zu folgern wäre, dass auch § 5 Abs. 6 AMPreisV eine bundeseinheitliche Preisobergrenze festsetzt, widerspricht bereits der unterschiedlichen Regelungssystematik der AMPreisV einerseits zu den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, für die die AMPreisV unmittelbar anwendbar ist (vgl § 1 Abs. 1 AMPreisV) und die sicherstellen soll, dass bundeseinheitliche Abgabepreise gewährleistet werden, und andererseits zu den nach § 1 Abs. 3 AMPreisV von der unmittelbaren Anwendung ausgenommenen und explizit verhandelbaren Preisspannen und Preise, zu denen hier in Rede stehenden Zubereitungen zählen. Im Übrigen hat der Normgeber dort, wo er verbindliche Preisobergrenzen regeln wollte, dies auch explizit klargestellt („höchstens“ bzw „Höchstzuschläge“: vgl §§ 2 Abs. 1 und Abs. 2, 3 Abs. 1 bis 3, 5 Abs. 2 Satz 2 Nr 2 AMPreisV). Bei § 5 Abs. 6 AMPreisV findet sich eine solche Klarstellung gerade nicht. Der Normgeber sah auch keine Veranlassung, eine solche Regelung bzw Klarstellung mit Einführung der Schiedsstellenregelung zum 1. April 2017 vorzunehmen.
Unabhängig davon, dass die Preisgrenze in § 5 Abs. 6 AMPreisV– was nicht plausibel erscheint - selbst nach dem insoweit nicht einheitlichen Vorbringen des Klägers jedenfalls für Schiedssprüche, die im Ergebnis nichts Anderes als vertragsgestaltende Verwaltungsakte sind, gelten soll, eventuell aber nicht für Vereinbarungen der Vertragspartner, lässt sich auch aus den Gesetzesmaterialien eine solche teleologische Einschränkung des letztlich eindeutigen Wortlauts nicht herleiten. Zu der Regelung heißt es in den Gesetzgebungsmaterialien (vgl BT-Drucks 17/2413, S 37):
Zielt die zitierte Begründung daher letztlich auf die PKV bzw andere Sozialleistungsträger ab, kann ihr indes keine bindende Preisobergrenze für Vereinbarungen der hier betroffenen Vertragspartner bzw diese ersetzende Schiedssprüche der Beklagten entnommen werden. Selbst wenn der Gesetzgeber, wie der Kläger vorträgt, durch gegenüber der Hilfstaxe bewusst höher angesetzte Obergrenzen durch die Ausnahme für (bereits vorhandene und geringere Zuschläge vorsehende) Vereinbarungen einen erheblichen Anstieg der Herstellungszuschläge in der GKV vermeiden und bestehende Verträge nicht in Frage stellen wollte, hätte diese Intention in § 5 Abs. 6 AMPreisV keinen hinreichenden Ausdruck gefunden. Für die Auslegung der Norm ist aber der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetz- bzw Normgebers entscheidend, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (vgl BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 ua = BVerfGE 133, 168, 205; BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 = BVerfGE 144, 20, 555). Dieser ist mit Hilfe der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung zu ermitteln, dh anhand des Wortlauts der Norm, ihrer systematischen Stellung, nach Sinn und Zweck sowie anhand der Gesetzesmaterialien und ihrer Entstehungsgeschichte (vgl BVerfG, Beschluss vom 25. März 2021 - 2 BvF 1/20 ua – juris - Rn 106). Der Entstehungsgeschichte kommt für die Auslegung regelmäßig nur insoweit Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den allgemeinen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel ausräumt, die ansonsten nicht behoben werden können (vgl BVerfG, Urteil vom 9. Juli 2007 - 2 BvF 1/04 = BVerfGE 119, 96, 179; BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 - aaO). Damit sind die Erwartungen des Klägers an die Reichweite der Vorschrift nicht von entscheidendem Gewicht. Sie sind weder von den zur Normgebung Befugten mit hinreichender Deutlichkeit aufgegriffen worden noch haben sie sich im Wortlaut der Vorschrift niedergeschlagen noch sind sie nach deren Sinnzusammenhang geboten.
Die so verstandene Bedeutung des § 5 Abs. 6 AMPreisV als Auffangregelung (vgl auch die klare Regelung in § 5 Abs. 5 Satz 1 AMPreisV: „Trifft die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen Vereinbarungen über die Höhe des Fest- oder Rezepturzuschlages nach Absatz 1, so sind die vereinbarten Zuschläge abweichend von Absatz 1 oder Absatz 3 bei der Preisberechnung zu berücksichtigen“) benachteiligt die GKV auch nicht unangemessen gegenüber der PKV bzw anderen Sozialleistungsträgern. Es trifft schon nicht zu, dass § 5 Abs. 6 AMPreisV systematisch verhindern solle, dass die bisher niedrigeren Preise der Hilfstaxe auf die für die PKV und andere Sozialleistungsträger geltenden Regelungen angehoben werden. Denn mangels entsprechender Vereinbarungen konnte und kann gemäß § 5 Abs. 5 Satz 2 Halbs 2 AMPreisV (eingeführt mWv 23. Juli 2009 durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 – BGBl I 1990 –) auf die Preise der Hilfstaxe abgestellt werden. Diese die Abrechnungsbefugnis des Apothekers regelnde Wahlmöglichkeit („kann“) gilt auch weiterhin nach den nunmehr von der Beklagten festgesetzten Zuschlägen. Die Preise in § 5 Abs. 6 AMPreisV kommen damit letztlich nur zum Tragen, soweit keine Vereinbarung bzw ein diese ersetzender Schiedsspruch vorliegen, dh die in § 5 Abs. 6 AMPreisV geregelten Preise gelten auch für die PKV und andere Sozialleistungsträger im Ergebnis nur nachrangig. Dass die GKV nunmehr für dieselbe Leistung mehr bezahlen müsse als die PKV, obwohl bei ihr das in der Gesetzesbegründung (s.o.) zur Begründung höherer Preise in § 5 Abs. 6 AMPreisV herangezogene Inkassorisiko gerade nicht bestehe, trifft danach nicht zu, wobei hier auch zu beachten ist, dass sich durch die wiederholt erfolgten erheblichen Abschläge auf die Hersteller-Listenpreise der Ausgangssubstanzen hohe Rabatte für die GKV ergeben haben dürften, die der Beigeladene zuletzt auf ca 570 Mio € beziffert hat.
Verstöße gegen ein faires Verfahren, wie sie der Kläger behauptet, vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Stellungnahmefristen waren zwar teils knapp bemessen, insbesondere der Kläger hat indes zuletzt mit Schriftsatz vom 30. September 2022 unter Vorlage des IGES-Gutachtens nochmals ausführlich seinen Standpunkt verdeutlicht. In der mündlichen Schiedsverhandlung vom 14. Oktober 2022 konnten die Beteiligten - auch der Kläger - ihre Standpunkte insbesondere im Hinblick auf die der Beklagten vorliegenden widersprechenden Gutachten eingehend darlegen. Rechtliches Gehör wurde allen Beteiligten des Schiedsverfahrens ausreichend gewährt. Schon der Charakter des Schiedsstellenverfahrens gebietet ein zügiges und beschleunigtes Verfahren (vgl zur Entscheidungsfrist von einem Monat § 8 Abs. 4 SchStV, die indes keine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs ist, Engelmann in: Schnapp/Düring (Hrsg), Handbuch des sozialgerichtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl, Rn 354 mwN aus der Rspr des BSG). Die Beklagte durfte auch beanstandungsfrei vor dem Hintergrund des kurz vorher ergangenen Schiedsspruchs vom 29. August 2022 (- 1 AP 40-22 -) zur Festsetzung von Rabatthöhen für die Wirkstoffe bzw Fertigarzneimittel Bortezomib, Cabazitaxel, Bevacizumab, Rituximab und Trastuzumab, hinsichtlich dessen jedenfalls ein wirtschaftlicher Zusammenhang zu dem hier streitigen Schiedsspruch nicht in Abrede gestellt werden kann (vgl zum wirtschaftlichen Zusammenhang der Rabattverträge zu Zytostatika zu den Arbeitspreisen auch S 151 des BMWi-Gutachtens), zügig über die Schiedsanträge zu den Herstellungszuschlägen für die vorliegend in Rede stehenden parenteralen Lösungen entscheiden. Dem Kläger war auf Grund der Kündigung der Anlage 3 Teil 2 Nr. 9 Hilfstaxe durch den Beigeladenen von der Einleitung des ersten Schiedsverfahrens an bekannt, dass eine Entscheidung zur Anpassung des Herstellungszuschlages in diesem oder einem Folgeverfahren anstand. Ihm war auch bekannt, dass der Beigeladene dazu einen Antrag einbringen wird, der über die aus seiner Sicht aus § 5 Abs. 3 und Abs. 6 AMPreisV hergeleiteten Grenzen hinausgeht. In dem vorgenannten Beschluss der Beklagten vom 29. August 2022, mit dem diese den Antrag des Beigeladenen abgelehnt hat, die Verfahren 1 AP 40-22 und 2 AP 44-22 miteinander zu verbinden, und zugleich festgestellt hat, dass das Schiedsverfahren 2 AP 44-22 wegen des sich aus den gesamten Umständen ergebenden Scheiterns der Verhandlungen anhängig und zulässig sei, sind zudem die tragenden Erwägungen zum gegenständlichen Schiedsverfahren ausführlich und transparent dargestellt worden. Angesichts des wiederholt in Bezug genommenen wirtschaftlichen Zusammenhangs und der hieraus folgend als gegeben angesehenen Dringlichkeit geht der Senat davon aus, dass die Beklagte – auch – dem Kläger nachfolgend rechtliches Gehör ausreichend gewährt hat mit der Folge, dass die dem Kläger gesetzten – aus dessen Sicht unverhältnismäßig kurzen - Stellungnahmefristen von ihrem Beurteilungsspielraum gedeckt waren. Eine Vertagung der Schiedsstellenentscheidung hätte an den erheblich differierenden Standpunkten der Beteiligten des Schiedsverfahrens bei vernünftiger Würdigung nichts geändert.
Eine unzulässige Rückwirkung des Schiedsspruchs, die der Kläger nach seiner Klarstellung in der mündlichen Verhandlung nicht auf das In-Kraft-Treten des angefochtenen Schiedsspruchs vom 14. Oktober 2022 (erst) mWv 17. Oktober 2022 bezieht, sondern auf die retrospektiv von der Beklagten seit 2014 und ausgehend von den seinerzeit maßgebenden und nachfolgend unverändert gebliebenen Beträgen der Hilfstaxe vorgenommene Kostenentwicklung verstanden wissen will, liegt nicht vor. Selbst wenn die seinerzeitige Festsetzung in der Hilfstaxe – richtigerweise - eine prospektive Entwicklung hat vorwegnehmen wollen, durfte die Beklagte angesichts des langen Beurteilungszeitraums mit seinen unstreitig gerade in den Jahren 2021/2022 erheblichen Preissteigerungen, die der Kläger als solche auch nicht in Frage stellt, und einer zusätzlich angestellten prospektiven Betrachtung mit noch zureichender Begründung eine Anhebung des Ausgangs-Mittelwerts iHv 10% vornehmen, ohne dabei gegen das Willkürverbot zu verstoßen. Dies gilt umso mehr, als sie zugleich einen „Unsicherheitsabschlag“ in Bezug auf die unzureichende Datenlage in Ansatz gebracht hat.
Ein so verstandenes Rückwirkungsverbot lässt sich auch nicht aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1 SGB V) herleiten. § 12 SGB V ist eine Grundnorm des Leistungsrechts der GKV. Von besonderer Bedeutung ist der Abs. 1 der Vorschrift, in dessen Satz 1 das sogenannte Wirtschaftlichkeitsgebot niedergelegt ist. Konkretisiert wird das Wirtschaftlichkeitsgebot durch die Regelungen des Leistungserbringungsrechts. Zusammen mit § 12 Abs. 1 SGB V bestimmen sie den leistungsrechtlichen Anspruchsrahmen der Versicherten. Zugleich beschränken sie, wie § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V klarstellt, auch den Handlungsrahmen der Leistungserbringer wie der Krankenkassen. Die leistungsrechtliche Bestimmung des Anspruchsrahmens lässt keinen (unmittelbaren) Rückschluss auf ein Rückwirkungsverbot für Vergütungsvereinbarungen zu. Dies folgt auch nicht (mittelbar) aus dem Umstand, dass Krankenkassen keine unwirtschaftlichen Leistungen erbringen bzw finanzieren dürfen. Vor diesem Hintergrund sind die Beteiligten von Vergütungsverhandlungen zwar aufgefordert, prospektiv zu verhandeln. Diesem Grundsatz hat die Beklagte auch entsprochen. Eine im Einzelfall gebotene retrospektive Betrachtung, dh die nachfolgende Überprüfung der früheren Prognose zur Ermittlung eines zum Zeitpunkt der späteren Entscheidung maßgeblichen Ausgangswerts, stellt dabei aber gerade einen nachvollziehbaren Ansatz dar.
Auch die getroffene Kündigungsregelung, die auf Anlage 3 Teil 2 Nr. 9 der Hilfstaxe und die dort geregelte ordentliche Kündigungsmöglichkeit verweist, ist nicht zu beanstanden. Die geregelte Monats-Entscheidungsfrist der Schiedsstelle beruht auf § 8 Abs. 4 SchStV.
Der Schiedsspruch der Beklagten verletzt schließlich auch in der Sache nicht das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot ist auch bei der Vereinbarung von Verträgen sowie bei Schiedssprüchen zu beachten (vgl BSG, Urteil vom 25. März 2015 - B 6 KA 9/14 R = SozR 4-2500 § 73b Nr 1 – Rn 82), allerdings gilt auch hier, dass die Anforderungen an die Begründung auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Schiedsstelle keinen eigenen Verwaltungsapparat unterhält, nicht überspannt werden dürfen (BSG aaO Rn 83; BSG, Urteil vom 21. März 2018 – B 6 KA 44/16 R = SozR 4-2500 § 73b Nr 2 – Rn 50). Für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung durch die Schiedsstelle ist ausschlaggebend, ob die für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Gesichtspunkte erkannt und gegeneinander abgewogen worden sind sowie Eingang in die Begründung gefunden haben. Dies war hier der Fall, und zwar auch in Bezug darauf, dass die Beklagte letztlich von der Notwendigkeit einer einheitlichen Berechnung der Herstellungszuschläge, dh auch derjenigen für Folinatlösungen, im Hinblick auf die als vergleichbar angesehenen Herstellungsbedingungen und Personalaufwände ausgegangen ist, obgleich die bis dahin geltenden Regelungen der Hilfstaxe bzw auch die Auffangregelung in § 5 Abs. 6 AMPreisV hier ersichtlich – nämlich mit wesentlich geringeren Pauschalen für Folinatlösungen - differenzieren. Im Hinblick auf den letztlich geringen Anteil an den hier in Rede stehenden parenteralen Zubereitungen im einstelligen Prozentbereich (vgl zB BMWi-Gutachten S 146: 7%, zum vergleichbaren Zeitaufwand für die Zubereitung pro Lösung in Minuten: 30 bzw 29 Minuten versus 27 Minuten Tabelle 21 S 147) und der Tatsache, dass auch das BMWi-Gutachten insoweit im Ergebnis bezogen auf die ausgeworfenen Kostenpauschalen keine wesentliche Differenzierung ergeben hat (vgl Tabelle 26 S 150 zur Berechnung der Vergütung für parenterale Lösungen), ist dies hinzunehmen. Allein die Möglichkeit einer anderen Ausgestaltung des die konsensuale Vereinbarung der Vertragspartner ersetzenden Schiedsspruchs führt nicht zu einem Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Dass die von der Beklagten angestellten finanziellen Erwägungen den Kläger nicht überzeugen, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Festsetzung des Vertragsinhalts.
Der Schiedsspruch ist daher rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 3,162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, da insbesondere die Frage, ob § 5 Abs. 6 AMPreisV eine zwingende Preisobergrenze normiert, höchstrichterlich nicht geklärt ist.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. Die Entscheidung über den Streitwert ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).