L 12 VE 8/24

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 26 VE 7/22
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 VE 8/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 11. März 2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit (i. V. m.) dem Bundesversorgungs­gesetz (BVG) wegen eines Impfschadens.

Die 1963 geborene Klägerin ist seit 1991 als Pflegehelferin in einem Alten- und Pflege­heim tätig. Vom 8. August 2016 bis 30. September 2016 war sie nach einem Sturz u. a. wegen einer Prellung der Schulter und des Oberarmes links arbeitsunfähig. Im August 2017 ergaben die Laborwerte der Klägerin einen Diabetes mellitus Typ II. Im Februar 2020 diagnostizierte die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. T ein HWS-Schulter-Syndrom.

Am 15. Januar 2021 und 5. Februar 2021 ließ sich die Klägerin von der Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. B mit dem Wirkstoff „COMIRNATY“ der Firmen BioNTech/Pfizer gegen COVID-19 impfen. Am 18. Januar 2021 stellte Dr. T bei der Klägerin eine Myalgie (Muskelschmerz) und eine Impfkomplikation fest. Die Klägerin hatte Schmerzen im linken Arm und konnte ihn nicht anheben.

Am 29. April 2021 stellte sich die Klägerin bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. E mit Schmerzen im linken Schultergelenk vor, die vor einer Woche anfingen. Am 5. Mai 2021 diagnostizierte Dr. T bei der Klägerin eine Bursitis (Schleimbeutel­entzündung) im Schulterbereich. Nach einer Kernspintomografie der linken Schulter am 4. Juni 2021, die keine eindeutig auffällige Signalveränderung im Musculus delto­ideus zeigte, diagnostizierte Dr. E am 15. Juni 2021 eine Bursitis subacromialis links sowie eine Frozen shoulder links. Er äußerte den Verdacht auf eine ältere Schädigung der Bizepssehne. Es gebe keine Läsion im Bereich der Impfstelle. Am 20. Juli 2021 stellte Dr. E eine bedeutend bessere Beweglichkeit der Schulter fest. Am 19. August 2021 diagnostizierte er eine abklingende Frozen shoulder links sowie ein akutes Zervikalsyndrom. Das linke Schultergelenk sei wieder ohne Befund.

Am 10. Dezember 2021 stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen Antrag auf Ge­währung von Beschädigtenversorgung nach dem IfSG i. V. m. dem BVG. Als Gesund­heitsstörungen gab sie Diabetes sowie fehlende Belastbarkeit und Schmerzen des linken Arms an.

Der Beklagte holte ärztliche Auskünfte von Dr. E und Dr. T sowie eine ver­sorgungsärztliche Stellungnahme der Ärztin Dipl.-Med. S ein. Anschließend lehnte er den Antrag mit Bescheid vom 20. Juni 2022 ab. Die anlage- oder degene­rativbedingten Beschwerden im orthopädischen Bereich seien keine Schädigungs­folgen, sondern nichtschädigungsbedingt. Hinzu komme noch ein fehlender zeitlicher Zusammenhang zur Impfung. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Impfung und der Entwicklung eines Diabetes mellitus sei nicht wahrscheinlich. Diese Einschätzung teile auch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). In den Sicherheitsberichten des Robert-Koch-Instituts (RKI) und PEI gebe es keine Risikoanalyse für das Auslösen einer Zuckerkrankheit durch eine Impfung mit Comirnaty. Zusammenfassend sei festzu­stellen, dass Schädigungsfolgen nach COVID-19-Impfung nicht vorlägen. Die geklag­ten Beschwerden von Schmerzen, Kraftlosigkeit und Minderbelastbarkeit des linken Armes hätten weder einen zeitlichen noch einen kausalen Zusammenhang zur ange­schuldigten Impfung. Sie beruhten am Ehesten auf degenerativen und anlagebe­dingten Umständen und würden sicher auch durch die Tätigkeit als Pflegehelferin getriggert. Schädigungsfolgen lägen nicht vor.

Hiergegen legte die Klägerin am 7. Juli 2022 Widerspruch ein. Es lägen sehr wohl Beschädigungsfolgen nach der durchgeführten COVID-19-Impfung vor, sodass der Antrag auf Versorgung nach dem IfSG begründet sei. Der Bescheid sei daher rechts­widrig. Er sei aufzuheben und dem Antrag stattzugeben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2022 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Allein der zeitliche Zusammenhang zwischen einem Ereignis (vorliegend der Impfung) und dem Auftreten einer gesundheitlichen Beeinträchtigung rechtfertige die Annahme eines Kausalzusammenhangs nicht. Im Ergebnis der versorgungsärztlichen Stellungnahme lasse sich in ihrem Fall eine Kausalität zwischen der Impfung und den geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht herstellen. Ausweislich der Sicher­heitsberichte des RKI und des PEI ergäben sich keine Hinweise sowie Risikosignale für das Auslösen einer Zuckerkrankheit durch eine Impfung mit Comirnaty. Ein kausa­ler Zusammenhang liege daher nicht vor. Die Beschwerden im orthopädischen Bereich seien als anlage- oder degenerativbedingt zu betrachten und wahrscheinlich durch die Tätigkeit als Pflegehelferin verursacht oder verstärkt worden. Zusätzlich zu beachten bleibe hier der fehlende zeitliche Zusammenhang zu den Impfungen.

Mit der hiergegen am 21. September 2022 bei dem Sozialgericht (SG) Cottbus erho­benen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Aufgrund der zwei Schutz­impfungen habe sie folgende gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten: Minderbe­lastung, Kraftlosigkeit und Schmerzen bei Schleimbeutelentzündung des linken Armes und der linken Schulter, Diabetes mellitus Typ II. Damit sei ein Schaden gemäß § 2 Nr. 11 IfSG gegeben. Der Beklagte ist dem entgegengetreten.

Das SG hat Befundberichte von Dr. T und dem Facharzt für Innere Medizin und Allgemeinmedizin MR Dr. S eingeholt. Letzterer hat die Klägerin erstmals im Oktober 2022 behandelt. Der Beklagte hat hierzu zwei versorgungsärztliche Stellungnahmen von Dr. W übersandt.

Mit Urteil vom 11. März 2024 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe durch die durchgeführten Impfungen gegen das Corona-Virus mit dem Impfstoff Comir­naty der Firma BioNTech keine Impfschäden erlitten, sodass keine Leistungen nach dem IfSG i. V. m. dem BVG zu erbringen seien. Die von der Klägerin geltend gemach­ten Gesundheitsstörungen in Form einer Minderbelastung, Kraftlosigkeit und Schmer­zen bei Schleimbeutelentzündung des linken Armes und der Schulter sowie eines Dia­betes mellitus Typ II seien nicht auf die erfolgten Impfungen zurückzuführen. Allein der zeitliche Zusammenhang zwischen einem Ereignis (Impfung) und dem Auftreten einer gesundheitlichen Beeinträchtigung rechtfertige die Annahme eines Kausalzusammen­hangs nicht. Darüber hinaus sei den medizinischen Unterlagen zu entnehmen, dass bei der Klägerin schon 2017 ein Diabetes mellitus festgestellt worden sei. Mithin habe dieser schon vor den Impfungen vorgelegen. Die Behauptung der Klägerin im Schrift­satz vom 23. Januar 2023, sie sei wegen Beschwerden des linken Armes/der linken Schulter vor der Impfung nicht in Behandlung gewesen, stelle sich angesichts der ärzt­lichen Unterlagen als unwahr heraus. Ein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen den von der Klägerin geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und den erfolgten Impfungen sei nicht gegeben.

Gegen das am 8. April 2024 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2. Mai 2024 Beru­fung eingelegt. Es mag sein, dass sich in den ärztlichen Unterlagen bereits 2017 die Diagnose eines Diabetes mellitus Typ II befinde. Jedoch sei sie zu keinem Zeitpunkt in der Zeit bis zur Geltendmachung der Folgen aufgrund der Schutzimpfungen dies­bezüglich behandelt worden. Gesundheitliche Beschwerden seien erst nach den Schutzimpfungen aufgetreten. Dementsprechend seien diese sehr wohl auf die Impfungen zurückzuführen. Des Weiteren sei die Prellung der linken Schulter/des linken Armes noch 2016 vollständig ausgeheilt. Weitere Behandlungen/Beschwerden diesbezüglich habe sie bis zu den Schutzimpfungen tatsächlich nicht erhalten. Damit sei sehr wohl ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Schutzimpfungen und ihren Beschwerden gegeben.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 11. März 2024 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 20. Juni 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2022 festzustellen, dass der bei ihr diagnostizierte Diabetes mellitus Typ II sowie die Minderbelastung, Kraftlosigkeit und Schmerzen bei Schleimbeutelentzündung des linken Armes und der Schul­ter, die auf die am 15. Januar 2021 und/oder am 5. Februar 2021 durchgeführten Impfungen mit dem Impfstoff Comirnaty der Firma BioNTech zurückzuführen sind und ihr ein Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem IfSG i. V. m. dem BVG zusteht.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt er auf die seines Erachtens nach zutreffenden Entscheidungs­gründe in dem angefochtenen Urteil Bezug. Ergänzend weist er darauf hin, dass es einen Behandlungsautomatismus bei einem Diabetes mellitus Typ II nicht gebe. Ein Typ-2-Diabetes könne sich über Jahre entwickeln, ohne dass Symptome aufträten.

Der Senat hat die die Klägerin betreffenden Patientenkarteien der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. T sowie der Fachärzte für Allgemeinmedizin B beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze sowie den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungs­vorgangs des Beklagten Bezug genommen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

II

Der Senat weist die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung im Beschlusswege zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu mit Schreiben vom 28. März 2025 angehört worden.

Die Berufung ist im Sinne der §§ 143, 144 SGG statthaft und nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gegenstand des Rechtsstreits ist neben dem Urteil des SG Cottbus vom 11. März 2024 der Bescheid des Beklagten vom 20. Juni 2022 in der Gestalt des Wi­derspruchsbescheides vom 22. August 2022, mit dem der Beklagte die begehrte Be­schädigtenversorgung abgelehnt hat, und eine Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Insoweit ist die Klage zulässig. Sie ist unzulässig, soweit sie auf die Feststellung eines Anspruchs auf Versorgung dem Grunde nach gerichtet ist, weil damit nicht die Feststellung eines Rechtsverhältnisses (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) begehrt wird, sondern nur ein Element des Rechtsverhältnisses. Dafür müsste der konkrete Anspruch bezeichnet sein. Eine Klage, die wegen eines im Einzelnen bezeichneten schädigenden Ereignisses „auf Versorgung“ gerichtet ist, ist unzulässig. Die beanspruchte Leistung muss im sozialgerichtlichen Verfahren genau bezeichnet werden. Dies ist bei den Begriffen der „Entschädigung“ und der „Versorgung“ nicht der Fall, die keine bestimmte Leistung betreffen, sondern vielmehr alle nach dem BVG zur Verfügung stehenden Leistungen umfassen (Bayerisches LSG, Urt. v. 30.04.2024, L 15 VJ 2/23, Rn. 45 m. w. N. – hier und im Folgenden zitiert nach juris). Aus diesem Grund erweist sich auch eine Leistungsgrundklage (§ 130 Abs. 1 SGG) hier als unzulässig (BSG, Beschl. v. 24.09.2018, B 9 V 16/18 B, Rn. 9), deren Unzulässigkeit nicht durch Formulierung als Feststellungsklage umgangen werden kann.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung und eine Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem IfSG i. V. m. dem BVG.

Die Regelungen des neuen § 24 SGB XIV sind nicht einschlägig. Denn nach der Vor­schrift des § 142 Abs. 2 S. 1 SGB XIV ist über den hiesigen Streitgegenstand unter Anwendung des im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Rechts zu entscheiden, so dass hier trotz des Außerkrafttretens des BVG mit Ablauf des 31. Dezember 2023 dieses maßgeblich bleibt.

Anspruchsgrundlage für die Zuerkennung von Beschädigtenversorgung ist § 60 Abs. 1 IfSG in der bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Fassung (a. F.). Nach § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a IfSG a. F. erhält, wer durch eine Schutzimpfung, die gegen das Corona­virus SARS-CoV-2 aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 20i Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Buchst. a, auch in Verbindung mit Nr. 2, des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vorge­nommen wurde, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach der Schutz­impfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 IfSG a. F. auf Antrag Ver­sorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Impfschaden ist nach § 2 Nr. 11 IfSG a. F. die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung.

Der Anspruch auf Versorgung setzt demnach eine dreigliedrige Kausalkette voraus: eine erfolgte Schutzimpfung, den Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion hinaus­gehenden gesundheitlichen Schädigung, also einen Primärschaden in Form einer Impfkomplikation, sowie eine – dauerhafte – gesundheitliche Schädigung, also einen Folgeschaden in Form des eigentlichen Impfschadens (vgl. BSG, Beschl. v. 02.02.2024, B 9 V 10/23 B, Rn. 9,; BSG, Urt. v. 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, Rn. 36). Zwischen den jeweiligen Tatbestandsmerkmalen muss ein Ursachenzusammenhang bestehen. Dabei müssen die Glieder der Kausalkette im sogenannten Vollbeweis, d. h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein (vgl. BSG, Beschl. v. 02.02.2024, B 9 V 10/23 B, Rn. 9; BSG, Beschl. v. 06.01.2023, B 9 V 22/22 B, Rn. 10; BSG, Urt. v. 16.12.2014, B 9 V 3/13 R, Rn. 14; BSG, Urt. v. 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, Rn. 38). Nach der im sozialen Entschädigungsrecht allgemein geltenden Theorie von der wesentlichen Bedingung gilt als Ursache im Rechtssinn nicht jede Bedingung, gleichgültig mit welcher Intensität sie zum Erfolg beigetragen hat und in welchem Zusammenhang sie dazu steht. Rechtlich erheblich ist nur eine Be­dingung, die bei wertender Betrachtung wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Bei mehr als zwei Teilursachen ist die annähernd gleichwertige Bedeutung des schädigenden Vorgangs für den Eintritt des Erfolgs entscheidend (vgl. BSG, Urt. v. 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, Rn. 37).

Hier fehlt es für einen Anspruch der Klägerin nicht nur am Vollbeweis eines Primär­schadens im Sinne einer Impfkomplikation, sondern auch an dem erforderlichen Zu­rechnungszusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis der Impfung und der gesundheitlichen Primärschädigung (haftungsbegründende Kausalität) bzw. den da­raus resultierenden gesundheitlichen Folgen (haftungsausfüllende Kausalität). Zwar genügt nach § 61 Satz 1 IfSG a. F. zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 1 IfSG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Auch nach Teil C Nr. 3.4.1 der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) genügt für die Annahme des ursäch­lichen Zusammenhangs entschädigungsrechtlich die Wahrscheinlichkeit. Sie ist ge­geben, wenn nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Es reicht für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, dass dieser nur möglich ist.

Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärzt­lichen wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusam­menhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Die bloße Möglichkeit genügt jedoch nicht (vgl. BSG, Urt. v. 16.12.2014, B 9 V 3/13 R, Rn. 28; BSG, Urt. v. 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, Rn. 38 m. w. N.). Auch sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit grundsätzlich höher als diejenigen an die Glaubhaftmachung (BSG, Beschl. v. 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, Rn. 4 m. w. N.)

Die Frage, ob Gesundheitsstörungen rechtlich wesentlich auf die Impfung zurückzu­führen sind, ist auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt neusten medizi­nisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstands bezogen auf den konkret verwendeten Impfstoff zu beantworten (vgl. BSG, Urt. v. 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, Rn. 42).

Nach dem Ergebnis der von dem Beklagten, vom SG und vom Senat selbst durchge­führten medizinischen Sachverhaltsaufklärung und in Gesamtschau der zum Verfah­ren vorliegenden, hinreichend aussagekräftigen medizinischen Unterlagen steht es indes nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Voraussetzungen eines Impf­schadens und damit die Voraussetzungen für die begehrte Beschädigtenversorgung bei der Klägerin erfüllt sind. Zwar hat die Klägerin am 15. Januar 2021 und 5. Feb­ruar 2021 zwei Schutzimpfungen im Sinne von § 2 Nr. 9 IfSG mit dem mRNA-Impfstoff „COMIRNATY“ von BioNTech/Pfizer gegen COVID-19 erhalten. Es spricht indes mehr gegen als für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen diesen Impfungen und den von der Klägerin geltend gemachten Beeinträchtigungen. Der Senat verweist hierzu auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung und sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine andere Entscheidung. So fehlt es zur Überzeugung des Senats bereits am Vollbeweis einer über eine bloße Impf­reaktion hinausgehenden Impfkomplikation. Die Feststellung einer Impfkomplikation im Sinne einer impfbedingten Primärschädigung hat grundsätzlich in zwei Schritten zu erfolgen: Zunächst muss ein nach der Impfung aufgetretenes Krankheitsgeschehen als erwiesen erachtet werden. Sodann ist die Beurteilung erforderlich, dass diese Er­scheinungen mit Wahrscheinlichkeit auf die betreffende Impfung zurückzuführen sind (BSG, Urt. v. 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, Rn. 38). Dabei sind Impfkomplikationen von bloßen Impfreaktionen abzugrenzen. Übliche Impfreaktionen sind nach der Definition der Ständigen Impfkommission (STIKO) das übliche Ausmaß nicht überschreitende, vorübergehende Lokal- und Allgemeinreaktionen, die als Ausdruck einer Auseinander­setzung des Organismus mit dem Impfstoff anzusehen sind. Hierzu zählt beispiels­weise eine für die Dauer von ein bis drei Tagen (gelegentlich länger) anhaltende Rötung und Schwellung oder Schmerzhaftigkeit der Injektionsstelle (RKI, Epidemio­logisches Bulletin 4/2025 „Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut 2025“ vom 23.01.2025, S. 43, https://www.rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/Epidemiologisches-Bulletin/2025/04_25.pdf?__blob=publicationFile&v=8).

Hierzu vermerkte die die Klägerin impfende Dipl.-Med. B in ihrer Patientenkartei am 18. Januar 2021 folgende telefonische Mitteilung: „Freitag Nacht Schmerzen und Schwellung li. Arm, keine Sensstörung, Motorik intakt; Anruf 116117-Beratung. Mo Fr. Thomas-AU bis 20.1.“. Auf einen weiteren Anruf der Klägerin teilte Dipl.-Med. B dieser am 30. Juni 2021 mit, dass für die Meldung der Impfnebenwirkung der Hausarzt zuständig sei. Danach haben sich bei der Klägerin in der Nacht des Impftages, einem Freitag, Schmerzen und eine Schwellung am linken Arm gezeigt. Es gab keine Sensi­bilitätsstörung und die Motorik war intakt. Dipl.-Med. B selbst hat dies als bloße Impfnebenwirkung bewertet. Dr. T stellte bei der Klägerin zwar am 18. Janu­ar 2021 eine nicht näher beschriebene „Impfkomplikation“ fest. Auf Nachfrage des Senats hat sie hierzu mit Schreiben vom 16. April 2025 Schmerzen im linken Arm mitgeteilt sowie, dass die Klägerin den linken Arm nicht habe anheben können.

Bei der von Dr. T diagnostizierten „Impfkomplikation“ in Form von Schmerzen und einer Schwellung am Impfarm sowie Problemen beim Heben des schmerzenden linken Arms handelt es sich aber entschädigungsrechtlich gerade nur um unbeacht­liche übliche Impfrektionen im Sinne der Definition der STIKO. Damit fehlt es bereits an dem erforderlichen Primärschaden.

Zudem trägt die Klägerin zum eigentlichen Impfschaden, d. h. zu der dauerhaften gesundheitlichen Schädigung, die Folge der Impfung sein soll, lediglich vor, dass der bereits 2017 diagnostizierte Diabetes Typ II bis zu den Schutzimpfungen nicht behan­delt worden sei. Auch nach der Prellung der linken Schulter/des linken Armes im Jahr 2016 habe sie weitere Behandlungen/Beschwerden diesbezüglich bis zu den Schutz­impfungen nicht erhalten. Jedoch war die Klägerin nicht nur bereits vom 8. Au­gust 2016 bis 30. September 2016 wegen einer Prellung der Schulter und des Ober­armes links arbeitsunfähig. Ferner diagnostizierte Dr. T schon im Februar 2020 und damit etwa ein Jahr vor der ersten Impfung ein HWS-Schulter-Syndrom, also erneute Schmerzen in der Schulter. Außerdem war die damals knapp 57jährige Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits seit 1991 als Pflegehelferin tätig. Sowohl das Alter als auch die jahrzehntelange, typischerweise mindestens mittelschwere körper­liche Arbeit sind geeignet, die degenerativen Veränderungen im Schultergelenk der Klägerin und die damit einhergehenden Beeinträchtigungen und Schmerzen zu er­klären.

Dies zugrunde gelegt ist der Senat nach Würdigung der Gesamtumstände auch nicht davon überzeugt, dass es sich bei den von der Klägerin geltend gemachten Gesund­heitsstörungen um Impfschäden handelt. Hierfür fehlt es wegen der bereits vor den Impfungen aufgetretenen Erkrankungen bzw. Beschwerden zunächst an einem zeit­lichen Zusammenhang. Gegen diesen spricht auch, dass sich die Klägerin nach den am 15. Januar 2021 und 5. Februar 2021 erfolgten Impfungen erst am 29. April 2021 mit Schmerzen im linken Schultergelenk bei Dr. E vorstellte und dort angab, die Schmerzen hätten vor einer Woche und damit erst zweieinhalb Monate nach der zweiten Impfung angefangen. Vor allem aber fehlt es an der nach §§ 2 Nr. 11, 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a IfSG erforderlichen (überwiegenden) Kausalität („durch die Schutzimpfung“). Die Annahme eines Impfschadens liegt selbst bei einem, hier fehlen­den, engen zeitlichen Zusammenhang mit einer mRNA-Impfung gegen COVID-19 nur nahe, wenn eine Verursachung durch die Impfung nach dem aktuellen Erkenntnis­stand der medizinischen Wissenschaft plausibel ist und alle erkennbaren alternativen Ursachen mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können. An beidem fehlt es.

Nur dass vom Betroffenen im Einzelfall ein Zusammenhang gesehen wird, kann nicht zur Annahme einer Kausalität führen. Wissenschaftlich begründete Kausalitätsaus­sagen bedürfen hinreichend empirischer Grundlagen sowie der genauen Kenntnis weiterer möglicher Kausalzusammenhänge im Einzelfall und deren Bewertung hin­sichtlich deren Einflusses auf das konkrete Geschehen.

Eine Kernspintomografie der linken Schulter der Klägerin vom 4. Juni 2021 zeigte indes keine eindeutig auffällige Signalveränderung im Musculus deltoideus. Dr. E äußerte am 15. Juni 2021 vielmehr den Verdacht auf eine ältere Schädigung der Bi­zepssehne. Eine Läsion im Bereich der Impfstelle gab es nicht.

Auch hinsichtlich des als Impfschaden geltend gemachten Diabetes mellitus Typ II fehlt es an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zu den Schutzimpfungen. Denn bereits im August 2017 ergaben die Laborwerte der Klägerin einen erhöhten HBA1C-Wert, woraufhin Dr. T schon am 4. September 2017 und damit fast dreieinhalb Jahre vor der ersten Impfung einen Diabetes mellitus Typ II diagnostizierte. Dieser kann demnach nicht ursächlich auf die Impfungen zurückgeführt werden. Dass er da­mals noch nicht insulinpflichtig gewesen ist, steht dem nicht entgegen. Denn allge­meinkundig ist, dass die Insulinsekretion anfangs mitunter noch gar nicht wesentlich eingeschränkt ist. Die Behandlung erfolgt zunächst meist diätetisch mit dem Ziel der Vermeidung hoher Blutzuckerspiegel und eines gleichzeitigen Gewichtsverlustes (Reinelt in Gelhausen/Weiner, SGB XIV, Soziales Entschädigungsrecht mit VersMedV, 8. Aufl. 2024, Anlage zu § 2 VersMedV, Rn. 820).

Schließlich bieten die derzeit vorliegenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkennt­nisse keinen Anhaltspunkt für eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Kausalzu­sammenhangs zwischen den bei der Klägerin erfolgten Impfungen und den bei ihr vorliegenden (Vor-)Erkrankungen. Für die von der Klägerin geltend gemachten Be­schwerden an der linken Schulter und den Diabetes mellitus Typ II ist eine Verur­sachung durch die Impfungen nach dem aktuellen Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nicht hinreichend belegt (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 21/2023 „Implementierung der COVID-19-Impfung in die aktuellen allgemeinen Empfehlungen der STIKO 2023“ v. 23.05.2023, S. 26 ff., www.rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/Epidemiologisches-Bulletin/2023/21_23.pdf?__blob=publicationFile&v=3; vgl. Baumgart/Kleiser/Kerner, Begutachtung von Impfschäden mit besonderem Augenmerk auf in Deutschland empfohlene Sars-Cov-2-Impfstoffe – ein Überblick, MedSach 120 4/2024, S. 173 (178 ff.)). Das Epidemiologische Bulletin des RKI vom 23. Mai 2023 stellt insoweit den aktuellen Stand der Wissenschaft in Bezug auf Impfkomplikationen und Impfschäden bei mRNA-Impfstoffen dar (vgl. SG Cottbus, Urt. v. 11.04.2024, S 32 VE 10/23, Rn. 34). Aus dem zwischenzeitlich veröffentlichten „Sicherheitsprofil der COVID-19-Impfstoffe – Sachstand 31.03.2023 (vgl. PEI, Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, Ausgabe 2, Juni 2023, S. 12 ff., www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/bulletin-arzneimittelsicherheit/2023/2-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=6) sowie dem „Pharmakovigilanzbericht zur Anwendung der COVID-19-Impfstoffe – Sachstand 31.12.2024“ ergibt sich nichts Anderes (vgl. PEI, Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, Ausgabe 1, März 2025, S. 15 ff., www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/bulletin-arzneimittelsicherheit/2025/1-2025.pdf?__blob=publicationFile&v=7). Diabetes und Schulterschmerzen werden darin jeweils nicht als bekannte Nebenwirkungen erwähnt.

Nach alledem scheidet bei der Klägerin auch eine so genannte Kann-Versorgung gemäß § 61 Satz 2 IfSG a. F. aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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