1. Die Entscheidung einer kassenärztlichen Vereinigung, den mit dem Erwerb eines neuen Laboranalysegeräts verbundenen Fallwertanstieg bei Nichtlaborärzten vollständig erst zeitversetzt zu berücksichtigen, ist grundsätzlich ermessensfehlerfrei. Die Begrenzungswirkung der Anknüpfung des Honorars an zurückliegende Zeiträume drohte leerzulaufen, wenn Praxen allein durch den Ausbau ihrer Untersuchungsfähigkeiten und -kapazitäten eine sofortige Berücksichtigung der damit verbundenen Leistungszuwächse auf Honorarebene herbeiführen könnten.
2. Für die Ermessensbetätigung muss die Verwaltung die sachlich bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ermitteln und abwägen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass alle theoretisch denkbaren Umstände, die möglicherweise ermessensrelevant sein könnten, gewissermaßen „ins Blaue hinein“ abzuklären wären. Der Betroffene hat vielmehr seiner Mitwirkungslast zu genügen und die für ihn günstigen ermessensrelevanten Umstände ausreichend klar vorzutragen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Dezember 2022 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anpassung des Budgets für spezielle Laboratoriumsleistungen des Abschnitts 32.3 EBM (Laborbudget) in den Quartalen IV/2017 bis II/2019.
Die Klägerin nimmt seit dem 1. Oktober 2017 als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in der Rechtsform einer GmbH mit Fachärzten und -ärztinnen für Gynäkologie und Reproduktionsmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung teil. In den streitigen Quartalen IV/2017 bis II/2019 waren folgende Ärzte und Ärztinnen im MVZ vertragsärztlich tätig:
Name |
Facharztbezeichnung |
Dr. M |
Frauenheilkunde u. Geburtshilfe/Reproduktionsmedizin |
Dr. M |
Frauenheilkunde u. Geburtshilfe |
Dr. R |
Frauenheilkunde u. Geburtshilfe |
Fr. W |
Frauenheilkunde u. Geburtshilfe (seit 18. März 2018) |
Dr. ZA D |
Frauenheilkunde u. Geburtshilfe/Reproduktionsmedizin |
Prof. Dr. B (01.10.2017 bis 30.09.2018) |
Frauenheilkunde u. Geburtshilfe |
Dr. St (01.10.2018 bis 31.10.2018) |
Frauenheilkunde u. Geburtshilfe |
Fr. K |
Frauenheilkunde u. Geburtshilfe |
Die Ärzte und Ärztinnen des MVZ waren – bis auf Frau K – zuvor in der Gemeinschaftspraxis Dr. Z-A D und Dr. H (Fachärztin für Reproduktionsmedizin) tätig. Diese Praxis schaffte im Mai 2016 ein neues Hormonanalysegerät an und erweiterte so das Spektrum der von ihr durchgeführten Laboruntersuchungen erheblich.
Mit Schreiben vom 2. März 2017 beantragte Dr. Z-A D die Aussetzung bzw. Erweiterung des Laborbudgets hinsichtlich der Quartale III/2017 bis II/2018. Sie gab an: Für die Vergütung der speziellen Laborleistungen des Abschnitts 32.3 EBM werde in den KBV-Vorgaben zur Vergütung laboratoriumsmedizinischer Leistungen für Gynäkologen ein Referenz-Fallwert von 4 Euro ausgewiesen. Einen gesonderten Fallwert für Gynäkologen mit Schwerpunkt Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin gebe es nicht. Sie begehre daher die Aussetzung des Laborbudgets, äußerst hilfsweise die Erweiterung des Laborbudgets aufgrund der Praxisbesonderheit der Erbringung von Reproduktionsmedizin. Bei der Erweiterung sei zu berücksichtigen, dass nach Anschaffung des Hormongerätes fast alle Parameter – auch im Zusammenhang mit einem Teil der Mutterschaftsvorsorgeuntersuchung – selbst bestimmt würden.
Dr. H beendete zum 30. Juni 2017 ihre Tätigkeit in der gemeinsamen Praxis.
Mit Schreiben vom 7. Juli 2017 teilte Dr. Z-A D der Beklagten mit: „Ab dem 1. Juli 2017 bin ich durch das Ausscheiden meiner Kollegin Dr. med. SH eine Einzelpraxis“. Darüber hinaus beantragte sie „vorsorglich“ die Aussetzung ihres Laborbudgets hinsichtlich der Quartale IV/2017 bis II/2018.
Am 7. November 2017 bestätigten Dr. Z-A D und Dr. M gegenüber der Beklagten, dass das – zwischenzeitlich gegründete – MVZ die Anforderungen der Richtlinie der Bundesärztekammer zur internen und externen Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (RiLi-BÄK) erfülle. Die Klägerin reichte eine Übersicht über die Kosten des Hormongeräts seit Mai 2016 ein, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 8 bis 10 der Verwaltungsakte verwiesen wird.
Mit Bescheid vom 20. November 2017 lehnte die Beklagte den Antrag auf Aussetzung des Laborbudgets für die Quartale IV/2017 bis II/2018 sowie eine Erhöhung des Laborfallwertes in diesen Quartalen für Prof. B, Dr. M, Dr. M, Dr. R und die Ärztin W ab. Der Fachärztin Dr. Z-A D gewährte die Beklagte eine Erhöhung des Laborfallwertes für die Quartale IV/2017 bis II/2018 auf 21,86 Euro unter der auflösenden Bedingung, dass die speziellen Laboruntersuchungen wirtschaftlich und gemäß den Anforderungen der RiLi-BÄK erbracht werden. Zur Begründung führte die Beklagte aus: Nach Teil E Punkt 3.4.5 der KBV-Vorgaben zur Vergütung laboratoriumsmedizinischer Leistungen könne sie das Laborbudget erweitern, aussetzen oder bedarfsgerecht anpassen, wenn die Anforderungen der RiLi-BÄK nachgewiesen würden. Die Vorgaben würden durch die Beschlüsse der KV Berlin vom 27. Juni 2012, 25. Juli 2012 und 5. September 2013 konkretisiert. Danach würden Anträge auf Aussetzung des Laborbudgets grundsätzlich abgelehnt. Hilfsweise werde eine individuelle Anpassung des Laborfallwertes geprüft. Die Anpassung könne gewährt werden, wenn ein arztindividueller Laborfallwertverlust des Vorjahres von mindestens 15 Prozent im Vergleich zum festgelegten KBV-Referenzfallwert vorliege. Der arztindividuelle Laborfallwert errechne sich aus dem Durchschnitt der erbrachten und abgerechneten Leistungen des Kapitels 32.3 EBM ohne GOP 32860 bis 32865, 32902 bis 32908, 32931, 32932, 32937 bis 32946 EBM nach Regelwerk der Quartale I/2016 bis IV/2016 dividiert durch die durchschnittliche Zahl der Gesamtbehandlungsfälle des Arztes der Quartale I/2016 bis IV/2016. Ausgehend davon sei eine Aussetzung des Laborbudgets abzulehnen gewesen. Die KV dürfe von den Vorgaben der KBV nur abweichen, wenn dies zur bedarfsgerechten Versorgung erforderlich sei. Dies sei nicht der Fall, weil die bedarfsgerechte Versorgung durch die Erhöhung des Laborfallwertes für die Quartale IV/2017 bis II/2018 erreicht werden könne. Der Laborfallwert sei nur hinsichtlich Dr. Z-AD auf 21,86 Euro zu erhöhen gewesen. Deren arztindividueller Laborfallwert in Höhe von 22,46 Euro aus den Quartalen I/2016 bis IV/2016 überschreite den KBV-Referenzfallwert der Arztgruppe der Reproduktionsmediziner aus I/2014 (4 Euro) um 461,45 Prozent. Daraus folge eine Erhöhung um 446,45 Prozent (461,45 Prozent abzgl. 15 Prozent-Toleranzgrenze) auf 21,86 Euro. Hinsichtlich Prof. B, Dr. M, Dr. R und der Ärztin W werde eine Erhöhung des Fallwertes nicht gewährt, weil diese in den Quartalen I/2016 bis IV/2016 keine Leistungen des Kapitels 32.3 EBM erbracht hätten und der geforderte Laborfallwertverlust gegenüber dem Vorjahr somit nicht vorliege. Hinsichtlich Dr. M werde eine Erhöhung des Laborfallwertes nicht gewährt, weil deren arztindividueller Fallwert in Höhe von 0,01 Euro aus den Quartalen I/2016 bis IV/2016 den KBV-Referenzfallwert der Arztgruppe der Gynäkologen (4 Euro) unterschreite.
Gegen den Bescheid vom 20. November 2017 erhob die Klägerin am 28. November 2017 Widerspruch. Den Widerspruch begründete die Klägerin wie folgt: Nach den KBV-Vorgaben könne die KV das Budget aussetzen. Mit der „kann“-Regelung werde der KV ein (weites) Ermessen eingeräumt. Eine Verengung des Ermessensspielraums darauf, dass eine Aussetzung „nur“ gestattet sei, wenn diese zur bedarfsgerechten Versorgung erforderlich sei, enthielten die KBV-Vorgaben nicht. Die Beklagte habe die Bandbreite ihres Ermessens verkannt. Hinsichtlich der Ablehnung der Anpassung des Laborbudgets für Prof. B, Dr. M, Dr. R und die Ärztin W sei der Bescheid ebenfalls rechtswidrig. Die Beklagte prüfe hier mit dem Laborfallwertverlust ein Tatbestandsmerkmal, das in den KBV-Vorgaben nicht enthalten sei. Bei Prüfung des korrekten Tatbestandsmerkmals, der Erfüllung des RiLi-BÄK, sei eine Erhöhung zwingend gewesen. Hinsichtlich der Anpassung des Laborfallwerts bei Dr. Z-A D und Dr. M habe die Beklagte ebenfalls ein nicht vorgesehenes Prüfungsschema angewandt.
Mit Schreiben vom 18. April 2018 beantragte die Klägerin die Aussetzung bzw. Erweiterung des Laborbudgets für die Ärztin W ab sofort und für die Ärztinnen Dr. M und Dr. Z-A D ab dem Quartal III/2018.
Mit Bescheid vom 23. Juli 2018 lehnte die Beklagte den Antrag auf Aussetzung des Laborbudgets für die Quartale III/2018 bis II/2019 sowie eine Erhöhung des Laborfallwertes in diesen Quartalen für Dr. B, Dr. M, Dr. R und die Ärztin W ab. Den Fachärztinnen Dr. M und Dr. Z-A D gewährte die Beklagte eine Erhöhung des Laborfallwertes für die Quartale III/2018 bis II/2019 auf 7,60 Euro bzw. 17,91 Euro unter der auflösenden Bedingung, dass die speziellen Laboruntersuchungen wirtschaftlich und gemäß den Anforderungen der RiLi-BÄK erbracht werden. Zur Begründung führte die Beklagte aus: Maßstab für die Prüfung des Antrages sei § 18 Abs. 1a HVM i.V.m. der Anpassung der Vorgaben der KBV Teil A gemäß § 87b Abs. 4 SGB V zur Honorarverteilung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen mit Wirkung zum 1. April 2018. Die KV Berlin könne danach das Laborbudget erweitern, aussetzen oder bedarfsgerecht anpassen, wenn die Anforderungen der RiLi-BÄK nachgewiesen würden. Die Vorgaben würden durch die Beschlüsse der KV Berlin vom 27. Juni 2012, 25. Juli 2012 und 5. September 2013 konkretisiert. Danach würden Anträge auf Aussetzung des Laborbudgets grundsätzlich abgelehnt. Hilfsweise werde eine individuelle Anpassung des Laborfallwertes geprüft. Die Anpassung könne gewährt werden, wenn ein arztindividueller Laborfallwertverlust des Vorjahres von mindestens 15 Prozent im Vergleich zum festgelegten KBV-Referenzfallwert vorliege. Der arztindividuelle Laborfallwert errechne sich aus dem Durchschnitt der erbrachten und abgerechneten Leistungen des Kapitels 32.3 EBM ohne GOP 32860 bis 32865, 32902, 32904, 32906, 32908, 32931, 32932, 32937, 32945 und 32946 EBM nach Regelwerk der Quartale I/2017 bis IV/2017 dividiert durch die durchschnittliche Zahl der Gesamtbehandlungsfälle des Arztes der Quartale I/2017 bis IV/2017. Ausgehend davon sei eine Aussetzung des Laborbudgets abzulehnen gewesen. Die KV dürfe von den Vorgaben der KBV nur abweichen, wenn dies zur bedarfsgerechten Versorgung erforderlich sei. Dies sei nicht der Fall, weil die bedarfsgerechte Versorgung durch die Erhöhung des Laborfallwertes für die Quartale III/2018 bis II/2019 erreicht werden könne. Der Laborfallwert sei hinsichtlich Dr. M auf 7,60 Euro zu erhöhen gewesen. Deren arztindividueller Laborfallwert in Höhe von 8,20 Euro aus den Quartalen I/2017 bis IV/2017 überschreite den KBV-Referenzfallwert der Arztgruppe der Gynäkologen (4 Euro) um 105,09 Prozent. Daraus folge eine Erhöhung um 90,09 Prozent (105,09 Prozent abzgl. 15 Prozent-Toleranzgrenze) auf 7,60 Euro. Hinsichtlich Dr. Z-A Dsei der Laborfallwert auf 17,91 Euro zu erhöhen gewesen. Deren arztindividueller Laborfallwert in Höhe von 18,51 Euro aus den Quartalen I/2017 bis IV/2017 überschreite den KBV-Referenzfallwert der Arztgruppe der Reproduktionsmediziner (4 Euro) um 362,86 Prozent. Daraus folge eine Erhöhung um 347,86 Prozent (362,86 Prozent abzgl. 15 Prozent-Toleranzgrenze) auf 17,91 Euro. Hinsichtlich Dr. B, Dr. M, Dr. R und der Ärztin W werde eine Erhöhung des Fallwertes nicht gewährt, weil in den Quartalen I/2017 bis IV/2017 keine Leistungen des Kapitels 32.3 EBM erbracht worden seien und der geforderte Laborfallwertverlust gegenüber dem Vorjahr somit nicht vorliege.
Gegen den Bescheid vom 23. Juli 2018 erhob die Klägerin am 31. Juli 2018 Widerspruch. Den Widerspruch begründete die Klägerin mit denselben Erwägungen, die sie im Widerspruch vom 28. November 2017 gegen den Bescheid vom 20. November 2017 vorgebracht hatte.
Mit Bescheid vom 20. Juni 2019 half die Beklagte den Widersprüchen gegen die Bescheide vom 20. November 2017 und 23. Juli 2018 hinsichtlich der Quartale III/2018 bis II/2019 teilweise wegen eines Berechnungsfehlers ab und setzte für diese Quartale höhere Fallwerte für Dr. Z-A D in Höhe von 25,89 Euro und für Dr. M in Höhe von 11,16 Euro fest. Im Übrigen half die Beklagte den Widersprüchen nicht ab. Sie führte aus:
Ein Anspruch auf Aussetzung des Laborbudgets bestehe nicht. Der Vorstand der KV sei zu der Auffassung gelangt, dass die bedarfsgerechte Versorgung auch durch die Erhöhung der Laborfallwerte gesichert werden könne. Die Entscheidung sei ermessensfehlerfrei. Ziffer 3.4.5 der Vorgaben der KBV eröffne mehrere Alternativen, um das Laborbudget einer Praxis abzuändern. Diese Alternativen wiesen eine unterschiedliche Eingriffsintensität auf. Bei einer Erweiterung oder bedarfsgerechten Anpassung eines Laborbudgets gelte dieses fort, nur eben in abgeänderter Höhe. Bei der Aussetzung werde die Budgetierung hingegen, jedenfalls für den entscheidungsrelevanten Zeitraum, ganz aufgehoben. Grundsätzlich sähen die Vorgaben der KBV die Zuweisung von Laborbudgets an alle „Nicht-Laborärzte“ vor. Wenn hiervon also für eine einzelne Praxis eine Ausnahme gemacht werden solle, sei es vertretbar, im Hinblick auf die Erforderlichkeit zunächst zu prüfen, ob das angestrebte Ziel auch mit einer bedarfsgerechten Anpassung bzw. Erweiterung erreicht werden könne, bevor eine Aussetzung in Betracht gezogen werde. Die Klägerin mache geltend, dass die Praxis über einen besonderen Behandlungsschwerpunkt verfüge (Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin) und hierfür kein gesonderter Fallwert ausgewiesen sei, so dass der Referenzfallwert für Gynäkologen in Höhe von 4 Euro zum Ansatz komme. Diesem Sachverhalt könne bereits mit einer Anpassung bzw. Erweiterung des Laborbudgets hinreichend Rechnung getragen werden, wenn die Voraussetzungen dafür vorlägen. Eine entsprechende Erhöhung des Laborfallwertes sei geeignet, der Problematik schwerpunktbedingt erhöhter Laborkosten zu begegnen. Eine vollständige Aufhebung jeglicher Budgetierung als gewissermaßen letztes Mittel sei nicht erforderlich (Verweis auf SG Berlin, Urteil vom 22. Juni 2016, S 83 KA 269/13).
Dem Begehren der Erhöhung des Laborfallwertes sei teilweise stattgeben worden. Soweit die Beklagte für im MVZ tätige Ärzte keine Fallwerterhöhung anerkannt habe, sei dies nicht zu beanstanden, weil diese Ärzte keine Leistungen des Kapitels 32.3 EBM abgerechnet hätten bzw. weil bei diesen Ärzten keine relevanten Fallwertüberschreitungen vorgelegen hätten.
Die Auffassung, die Beklagte habe ein nicht vorgesehenes Prüfschema verwendet, sei nicht haltbar. Die Beklagte habe mithilfe der eingeholten Selbstauskünfte überprüft, ob die Anforderungen der RiLi-BÄK vorlägen. Darüber hinaus eröffneten die Vorgaben der KBV Ermessen hinsichtlich einer Erweiterung, Aussetzung oder bedarfsgerechten Anpassung des Laborbudgets (Verweis auf SG Berlin, Urteil vom 16. Januar 2019, S 22 KA 4004/15). Die Formulierung „bedarfsgerecht anpassen“ verdeutliche, dass es nicht allein um das Vorliegen einer Qualifikation gehe, sondern auch um die Frage, ob der festgesetzte Referenzfallwert den tatsächlichen Leistungsbedarf noch hinreichend widerspiegele. Dass der Vorstand der Beklagten im Beschlusswege Vorgaben zur Ausübung des Ermessens im Einzelfall gemacht habe, sei nicht zu beanstanden (Verweis auf SG Berlin, Urteil vom 16. Januar 2019, S 22 KA 4004/15). Die Beklagte habe das Ermessen dahingehend ausgeübt, dass das tatsächliche Leistungsgeschehen im Vorjahr arztbezogen dem jeweils gültigen Referenzfallwert gegenübergestellt worden sei und bei Vorliegen entsprechender Überschreitungen individuelle Anpassungen des Fallwerts erfolgt seien. Prof. B, Dr. M und Dr. R verfügten im Übrigen über keine Genehmigung für die Abrechnung von Leistungen des Kapitels 32.3 EBM. Folglich hätten diese Ärzte im streitigen Zeitraum keine Leistungen aus dem hier budgetrelevanten Kapitel 32.3 EBM abgerechnet. Die Ärztin W verfüge zwar seit dem 28. März 2018 über eine Genehmigung zur Abrechnung von Leistungen des Kapitels 32.3 EBM. Maßgeblich seien jedoch die Referenzjahre 2016 und 2017. Im Übrigen ergebe sich selbst bei Heranziehung der Abrechnungswerte des Jahres 2018 keine Fallwertüberschreitung für die Ärztin W, da ihr individueller Fallwert bei nur 3,09 Euro liege.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2019 half die Widerspruchsstelle den Widersprüchen hinsichtlich der Quartale IV/2017 bis II/2018 weiter teilweise ab, indem sie für diese Quartale einen abweichenden Fallwert für Dr. Matheus in Höhe von 11,16 Euro festsetzte. Da Dr. M im Jahr 2016 nur über einen Zeitraum von 2 ½ Wochen Leistungen des Kapitels 32.3 EBM abgerechnet habe, erscheine es sachgerechter, insoweit ausnahmsweise anstelle des Jahres 2016 das Jahr 2017 als Referenzzeitraum heranzuziehen. Im Übrigen wies die Widerspruchsstelle die Widersprüche aus den bereits im Abhilfebescheid vom 20. Juni 2019 genannten Gründen zurück.
Gegen den ihr am 23. August 2019 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 23. September 2019 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Sie hat geltend gemacht: Die Entscheidungen seien hinsichtlich Dr. Z-A D, Dr. M und der Ärztin W rechtswidrig.
In Bezug auf Dr. Z-A D seien die Entscheidungen bereits deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte bei der Anpassung die Abrechnungsdaten des Vorjahres zugrunde lege. Eine Ermächtigung für eine derartige Vorjahresanknüpfung existiere nicht. Eine entsprechende Berechtigung ergebe sich auch nicht aus Vorstandsbeschlüssen der Beklagten. Dem Vorstand fehle für eine derartige generell-typisierende Regelung die Kompetenz (Verweis auf BSG, Urteil vom 3. März 1999, B 6 KA 15/98 R, zitiert nach juris, Rn. 35).
Darüber hinaus würden die Erhöhungen der Laborfallwerte für Dr. ZAD für die Quartale IV/2017 bis II/2018 nicht den Anforderungen an eine bedarfsgerechte Anpassung entsprechen. Die Bescheide seien ermessenfehlerhaft. Die Beklagte stütze sich bei ihrer Entscheidung einzig auf die vom Vorstand beschlossenen Vorgaben und den darin normierten Vorjahresquartalsbezug. Die von Dr. Z-A D in den Vorjahresquartalen abgerechneten Leistungen spiegelten jedoch ihr tatsächliches Abrechnungsniveau in den streitigen Quartalen nicht wider. Der tatsächliche arztindividuelle Fallwert habe in den Antragsquartalen bei durchschnittlich etwa 27 Euro und damit etwa 21 Prozent über dem von der Beklagten herangezogenen Fallwert gelegen. Maßgeblich hierfür sei, dass die Reproduktionsmedizinerin Dr. H, die überwiegend Laborleistungen nach Ziffer 32.3 EBM erbracht habe, zum dritten Quartal 2017 aus der (vor der Gründung des MVZ bestehenden) Gemeinschaftspraxis ausgeschieden sei. Deren Patienten seien insbesondere von Dr. Z-A D weiterbetreut worden, was zu einem deutlichen Anstieg der speziellen Laborleistungen geführt habe. Dies müsse wie bei der Zuweisung von RLV/QZV berücksichtigt werden. Gemäß § 11 Nr. 3 HVM könne ein Arzt ein höheres RLV/QZV erhalten, wenn eine in der eigenen Berufsausübungsgemeinschaft bestehende Zulassung aufgegeben werde und damit eine außergewöhnlich starke Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten einhergehe. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Quartale III/2018 bis II/2019. Die Abrechnungsdaten des Jahres 2017 seien insoweit keine geeignete Grundlage für die Anpassung des Laborbudgets. Der von der Beklagten ermittelte arztindividuelle Fallwert der Ärztin Dr. Z-A D aus dem Jahr 2017 liege deutlich unter dem Fallwert in den Quartalen III/2018 bis II/2019 in Höhe von 33,33 Euro. Der hohe Bedarf an speziellen Laborleistungen rühre unter anderem daher, dass das klägerische MVZ einen Schwerpunkt in der Behandlung von Kinderwunschpatientinnen habe. Der Weggang von Dr. H habe daher auch zu einem Anstieg der durchschnittlichen Laboranforderung pro Fall insbesondere bei Dr. ZAD geführt.
Zudem ergebe sich ein Anpassungsbedarf aus dem Anstieg des Versorgungsbedarfs im Bereich der Reproduktionsmedizin. Ausweislich des Jahresberichts des Deutschen IVF-Registers sei die Anzahl der reproduktionsmedizinischen Behandlungen in den Mitgliedzentren des Deutschen IVF-Registers allein in den Jahren 2015 bis 2018 von insgesamt 96.124 auf 105.421 plausible Zyklen und damit um ca. 9,7 Prozent gestiegen. Unabhängig davon setze die Beklagte die Vorgaben des Vorstandes fehlerhaft um. Wenn überhaupt, hätte die Beklagte auf die Daten der jeweiligen Vorjahresquartale IV/2016 bis II/2017 bzw. III/2017 bis II/2018 und nicht auf die Quartale I/2016 bis IV/2016 bzw. I/2017 bis IV/2017 abstellen müssen.
In Bezug auf Dr. M genüge die Erhöhung des Laborfallwertes ebenfalls nicht den Anforderungen an eine bedarfsgerechte Anpassung. Hinsichtlich der Ärztin W sei die Entscheidung bezüglich der Quartale I/2019 und II/2019 rechtswidrig. Eine Antragsablehnung wegen Unterschreitung von Laborfallwerten in der Vergangenheit sähen die KBV-Vorgaben nicht vor.
Die Beklagte hat dem entgegengehalten: Der Vorstand der KV habe im Hinblick auf das ihm nach den KBV-Vorgaben eröffnete Ermessen am 27. Juni 2012, 25. Juli 2012 und 5. September 2013 Grundsatzbeschlüsse gefasst. Der Vorstand habe Kriterien zur gleichmäßigen Ermessensausübung festlegen wollen. Es handele sich um ermessenlenkende Verwaltungsvorschriften, die der Vorstand habe erlassen dürfen (Verweis auf SG Berlin, Urteil vom 16. Januar 2019, S 22 KA 4004/15; SG Kiel, Urteil vom 9. Februar 2016, S 2 KA 228/14). Um eine abstrakt-generelle Regelung handele es sich nicht. Die Regelungen beträfen nur Ärzte, die einen Antrag gestellt hätten. Die Festlegung einer Erheblichkeitsschwelle entspreche üblicher Praxis (Verweis auf SG Berlin, Urteil vom 22. Juni 2016, S 83 KA 269/13) und den Vorgaben zur Erhöhung des RLV/QZV. Die Anknüpfung des Laborfallwerts an das jeweilige Vorjahr entspreche ebenfalls den Vorgaben zur Erhöhung des RLV/QZV. Soweit sich der Weggang von Dr. H im Laborbereich ausgewirkt habe, werde dem durch die Anpassung aufgrund des Fallwertverlustes Rechnung getragen. Der Weggang von Dr. H habe sich tatsächlich positiv auf die Vergütung der Leistungen nach 32.3 EBM ausgewirkt. Die Vergütungsquote habe sich nach dem Weggang von 47,56 Prozent im Quartal II/2017 auf 62,47 Prozent im Quartal IV/2017 erhöht. Ebenso wenig sei zu beanstanden, dass bei der Anpassung des Laborbudgets auf das Vorjahr und nicht auf die jeweiligen Vorjahresquartale abgestellt worden sei. Der Beschluss vom 25. Juli 2012 stelle auf das „Vorjahr“, also auf das Kalenderjahr, ab. Diese Regelung ziele darauf ab, Ärzten eine Kalkulationssicherheit in Bezug auf das Laborbudget zu geben. Die Beklagte habe zu ihrer Verwaltungspraxis bislang stets positive Rückmeldungen erhalten. Hinsichtlich der Ärztin W hätten die Voraussetzungen für eine Erhöhung des Laborfallwertes nicht vorgelegen. Gemäß Vorstandsbeschluss vom 25. Juli 2012 müsse ein Arzt bereits im Vorjahr Leistungen nach Kapitel 32.3 EBM erbracht und abgerechnet haben. Dies sei bei der Ärztin W nicht der Fall gewesen. Abgesehen davon habe sich die zusätzliche Abrechnungsgenehmigung der Ärztin W ab dem 1. Quartal 2018 positiv auf die Vergütungsquote der Praxis ausgewirkt. Die Praxis habe für die Genehmigung ein zusätzliches Budget von fast 4.000 Euro erhalten, ohne dass die Ärztin W im Quartal I/2018 Leistungen aus dem Bereich der 32.3-Leistungen abgerechnet habe. Für eine Aussetzung des Laborbudgets müsse dargelegt werden, dass die Versorgung mit speziellen Laboratoriumsuntersuchungen des Abschnitts 32.3 EBM im Bereich der Beklagten durch die fallwertbezogene Budgetierung bei den Nicht-Laborärzten gefährdet sei (Verweis auf SG Berlin, Urteil vom 16. Januar 2019, S 22 KA 4005/15). Daran fehle es. Die Versorgungssituation sei auch nach Maßgabe eines Schreibens der KBV vom 15. August 2019 zu berücksichtigen. Der Weggang von Dr. H habe auch keinen sprunghaften Anstieg der abgerechneten Leistungen nach Abschnitt 32.3 hervorgerufen. Die Leistungsanforderung sei von 45.669,90 Euro im Quartal II/2017 auf 41.987 Euro im Quartal IV/2017 gesunken.
Mit Urteil vom 14. Dezember 2022 (S 22 KA 532/19) hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe über die Anträge auf Aussetzung der Budgetierung bzw. Erweiterung oder bedarfsgerechte Anpassung ermessensfehlerfrei entschieden. Der Vorstand der Beklagten habe im Beschlusswege Vorgaben zur Ausübung des Ermessens im Einzelfall machen dürfen. Die Ausübung von Ermessen werde vielfach durch allgemeine Vorgaben vorgesetzter Stellen gesteuert. Solche Ermessensrichtlinien zielten auf eine einheitliche und gleichmäßige Betätigung des Ermessens. Die Verwaltung sei verpflichtet, ein einmalig rechtmäßig konzipiertes und ins Werk gesetztes Handlungsprogramm konsequent beizubehalten, sofern nicht Besonderheiten des Einzelfalls eine abweichende Behandlung geboten erscheinen ließen. Das Bundessozialgericht habe betont, dass die Ausrichtung des Verwaltungshandelns an Ermessenrichtlinien des Vorstands einer KV auch in der vertragsärztlichen Versorgung im Grundsatz nicht zu beanstanden sei (Verweis auf BSG, Urteil vom 28. Oktober 1992, 6 RKa 3/92, zitiert nach juris, Rn. 28). Die Kompetenzen der Vertreterversammlung seien durch die Beschlüsse nicht umgangen worden. Die Beklagte habe von ihrem Ermessen weder durch die ermessenslenkenden Beschlüsse noch durch ihre Entscheidung im Einzelfall fehlerhaft Gebrauch gemacht. Weder die Vorgaben der KBV noch der HVM der Beklagten enthielten, abgesehen von dem Erfordernis der Erfüllung der RiLi-BÄK, tatbestandliche Voraussetzungen für die Anpassung oder Aussetzung des Laborreferenzfallwertes (Verweis auf LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Januar 2015, L 11 KA 35/14 B ER). Mit der Einführung der Laborquote Q und den fachgruppenspezifischen Referenzfallwerten für Nichtlaborärzte („Selbstzuweiser“) werde im Zusammenhang mit der Fallzahl eine quantitative, in Eurobeträgen ausgedrückte Obergrenze in Bezug auf das Honorarvolumen für Laborleistungen aus den Kapiteln 32.2 und 32.3 EBM für Nichtlaborärzte gebildet. Regelungsziel der arztgruppenspezifischen Referenzfallwerte sei die Vermeidung wirtschaftlicher Fehlanreize bei Nichtlaborärzten im Rahmen der Selbstzuweisung. Die arztgruppenspezifische Budgetierung aufgrund der Referenzfallwerte finde ihre Rechtfertigung darin, dass Nichtlaborärzte, die als Selbstzuweiser Laborleistungen erbrächten, erheblich höhere Fallwerte aufwiesen als fachgleiche Praxen ohne OIII-Labor bei vergleichbarem Patientengut. Die Vermeidung wirtschaftlicher Fehlanreize stelle einen legitimen Zweck dar, der im Sinne der Honorarverteilungsgerechtigkeit eine unterschiedliche Vergütung zwischen Laborärzten und Nichtlaborärzten rechtfertige. Diese Zielrichtung setzten die Vorstandsbeschlüsse ermessensfehlerfrei um. Soweit die Budgeterhöhung die Überschreitung einer 15 prozentigen Toleranzgrenze verlange, werde an die auch sonst im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung bekannte Erheblichkeits- und Interventionsschwelle angeknüpft (Verweis auf Urteil des Senats vom 23. September 2020, L 7 KA 46/16, zitiert nach juris, Rn. 43, 45). Auch die Berechnung nach Maßgabe der Werte der Vorjahresquartale sei nicht zu beanstanden. Die Vorstandsbeschlüsse brächten mit dem Verweis auf die Vorjahresquartale im Plural hinreichend zum Ausdruck, dass ein mehrere Quartale umfassender Zeitraum gemeint sei. Insoweit unterschieden sie sich von der entsprechenden Regelung im HVM zum RLV, in der auf „das Vorjahresquartal“ Bezug genommen werde. Die Bezugnahme auf vier zusammenhängende Quartale sei wiederum zur Bestimmung einer hinreichend gleichbleibenden Tätigkeit ebenfalls in anderen Zusammenhängen im Vertragsarztrecht nicht unüblich (Verweis auf BSG, Urteil vom 29. Juni 2011, B 6 KA 17/10 R, zitiert nach juris, Rn. 23). Die Vorgehensweise, nicht auf die vier vor den streitigen Quartalen liegenden Quartale abzustellen, sondern auf die vier Quartale des Vorjahres, erscheine im Hinblick auf die Kalkulationssicherheit vertretbar und ermessensfehlerfrei. Auch die Ermessensentscheidung im Einzelfall begegne keinen durchgreifenden Bedenken. Die Beklagte habe die Möglichkeit einer Abweichung von den Vorstandsbeschlüssen geprüft und teils – in Bezug auf Dr. M – auch abweichend entschieden. Soweit die Klägerin auf die fehlende Berücksichtigung des Weggangs von Dr. H hinweise, trage sie selbst vor, dass hierfür auf der Grundlage von § 11 HMV mit Teilabhilfebescheid vom 14. Januar 2020 in Form der Erhöhung der RLV/QZV-relevanten Fallzahl für einen Teil der im MVZ verbliebenen Ärzte in den Quartalen IV/2017 bis II/2018 reagiert worden sei. Die Fallzahl bestimme aber unmittelbar die Höhe des fallwertbezogenen Budgets. Im Übrigen zeige die Entwicklung der Vergütungsquote für die Leistungen des Abschnitts 32.3 EBM, dass die beanstandete Vorgehensweise bei der Klägerin nicht zu unverhältnismäßigen Ergebnissen führe. Diese habe im Wege einer kontinuierlichen Steigerung im Quartal I/2019 95,73 Prozent erreicht.
Gegen das ihr am 17. Januar 2023 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 1. Februar 2023 Berufung eingelegt. Sie macht (noch) geltend: Die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung über die Anpassung des Laborbudgets das ihr zustehende Ermessen unzureichend ausgeübt. Die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung sowohl die Anschaffung des neuen Hormonanalysegeräts im dritten Quartal 2016 als auch den Weggang von Frau Dr. H als besondere Gegebenheiten berücksichtigen müssen. Mit der Anschaffung des Gerätes sei es möglich gewesen, eine Vielzahl weiterer Parameter zu bestimmen, die zuvor von externen Speziallaboren bestimmt und abgerechnet worden seien. Die Bestimmung dieser Parameter sei insbesondere für die Behandlung von Patientinnen mit Kinderwunsch erforderlich. Dies habe zu einem erheblichen Anstieg des Laborfallwertes bzw. der Laborkosten bei der Klägerin geführt. Während sich die Kosten für die Durchführung der Hormonanalysen in den Quartalen I/2016 und II/2016 auf lediglich ca. 7.000 Euro pro Quartal belaufen hätten, seien es im Quartal III/2016 ca. 23.500 Euro gewesen. Dieser Kostenanstieg werde weder über die tatsächlichen Fallzahlen des klägerischen MVZ, noch mit der bereits gewährten Erhöhung des arztindividuellen Laborfallwertes ausreichend berücksichtigt. Diesen Aspekt habe die Beklagte bei ihrer Entscheidung würdigen müssen. Bei der Ermittlung des Laborbudgets für die Quartale IV/2017 bis II/2018 habe nicht auf den arztindividuellen Laborfallwert aus dem Jahr 2016 abgestellt werden dürfen. Wenn die Zahl der im MVZ behandelten Patienten steige, erhöhe sich (unter der Annahme eines gleichbleibenden Laborfallwertes) auch das Laborbudget. Die Anschaffung des Laboranalysegerätes führe jedoch für sich allein nicht zu einer Steigerung der Fallzahlen, sondern zu einem Anstieg des Laborfallwertes. Die zusätzlichen Untersuchungen seien regelhaft im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge und/oder Kinderwunschbehandlung zu erbringen. Der bloße Wechsel des Leistungserbringers könne nicht dazu führen, dass diese Untersuchungen nicht mehr vergütet würden. Dies sei jedoch der Fall, wenn das Laborbudget auf Basis des Laborfallwerts vor dem Quartal III/2016 festgesetzt werde. Auch in anderen Bereichen der Honorarverteilung könnten Investitionsentscheidungen unmittelbar budgeterhöhend wirken, so bei der Zuweisung von QZV: Bei neu erteilten Abrechnungsgenehmigungen, die der Arzt oder Arztsitzvorgänger im entsprechenden Vorjahresquartal noch nicht vorgehalten habe, erfolge auf Antrag eine Zuweisung des QZV für das Quartal, in dem die Abrechnungsgenehmigung erteilt worden sei, auf Basis des Fachgruppendurchschnitts (Verweis auf 3.1. der Verwaltungsrichtlinie „Neufestsetzungen von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen und qualifikationsbezogenen Zusatzvolumen“). Die Einführung dieser Regelung habe den Hintergrund, dass die Erteilung einer Abrechnungsgenehmigung für Leistungen regelmäßig erhöhte Qualifikationsnachweise sowie den Nachweis apparativer und räumlicher Gegebenheiten voraussetze. Da hiermit nicht unerhebliche finanzielle Belastungen verbunden seien, sollten diese Ärzte unmittelbar nach Erhalt der Abrechnungsgenehmigung die Möglichkeit erhalten, Kosten zu amortisieren. Eine Zuweisung auf Basis des Leistungsumfangs im Vorjahreszeitraum werde in solchen Fällen als unbillig erachtet. Darüber hinaus habe die Beklagte – entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts – auch den Weggang von Dr. Hoffmann zum 30. Juni 2017 als besonderen Umstand würdigen müssen. Dies habe zu einer Erhöhung des Laborleistungsvolumens von Dr. Zl-A D und Dr. M geführt. Aufgrund des Weggangs sei es nicht nur zu einer Erhöhung der Fallzahlen (gemessen an der Anzahl der Versorgungsaufträge im MVZ), sondern auch zu einer Erhöhung des arztindividuellen Laborfallwerts gekommen. Auch vor diesem Hintergrund sei die Festsetzung eines Laborbudgets auf Basis des arztindividuellen Laborfallwerts in den Quartalen der Jahre 2016 und 2017 nicht sachgerecht. Die Beklagte hätte eine dem Einzelfall gerecht werdende Regelung treffen müssen, etwa das Leistungsgeschehen des jeweiligen Antragsquartals berücksichtigen oder von der Anwendung einer 15 Prozent-Toleranzgrenze absehen müssen. Aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. Juli 2013, B 6 KA 44/12 R, ergebe sich nichts anderes. Dieses betreffe Praxen ohne größere Schwankungen im Leistungsverhalten. Für den vorliegenden Fall würden die Ausführungen im Urteil des Senats vom 30. April 2014 (L 7 KA 154/11) und im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. Mai 2022 (L 4 KA 10/20) gelten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Dezember 2022 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 20. November 2017 und 23. Juli 2018 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 20. Juni 2019, dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2019, zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin auf Aussetzung, Erweiterung oder bedarfsgerechte Anpassung des Laborbudgets für die Quartale IV/17 bis II/19 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Begründung des angefochtenen Urteils und führt ergänzend aus: Bei der Anschaffung des Hormonanalysegeräts handele es sich um eine Investitionsentscheidung, die sich am gewährten Budget auszurichten habe. Nichts anderes folge daraus, dass die damit durchgeführten Untersuchungen regelhaft im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge oder Kinderwunschbehandlung zu erbringen seien. Diese Leistungen seien vor der Anschaffung des Geräts von externen Laboren erbracht worden. Auch liege keine Parallele zur Zuweisung von QZV vor. Die Höhe des hier streitigen Laborbudgets orientiere sich bereits an der tatsächlich im aktuellen Quartal erreichten Fallzahl. Der Fall dürfte eher mit der Anerkennung von Praxisbesonderheiten vergleichbar sein. In diesen Fällen werde das RLV ggf. in der Weise erhöht, dass der Berechnung des RLV ein höherer Fallwert zugrunde gelegt werde. Es sei anerkannt, dass z.B. auch Fallzahlerhöhungen erst im Folgejahr zu einer Höherbemessung des RLV führten (Verweis auf BSG, Urteil vom 17. Juli 2013, B 6 KA 44/12 R).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Dezember 2022 ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
A. Gegenstand des Verfahrens sind – außer dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Dezember 2022 – die Bescheide der Beklagten vom 20. November 2017 und 23. Juli 2018 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 20. Juni 2019 und des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2019, soweit die Beklagte damit die Anträge der Klägerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erweiterung, Aussetzung bzw. bedarfsgerechte Anpassung des Laborbudgets in den Quartalen IV/2017 bis II/2019 abgelehnt hat. Die Klägerin rügt soweit ersichtlich (noch), dass bei der Entscheidung über die Anpassung des Laborbudgets in den Quartalen IV/2017 bis II/2018 ermessensfehlerhaft auf die Leistungsdaten des Jahres 2016 abgestellt worden sei. Dadurch sei die Anschaffung des Hormonanalysegeräts im Jahr 2016 und der damit verbundene Fallwertanstieg nicht ausreichend berücksichtigt worden. Zudem sei der Weggang Dr. H, der bei Dr. Z-A D und Dr. M ebenfalls zu einem Fallwertanstieg geführt habe, bei der Prüfung der Anpassung nicht ermessensgerecht beachtet worden.
B. Die Klage ist zulässig. Die auf die Aufhebung der streitigen Bescheide und Verpflichtung der Beklagten zur ermessensfehlerfreien Neubescheidung des Antrages auf Erweiterung, Aussetzung bzw. Anpassung des Laborbudgets gerichtete Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in Gestalt einer Neubescheidungsklage statthaft (vgl. §§ 54 Abs. 1, 131 Abs. 3 SGG).
C. Die Klage ist unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 20. November 2017 und 23. Juli 2018 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 20. Juni 2019 und des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2019 sind – wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat – rechtmäßig. Entsprechend besteht auch kein Anspruch auf Neubescheidung.
1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidungen ist § 87b Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. Teil E, Ziffer 3.4 der Vorgaben der KBV zur Honorarverteilung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V (hinsichtlich der Quartale IV/2017 bis I/2018) bzw. § 18 Abs. 1a des HVM der Beklagten und Teil A Nr. 9 der Vorgaben der KBV (hinsichtlich der Quartale II/2018 bis II/2019), jeweils i.V.m. den (ermessenslenkenden) Beschlüssen des Vorstands der Beklagten vom 27. Juni 2012, 25. Juli 2012 und 5. September 2013.
Die Vorgaben der KBV sehen jeweils vor, dass die Kassenärztliche Vereinigung das (unter Zugrundelegung eine Referenzfallwertes für Gynäkologen von vier Euro sich ergebende) Budget erweitern, aussetzen oder bedarfsgerecht anpassen „kann“. Die Entscheidung hat die KV – hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“ der Abweichung – nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (vgl. § 39 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I]; vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. März 2023, L 11 KA 60/19, zitiert nach juris, Rn. 64, sowie Beschluss vom 14. Januar 2015, L 11 KA 44/14 B ER, zitiert nach juris, Rn. 44).
2. Ob eine Behörde das Ermessen zutreffend ausgeübt hat, unterliegt im gerichtlichen Verfahren nur eingeschränkter Überprüfung. Eine Ermessensentscheidung ist als solche nur rechtswidrig und auf Anfechtung hin nur dann aufzuheben, wenn der Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung fehlerfreien Ermessens verletzt ist (s. auch § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Das Gericht darf nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Verwaltung setzen, sondern nur prüfen, ob ein Ermessensfehler vorliegt. Ermessensfehlerhaft ist es, wenn die Behörde ihrer Pflicht zur Ermessensbetätigung nicht nachgekommen ist (sog. Ermessensnichtgebrauch) oder wenn ihr bei Ausübung des Ermessens Rechtsfehler unterlaufen sind (sog. Ermessensfehlgebrauch; vgl. Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 4. Aufl., § 39 SGB I, Stand: 15. Juni 2024, Rn. 35; BSG, Urteil vom 30. März 2017, B 2 U 10/15 R, zitiert nach juris, Rn. 17).
3. Die Beklagte hat von dem ihr eingeräumten Ermessen in generalisierender Weise durch die Beschlüsse ihres Vorstands vom 27. Juni 2012, 25. Juli 2012 und 5. September 2013 Gebrauch gemacht. Diese enthalten unter anderem die Regel, dass bei Vorliegen eines arztindividuellen OIII-Fallwertverlustes des „Vorjahres“ im Vergleich zum KBV-Referenzfallwert bzw. KV-spezifischen Fallwert der Arztgruppe von mindestens 15 Prozent eine Fallwerterhöhung oberhalb der 15 Prozent-Grenze gewährt wird. Gegen die Ausrichtung der angefochtenen Entscheidungen an den als Ermessenrichtlinien zu qualifizierenden Beschlüssen bestehen im vorliegenden Fall keine durchgreifenden Bedenken (vgl. allgemein zur Ausrichtung einer Entscheidung an verwaltungsinternen Ermessensrichtlinien BSG, Urteil vom 18. April 2000, zitiert nach juris, Rn. 23). Dies wird von der Klägerin mit der Berufung auch nicht mehr beanstandet. Die Klägerin macht vielmehr geltend, dass die Beklagte bei der Ermessensausübung Besonderheiten des Einzelfalls (die fallwerterhöhende Anschaffung des Hormonanalysegeräts und den fallwerterhöhenden Weggang von Frau Dr. Hoffmann) nicht berücksichtigt habe.
4. Die angefochtenen Bescheide sind – entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin – frei von Ermessensfehlern. Die Beklagte war bei der Berechnung der Laborfallwerte insbesondere nicht gehalten, aufgrund der von der Klägerin geltend gemachten Besonderheiten – der Anschaffung des Hormonanalysegeräts (dazu a.) und dem Weggang von Frau Dr. H (dazu b.) – von einer Bemessung des Laborbudgets auf Vorjahresbasis abzusehen (bzw. das Budget nach Maßgabe des Leistungsverhaltens in den Abrechnungszeiträumen zu bemessen).
a. Es ist in der Regel ermessensfehlerfrei, wenn eine Praxis vorübergehend eine Zeit lang – hier auf der Basis der Laborfallwerte des jeweiligen Vor(kalender)jahres – an ihrem Honorierungsumfang festgehalten wird; ein Honorarwachstum innerhalb eines gewissen Zeitraums zu unterbinden, ist nicht ausgeschlossen (vgl. zum sog. einjährigen Moratorium bei der Bemessung der RLV-Fallzahlen BSG, Urteil vom 17. Juli 2013, B 6 KA 44/12 R, zitiert nach juris, Rn. 39 ff.). Dafür spricht im Hinblick auf die im vorliegenden Fall streitige Erhöhung des Laborbudgets von Nichtlaborärzten auch, wirtschaftliche Fehlanreize im Rahmen der Selbstzuweisung zu vermeiden (vgl. Rompf, in: ZMGR 1/2014, S. 3 ff., mit Verweis auf § 87b Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V, wonach eine über den Versorgungsauftrag hinausgehende Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit verhindert werden soll). Zudem gewährleistet die Anknüpfung an zurückliegende Zeiträume Kalkulationssicherheit für Leistungserbringer in Bezug auf das zu erwartende Honorar (vgl. § 87b Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V).
Die Anschaffung des Hormonanalysegerätes im Mai 2016 stellt keine Besonderheit dar, die die Beklagte im Rahmen ihres Ermessens als atypischen, gegen eine Bemessung des Laborbudgets für die Quartale IV/2017 bis II/2018 am (gesamten) Vorjahr 2016 sprechenden Umstand hätte berücksichtigen müssen. Dass mit der Bemessung des Laborbudgets am Vorjahr 2016 der mit der Anschaffung und Ausweitung des Analysespektrums verbundene Fallwertanstieg vollständig erst zeitversetzt berücksichtigt wird, hat die Klägerin hinzunehmen. Das Sozialgericht hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei der Anschaffung des Analysegerätes um eine typische eigene Investitionsentscheidung der Praxis handelte. Daher liegt insbesondere keine atypische, nicht selbst zu vertretende Härte vor (vgl. dazu BSG, Urteil vom 17. Juli 2013, B 6 KA 44/12 R, zitiert nach juris, Rn. 53). Dass das Analysegerät zwingend – etwa unter Versorgungsgesichtspunkten – beschafft werden musste, ist nicht ersichtlich. Vielmehr dürfte es – auch unter Berücksichtigung des Vorbringens, dass die „Anzahl der reproduktionsmedizinischen Behandlungen in den Mitgliedzentren des Deutschen IVF Registers allein in den Jahren 2015 bis 2018 […] um ca. 9,7 Prozent gestiegen ist“ – weiterhin ohne weiteres möglich gewesen sein, die mit dem Analysegerät durchgeführten Untersuchungen wie zuvor an Fremdlabore zu vergeben. Es liegt auf der Hand, dass die Begrenzungswirkung der Anknüpfung des Honorars an zurückliegende Zeiträume leerzulaufen drohte, wenn Praxen allein durch den (nicht durch äußere Umstände gebotenen) Ausbau ihrer Untersuchungsfähigkeiten und -kapazitäten eine sofortige Berücksichtigung der damit verbundenen Leistungszuwächse auf Honorarebene herbeiführen könnten.
Aus dem Hinweis der Klägerin auf eine Bemessung des QZV auf Basis des Fachgruppendurchschnitts bei neu erteilten Abrechnungsgenehmigungen folgt nichts anderes. Um eine neu erteilte Abrechnungsgenehmigung geht es bei der Anschaffung des Analysegeräts nicht.
Aus dem Urteil des Senats vom 30. April 2014, L 7 KA 154/11, kann die Klägerin ebenfalls nichts zu ihren Gunsten herleiten. Der von der Klägerin in Bezug genommenen Passage dieses Urteils (wohl Rn. 44, zitiert nach juris) lässt sich lediglich entnehmen, dass es für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten (im Quartal I/2019) ausreichen konnte, nur drei zurückliegende Quartale (I/2018 bis III/2018) auszuwerten.
Auch auf das Urteil des Landessozialgerichts Hessen vom 25. Mai 2022, L 4 KA 10/20, kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Danach ist bei der Prüfung von Praxisbesonderheiten auf das aktuelle Quartal abzustellen, für das die Sonderregelung gefordert wird. Grund hierfür sei, dass eine Sonderregelung wegen Praxisbesonderheiten eingeräumt werde, um eine ausreichende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten (zitiert nach juris, Rn. 94, 99). Es gehe darum, einer im öffentlichen Interesse der Versorgungssicherheit liegenden überdurchschnittlichen Leistungserbringung Rechnung zu tragen und – anders als bei (wachstumsbegrenzenden) Moratoriumsregelungen – allenfalls sekundär um den Vertragsarztwettbewerb und Wettbewerbschancen (und ihre vorübergehende Begrenzung). Im vorliegenden Fall ist – wie dargestellt – nicht ersichtlich, dass die Anschaffung des Laboranalysegeräts unter Versorgungsgesichtspunkten erforderlich war. Es ist davon auszugehen, dass die durch die Anschaffung hinzugewonnenen Fähigkeiten weiterhin auch durch Fremdlabore hätten abgedeckt werden können und dass mit der Anschaffung des Laborgerätes daher im Wesentlichen wirtschaftliche und wettbewerbsbezogene Zwecke verfolgt wurden. Insofern lagen keine von der Beklagten zu berücksichtigenden Gründe vor, die (vor allem dem Vertragsarztwettbewerb zuzuordnende und dem öffentlichen Interesse der Begrenzung der Selbstzuweisung durch Nichtlaborärzte unterfallende) Investitionsentscheidung der Klägerin vom Regime der Moratoriumsregelungen auszunehmen.
b. Auf den Weggang von Frau Dr. H kann sich die Klägerin bereits deshalb nicht berufen, weil dieser Gesichtspunkt vor Klageerhebung nicht in einer die Ermessensbetätigung ermöglichenden Genauigkeit vorgetragen wurde.
Für die Ermessensbetätigung muss die Verwaltung die sachlich bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ermitteln und abwägen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass alle theoretisch denkbaren Umstände, die möglicherweise ermessensrelevant sein könnten, gewissermaßen „ins Blaue hinein“ abzuklären wären. Der Betroffene hat vielmehr seiner Mitwirkungslast zu genügen und die für ihn günstigen ermessensrelevanten Umstände vorzutragen (vgl. Groth, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 39 SGB I, Stand: 15. Juni 2024, Rn. 28; BSG, Urteil vom 25. Januar 1994, 4 RA 16/92, zitiert nach juris, Rn. 21; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. März 2023, L 11 KA 60/19, zitiert nach juris, Rn. 89).
Daran fehlt es. Im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren ist in Bezug auf den Weggang Dr. H soweit ersichtlich lediglich vorgetragen worden (Antrag auf Aussetzung des Laborbudgets/Laborfallwerterhöhung vom 7. Juli 2017): „Ab dem 1. Juli 2017 bin ich durch das Ausscheiden meiner Kollegin Dr. med. S H eine Einzelpraxis“. Insbesondere daraus ergab sich kein ausreichender Anlass für die von der Klägerin im vorliegenden Klageverfahren geforderte Ermessensbetätigung. Die Klägerin macht im vorliegenden Verfahren eine spezielle Erwägung geltend, nämlich dass der Weggang von Dr. H nicht nur zu einer Erhöhung der Fallzahlen geführt habe (siehe dazu den von der Klägerin im Klageverfahren vorgelegten Teilabhilfebescheid vom 14. Januar 2020 aus einem anderen Verfahren), sondern auch zu einer Erhöhung des arztindividuellen Laborfallwerts insbesondere bei Dr. Z-A D, weil die verbliebenen Patienten in der Praxis weiterbetreut und die Laboruntersuchungen vor ihrem Weggang vor allem von Dr. H (mit einem entsprechend hohen Laborfallwert) erbracht worden seien. Auf diese Situation sei die Verwaltungsrichtlinie der Beklagten, wonach die RLV-Fallzahlen ausnahmsweise angehoben werden könnten, wenn ein Arzt der eigenen Berufsausübungsgemeinschaft seine Zulassung oder genehmigte angestellte Tätigkeit aufgebe, entsprechend anwendbar. Diese sehr voraussetzungsvolle Überlegung musste die Beklagte nicht von sich aus anstellen und sie dementsprechend auch nicht im Rahmen des Ermessens berücksichtigen.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
E. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 160 Abs. 2 SGG.