L 7 KA 8/23

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 22 KA 99/20
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 8/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Der Anspruch einer unterdurchschnittlich abrechnenden Praxis, binnen fünf Jahren den Fachgruppendurchschnitt erreichen zu können, wird durch eine Regelung im Honorarverteilungsmaßstab einer Kassenärztlichen Vereinigung, dass Fallzahlerhöhungen erst im Folgejahr zu einer Höherbemessung des Regelleistungsvolumens führen (sog. einjähriges Moratorium), nicht rechtswidrig beeinträchtigt.

2. Setzt eine im Honorarverteilungsmaßstab vorgesehene Ausnahme vom einjährigen Moratorium voraus, dass die Fallzahl „aufgrund“ der Aufgabe einer Zulassung eines Arztes in der näheren Umgebung der Arztpraxis gestiegen ist, muss sich der Zusammenhang zwischen der Aufgabe und dem Anstieg aus den Umständen des Einzelfalls (wie etwa einem sprunghaften Anstieg der Patientenzahlen im Kontext der Praxisaufgabe) hinreichend sicher schließen lassen. Der Nachweis des Kausalzusammenhangs setzt nicht zwingend voraus, dass der Zuwachs durch einen Abgleich von Patientenlisten bestätigt wird.

3. Eine Ausnahme vom einjährigen Moratorium aufgrund einer „außergewöhnlich starken“ Erhöhung der Fallzahlen ist grundsätzlich erst ab einem Fallzahlzuwachs von mindestens 15 Prozent anzunehmen. 

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Dezember 2022 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zuweisung eines höheren Regelleistungsvolumens (RLV) für die Quartale I/2012, II/2012 und IV/2012.

Die Klägerin nimmt seit dem 1. Oktober 2005 als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in der Rechtsform einer GmbH im Verwaltungsbezirk P an der vertragsärztlichen Versorgung teil. In den hier streitigen Quartalen waren in der Praxis der Klägerin verschiedene psychologische Psychotherapeuten und Fachärzte für psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Nervenheilkunde sowie – als Angestellte im Umfang eines vollen Versorgungsauftrages – die Fachärztin für Allgemeinmedizin K tätig. Die Anstellung der Fachärztin K bei der Klägerin wurde mit Wirkung zum 1. April 2008 genehmigt.  

Zum 1. Mai 2010 verlegte die Klägerin ihren Standort von der Gstr. ,  B, in die B  ,  B.

In den Quartalen I/2010 bis IV/2014 stiegen die RLV-Fallzahlen der Fachärztin K von 284 auf 807 (zugewiesene Fälle). Die Beklagte wies der Klägerin ein RLV je Quartal zu, das sie hinsichtlich der Fachärztin K unter Zugrundelegung der RLV-Fallzahl des Vorjahresquartals ermittelte. Im Einzelnen entwickelten sich die Behandlungsfallzahlen wie folgt (Schriftsatz der Beklagten vom 4. Juli 2025, Seite 2):

Quartal

Zugewiesene

RLV-Fälle

Durchschnittsfallzahl Arztgruppe Allgemeinmediziner

I/2010

284

900

II/2010

281

900

III/2010

271

900

IV/2010

354

900

I/2011

358

900

II/2011

320

900

III/2011

394

900

IV/2011

465

900

I/2012

490

900

II/2012

511

900

III/2012

514

900

IV/2012

591

900

I/2013

663

900

II/2013

687

900

III/2013

692

900

IV/2013

752

900

I/2014

825

900

II/2014

730

900

III/2014

706

900

IV/2014

807

900

Mit Schreiben vom 30. April 2012, 20. August 2012 und 14. Januar 2013 beantragte die Klägerin, das der Fachärztin K für die Quartale I/2012, II/2012 und IV/2012 zugewiesene RLV unter Zugrundelegung der (abgerechneten) Fallzahlen in diesen Quartalen – 663 im Quartal I/2012, 687 im Quartal II/2012 und 752 im Quartal IV/2012 – zu erhöhen. Die Fachärztin K sei als Neupraxis anzuerkennen. Zudem sei die Praxis durch den Standortwechsel zum 1. Mai 2010 leichter erreichbar. Die Praxis liege seitdem direkt an der Hauptstraße. Dies führe insbesondere im Bereich Allgemeinmedizin zu einer kontinuierlichen Fallzahlerhöhung. Andere Praxen seien aus dem Bezirk weggegangen. Die Klägerin fange die entstandene Unterversorgung auf. Eine Beschränkung des RLV nach Maßgabe der niedrigeren Fallzahlen des Vorjahresquartals sei unzulässig.

Mit Bescheid vom 23. Mai 2019 lehnte die Beklagte es ab, für die Fachärztin K hinsichtlich der Quartale I/2012, II/2012 und IV/2012 höhere Fallzahlen anzuerkennen. Es liege kein Grund i.S.d. § 7 Abs. 3 der Anlage zum HVM 2012 bzw. – ab dem 1. April 2012 – i.S.d. § 11 HVM 2012 für die Anerkennung einer höheren Fallzahl vor.

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, dass der Fallzahlzuwachs nicht allein auf die verbesserte Erreichbarkeit der eigenen Praxis zurückzuführen sei, sondern im Wesentlichen darauf, dass eine Vielzahl von Hausärzten ihre Praxis aufgegeben oder vom Einzugsbereich weg verlegt hätten. Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, dass der Ortsteil W unmittelbar an den unterversorgten Verwaltungsbezirk L angrenze. Der Fallzahlzuwachs betrage 38 Prozent im Quartal I/2012, 37 Prozent im Quartal III/2012 und 25 Prozent im Quartal IV/2012.

Die Beklagte ermittelte im Widerspruchsverfahren, in welchem Umfang die Klägerin in den streitigen Quartalen Patienten von einer anderen Ärztin, Dr. K, übernommen hat, die ihren Praxissitz zum 31. Dezember 2011 von der Sstr.  (in etwa 650 Metern Entfernung vom Standort der Klägerin in der B  ) an einen etwa 10,5 Kilometer entfernten Standort verlegt hatte. Ausweislich der Feststellungen der Beklagten behandelte die Praxis der Klägerin in den Quartalen I/2012 und II/2012 jeweils 67 und im Quartal IV/2012 75 (für das RLV relevante) Patienten, die in den jeweiligen Vorjahresquartalen durch Dr. K behandelt worden waren. Unter Berücksichtigung der – bezogen auf die Quartale I/2012, II/2012 und IV/2012 jeweils – letzten vier Quartale lag die Zahl der übernommenen Patienten bei 71, 72 bzw. 75.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2020 (ausgefertigt am 21. Februar 2020) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine höhere Fallzahl sei insbesondere nicht im Hinblick darauf anzuerkennen, dass die Ärztin Dr. K ihren Praxissitz zum 31. Dezember 2011 verlegt habe. Zwar hätten sich die Fallzahlen der Ärztin K um 35,23 Prozent (I/2012), 34,53 Prozent (II/2012) und 27,15 Prozent (IV/2012) im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresquartal erhöht. Daher sei die Voraussetzung für die Anerkennung einer höheren Fallzahl, dass die Fallzahlen um mindestens 15 Prozent gestiegen sein müssen, erfüllt. Der Anstieg beruhe jedoch nicht im Umfang von mindestens 15 Prozent auf der Verlegung der Praxis Dr. K. Die Klägerin habe in den Quartalen I/2012 und II/2012 jeweils lediglich 67 und im Quartal IV/2012 lediglich 75 Patienten behandelt, die in den jeweiligen Vorjahresquartalen durch Dr. K behandelt worden seien. Dies entspreche einem – auf der Verlegung beruhenden – Anstieg in Bezug auf die zugewiesenen Fallzahlen um (nur) 13,67 Prozent (I/2012), 13,11 Prozent (II/2012) bzw. 12,69 Prozent. Nichts anderes folge daraus, dass jüngere Patienten nur in größeren zeitlichen Abständen eine hausärztliche Praxis aufsuchten. Zweck der Regelungen zur Fallzahlerhöhung sei, unverschuldete außergewöhnliche Fallzahlschwankungen gegenüber dem für die Berechnung des RLV maßgeblichen Vorjahresquartal auszugleichen. Ebenso unerheblich sei, dass der Praxisstandort der Klägerin an den Verwaltungsbezirk L angrenze. Zwar könne gemäß § 7 Abs. 3 Satz 4 HVM bzw. – ab dem 1. April 2012 –  § 11 Satz 4 HVM 2012 eine Erhöhung der Fallzahl auf Grund der Aufgabe einer Zulassung oder genehmigten Tätigkeit eines Arztes einer Arztpraxis in der näheren Umgebung der Arztpraxis erfolgen, wenn sich die Praxis des Arztes in einem Verwaltungsbezirk befinde, der isoliert betrachtet für die bedarfsplanungsrelevante Arztgruppe einen Versorgungsgrad von weniger als 100 Prozent aufweise. Dieses Kriterium sei jedoch nicht erfüllt, da der Versorgungsgrad für die Fachgruppe der Hausärzte im Planungsbereich P zum Stichtag 1. Januar 2013 bei 120,2 Prozent gelegen habe. Es sei davon auszugehen, dass in P auch in den Jahren davor keine Unterversorgung im Bereich der Hausärzte bestanden habe.

Am 3. April 2020 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Sie hat geltend gemacht: Die Beklagte habe die Fallzahlerhöhung falsch berechnet. Wenn nach dem Weggang von Frau Dr. K 67 bzw. 75 ihrer Patienten in das MVZ gewechselt seien, mache der Anteil der Patienten von Frau Dr. K bezogen auf die absolute Fallzahlsteigerung von 172 (im Quartal I/2012) 39 Prozent, bezogen auf die absolute Fallzahlsteigerung von 177 Fällen (im Quartal II/2012) 38 Prozent und bezogen auf die absolute Fallzahlsteigerung von 160 (im Quartal IV/2012) 47 Prozent aus. Darüber hinaus verstehe die Beklagte unter dem in dem jeweiligen HVM verwendeten Rechtsbegriff der „außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten“, dass der Zuwachs bei 15 Prozent liegen müsse, obwohl diese Grenze in den streitigen Quartalen weder in einer Verwaltungsrichtlinie noch im Honorarvertrag oder im HVM definiert gewesen sei. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg habe entschieden, dass das Ermessen nicht anhand von Verwaltungsrichtlinien ausgeübt werden könne, die zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht erlassen gewesen seien (Verweis auf Urteil vom 10. April 2019, L 7 KA 38/17 KL). Es müsse auch die belastende Wirkung der Gesamtfallzahlsteigerung zwischen rund 27 und 35 Prozent, mindestens aber die nachgewiesene Zahl übernommener Patienten (67 bzw. 75) anerkannt werden. Im Übrigen lasse die Beklagte rechtsfehlerhaft unberücksichtigt, dass nicht alle Patienten, die zuvor von Dr. K behandelt worden seien, in der Statistik des Vorjahres bei Dr. K auftauchten. Dies gelte insbesondere für jüngere, gesunde Menschen. Es sei davon auszugehen, dass die Fallzahlerhöhung in größerem Umfang als von der Beklagten angenommen auf der Verlegung der Praxis Dr. K beruhe. Ferner müsse die außergewöhnlich starke Erhöhung der Fallzahlen nicht allein auf eine direkte Übernahme von Patienten zurückzuführen sein. Eine entsprechende Formulierung sei im HVM nicht enthalten. Auch das Wort „aufgrund“ im HVM sei nicht so zu verstehen. Denn auch Patienten aus der näheren Umgebung, die nie zuvor in der aufgegebenen Praxis behandelt worden seien, würden die Praxis des antragstellenden Arztes aufsuchen, weil es andere Versorgungsmöglichkeiten nicht gebe. Ein Patientenabgleich könne nicht gefordert werden. Es müsse auch die weitere Erhöhung der Fallzahlen in den Folgejahren berücksichtigt werden (Verweis auf SG Marburg, Urteil vom 5. Januar 2017, S 12 KA 421/15).

Die Beklagte hat dem entgegengehalten: Eine andere Möglichkeit als die, den Kausalzusammenhang zwischen der Aufgabe einer Zulassung und der Erhöhung der Fallzahl durch einen Abgleich der behandelten Patienten festzustellen, gebe es nicht. Es obliege der Klägerin, den Kausalzusammenhang nachzuweisen. Die Berechnungen der Klägerin seien nicht nachvollziehbar. Das Sozialgericht Berlin habe in seinem Urteil vom 18. September 2019 zum Aktenzeichen S 79 KA 186/16 das 15-Prozent-Kriterium für sachgerecht erachtet. Die Anwendung dieses Kriteriums habe gängiger Verwaltungspraxis entsprochen. Soweit die Klägerin vortrage, dass möglicherweise nicht alle übernommenen Patienten in der Vorjahresstatistik der Praxis Dr. K ausgewiesen würden, könne dies zutreffen. Jedoch sei jeder niedergelassene Vertragsarzt mit der Problematik konfrontiert, dass ein grundsätzlich zum Patientenstamm des entsprechenden Arztes gehörender Patient nicht ins RLV des Arztes einfließe, wenn dieser Patient den Arzt im Vorjahr nicht aufgesucht habe. 

Mit Urteil vom 14. Dezember 2022 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei unbegründet. Zwar sei der Begriff der „Aufgabe“ im hier jeweils maßgeblichen HVM dahingehend erweiternd auszulegen, dass auch Fälle der Verlegung des Praxissitzes an einen mindestens fünf Kilometer entfernten Ort erfasst seien. Auch liege im vorliegenden Fall – jedenfalls wenn isoliert auf die Fachärztin K abgestellt werde – eine außergewöhnlich starke Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten vor. Diese Erhöhung sei jedoch nicht auf eine Aufgabe oder Verlegung zurückzuführen. Erforderlich sei, dass die Erhöhung aufgrund der Aufgabe oder Verlegung bei mehr als 15 Prozent liege, um eine außergewöhnliche Erhöhung annehmen zu können (Verweis auf Urteil des Senats vom 23. September 2020, L 7 KA 46/16, zitiert nach juris, Rn. 37 ff.). Daran fehle es selbst dann, wenn nicht auf das Vorjahresquartal, sondern auf die Patientenübernahme in den letzten vier vorgehenden Quartalen abgestellt werde. Der so berechnete Anteil habe im Quartal I/2012 bei 14,48 Prozent, im Quartal II/2012 bei 14,09 Prozent und im Quartal IV/2012 bei 12,69 Prozent gelegen. Dass der Anteil in Form von Patientenlisten nachzuweisen sei, folge bereits aus dem Ausnahmecharakter der maßgeblichen Normen des HVM. Ungeachtet des insoweit anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabes trage der Arzt die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die den außergewöhnlichen oder vom Arzt unverschuldeten Grund darstellen sollten (Verweis auf Urteil des Senats vom 8. März 2017, L 7 KA 110/13, zitiert nach juris, Rn. 46). Die Berechnungsweise der Beklagten sei nicht zu beanstanden. Das prozentuale Verhältnis in Bezug auf die Gesamtfallzahlerhöhung sei ohne Bedeutung. Die 15-Prozent-Schwelle sei jedenfalls in den Fällen sachgerecht, in denen – wie im vorliegenden Fall – ein weit überdurchschnittliches Wachstum einer unterdurchschnittlich abrechnenden Ärztin vorliege. Umsatzmäßig unterdurchschnittliche Praxen müssten die Möglichkeit haben, durch Erhöhung der Zahl der von ihnen behandelten Patienten den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen (Verweis auf BSG, Urteil vom 2. August 2017, B 6 KA 7/17 R, zitiert nach juris, Rn. 43). Während Praxen in der Aufbauphase ein sofortiges Wachstum auf den Fachgruppendurchschnitt möglich sein müsse, reiche es bei anderen unterdurchschnittlich abrechnenden (Alt-)Praxen aus, dass der Fachgruppendurchschnitt binnen fünf Jahren erreicht werde. Das Wachstum ihrer Fallzahlen vollziehe sich zulässigerweise in den Grenzen der RLV-Festsetzung. Für eine weitere analoge Anwendung der Tatbestände des § 11 HMV sei kein Raum (Verweis auf Urteile des Senats vom 9. Februar 2022, L 7 KA 24/18, zitiert nach juris, Rn. 40 f., und vom 22. Dezember 2020, L 7 KA 45/16, zitiert nach juris, Rn. 11). 

Gegen das ihr am 13. Januar 2023 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat die Klägerin am 10. Februar 2023 Berufung eingelegt. Sie trägt ergänzend vor: Das Urteil des Senats zum Aktenzeichen L 7 KA 24/18 sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Bezugspunkt für die Erhöhung der Fallzahlen sei nicht die Gesamtpraxis, sondern der einzelne abrechnende Arzt. Die Erhöhung beruhe auf dem Wegzug der Praxis Dr. K. Die Fallzahlen seien mit dem Wegzug deutlich, nämlich um 27 bis 35 Prozent angestiegen. Für den von der Beklagten geforderten Nachweis anhand von Patientenlisten gebe es keine Grundlage. Auch das Urteil des Senats vom 8. März 2017 betreffe einen anderen Fall. Die vom Bundessozialgericht anerkannte Chance auf Wachstum beschränke sich nicht auf Praxen in der Aufbauphase, sondern gelte auch für „alte“ Praxen mit unterdurchschnittlichem Umsatz. Die Tätigkeit der Fachärztin K sei zum 1. April 2008 genehmigt worden. Die streitgegenständlichen Quartale lägen noch innerhalb des 5-Jahres-Zeitraums, den das BSG unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen, die keine Neupraxen seien, für ein Wachstum bis zum Fachgruppendurchschnitt zubillige. Es sei angesichts der Fallzahlsteigerungen von 35,23, 34,53 und 27,15 Prozent offensichtlich und entspreche allgemeiner Lebenserfahrung, dass ein erheblicher Anteil der Steigerung aufgrund der Verlegung der Praxis Dr. K eingetreten sei. Es verbiete sich, lediglich auf Patientenzahlen abzustellen, die tatsächlich in den jeweiligen Vorjahresquartalen von Frau Dr. K behandelt worden seien. Insoweit müsse der Klägerin eine Beweislasterleichterung zugute kommen. 

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Dezember 2022 und den Bescheid vom 23. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den Antrag auf Anerkennung einer höheren Fallzahl für die Quartale I/12, II/12 und IV/12 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend und verweist auf die Begründung dieses Urteils.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

A.  Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Dezember 2022 ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.

Die Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in der Form einer Neubescheidungsklage (§ 54 Abs. 1, § 131 Abs. 3 SGG) zulässig (vgl. Urteil des Senats vom 22. Dezember 2020, L 7 KA 45/16, zitiert nach juris, Rn. 31; BSG, Urteil vom 26. Juni 2019, B 6 KA 1/18 R, zitiert nach juris, Rn. 11; vgl. zur gesonderten Anfechtbarkeit von RLV-/QZV-Bescheiden BSG, Urteil vom 15. August 2012, B 6 KA 38/11 R, zitiert nach juris, Rn. 10).

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags auf Zuweisung eines höheren RLV in den Quartalen I/2012, II/2012 und IV/2012 nach Maßgabe höherer Fallzahlen. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2020 ist rechtmäßig.

I.  Rechtsgrundlage für die Zuweisung des RLV ist § 87b Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. dem jeweiligen Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten. Die Verteilungsmaßstäbe der Beklagten für die streitigen Quartale I/2012, II/2012 und IV/2012 sehen jeweils gleichlautend vor (§ 7 der Anlage 3 zum Honorarvertrag 2012 bzw. §§ 9, 11, 12 der Honorarverteilungsmaßstäbe für die Quartale II/2012 und IV/2012):

[…] Die Höhe des Regelleistungsvolumens eines Arztes ergibt sich für die […] benannten Arztgruppen aus der Multiplikation des zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen arztgruppenspezifischen Fallwerts […] und der RLV-Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal […].

Auf Antrag des Arztes und nach Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung Berlin können Leistungen über das arzt-/praxisbezogene Regelleistungsvolumen hinaus mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet werden. Ein Arzt kann einen Antrag stellen, wenn aufgrund

1. urlaubs- und krankheitsbedingter Vertretung eines Arztes der eigenen Berufsausübungsgemeinschaft,

2. urlaubs- und krankheitsbedingter Vertretung eines Arztes einer Arztpraxis in der näheren Umgebung der Arztpraxis,

3. Aufgabe einer Zulassung oder genehmigten Tätigkeit eines Arztes der eigenen Berufsausübungsgemeinschaft,

4. Aufgabe einer Zulassung oder genehmigten Tätigkeit eines Arztes einer Arztpraxis in der näheren Umgebung der Arztpraxis,

eine außergewöhnlich starke Erhöhung der Zahl der behandelnden Versicherten vorliegt oder wenn durch

5. einen außergewöhnlichen und/oder durch Arzt unverschuldeten Grund eine niedrige arztindividuelle Fallzahl im Aufsatzquartal abgerechnet wurde. Hierzu zählt z.B. Krankheit des Arztes. […]

Ein neu niedergelassener Arzt erhält ein Regelleistungsvolumen auf Basis der Fallzahl des Vorgängerarztes. […] Soweit eine höhere Fallzahl […] im Abrechnungsquartal tatsächlich erreicht wird, vergrößert sich das Regelleistungsvolumen des Arztes pro zusätzlichem Fall in Höhe des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe begrenzt bis zur durchschnittlichen Fallzahl der Arztgruppe. Nach Ablauf von 12 Quartalen nach der Niederlassung berechnet sich das Regelleistungsvolumen auf der Basis der Fallzahl des Vorjahresquartals. […]“

II.  Ausgehend davon ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es abgelehnt hat, der Klägerin für die Quartale I/2012, II/2012 und IV/2012 ein höheres RLV als das nach Maßgabe der Fallzahlen des jeweiligen Vorjahresquartals bestimmte zuzuweisen. Die Klägerin kann weder nach den für eine unterdurchschnittlich abrechnende Praxis geltenden Grundsätzen (1.) noch wegen einer atypischen außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten (2.) ein höheres RLV geltend machen.

1.  Die Voraussetzungen, unter denen eine unterdurchschnittlich abrechnende Praxis gestiegene Fallzahlen sofort – ohne die in den HVM enthaltene Beschränkung auf die Fallzahl des Vorjahresquartals – umsatzmäßig realisieren können muss, liegen nicht vor.

a.  Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müssen Regelungen zur Honorarverteilung umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen die Möglichkeit geben, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen. Dem einzelnen Vertragsarzt muss die Chance eingeräumt werden, durch Qualität und Attraktivität der Behandlungen oder durch bessere Praxisorganisation neue Patienten für sich zu gewinnen, um auf diese Weise jedenfalls bis zum Durchschnittsumsatz seiner Fachgruppe aufzuschließen. Dieses aus dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG) abgeleitete Erfordernis gilt unabhängig vom konkreten Mechanismus zur Honorarverteilung. Für Praxen in der Aufbauphase muss die Steigerung des Honorars auf den Durchschnittsumsatz grundsätzlich sofort realisierbar sein, während den auch noch nach Abschluss der Aufbauphase unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen dies jedenfalls innerhalb von fünf Jahren ermöglicht werden muss (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 19. Juli 2023, B 6 KA 22/22 R, zitiert nach juris, Rn. 26; BSG, Beschluss vom 28. Juni 2017, B 6 KA 89/16 B, zitiert nach juris, Rn. 8).

b.  Die von der Klägerin geführte Praxis erfüllte in den streitigen Quartalen I/2012, II/2012 und IV/2012 nicht die Voraussetzungen einer Aufbaupraxis und hatte daher keinen Anspruch darauf, sogleich durch Fallzahlerhöhungen ihr Honorar bis zum Durchschnitt der Fachgruppe steigern zu können.

Für MVZ wie im vorliegenden Fall gilt insoweit ein doppeltes Erfordernis. Danach ist zunächst maßgeblich, ob sich das MVZ als solches noch in der Aufbauphase befindet. Abzustellen ist auf die erstmalige Zulassung. Darüber hinaus muss sich der im MVZ tätige Arzt selbst noch in der Anfangsphase der vertragsärztlichen Tätigkeit befinden (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2018, B 6 KA 23/16 R, zitiert nach juris, Rn. 24 f.; BSG, Urteil vom 19. Juli 2023, B 6 KA 22/22 R, zitiert nach juris, Rn. 27). Die Bemessung der Dauer der Aufbauphase, die wenigstens drei Jahre umfasst, aber auch bis zu fünf Jahre dauern kann, erfolgt in der Satzung zur Honorarverteilung durch die Kassenärztliche Vereinigung (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2013, B 6 KA 44/12 R, zitiert nach juris, Rn. 23). In den in den streitigen Quartalen geltenden Honorarverteilungsmaßstäben ist die „Aufbauphase“ auf drei Jahre (12 Quartale) festgelegt worden. 

Danach liegt – bezogen auf die streitigen Quartale I/2012, II/2012 und IV/2012 – keine Neugründung vor. Das MVZ nimmt bereits seit dem 1. Oktober 2005 an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Eine Neugründung läge im Übrigen selbst dann nicht vor, wenn es auf die Tätigkeit der Fachärztin K ankäme. Deren „Aufbauphase“ begann spätestens mit der ab dem Quartal II/2008 wirkenden Anstellungsgenehmigung und endete dementsprechend mit Ablauf des Quartals I/2011.

c.  Die Klägerin kann eine Ausnahme von der Beschränkung auf die Fallzahl des Vorjahresquartals auch nicht daraus herleiten, dass (sonstige) unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben müssen, das Honorar innerhalb von fünf Jahren auf den Durchschnittsumsatz zu steigern. Der Anspruch einer unterdurchschnittlich abrechnenden Praxis, binnen fünf Jahren den Fachgruppendurchschnitt erreichen zu können, wird durch eine Regelung, dass Fallzahlerhöhungen erst im Folgejahr zu einer Höherbemessung des RLV führen (sog. einjähriges Moratorium), nicht rechtswidrig beeinträchtigt (vgl. Freudenberg, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 87b SGB V, Stand 1. April 2025, Rn. 140). Eine solche Regelung verzögert lediglich die Möglichkeit einer Praxis, durch Fallzahlerhöhungen den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe zu erreichen, um ein Jahr. Bezogen auf die Gesamtzeit von fünf Jahren wird diese Möglichkeit weder rechtlich noch faktisch verhindert (vgl. eingehend BSG, Urteil vom 17. Juli 2013, B 6 KA 44/12 R, zitiert nach juris, Rn. 41 ff.).

2.  Ohne Erfolg bleibt die Klägerin auch mit ihrem Hinweis auf eine atypische außergewöhnlich starke Erhöhung der Zahl der von der Fachärztin Kbehandelten Versicherten.

Die Klägerin macht insoweit geltend, dass bei der Fachärztin K höhere Fallzahlen anzuerkennen seien, weil die Fallzahlerhöhung in den streitigen Quartalen auf dem Wegzug der Ärztin Dr. K beruhe.

Nach den in den streitigen Quartalen geltenden Honorarverteilungsmaßstäben (siehe oben) können Leistungen zusätzlich vergütet werden, wenn „aufgrund“ der Aufgabe einer Zulassung oder genehmigten Tätigkeit eines Arztes einer Arztpraxis in der näheren Umgebung der Arztpraxis eine „außergewöhnlich starke“ Erhöhung der Zahl der behandelnden Versicherten vorliegt. Dafür gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte.

a.  Im vorliegenden Fall ist es in den Quartalen I/2012, II/2012 und IV/2012 unstreitig aufgrund der Verlegung der Praxis Dr. K zum 31. Dezember 2011 zu einer Erhöhung der Zahl der von der Klägerin behandelten Versicherten gekommen. Nach den Feststellungen der Beklagten behandelte die Praxis der Klägerin in den Quartalen I/2012 und II/2012 jeweils 67 und im Quartal IV/2012 75 (für das RLV relevante) Patienten, die in den jeweiligen Vorjahresquartalen durch Dr. K behandelt worden waren. Unter Berücksichtigung der – bezogen auf die Quartale I/2012, II/2012 und IV/2012 jeweils – letzten vier Quartale lag die Zahl der übernommenen Patienten bei 71, 72 bzw. 75. Dies entspricht, gemessen am jeweiligen Vorjahresquartal, Zuwächsen aufgrund der Übernahme von Patienten von Dr. K im Umfang von 13,67 Prozent (I/2012), 13,11 Prozent (II/2012) bzw. 12,69 Prozent. Bezogen auf die jeweils letzten vier Quartale entspricht dies Zuwächsen im Umfang von 14,48 Prozent (I/2012), 14,09 Prozent (II/2012) bzw. 12,69 Prozent (IV/2012). Maßgeblich ist insoweit, da es um die Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten geht, der auf der Patientenübernahme beruhende (prozentuale) Anstieg gegenüber der Fallzahl des jeweiligen Vorjahresquartals (490,28 im Quartal I/2012, 490,28 im Quartal II/2012 und 510,98 im Quartal IV/2012) und nicht, wie die Klägerin jedenfalls ursprünglich annahm, der (prozentuale) Anteil der übernommenen Patienten am Gesamtzuwachs der Fallzahlen. 

Dass der Zuwachs in den Fallzahlen (der insgesamt 35,23 Prozent im Quartal I/2012, 34,53 Prozent im Quartal II/2012 und 27,15 Prozent im Quartal IV/2012 betrug) auch über die genannten Prozentsätze hinaus „aufgrund“ der Übernahme von Patienten der Praxis Dr. K eingetreten ist, ist nicht belegt. Das Tatbestandsmerkmal „aufgrund“ im jeweiligen HVM ist nur erfüllt, wenn ein Kausalzusammenhang zwischen dem darin genannten besonderen Grund (hier: Aufgabe einer Zulassung oder genehmigten Tätigkeit eines Arztes einer Arztpraxis in der näheren Umgebung der Arztpraxis) und dem Fallzahlanstieg vorliegt. Dies ist hier nicht der Fall. Zwar setzt der Nachweis des Kausalzusammenhangs in den hier streitigen Quartalen nicht zwingend voraus, dass der Zuwachs durch einen Abgleich von Patientenlisten bestätigt wird. Ausreichend erscheint auch, dass sich der Zusammenhang aus anderen Umständen wie einem singulären sprunghaften Anstieg der Patientenzahlen im Kontext einer Praxisaufgabe hinreichend sicher schließen lässt. Solche Umstände sind jedoch weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich (zur Darlegungs- und Beweislast vgl. Urteil des Senats vom 8. März 2017, L 7 KA 110/13, zitiert nach juris, Rn. 46). Die Fachärztin K hat ihre Fallzahlen vielmehr über mehrere Jahre hinweg kontinuierlich von einem extrem unterdurchschnittlichen Niveau (I/2010: 284 Fälle von 900 Fällen) auf Werte um den Fachgruppendurchschnitt gesteigert (IV/2014: 807 Fälle). Im Übrigen hat die Klägerin selbst ausdrücklich ausgeführt, dass es jedenfalls auch der Standortwechsel an die Hauptstraße zum 1. Mai 2010 gewesen sei, der insbesondere im Bereich Allgemeinmedizin zu einer kontinuierlichen Fallzahlerhöhung geführt habe. Der Zusammenhang zwischen dem über die „belegten“ Übernahmefälle hinausgehenden Fallzahlanstieg und dem Wegzug der Praxis Dr. K lässt sich daher insgesamt nicht ausreichend belastbar feststellen.

b.  Der somit dem Wegzug zurechenbare Anstieg um 13,67 Prozent (I/2012), 13,11 Prozent (II/2012) bzw. 12,69 Prozent (bezogen auf die jeweils letzten vier Quartale 14,48, 14,09, bzw. 12,69 Prozent) war nicht „außergewöhnlich stark“ i.S.d. HVM. Bei den Begriffen „außergewöhnlich stark“ handelt es sich hier um unbestimmte Rechtsbegriffe, die gerichtlich voll überprüfbar sind (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 25. Mai 2022, L 4 KA 10/20, zitiert nach juris, Rn. 112). Der Senat folgt der Rechtsauffassung des Sozialgerichts und der Beklagten, dass eine „außergewöhnlich starke“ Erhöhung der Fallzahlen grundsätzlich erst ab einem (kausalen) Zuwachs von mindestens 15 Prozent angenommen werden kann. Dieser erhebliche Schwellenwert erscheint vor dem Hintergrund, dass der Zuwachs nicht nur stark, sondern sogar außergewöhnlich stark sein muss, und im Hinblick auf den Zweck der abweichenden Festsetzung des RLV, nur in Ausnahmefällen unzumutbare und unter Versorgungsgesichtspunkten nicht hinnehmbare Verwerfungen zu vermeiden (vgl. § 87b Abs. 2 Satz 3 SGB V aF; BSG, Beschluss vom 21. März 2018, B 6 KA 73/17, zitiert nach juris, Rn. 15), sachgerecht (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Februar 2015, L 24 KA 98/13, zitiert nach juris, Rn. 32, mit Hinweis darauf, dass eine abweichende Festsetzung des RLV eine „absolute Ausnahme“ sein solle; Oldenburger, in: jurisPR-MedizinR 5/2015, Anm. 5). Zudem ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die Fachärztin K ihre Fallzahlen von einem extrem unterdurchschnittlichen Niveau aus gesteigert hat. Außergewöhnlich ist demnach nicht der Fallzahlanstieg, sondern dieses (Ausgangs-)Niveau (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2013, B 6 KA 44/12 R, zitiert nach juris, Rn. 60).

c.  Der Einwand der Klägerin, der Patientenabgleich berücksichtige nicht, dass insbesondere jüngere Patienten Allgemeinärzte nur mit erheblichem zeitlichen Abstand von zum Teil mehreren Jahren aufsuchten, führt zu keinem anderen Ergebnis. Das (zusätzliche) nur seltene Erscheinen solcher Patienten löst keine unzumutbaren und unter Versorgungsgesichtspunkten nicht hinnehmbaren Verwerfungen aus, die eine Erhöhung des RLV ausnahmsweise geboten erscheinen lassen.

Ob es bei der Beurteilung des außergewöhnlich starken Fallzahlanstiegs überhaupt auf den – allein geltend gemachten –  Anstieg bei der Fachärztin K (und nicht auf den des MVZ) ankommt, kann dahinstehen. Ebenso offen bleiben kann, ob die hier einschlägigen HVM überhaupt dahingehend verstanden werden können, dass die „Aufgabe“ einer Zulassung oder genehmigten Tätigkeit eines Arztes einer Arztpraxis in der näheren Umgebung der Arztpraxis auch den vorliegenden Fall einer bloßen Verlegung des Praxissitzes umfasst.  

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

C. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 160 Abs. 2 SGG.   

Rechtskraft
Aus
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