Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine grundsätzliche Kostenübernahme für eine außervertragliche ambulante Psychotherapie.
Er ist 1989 geboren und bei der Beklagten krankenversichert. Er beantragte am 21. Mai 2021 die Kostenerstattung für eine Psychotherapie. Zahlreiche Praxen könnten keine freien Plätze anbieten. Die angeratene psychotherapeutische Sprechstunde sei erfolglos geblieben, die Notwendigkeit einer Psychotherapie jedoch bestätigt worden. Beigefügt war eine „Individuelle Information zur psychotherapeutischen Sprechstunde“ der Diplompsychologin F vom 18. Mai 2021, wonach eine ambulante Psychotherapie (in Form) einer Verhaltenstherapie und andere Maßnahmen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung empfohlen werden. Als Diagnosen/Verdachtsdiagnosen sind F 61 V (kombinierte Persönlichkeitsstörung), F 33.1 G (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode) und F 50.9 G (Essstörung) aufgeführt. In den näheren Angaben zu den Empfehlungen heißt es, es bestünden diverse Belastungen, aktueller Bedarf bezgl. impulsivem Essverhalten, eine Therapie zum Umgang mit Impulsen, Selbstberuhigung, Selbstfürsorge sei daher indiziert. Zur Strukturierung und sozialen Einbindung erscheine eine Einzelfallhilfe über den SPD (sozialpsychiatrischer Dienst) sinnvoll. Die psychotherapeutische Behandlung könne nicht in der Praxis durchgeführt werden. Das vorgesehene Feld zur Weiterbehandlung „zeitnah erforderlich“ war nicht angekreuzt worden. Dem Antrag war weiter eine Namensliste mit psychologischen Psychotherapeuten in K und T beigefügt.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 25. Mai 2021 ab: Eine Kostenübernahme könne nur erfolgen, wenn die Therapeutin bzw. der Therapeut eine Kassenzulassung habe. Dipl.-Psych. F habe einen sofortigen Behandlungsbeginn nicht für notwendig gehalten. Eine Wartezeit auf einen Therapieplatz bei einem vertragsärztlich zugelassenen Psychotherapeuten sei daher zumutbar. Auf der Homepage der kassenärztlichen Vereinigung seien Praxen mit Kassenzulassung zu finden. Es werde empfohlen, sich auf die Wartelisten setzen zu lassen.
Der Kläger erhob Widerspruch: Die Beklagte habe den Besuch der psychotherapeutischen Sprechstunde nachweisbar für eine Kostenerstattung vorausgesetzt. Es sei besonders perfide, einen Kostenerstattungsanspruch nunmehr zu verwehren und bewusst eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes ohne jede weitere Amtsermittlung in Kauf zu nehmen. Dem Widerspruch beigefügt war ein ambulanter Befundbericht des Czentrums für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie vom 28. Mai 2021 mit den Diagnosen schwere depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung mit chronischem Verlauf, Panikstörung mit Agoraphobie, Binge-Eating-Störung und Ein- und Durchschlafstörung. Der Kläger bedürfe weiterhin eine intensive, vorrangig ambulante psychotherapeutische Behandlung. Im Rahmen der Covid-Pandemie sei es zu einer deutlichen Symptomverschlechterung gekommen. Kurz- und mittelfristig sei insbesondere eine ambulante Psychotherapie der zentrale Behandlungsbaustein, um die chronifizierten und die die Depression aufrechterhaltenden Verhaltungsweisen zu adressieren. Eine längere Wartezeit sei nicht zuzumuten und könne zu einer Verschlechterung der Symptomatik führen.
Mit Schreiben vom 29. Juli 2021, 26. Juli 2021 und 17. August 2021 forderte die Beklagte den Kläger jeweils auf, Kostenvoranschläge mit der Anzahl der geplanten Sitzungen, den begleitenden Leistungen und der Höhe der Kosten sowie Kopien der Qualifikationsnachweise der Therapeutin bzw. des Therapeuten einzureichen. Der Kläger teilte daraufhin mit, bislang noch keine Praxis gefunden zu haben. Selbst Privatpraxen seien gegenwärtig völlig überlastet. Er führte weiter aus, ihm als Versichertem sei zunächst zwar grundsätzlich abzuverlangen, die von der Kassenärztlichen Vereinigung und der Psychotherapeutenkammer zur Verfügung gestellten Informationen zu nutzen, sich von sich aus an mehrere zugelassene Leistungserbringer zu wenden und nach freien Kapazitäten zu erkundigen. Allerdings sei dabei zu berücksichtigen, dass dies unter Umständen psychisch sehr belastend sei und vorhandene Leiden gegebenenfalls verschlimmern könne. Zu berücksichtigen sei ferner, dass Psychotherapeuten oft nur schwer zu erreichen seien. Einem Versicherten seien sicher im Normalfall nicht mehr als 20 oder 30 erfolglose Anfragen abzuverlangen. Er habe dutzende Praxen und Institute abgefragt. Selbst die Aufnahme in Wartelisten sei nicht möglich gewesen. Es sei von einem Systemversagen auszugehen.
Die Beklagte erwiderte, sie könne keine Psychotherapeuten vermitteln. Als Krankenkasse lägen ihr weder die Adressen der Praxen noch deren freie Kapazitäten vor. Dem Kläger sei bereits mitgeteilt worden, dass er sich auch eine private Behandlerin oder eubebBehandler suchen dürfe, dann prüfe die Beklagte eine Kostenübernahme.
Sie wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2022 als unzulässig zurück. Eine gegenwärtige Beschwer sei nicht ersichtlich.
Hiergegen hat der Kläger am 16. Juni 2022 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Er hat zunächst mitgeteilt, dass eine Klagebegründung nicht erfolgen könne, da er sich hierzu in Ermangelung der Gewährung einer ambulanten Psychotherapie gesundheitlich außerstande sehe. Auch eine geplante stationäre Aufnahme sei gegenwärtig nicht möglich, was der Beklagten bekannt sei, so dass die hier erfolgte Ablehnung nicht nur vorsätzlich erfolgt sei, sondern den Verdacht der Körperverletzung im Amt zumindest durch Unterlassen begründe.
Später hat er vorgebracht, ihm stehe ein Anspruch auf Bewilligung einer Kostenübernahme für eine außervertragliche Psychotherapie aus § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zu Die von ihm angefragten Praxen stellten die von der Beklagten geforderten Qualifikations- und Fachkundenachweise nur nach Bewilligung dem Grunde nach aus. Die Beklagte verlange offenbar, dass Therapeuten ihre wenige Zeit opferten und kostenfrei Berichte fertigten und dann noch Plätze bis zur Bewilligung freihielten. Wolle die Beklagte den Kläger in den Suizid treiben?
Mit Verfügung vom 29. November 2022 hat das SG den Kläger aufgefordert, seine Bemühungen darzustellen, einen Therapeutenplatz für eine Verhaltenstherapie zu finden. Der Kläger hat daraufhin ausgeführt, er habe sämtliche Praxen gemäß der mit Antrag vom 21. Mai 2021 übersandten Tabelle telefonisch kontaktiert bzw. Nachrichten auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Diese hätten schon mittels Bandansage auf nicht bestehende Kapazitäten hingewiesen. Soweit Rückmeldungen erfolgt seien, seien Kapazitäten ebenfalls stets verneint bzw. nur auf die Sprechstunden verwiesen worden.
Mit weiterer Verfügung vom 13. Dezember 2022 hat das SG den Kläger darauf hingewiesen, dass sich sein Vortrag zur Kontaktierung von Praxen nicht ansatzweise nachvollziehen lasse, weil hierüber keinerlei Belege existierten. Es hat den Kläger erneut aufgefordert zu belegen, bei welchen Behandlern er wann versucht habe, einen Therapieplatz für welche konkrete Therapie zu erhalten und was das Ergebnis der Kontaktaufnahme gewesen ist. Dieser hat daraufhin eine Liste der Bemühungen vom 22. Dezember 2022 eingereicht.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22. Februar 2023 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch darauf habe, dass ihm die Kosten für eine außervertragliche ambulante Psychotherapie bei einem noch zu benennenden approbierten ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten dem Grunde nach gewährt werde. Die Beklagte dürfe anstelle der grundsätzlich vorgesehen Sach- oder Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V oder das Neunte Buch Sozialgesetzbuch vorsähen, § 13 Abs. 1 SGB V. Die Voraussetzungen für den allein in Betracht kommenden Anspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V lägen nicht vor. Dem Kläger seien keine Kosten für eine ambulante Psychotherapie entstanden. Er sehe sich auch nicht einem entsprechenden Zahlungsanspruch ausgesetzt. Dahinstehen könne, ob aufgrund eines sogenannten Systemversagens die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringers vorlägen. Wer wegen eines Systemversagens einen nichtzugelassenen Leistungserbringer in Anspruch nehmen wolle, müsse sich zuvor bei seiner Krankenkasse nach den in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten im Rahmen des vertragsärztlichen Systems erkundigen, um so der Krankenkasse Gelegenheit zu geben, Behandlungsalternativen aufzuzeigen. Im Hinblick auf die sich aus § 21 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ergebenden Mitwirkungspflichten sei der Versicherte grundsätzlich auch gehalten, an der Suche nach einem Therapieplatz bei einem zugelassenen Therapeuten aktiv mitzuwirken. Komme er dem nicht ausreichend nach und lasse sich deshalb nicht hinreichend feststellen, ob zumutbare Behandlungsalternativen zur Verfügung stünden, scheide die Annahme eines Systemversagens aus bzw. gehe die diesbezügliche Beweislast zu Lasten des Versicherten (Bezugnahme auf Bundessozialgericht – BSG, Urteil vom 8. September 2015 – B 1 KR 14/14 R; speziell zur Psychotherapie: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1. September 2015 – L 9 KR 343/14). Dasselbe gelte allerdings umgekehrt für die Krankenkasse, wenn sie und die Kassenärztliche Vereinigung den Versicherten nicht aktiv bei der Suche nach einem Therapieplatz unterstützten. Die Weigerung der Beklagten, dem Kläger bei seinen Suchbemühungen nach einem vertragsärztlichen Behandler zu helfen, greife hier aber nicht durch. Denn eine Verpflichtung, zu Unterstützungshandlungen, einen nichtvertragsärztlichen Behandler zu finden, bestünden nicht.
Gegen diese am 1. März 2023 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers vom selben Tag. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Ergänzend führt er aus, das SG habe widersprüchlich und stümperhaft das Begehren verkannt und angenommen, dass das Vorliegen eines Systemversagens dahinstehen könne. Ob ein zugelassener und behandlungsbereiter Leistungserbringer in einer für den Kläger zumutbaren Zeit und Entfernung tatsächlich zur Verfügung stehe, könne dahingestellt bleiben. Denn ein Systemversagen ergebe sich bereits daraus, dass die Beklagte ihrer Aufklärungs- und Beratungspflicht gemäß §§ 13, 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) und ihrer Verpflichtung nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen zügig erhalte, nicht ausreichend nachgekommen sei. Er habe bereits im Vorverfahren eine vielseitige Tabelle mit zahlreichen Therapeuten eingereicht sowie unter Beweisantritt in Form von Zeugnissen von Ärzten und des Leiters des sozialpsychiatrischen Dienstes des Bezirksamts T dargelegt, welche Suchbemühungen er unternommen habe. Soweit ihm aktuelle Bemühungen abverlangt würden, sei unklar, was darunter zu verstehen sei und wie viele Praxen er noch in Dauerschleife kontaktieren solle. Es sei auch zu berücksichtigten und allgemein bekannt, dass es nur schwer möglich sei, einen zeitnahen Termin für psychotherapeutische Behandlungen zu bekommen, da eine faktische Unterversorgung sowie eine unzureichende Koordinierung der Vergabe freier Kapazitäten und letztlich auch eine Nichterfüllung des Versorgungsauftrags durch Leistungserbringer bestünden.
Er habe substantiiert vorgetragen, auf eine ambulante psychotherapeutische Versorgung angewiesen zu sein, dass eine solche nicht zur Verfügung stehe und sich die Beklagte vehement weigere, ihn bei der Suche zu unterstützen. Die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung vermittle keine Psychotherapieplätze, sondern nur Termine für Erstgespräche, psychotherapeutische Akutbehandlungen oder probatorische Sitzungen. Er bedürfe einer Langzeittherapie. Zahlreiche Eigenbemühungen seien unter Beweisantritt dargelegt worden. Hingegen habe er nicht verlangt, dass die Beklagte ihn bei seiner Suche nach einem nichtvertragsärztlichen Leistungserbringer unterstütze. Auf seinen Emailausdruck vom 5. Juni 2023 betreffend 20 Anfragen nebst Antworten wird ergänzend Bezug genommen.
Der Senat hat mit Beweisanordnung vom 18. August 2023 den Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie Dr. B mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser erstattete nach Untersuchung des Klägers am 15. November 2023 sein Gutachten unter dem 15. November 2023. Er gelangt zu der Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit vor allem querulatorischen Zügen in Sublimation von Trotz und Kompensation von Kränkung (F 61.0). Körperlich dominiere die Adipositas III bei übermäßiger Kalorienzufuhr und ein arterieller Bluthochdruck. Der Sachverständige hält weder eine ambulante noch eine stationäre Psychotherapie für sinnvoll, auch nicht eine psychiatrische Behandlung. Voraussetzung für eine erfolgreiche psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung sei ein therapeutisches Bündnis, welches jetzt und auf absehbarer Zeit nicht gegeben sei.
Zum Sachverständigengutachten trägt der Kläger vor, bereits die Beweisanordnung beachte nicht, dass die medizinische Notwendigkeit einer ambulanten Psychotherapie unstreitig sei. Es bestehe in der Sache eine Diskrepanz zwischen den Feststellungen des Dr. B und denen der anderen Ärzte. Dr. B hat hierzu unter dem 30. März 2024 eine ergänzende Stellungnahme abgegeben, auf die ergänzend Bezug genommen wird.
Das Gesuch des Klägers, den Sachverständigen Dr. B wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, hat der Senat mit Beschluss vom 25. Juli 2024 zurückgewiesen.
Der Kläger hat ein Gutachten gemäß § 17 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch des Dr. P, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie – Sozialmedizin des sozialpsychiatrischen Diensts des Bezirksamts T vom 7. Mai 2024sowie das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie und Sozialmedizin S vom 17. Oktober 2021 eingereicht, ferner eine weitere „Individuelle Information zur psychotherapeutischen Sprechstunde“ der psychologischen Psychotherapeutin S vom 31. Mai 2024.
Auf Antrag des Klägers hat der Dr. med. Dipl. Psych. L nach Untersuchung des Klägers am 14. Januar 2025 unter dem 2. März 2025 ein psychiatrisches Sachverständigengutachten nach § 109 SGG erstattet, auf das ergänzend verwiesen wird.
Auf die Nachfrage des Senats vom 7. April 2025 hat der Kläger mitgeteilt, dass er aktuell keine Anstrengungen unternehme, einen Therapieplatz bei einem Vertragspsychotherapeuten zu finden, da er dazu gesundheitlich nicht in der Lage sei bzw. schon überall angefragt habe. Die Beklagte unterstütze ihn leider nicht. Er hat eine Bescheinigung der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. K eingereicht sowie die endgültige Epikrise des Krankenhaus H vom 18. November 2024. Seinem Bevollmächtigten sei aus einem anderen Mandat bekannt, dass die BKK MKK einen Psychotherapeutentermin direkt vermittelt habe. Er rüge, dass der Senat der Beklagten nicht aufgegeben habe, auf seine Schriftsätze inhaltlich zu reagieren.
Der Kläger beantragt,
- den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2023 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 25. Mai 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2022 zu verurteilen, die Kosten für eine außervertragliche ambulante Psychotherapie bei einem noch zu benennenden approbierten ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten mit Fachkundenachweis für eines der vier Richtlinienverfahren dem Grunde nach zu übernehmen,
- hilfsweise, den Kläger von den Kosten für eine außervertragliche ambulante Psychotherapie bei einem noch zu benennenden approbierten ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten mit Fachkundenachweis für eines der vier Richtlinienverfahren dem Grunde nach freizustellen,
- weiter hilfsweise festzustellen, dass der Ablehnungsbescheid vom 25. Mai 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2022 rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, ist die Klage als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 2 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Der Kläger begehrt neben der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides vom 25. Mai 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2022 eine ihn begünstigende Entscheidung des Beklagten. Das Widerspruchsverfahren ist nach § 78 SGG durchgeführt worden. Ohne Bedeutung ist es, dass die Beklagte den Widerspruch als unzulässig verworfen hat, statt eine Sachentscheidung zu treffen, weil § 78 SGG keinen Widerspruchsbescheid voraussetzt, der frei von Rechtsfehlern ist (BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 4 AS 5/20 R, juris – Rn. 14 mit Bezugnahme auf Urteil vom 9. Juli 2017 – B 11 AL 6/16 R, juris – Rn. 21).
Mit Recht hat das SG auch geurteilt, dass dem Kläger kein Anspruch darauf zusteht, dass ihm die Beklagte dem Grunde nach (abstrakt) zusichert, die Kosten für eine außervertragliche ambulante Psychotherapie bei einem erst noch zu benennenden approbierten ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten mit Fachkundenachweis für (irgend-) eine der in den Richtlinien zugelassenen Psychotherapien zu übernehmen. Der Bescheid vom 25. Mai 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Damit können auch der - im Hauptantrag sinngemäß enthaltene - erste Hilfsantrag auf eine Kostenfreistellung dem Grunde nach sowie die reine Anfechtungsklage als zweitem Hilfsantrag keinen Erfolg haben:
Grundsätzlich erbringt eine Krankenkasse ihren Versicherten ärztliche Leistungen oder -wie hier- eine der der ärztlichen Behandlung gleichgestellte psychotherapeutische Krankenbehandlung nach § 28 Abs. 3 SGB V, indem sie, in der Regel vermittelt durch die Kassenärztliche Vereinigung, vgl. §§ 73 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V, 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V, eine Vielzahl von zugelassenen Leistungserbringern verfügbar hält. Ein Versicherter erhält die von ihm zu beanspruchenden Leistungen dementsprechend in der Regel nicht unmittelbar von der Krankenkasse in Natur, sondern von Leistungserbringern. Die Krankenkassen bedienen sich regelmäßig der zugelassenen Leistungserbringer, um die Naturalleistungsansprüche der Versicherten zu erfüllen. Die Versicherten können unter den nach § 72 Abs. 1 Satz, 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V zur vertraglichen Versorgung zugelassenen Psychotherapeuten frei wählen (vgl. BSG, Urteil vom 02. September 2014 – B 1 KR 3/13 R, juris – Rn. 12).
Um die Naturalleistungen zu erhalten, korrespondieren mit dem Wahlrecht der Versicherten Obliegenheiten. Sie haben einen der zugelassenen Ärzte bzw. Psychotherapeuten auszuwählen und zur Behandlung unter Vorlage der Krankenversicherungskarte aufzusuchen.
Eine psychotherapeutische Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung bei einem nicht zur vertragsärztlichen oder -therapeutischen Versorgung zugelassenen Psychotherapeuten - über Notfälle nach § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V mit einem unvermittelt aufgetretenen Behandlungsbedarf hinaus - lässt nur § 13 Abs. 3 SGB V im Sinne eines Kostenerstattungsanspruchs zu. Dessen Voraussetzungen sind hier mangels bereits entstandener Kosten oder eines Zahlungsanspruchs eines Behandlers von vornherein nicht gegeben, wie auch das SG zutreffend ausgeführt hat. Nach den Grundsätzen des sogenannten Systemversagens besteht die Leistungspflicht der Krankenkassen ausnahmsweise dann, wenn dem Versicherten aus anderen Gründen der Zugang zu einem zugelassenen Leistungserbringer versperrt ist. Davon geht der Kläger aus, der vorgibt, sich vergeblich um eine Behandlung bei einem Vertragspsychotherapeuten bemüht zu haben.
Auch die Beklagte geht grundsätzlich aufgrund faktischer Unterversorgung mit Vertragspsychotherapeuten von einem solchen Anspruch dem Grunde nach aus und hat sich schon dem Kläger gegenüber vorgerichtlich bereit erklärt, nach Eingang eines entsprechenden Antrages eines approbierten Psychotherapeuten/einer approbierten Psychotherapeutin die Kosten der Behandlung bei einem Nichtvertragspsychotherapeuten zu prüfen (vgl. das Schreiben vom 7. Oktober 2021). Sie lässt sich also auf das sogenannte Kostenerstattungsverfahren ein, welches gängige Praxis ist. Die Modalitäten sind den Behandlern bekannt. Die Beklagte lehnt es lediglich ab, eine pauschale Kostenübernahmeerklärung losgelöst von einem konkreten Behandlungsvorhaben bei einem noch zu benennenden approbierten Therapeuten abstrakt abzugeben. Darauf dürfte der Kläger auch keinen Anspruch haben, was indes dahinstehen kann.
Denn ein Versicherter, der sich auf ein Systemversagen beruft, muss, um einen nichtzugelassenen Leistungserbringer in Anspruch nehmen zu können, auch insoweit im Hinblick auf die sich aus § 21 Abs. 2 SGB X ergebenden Mitwirkungspflichten aktiv in geeigneter Form nach einem Therapieplatz bei einem zugelassenen Therapeuten wie bei einem Privatpsychotherapeuten suchen. Wie bereits das SG für den Zeitpunkt seiner Entscheidung ausgeführt hat, kann von hinreichenden Bemühungen des Klägers in diesem Sinne nicht ausgegangen werden. Maßgeblich ist nunmehr der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, da der Kläger die Beklagte auch gegenwärtig noch verpflichten lassen will.
Aktuelle Bemühungen um einen Therapieplatz trägt der Kläger, der sich nach den Angaben seines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung entgegen früherer Ankündigung derzeit nicht in stationärer Behandlung befindet, jedoch selbst nicht vor. Ihm war und ist es zuzumuten, die in Frage kommenden Therapeutinnen und Therapeuten gegebenenfalls auch wiederholt zu kontaktieren. Eine Beschränkung auf einmalige Anrufe und Nachrichten auf Anrufbeantwortern oder einmalige Emails ist nicht ausreichend. Dies gilt allein schon deshalb, weil Psychotherapeuten in der Regel keine Angestellten haben und während der Therapiestunden nicht erreichbar sind, mit der Folge, dass entgegen der Auffassung des Klägers 20 bis 30 vergebliche Versuche nicht ohne weiteres ausreichen.
Dass der Kläger zu solchen Bemühungen nicht in der Lage ist, ist nicht ersichtlich.
Nach Auffassung das vom Gericht eingesetzten Gutachters Dr. B wolle der Kläger nicht wirklich eine Psychotherapie und bemühe sich deshalb nur oberflächlich. Wenn er ausführt, Voraussetzung für eine erfolgreiche psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung sei ein therapeutisches Bündnis, welches jetzt und auf absehbare Zeit nicht gegeben sei, bedeutet dies, dass der Kläger nicht bereit oder in der Lage sei, eine bewusst ausgehandelte, kooperative Beziehung zwischen ihm und der Therapeutin oder dem Therapeuten herzustellen, die das gemeinsame Arbeiten an psychischen Problemen ermöglicht. Für diese Auffassung spricht das Verhalten des Klägers im laufenden Verfahren, das eher in die Richtung deutet, dass es dem Kläger primär um einen abstrakten Klageerfolg geht. Zunächst stand der „Information zur psychotherapeutischen Sprechstunde“ der Dipl.Psych. F vom 18. Mai 2021 folgend der Wunsch speziell nach einer Verhaltenstherapie im Hinblick auf die diagnostizierte Essstörung im Raum. Bereits vor dem SG ist der Antrag dann aber vom Kläger auf eine Kostenübernahme abstrakt für eine beliebige Therapie in einem der vier Richtlinienverfahren geändert worden, losgelöst von einem spezifischen Therapieziel. Die Benennung eines konkret behandlungsbereiten privat abrechnenden Therapeuten begehrt er ausdrücklich nicht.
Auch nach den sachverständigen Ausführungen des Dr. L ist der Kläger gesundheitlich durchaus in der Lage, geeignete Bemühungen zu ergreifen (Seite 17 dessen Gutachten vom 2. März 2025). Soweit dieser ergänzt, dass davor Voraussetzung die prinzipielle Behandlungskostenzusage durch die zuständige Krankenkasse sei, kann dies nach dem oben Ausgeführten dahinstehen.
Dahinstehen kann, ob sich der Kläger gesundheitlich dazu subjektiv nicht in der Lage fühlt, die ihm obliegenden Suchbemühungen durchzuführen. Insofern obläge es ihm, sich dafür geeignete Hilfe zu holen. Bereits die Information zur psychotherapeutischen Sprechstunde der Dipl. Psych. F vom 18. Mai 2021 empfahl eine Einbindung des sozialpsychiatrischen Dienstes. Die Gesundheitsfürsorge ist ein klassischer Aufgabenbereich eines Betreuers nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Zur Gesundheitsfürsorge gehört es, für eine Zuführung zu den Leistungserbringern zu sorgen (vgl. Bieg in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 1815 BGB, Rn. 21). Die Beklagte als gesetzliche Krankenkasse ist hingegen weder Betreuerin des Klägers auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge geschweige denn dessen gesetzliche Vertreterin. Auch aus den §§ 15 bis 17 SGB I (Auskunft, Antragstellung und Ausführung der Sozialleistungen) folgen vorliegend für die Beklagte keine weitergehenden Pflichten, für den Kläger die Auswahl eines Therapeuten vorzunehmen.
Auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angegriffenen Gerichtsbescheid wird im Übrigen ergänzend Bezug genommen, vgl. § 153 Abs. 2 SGG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.