S 11 KR 35/25

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 11 KR 35/25
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze


1. Bei Tadalafil handelt es sich um ein Arzneimittel, dass überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion bzw. der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz dient. Es ist daher gemäß § 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V vom Versorgungsanspruch ausgeschlossen.

2. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V besteht nicht, wenn keine unaufschiebbare Leistung gegeben ist und der Versicherte den Beschaffungsweg nicht eingehalten hat.
 


Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Kostenerstattung in Höhe von 52,43 € für das Arzneimittel Tadalafil.

Mit Schreiben vom 26. September 2024 beantragte der bei der Beklagten krankenversicherte Kläger die Erstattung der Kosten für das Arzneimittel Tadalafil. Er legte ein Rezept der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. C. vom 17. September 2024 vor, auf welchem eine Apotheke die Kosten in Höhe von 52,43 € sowie das Bezugsdatum, den 26. September 2024, quittierte.

Mit Bescheid vom 27. September 2024 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme mit der Begründung ab, es handele sich um ein Privatrezept.

Hiergegen erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, die Einnahme des Arzneimittels sei aufgrund der Diagnose Prostata Krebs sowie der daraufhin erfolgten operativen Entfernung der Prostata notwendig. Er wolle seine Lebensqualität nicht erhöhen, sondern wiederherstellen. 

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2025 unter ergänzendem Hinweis auf den Versorgungsausschluss von Arzneimitteln, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund stehe (z.B. solche, die überwiegend der Behandlung einer erektilen Dysfunktion dienten) zurück. 

Hiergegen hat der Kläger am 24. Januar 2025 Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen die bereits mit seinem Widerspruch vorgetragenen Gründe wiederholt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid vom 27. September 2024 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2025 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für das Arzneimittel Tadalafil in Höhe von 52,43 € zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf die Gründe des Bescheides sowie Widerspruchsbescheides verwiesen.

Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 14. Februar 2025 und der Kläger hat sich mit Schriftsatz vom 24. Februar 2025 mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Inhalte der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand dieser Entscheidung waren.


Entscheidungsgründe

Das Gericht kann gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. Dieses Einverständnis haben die Beteiligten schriftlich erklärt.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 27. September 2024 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2025 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Arzneimittel Tadalafil in Höhe von 52,43 €.

Die Voraussetzungen der im vorliegenden Fall für die beantragte Kostenerstattung allein in Frage kommenden Anspruchsgrundlage des § 13 Abs. 3 SGB V sind nicht erfüllt. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind von der Krankenkasse Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war. 

1. Eine Kostenerstattung über § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V scheidet bereits deshalb aus, weil es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung handelte, welche die Krankenkasse nicht rechtzeitig erbringen konnte. 

2. Ein Kostenerstattungsanspruch über § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V scheidet ebenfalls aus, da der Kläger den Beschaffungsweg nicht eingehalten hat (hierzu a). Im Übrigen besteht der für beide Alternativen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V notwendige Sachleistungsanspruch nicht (hierzu b).

a) Ein Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1, Alt. 2 SGB V ist nur gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruches rechtswidrig abgelehnt hat und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn insoweit auch ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbstbeschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 3 KR 20/08 R -, Rn. 10, juris). An einem solchen Ursachenzusammenhang fehlt es vorliegend.

Voraussetzung für diesen Ursachenzusammenhang ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass die Kostenbelastung des Versicherten wesentlich auf der Leistungsversagung der Krankenkasse beruht. Hieran fehlt es, wenn diese vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre, oder wenn der Versicherte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt war (stRspr; vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 3 KR 20/08 R -, Rn. 11, juris, m.w.N.). Der Kläger muss sich vor der Beschaffung der Leistung mit seiner Krankenkasse ins Benehmen setzen und deren Entscheidung abwarten (vgl. BSG, Beschluss vom 15. April 1997 – 1 BK 31/96 –, juris).

So liegt der Fall hier. Die Beklagte war mit dem Leistungsbegehren vorab nicht befasst. Denn der Kläger hat erst mit Schreiben vom 26. September 2024 die Kostenerstattung beantragt, nachdem er bereits vorab das Arzneimittel erworben hatte. 

b) Überdies besteht nach beiden Alternativen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V kein Kostenerstattungsanspruch, da hierfür das Bestehen eines Sachleistungsanspruchs Voraussetzung ist. Denn der Erstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender primärer Sachleistungsanspruch. Er setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Ein Sachleistungsanspruch besteht aber nicht.

Nach § 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V sind von der Versorgung Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen.

Bei Tadalafil handelt es sich um ein Arzneimittel, dass überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion bzw. der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz dient. Es ist daher vom gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen bestehenden Versorgungsanspruch ausgeschlossen. Diese Einschätzung entspricht derjenigen des Bundessozialgerichts (BSG) sowie des Hessischen Landessozialgerichts (vgl. hierzu z.B. auch BSG, Urteil vom 10. Mai 2005 – B 1 KR 25/03 R –, juris; BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 – B 1 KR 10/05 R –, Rn. 11, juris; Hess. Landessozialgericht, Beschluss vom 1. September 2005 – L 8 KR 80/05 ER –, Rn. 8, juris). Der Wirktsoff Tadalafil ist in Anlage II zum Abschnitt F der Arzneimittel-Richtlinie gelistet, welche den Verordnungsausschluss von Arzneimitteln zur Erhöhung der Lebensqualität gemäß § 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V näher konkretisiert. Die dort genannte Ausnahme „Tadalafil 5 mg zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms bei erwachsenen Männern“ ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das vollständige Unterliegen des Klägers.

Die Berufung ist nicht zuzulassen, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 € nicht übersteigt (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und keiner der in § 144 Abs. 2 SGG genannten Zulassungsgründe gegeben ist.
 

Rechtskraft
Aus
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