S 15 AL 290/22

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 15 AL 290/22
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 23/23
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 3/25 BH
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid


Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten u.a. über den Zugang zum Onlineportal der Beklagten.

Der 1975 geborene Kläger ist ausgebildeter Energieelektroniker und hat eine Weiterbildung als Automatisierungstechniker abgeschlossen. Er befand sich von Oktober 2011 bis 5. November 2018 als Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt Offenburg. Ausweislich der Arbeitgeberbescheinigung war der Kläger vom 6. Oktober 2011 bis 11. April 2017 in Vollzeit in der Haft beschäftigt. Er war sodann mit Ausnahme eines Arbeitstags am 10. August 2018 arbeitsunfähig bis zur Entlassung erkrankt ohne Krankengeld zu beziehen. Seit der Haftentlassung im November 2018 führte und führt der Kläger eine Vielzahl von Verfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt sowie vor dem Hessischen Landessozialgericht, insbesondere auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitssuchende, der Sozialhilfe sowie gegen die Beklagte. In den (mittlerweile) über 130 in der 15. Kammer anhängigen Verfahren stellt er grundsätzlich einen Antrag auf Prozesskostenhilfe, lehnt die Vorlage des Formulars über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse sowie Nachweise ab und reagiert auf die gerichtliche Aufforderung zur Vorlage mit Befangenheitsanträgen gegen die Vorsitzende (siehe bspw. SG Frankfurt a M., Az. S 2 SF 309/18).

Die Techniker Krankenkasse gewährte dem Kläger zuletzt aufgrund einer am 8. April 2021 begonnenen Arbeitsunfähigkeit Krankengeld bis 18. April 2021, vom 1. Mai bis 31. Dezember 2021 und vom 17. Januar bis 5. Oktober 2022 (Bescheinigung vom 30.09.2022).

Der Kläger meldete sich am 29. September 2022 zum 6. Oktober 2022 persönlich arbeitslos. Hierbei wurden ihm als Verdachtsfall nach § 145 SGB III mehrere Unterlagen ausgehändigt, mit der Bitte, diese dem Ärztlichen Dienst zur Begutachtung zurückzusenden. Zur Frage 2a, ob er alle zumutbaren Möglichkeiten nutzen werde, um die Beschäftigungslosigkeit zu beenden, wählte er keine Antwortmöglichkeit. Im Antragsformular bejahte er die Frage 2b (Nebenschäftigungsausübung). Zudem gab er an, dass er bestimmte Beschäftigungen nicht mehr ausüben können bzw. sich zeitlich einschränken müsse. Bei einer ärztlichen Begutachtung sei er bereit, sich im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung zu stellen.

Der Kläger reichte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, Folgebescheinigung, vom 29. September 2022, ausgestellt von E. & Kollegen, ein, wonach die Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 29. November 2022 fortbestehen werde. Als Adresse war „C-Straße“ in A-Stadt angegeben. An dieser Adresse wohnte der Kläger nach Kenntnis des Gerichts seit Juli 2021 nicht mehr. Mit Email vom 4. Oktober 2022 teilte er zudem mit, dass er eine Begutachtung verweigere. Der „angebliche Sachverständige“ habe keine Sachkunde. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beziehe sich nur auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Servicetechniker / Elektrotechniker.

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2022 führte die Beklagte gegenüber dem Kläger aus, dass eine Entscheidung noch nicht möglich sei. Das Gutachten des Ärztlichen Dienstes liege noch nicht vor. Er werde zudem gebeten, die Frage 2a im Antragsformular zu beantworten. Zudem werde um Ergänzung weiterer Fragen gebeten. Auch fehlten noch Nachweise zum Bezug von Krankengeld.

Der Kläger übersandte der Beklagte das Antragsformular ohne die erbetenen Angaben zurück. Zugleich reichte er die Kostenzusage der Stadt Frankfurt bezüglich der Unterbringung in der Notübernachtungsstätte B. ein.

Zudem erhob er „Widerspruch“ gegen das Schreiben vom 5. Oktober 2022. Eine Begutachtung sei unzumutbar und werde verweigert. Zur Frage 2a werde auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verwiesen. Er sei nur noch für Tätigkeiten geeignet, die körperlich nicht anstrengend seien. Die Leistungen seien nach § 145 SGB III geschuldet. Es sei irrelevant, in welchem Umfang er beabsichtige weiter zu arbeiten. Er begehre eine Weiterbildung / Umschulung. Vorschüsse bzw. die vorläufige Gewährung werde ausdrücklich beantragt.

Die Beklagte verwarf den Widerspruch mit erstem Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2022 als unzulässig (Az. XXX1). Es liege kein Verwaltungsakt vor. Zudem verwarf die Beklagte die Widersprüche gegen die übersandten Formulare „Gesundheitsfragebogen/ Informationsblatt/Schweigepflichtentbindung“ mit zweitem Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2022 (Az. XXX2) und bezüglich der behaupteten Sperrung des Onlinezugangs mit drittem Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2022 (Az.XXX3).

Der Kläger hat am 24. Oktober 2022 Klage am Sozialgericht Frankfurt erhoben.

Der Kläger hat ebenfalls einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz am Sozialgericht Frankfurt am Main gestellt (Az. S 15 AL 289/22 ER). Die Beklagte hat in diesem Verfahren dargelegt, dass das Onlineportal dem Kläger zugänglich sei. Von ihrer Seite liege keine Sperrung vor. Der Antrag ist mit Beschluss vom 18. November 2022 abgelehnt worden, der Kläger hat Beschwerde am Hessischen Landessozialgericht (Az. L 7 AL 81/22 B ER) erhoben.

Er trägt vor, dass sich sein Anspruch aus § 145 SGB III ergebe. In seiner Arbeitsfähigkeit sei ausreichend durch vorliegende ärztliche Atteste bescheinigt.

Der Kläger beantragt wörtlich,
Widerspruchsbescheid v. 17.10.2022 der Beklagten zu Az. XXX1 wird aufgehoben und ihr Verhalten für rechtswidrig erklärt.
Die Beklagte wird verurteilt sicherzustellen, dass das Benutzerkonto „aa.“ auf ihrem Internet Portal www.arbeitsagentur.de tatsächlich funktioniert und die Kommunikation über diese zu führen, insbesondere alle Bescheide dort einzustellen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich hinsichtlich ihres Vortrags auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Die Software des Onlineportals sei funktionsfähig. Wie der Kläger diese benutze, können sie nicht beeinflussen. Auch sei es ihr nicht möglich, Passstücke aus diesem Postfach zu löschen. Dies könne nur der Benutzer tun.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 4. November 2022 hat das Gericht den Kläger hinsichtlich des ebenfalls gestellten Antrags auf Prozesskostenhilfe aufgefordert, den Vordruck zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auszufüllen und zusammen mit entsprechenden Belegen vorzulegen. Der Kläger hat die Vorsitzende mit am 10. November 2022 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz in diesem sowie drei weiteren Verfahren wegen gleicher Anforderung als befangen abgelehnt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse von Bewohnern der Notaufnahmeeinrichtungen in A-Stadt seinen allen Gerichten hinreichend bekannt und bedürften keiner Dokumentation durch PKH-Vordrucke.

Das Gericht hat den Beteiligten mit Schreiben vom 13. Januar 2023 mitgeteilt, dass es beabsichtigt, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden und den Beteiligten eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen gesetzt. Das Schreiben ist den Beteiligten jeweils am 9. Februar 2023 zugestellt worden. Der Kläger hat der Beklagten am 6. Februar 2023 mitgeteilt, dass er sich in der Psychiatrie aufhalte. Mit am 20. Februar 2023 per Einwurf bei Gericht eingegangenem Schreiben hat der Kläger alle statthaften Rechtsmittel eingelegt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.


Entscheidungsgründe

Der Rechtstreit konnte gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

Der Entscheidung der Kammer steht nicht das Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende entgegen. Denn das Ablehnungsgesuch ist unzulässig, da offensichtlich rechtsmissbräuchlich. 

Nach § 60 Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 42 Abs. 1 Alt. 2 ZPO kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Sie findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich befangen ist; maßgeblich ist vielmehr allein, ob ein Beteiligter, von einem vernünftigen Standpunkt aus betrachtet, berechtigten Anlass hat, an der Unparteilichkeit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Subjektive, unvernünftige Erwägungen scheiden als Ablehnungsgrund aus. Zweifel an der Unparteilichkeit müssen ihren Grund in einem Verhalten des Richters haben.

Ausweislich der Vielzahl der Verfahren und dem nicht vorhandenen Vortrag zu den Gründen einer möglichen Befangenheit ist der Antrag rechtsmissbräuchlich. Dem Kläger geht es nicht um die Verhinderung der Befassung der Vorsitzenden mit dem vorliegenden Verfahren (und dem materiellen Recht), sondern lediglich um die Beschäftigung der Vorsitzenden mit einem weiteren Antrag. Seit Jahren macht der Kläger regelmäßig ohne weitere Begründung auf die gerichtliche Aufforderung der von Gesetzes wegen notwendigen Angaben und Unterlagen zum Antrag auf Prozesskostenhilfe geltend, die Vorsitzende würde Rechtsbeugung betreiben (vgl. bereits Az. S 2 SF 309/18). Dies reiht sich ein in die übliche Praxis des Klägers, in den ersten Schriftsätzen eines Verfahrens in der weit überwiegenden Mehrheit der Verfahren neben dem Befangenheitsantrag Verzögerungsrüge zu erheben, Prozesskostenhilfe ohne Einreichung der erforderlichen Unterlagen sowie die Beiordnung nach § 72 SGG zu beantragen.

Die Klage ist vollumfänglich unzulässig.

Soweit der Kläger mit seinem entsprechenden Vortrag die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 6. Oktober 2022 begehrt, fehlt das entsprechende Verwaltungsverfahren, das mit einer Verwaltungsentscheidung der Beklagten abgeschlossen wird. Der wörtlich eindeutig angegriffene Widerspruchsbescheid vom 17. November 2022 (Az. XXX3) trifft bezüglich des Antrags des Klägers ab 6. Oktober 2022 keine Regelung.

Soweit der Kläger mit der vorliegenden Klage im Ergebnis den Zugang zum Onlineportal der Beklagten zum Konto „aa.“ erreichen will, fehlt das Rechtschutzbedürfnis. Denn der Zugang ist von Seiten der Beklagten eröffnet. Zutreffend verweist sie darauf, dass etwaige Benutzungsfehler durch den Kläger nicht in ihren Verantwortungsbereich fallen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 105 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Das statthafte Rechtsmittel der Berufung folgt aus § 105 Abs. 2 S. 1 i.V.m. §§ 143 ff. SGG.
 

Rechtskraft
Aus
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