S 11 AS 1929/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 11 AS 1929/20
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Das im Haushalt mit SGB II-beziehenden Eltern lebende volljährige U25-Kind mit bedarfsdeckendem eigenem Einkommen ist nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II) und in der Regel weder mitteilungspflichtig noch kann ihm grob fahrlässige Unkenntnis vorgehalten werden, wenn dieser U25-Person in einem nur an einen Elternteil gerichteten Bewilligungsbescheid Leistungsansprüche nach dem SGB II zugewiesen werden, die ihm materiell-rechtlich nach dem SGB II nicht zustehen. Eine Zurechnung von Verschulden des Vertreters der Bedarfsgemeinschaft erfolgt nur im Rahmen einer gewillkürten Vertretung bzw. rechtsgeschäftlichen Vollmacht oder Duldungsvollmacht.

ENTWURF

Sozialgericht Berlin

 

 

S 11 AS 1929/20

 

verkündet am
23. Juli 2025

 

 

 

 

 

 

 

Im Namen des Volkes

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

1.      ,  

2.      ,  

3.      ,  

4.      ,  

 

alle wohnhaft:

…,                                                                                - Kläger -

 

Prozessbbevollmächtigte:

zu 1-4:   Rechtsanwältin …

gegen

         Jobcenter Berlin Mitte,
-Rechtsstelle- 

Seydelstr. 2-5, 10117 Berlin,                                       - Beklagter -

 

 

hat die 11. Kammer des Sozialgerichts Berlin auf die mündliche Verhandlung

am 23. Juli 2025 durch die Richterin am Sozialgericht …

sowie die ehrenamtlichen Richter Herrn … und Herrn … für Recht erkannt:

 

Der eine Bescheid des Beklagten vom 08.11.2019 in der Gestalt des einen        Widerspruchsbescheides vom 17.02.2020 betreffend den Kläger zu 4.               wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern 70 % der Kosten des Verfahrens zu erstatten.

 

 

 

 

Tatbestand

 

 

Streitig ist – nach Hauptsachenerledigung der Klage des Klägers zu 3. - noch die Rechtmäßigkeit von drei Rücknahme- und Erstattungsentscheidungen betreffend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) den Zeitraum Februar bis Juli 2019 betreffend. Die Klägerin zu 1. und der Kläger zu 2. sollen jeweils einen Betrag von 466,44 EUR erstatten, der Kläger zu 4. einen Betrag von 2.236,70 EUR.

 

Die Klägerin zu 1. und der Kläger zu 2. sind die Eltern der volljährigen Kläger zu 3. und 4. (geboren 1995 und 1997). Alle vier wohnten im streitigen Zeitraum gemeinsam in einer Wohnung, inzwischen wohnen die Söhne in einer eigenen Wohnung unter derselben Anschrift wie die Eltern. Als angemessene Kosten der Unterkunft waren monatlich 680,40 € anerkannt, die Heizkosten betrugen monatlich 82 €; die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung lagen über 1.000 € im Monat. Die Klägerin zu 1. bezog in der streitigen Zeit keinerlei eigenes Einkommen, der Kläger zu 2. ist seit Juli 2007 versicherungspflichtig in einem Restaurant beschäftigt und erzielte Erwerbseinkommen von 772,06 EUR netto monatlich. Der Kläger zu 3. bezog in der streitigen Zeit Leistungen nach dem BAföG (monatlich 424 €) und es wurde für ihn Kindergeld gezahlt (194 €). Der Kläger zu 4. nahm zum 15.03.2018 eine ursprünglich bis zum 14.12.2018 befristetes Leiharbeitsverhältnis bei der A. GmbH als Autoaufbereiter auf. Es war eine durchschnittliche monatliche Arbeitszeit von 151,67 Stunden vereinbart mit einer Stundenvergütung von 8,91 EUR. Der Arbeitsvertrag liegt dem Beklagten seit zumindest dem 25.04.2018 vor.

 

Auf den im April 2018 gestellten und vom Kläger zu 2. unterschriebenen Weiterbewilligungsantrag bewilligte der Beklagte mit an den Kläger zu 2. gerichteten Bescheid (vom 07.06.2018) für Juni bis November 2018 der Klägerin zu 1. und dem Kläger zu 2. monatlich je rund 199 EUR monatlich und führte aus, die Entscheidung sei vorläufig, weil der Kläger zu 4. laufendes Einkommen erziele, welches monatlich unterschiedlich hoch sei. Derzeit könne nicht abschließend entschieden werden, welche Einkommenshöhe bei der Berechnung der Leistungen zu berücksichtigen sei; vorläufig sei das Einkommen aus der Lohnabrechnung von April 2018 zugrunde gelegt. Für die Kläger zu 3. und 4. waren in diesem vorläufigen Bewilligungsbescheid auf Seite 1 keine Leistungsbeträge ausgewiesen; in den Berechnungen ist zu erkennen, dass für die beiden Söhne aufgrund von deren Einkommen der Bedarf mit jeweils „0,00“ ausgewiesen ist. Entgeltabrechnungen des Klägers zu 4. sind jeweils zur Akte des Beklagten gelangt. In der abschließenden Bewilligungsentscheidung vom 10.07.2018 für den Bewilligungszeitraum Dezember 2017 bis Mai 2018 - gerichtet und versandt nur an den Vater, den Kläger zu 2. – ist Seite 1 zu entnehmen, dass dem Kläger zu 4. nur für die Monate Dezember 2017 bis März 2018 ein „Gesamtbetrag“ zugeordnet ist.

Im am 16.10.2018 eingegangenem Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab Dezember 2018 – ausgefüllt und unterschrieben vom Kläger zu 2. – sind keine Änderungen eingetragen und diverse Einkommensnachweise – auch zu dem Erwerbseinkommen des Klägers zu 4. – angefügt. Der Beklagte forderte mit Schreiben vom 22.10.2018 direkt vom Kläger zu 4. noch Lohnnachweise für die Monate September und Oktober 2018 an. Mit Bescheid vom selben Tag, dem 22.10.2018, bewilligte der Beklagte den Klägern zu 1. – 3. vorläufig Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum Dezember 2018 bis Mai 2019 in Höhe von monatlich 467,74 €; es ist ausgeführt, dass über den Anspruch nicht abschließend entschieden werden könne. Zur vorläufigen Bewilligung heißt es: „A. K. erzielt aus einer Erwerbstätigkeit bei der Firma A. Einkommen in schwankender Höhe. Wegen der nicht eindeutigen Einkommensverhältnisse kann über Ihren Anspruch auf Leistungen derzeit nicht abschließend entschieden werden. ...“; in den Berechnungen ist beim Kläger zu 4. ein Nettoeinkommen von rund 1.182,15 € eingetragen und ein Bedarf von „0,00“. Auch in den geänderten vorläufigen Bewilligungsbescheiden vom 08. und 24.11.2018 ist dem Kläger zur 4. betreffend die Zeit von Dezember 2018 bis Mai 2019 auf Seite 1 kein „Gesamtbetrag in Euro“ zugewiesen. Der monatlich ausgewiesene Gesamtbetrag für die Kläger zu 1. - 3. betrug für die Zeit Januar bis Mai 2019 zuletzt 684,75 EUR. Die monatlichen Überweisungen erfolgten – stets - auf das Konto des Klägers zu 2; die Bewilligungs- und Änderungsbescheide sind stets nur an den Kläger zu 2. adressiert.

 

Am 30.11.2018 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers zu 4. bis zum 14.09.2019 verlängert. Der Beklagte wurde hiervon nicht informiert.

 

Im Februar 2019 wandte sich der Beklagte an die Arbeitgeberin des Klägers zu 4. wegen Angaben zum Einkommen für den Monat September 2018. Mit einer am 25.02.2019 unterschriebenen Einkommensbescheinigung teilte die Arbeitgeberin das Nettoarbeitsentgelt von September 2018 mit 1.123,26 EUR netto mit, Fälligkeit jeweils am 15. des Folgemonats; ein Beschäftigungsende ist in der Erklärung nicht eingetragen.

 

Mit Bescheid vom 12.03.2019 bewilligte der Beklagte den Klägern zu 1. bis 3. abschließend Leistungen für den Zeitraum Juni bis November 2018 i.H.v. 661,74 EUR monatlich; der Kläger 4. ist in den Berechnungen mit einem Nettoeinkommen von rund 1.184 EUR und einem Bedarf von „0,00“ aufgeführt.

 

In dem am 16.04.2019 eingegangenen Weiterbewilligungsantrag sind wiederum keine Änderungen angegeben. Auf die Aufforderung der Beklagten vom 24.04.2019 an den Kläger zu 2., u.a. Lohnnachweise für den Kläger zu 4. für November und Dezember 2018 zu übermitteln, gehen diese im Mai 2019 ein. Die Dezemberabrechnung zum Einkommen des Klägers zu 4. weist eine volle Monatsabrechnung mit einem Nettoverdienst von 1.439,48 EUR aus; ein Austrittsdatum ist in der Abrechnung nicht eingetragen.

 

Mit einem Bescheid vom 13.05.2019 bewilligte der Beklagte nun abschließend Leistungen für den Zeitraum Dezember 2018 bis Mai 2019 und zwar für Dezember 2018 bis Januar 2019 in Höhe von 661,74 bzw. 684,75 EUR und für Februar bis Mai 2019 i.H.v. 1.187,55 EUR. Hier sind für alle vier Kläger auf Seite 1 des Bescheides monatlich Beträge ausgewiesen, für den Kläger zu 4. jedoch nur für die Monate Februar bis Mai 2019 i.H.v. monatlich 372,94 EUR; auf Seite 2 dieses Bescheides heißt es unter anderem: „Bei A. K. wurde das aus der Beschäftigung bei der Firma A. tatsächlich erzielte Durchschnittseinkommen der Monate November 2018 und Dezember 2018 berücksichtigt. Ab dem Monat Januar 2019 ist das Einkommen aus dieser Beschäftigung weggefallen.“ Mit einem weiteren Bescheid vom 13.05.2019 bewilligte der Beklagte endgültig Leistungen für den Zeitraum Juni 2019 bis Mai 2020 insgesamt in Höhe von monatlich 1.187,55 EUR; auf Seite 1 ist dem Kläger zu 4. weiterhin monatlich ein Betrag von 372,94 EUR zugewiesen. Auch diese beiden Bewilligungsbescheide sind ausschließlich an den Kläger zu 2. gerichtet und nur an diesen versandt worden. Der monatliche Bedarf des Klägers zu 4. nach dem SGB II liegt gemäß der beiden Bescheide vom 13.05.2019 unter 530 EUR monatlich.

 

Infolge eines Datenabgleich erhielt der Beklagte Ende Juni 2019 die Information, dass der Kläger zu 4. seit 15.03.2018 laufend bei der A. GmbH versicherungspflichtig beschäftigt sei. Auf die an den Kläger zu 2. gerichtete Anfrage vom 08.07.2019 wurde eine Kopie über die Verlängerung der Befristung bis zum 14.09.2019, Entgeltabrechnungen, Einkommensbescheinigungen und Umsatzübersichten zum Konto des Klägers zu 4. übergeben.

 

Mit vier Anhörungsschreiben vom 30.07.2019 wandte sich der Beklagte jeweils an die Klägerin bzw. die drei Kläger und teilte jeweils mit, dass sich wegen Einkommen des Klägers zu 4. für die Zeit von Februar bis Juli 2019 eine Überzahlung ergeben habe, weil der jeweils Angeschriebene mit diesen Einkommensverhältnissen in geringerer Höhe hilfebedürftig gewesen sei. Mit vier Schreiben vom 20.09.2019 hörte der Beklagte erneut an. Die Kläger äußerten sich nicht.

 

Mit vier Bescheiden vom 08.11.2019 - gerichtet an die Klägerin bzw. den jeweiligen Kläger - nahm der Beklagte die Leistungsbewilligung für den Zeitraum Februar bis Juli 2019 für die Kläger von 1.-3. teilweise und für den Kläger zu 4. ganz zurück und forderte die Erstattung von 466,44 EUR (jeweils von der Klägerin zu 1. und dem Kläger zu 2.) bzw. 8, 07 EUR (vom Kläger zu 3.) bzw. 2.236,70 EUR (vom Kläger zu 4.)  Bei der Klägerin zu 1. und den Klägern zu 2. und 4. führte der Beklagte unter anderem (u.a.) aus, es seien im Antrag vom April 2019 zumindest grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht, im Übrigen sei von grobfahrlässiger Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit der Bewilligung mit Bescheiden vom 13.05.2019 auszugehen.

 

Gegen alle vier Bescheide legte die Bevollmächtigte Widerspruch ein und führte aus, das Arbeitsverhältnis des Klägers 4. sei seit Anfang 2018 bekannt. Die Kläger haben auf die Bewilligung vom 13.05.2019 vertraut. Eine Rücknahme sei rechtswidrig. Mit vier Widerspruchsbescheiden vom 17.02.2020 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Der Beklagte führte u.a. aus, weder der Kläger zu 4., noch seine Eltern haben die Verlängerung des befristeten Vertrages mitgeteilt und auch nicht im Weiterbewilligungsantrag vom 16.04.2019 angegeben, dass der Kläger zu 4. weiterhin Einkommen erziele. Die Verlängerung des Arbeitsvertrages wäre unverzüglich anzuzeigen gewesen. Bei der Klägerin zu 1. und dem Kläger zu 2. liege der Tatbestand des § 45 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X – vor, beim Kläger zu 4. der des § 45 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB X. Ein Vertrauenstatbestand könne nicht angenommen werden.

 

Daraufhin hat die Bevollmächtigte für alle vier Kläger am 11.03.2020 Klage erhoben.

 

Die Bevollmächtigte der Kläger trägt u.a. vor, der Beklagte habe mit den Bescheiden vom 22.10.2018 und den Änderungsbescheiden vom 5. und 14.11.2018 Leistungen bis einschließlich Mai 2019 unter Berücksichtigung des Einkommens des Klägers zu 4. bewilligt. Zudem sei der Auskunft der Arbeitgeberin von Februar 2019 zu entnehmen, dass das Arbeitsverhältnis nicht zu Mitte Dezember 2018 geendet habe. Auch sei aus der im April 2019 vorgelegten Dezember-Abrechnung ersichtlich, dass im Dezember 2018 ein voller Monat bezahlt worden sei, auch sei dort ein Austrittsdatum nicht eingetragen. Aus Sicht der Kläger habe daher im Weiterbewilligungsantrag im April 2019 keine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegen. Der Kläger zu 4. habe jeweils seinen Mietanteil an die Eltern bezahlt und es habe sich für ihn ansonsten keine Änderung seiner finanziellen Verhältnisse ergeben. Es könne weder von Fahrlässigkeit, geschweige denn von grober Fahrlässigkeit ausgegangen werden. Das vom Beklagten gegen den Kläger zu 2. eingeleitete, strafrechtliche Ermittlungsverfahren ist zeitnah wegen fehlendem Anfangsverdacht eingestellt worden. Der Klägerin zu 1. und dem Kläger zu 2. sei zwar aufgefallen, das Arbeitseinkommen des Klägers zu 4. nicht mehr zum Ansatz gebracht worden sei, sie seien sich jedoch einig gewesen - da auch keinerlei Änderungen angezeigt worden sind -, dass es Änderungen im SGB II gegeben habe und die Berechnungen der Beklagten als Fachbehörde korrekt seien. Grobe Fahrlässigkeit könne ihnen nicht vorgeworfen werden. Wegen des weiteren Vortrages der Klägerin zu 1. und des Klägers zu 4. wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

 

Nachdem der Beklagte auf Hinweis der vormals zuständigen Vorsitzenden die Entscheidung bezüglich des Klägers zu 3. aufgehoben und die Bevollmächtigte insoweit das Teilanerkenntnis angenommen und die Klage für erledigt erklärt hat (vgl. Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 20.04.2021), beantragt die Bevollmächtigte noch:

 

  1. Der Bescheid des Beklagten vom 08.11.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2020 gegen die Klägerin zu 1. wird aufgehoben.
  2. Der Bescheid des Beklagten vom 08.11.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2020 gegen den Kläger zu 2. wird aufgehoben.
  3. Der Bescheid des Beklagten vom 08.11.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2020 gegen den Kläger zu 4. wird aufgehoben.

 

Der Beklagte beantragt,

 

            die Klage abzuweisen.

 

Der Beklagte verweist auf seine Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden und trägt u.a. vor, es sei davon auszugehen, dass die Kläger gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB X zumindest infolge grober Fahrlässigkeit die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide vom 13.05.2019 nicht gekannt haben. Grundsätzlich handele ein Leistungsempfänger grobfahrlässig, wenn er einen erhaltenen Bewilligungsbescheid nach den ihm möglichen Sorgfaltsmaßstäben nicht überprüfe; er dürfe sich nicht darauf verlassen, dass die Leistungsbewilligung dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig sei und habe hinsichtlich unklarer Punkte im Bewilligungsbescheid gegebenenfalls nachzufragen. Bei einer Durchsicht der Bewilligungsbescheide hätte sich den Klägern aufdrängen müssen, das Erwerbseinkommen des Klägers zu 4. nicht berücksichtigt worden sei. Dies sei insbesondere in dem abschließenden Bewilligungsbescheid vom 13.05.2019 auch im Fließtext ausgeführt. Der Kläger zu 4. habe jedenfalls die Verpflichtung gehabt, die weitere Befristung des Arbeitsverhältnisses aktiv dem Beklagten gegenüber anzuzeigen, was er unterlassen habe. Im Termin zur mündlichen Verhandlung meint die Terminsvertretung des Beklagten, der Kläger zu 4. könnte deshalb für die streitige Zeit als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gegolten haben und Mitteilungspflichten gehabt haben, weil die vorläufige Bewilligung allein wegen seines schwankenden Einkommens ausgesprochen worden sei.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes des Vortages der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte (im Ausdruck Blatt 136 - 635 betreffend den Zeitraum 17.10.2018 bis 15.04.2020, elektronisch nach Ladung noch übermittelt für den Zeitraum 06.04.2018 bis 11.06.2020) verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage ist zulässig und bezüglich des Klägers zu 4. begründet (1.), im Übrigen ist die Klage unbegründet und abzuweisen (2.)

 

Da die Rücknahme- und Erstattungsentscheidung den Kläger zu 3. (Erstattungsbetrag 8,07 EUR) im Laufe des Klageverfahrens vom Beklagten aufgehoben worden und die Klage insoweit für erledigt erklärt worden ist, ist hierüber nicht mehr zu entscheiden. Dieser geringe Anerkenntnisbetrag ist - vernachlässigungswert – bei der Kostenentscheidung berücksichtigt.

 

Für die Klage der Klägerin zu 1. und der Kläger zu 2. und 4. ist maßgeblich zu prüfende Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung des Beklagten § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch -  SGB III – i.V.m. § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 bzw. Nr. 3 SGB X. Hierzu sind die entsprechend gesetzlich vorgeschriebenen Anhörungen (§ 24 Abs. 1 SGB X) beanstandungsfrei mit den Schreiben vom 30.07. bzw. 20.09.2018 erfolgt; dies wird klägerseitig auch nicht in Abrede gestellt.

 

Nach der genannten Rechtsgrundlage ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr. 2) oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (Nr. 3).

 

Beide Bewilligungsbescheide vom 13.05.2019 waren bei Erlass bezüglich des Zeitraumes Februar bis Juli 2019 von Beginn an rechtswidrig, denn für diese Monate wurde entgegen der tatsächlichen Verhältnisse kein Erwerbseinkommen des Klägers zu 4. - welches durchgehend in der Beschäftigung bei der A. GmbH bei über 1.000 EUR netto monatlich lag - bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt. Dadurch sind den Klägern für diese sechs Monate monatlich höhere Ansprüche nach dem SGB II zugewiesen worden, als ihnen materiell-rechtlich zugestanden hätte. Diese überhöht errechneten Beträge sind an den Kläger zu 2. - als dem nach § 38 SGB II vermutlichen Vertreter der Bedarfsgemeinschaft – überwiesen worden.

 

(1.)

Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 08.11.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2020 gerichtet an den Kläger zu 4. ist rechtswidrig und verletzt diesen in seinen Rechten. Der Kläger zu 4. hat nicht 2.236,70 EUR zu erstatten.

 

Die genannte Rechtsgrundlage ist im Fall des Klägers zu 4. zur Überzeugung der Kammer nicht erfüllt. Die rechtswidrige Begünstigung des Klägers zu 4. mit den Bewilligungsbescheiden vom 13.05.2019 beruhte nicht darauf, dass er zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Zum einem traf den Kläger zu 4. keine Obliegenheit (mehr), den Beklagten über die Verlängerung des ursprünglich bis zum 14. Dezember 2018 befristeten Arbeitsverhältnisses zu informieren, denn er war aufgrund seiner Einkommensverhältnisse bereits ab dem ersten vollen Lohnzahlungsmonat Mai 2018 nicht mehr hilfebedürftig im Sinne des SGB II und damit nicht mehr Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II gehören zur Bedarfsgemeinschaft (nur dann) die dem Haushalt angehörenden, unverheirateten Kinder unter 25 Jahre, wenn sie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Nach der Vereinbarung im Arbeitsvertrag zu der Beschäftigung ab 15. März 2028 war mit Blick auf die vereinbarte monatliche Arbeitszeit und der Stundenvergütung zu folgern, dass der Kläger zu 4. aus diesem Einkommen – mag es auch jeden Monat schwankend gewesen sein - seinen Grundsicherungsbedarf im Sinne des SGB II selbst decken wird können, jedenfalls ab Zufluss des ersten vollen Monatsgehaltes. Es bestand damit ab Mai 2018 kein Raum mehr für eine vorläufige Leistungsbewilligung, wie mit den Bescheiden vom 07.06.2018, 22.10.2018, 08.11.2018 und 24.11.2018 geschehen. Im Übrigen bestätigten bereits die (abschließenden) Bewilligungsbescheide vom 10.07.2018 und 12.03.2019, dass mit dem Einkommen des Klägers zu 4. für ihn kein Leistungsanspruch nach dem SGB II mehr in Betracht kam. Mit Blick auf diese sechs – vor Erlass der hier relevanten Bewilligungsbescheide vom 13.05.2019 – erlassenen Bescheide war nach außen hin deutlich, dass der Kläger zu 4. seit Mai 2018 nicht mehr Mitglied der Bedarfsgemeinschaft war. Mitteilungsobliegenheiten trafen ihn nicht, denn eine Mitteilungspflicht (vgl. § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch) hat nur derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält. Bei vorliegendem Verlauf wäre es allenfalls im Interesse des Klägers zu 4. – bzw. seines Vaters – gewesen, im Fall des Wegfalls des Einkommens wieder Leistungsansprüche beim Beklagten geltend zu machen.

 

Hinzu kommt, dass der Beklagte über den vorgelegten Arbeitsvertrag über die Vereinbarungen zur Arbeitszeit und Stundenvergütung informiert war und auch diverse dies bestätigende Entgeltabrechnungen erhalten hatte. Auch lag vor Erlass der Bescheide vom 13.05.2019 eine Entgeltabrechnung für Dezember 2018 vor, in der kein Austrittsdatum und offensichtlich auch ein volles Monatsgehalt abgerechnet worden war.

 

Die Antragstellung für die hier streitige Zeit hatte der Kläger zu 2. vorgenommen. Die Antragstellungen sind nicht ausdrücklich auch für den Kläger zur 4. erfolgt. Die Vermutung des § 38 SGB II greift nicht zulasten des Klägers zur 4., da dieser aufgrund fehlender Hilfebedürftigkeit bereits seit Mai 2018 nicht mehr in einer Bedarfsgemeinschaft mit den übrigen Klägern lebte. Im Übrigen war durch die vorläufigen Bescheide von Oktober bzw. November 2018 dem Kläger zur 4. nicht nur kein Anspruch mehr ab Dezember 2018 zugewiesen, sondern zudem zu erkennen gegeben worden, dass das Einkommen des Klägers bis in den Monat Mai 2019 berücksichtigt werde. Mit Blick auf die so erfolgen (vorläufigen) Bewilligungen hat sich durch die Verlängerung des Arbeitsvertrages keine Veränderung in den tatsächlichen, leistungserheblichen Umständen ergeben. Auch aus Sicht eines objektiven Betrachters bestand überhaupt kein Anlass, mitzuteilen, dass weiterhin das Einkommen, das bei der Bewilligungsentscheidung bereits berücksichtigt worden ist, auch tatsächlich weiterhin erzielt wird.

 

Es verwundert, dass der Beklagte bei dem zu dieser Zeit vorliegenden Erkenntnismaterial ohne explizite Rückfrage das Einkommen des Klägers zu 4. rückwirkend ab Februar 2019 aus der Bedarfsberechnung genommen hat.

 

Es ist auch nicht der Tatbestand nach § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X erfüllt, denn nach dem Ergebnis der Befragungen in der mündlichen Verhandlung hat die Kammer keine Zweifel daran, dass dem Kläger zu 4. die beiden Bescheide vom 13.05.2019 - mit denen ihm durch die Herausnahme seines Erwerbseinkommens rückwirkend ab Februar 2019 ein monatlicher Leistungsbetrag von 372,94 EUR zugewiesen wurde – nicht bekannt geworden sind und er diese Gelder auch nicht erhalten hat. Dies ist im schriftlichen Vortrag bereits so angedeutet worden und hat sich durch die im Termin erfolgte getrennte Befragung des Klägers zu 4. und seiner Mutter, der Klägerin zu 1., bestätigt. In der Familie waren sich die Eltern einig, die Söhne aus den Angelegenheiten mit dem Jobcenter herauszuhalten und nicht zu informieren. Für die Kammer ist deutlich geworden, dass die an den Vater gerichteten Bescheide den Söhnen nicht vorgelegt worden und der erfolgten Bewilligung auch nicht gemeinsam mit den erwachsenen Söhnen besprochen worden sind. Dies haben die Eltern – die Klägerin zu 1. und der Kläger zu 2. - unter sich ausgemacht. Die Mutter hat sich nach dem Verständnis der Kammer von ihren Angaben im Termin auch darum gekümmert, wenn Unterlagen von den Söhnen an das Jobcenter zu übermitteln waren. Keine Zweifel hat die Kammer auch daran, dass der Kläger zu 4. nicht einen Euro des ihm zugewiesenen Anspruchsbetrages aus der hier streitigen Zeit erhalten hat. Soweit der Kläger zu 4. in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, natürlich mit Lebensmitteln zu Hause versorgt worden zu sein, dürfte dies den familiären Strukturen auch vor und während und unabhängig von seiner Einkommenssituation so gewesen sein, nur mit dem Unterschied, dass der Kläger in der Zeit mit Erwerbseinkommen einen Teil des Geldes zu Hause „abgedrückt“ hat. Hier gab es nach Erlass der Bescheide vom 13.05.2019 auch kein anderes Zahlverhalten des Klägers zu 4.

 

Wenn der Beklagte mit den Bescheiden vom 13.05.2019 – nach Erlass von insgesamt sechs anderslautenden Bescheiden (s.o.) - entschieden hat, den volljährigen Kläger zu 4. wieder als Leistungsberechtigten in die Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II zu nehmen und ihm einen Anspruch zuzuweisen -  dies ohne vorherige Rückfrage bzw. Klärung mit ihm direkt -, wäre es sachgerecht gewesen, diese Bescheide auch an den volljährigen Kläger zu 4. zu adressieren, zumindest ihm eine Abschrift zukommen zu lassen. Das Unterlassen einer solchen Bekanntgabe birgt die Gefahr, dass der Bescheid dem quasi neu ausgewiesenen Anspruchsberechtigte nicht zur Kenntnis gelangt und ihm dann auch nicht grobfahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X vorgehalten werden kann, wenn sich die an ihn erfolgte Bewilligungen als von Anfang an falsch darstellen. Dem scheint der Beklagte - so hat die Kammer jedenfalls die Vertreterin des Beklagten im Termin verstanden –  auch zuzustimmen, denn es wurde von der Vertreterin des Beklagten letztlich nur noch eingewandt, der Kläger zu 4. gelte möglicherweise wegen der erfolgten vorläufigen Bewilligungen wegen seines schwankenden Einkommens als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft – auch wenn ihm vorläufig kein Anspruch zugewiesen worden sei – und er habe daher doch ihm obliegende Mitteilungspflichten verletzt.

 

Der Beklagte sollte bei mehreren volljährigen Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft bzw. in einer Familiengemeinschaft durchaus damit rechnen, dass derjenige, der die Leistungen beantragt und die Bescheide erhält (§ 38 SGB II), nicht die anderen Bedarfsgemeinschafts- bzw. Familienmitglieder informiert, insbesondere wenn es Hinweise auf eine gestörte Bedarfsgemeinschaft gibt oder – wie hier – erwachsene Kinder unter 25 Jahre aufgrund eignen Einkommens mal Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sind, mal nicht. Dies erscheint schon deshalb  sachgerecht, weil – anders als im Verhältnis der Eltern zu ihren minderjährigen Kindern -  bei einem volljährigen Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft eine Zurechnung von Verschulden des Vertreters nur im Rahmen einer gewillkürten Vertretung bzw. rechtsgeschäftlichen Vollmacht oder Duldungsvollmacht erfolgen kann (vgl. z.B. Landessozialgericht Hamburg vom 20.10.2011, L 5 AS 87/08, Rnrn. 36-41 m.w.H., juris).

 

Die angefochtene Entscheidung den Kläger zu 4. betreffend ist daher aufzuheben.

 

 

(2)

Die beiden Rücknahme- und Erstattungsentscheidungen vom 08.11.2019 der Gestalt der beiden Widerspruchsbescheide vom 17.02.2020 die Klägerin zu 1. und den Kläger zu 2. betreffend sind hingegen rechtmäßig. Die Klägerin zu 1. und der Kläger zu 2. haben jeweils 466,44 EUR an den Beklagten zu erstatten.

 

 

Ein persönlicher Eindruck vom Kläger zu 2. – der kurzfristig verhindert war, zum Termin zu erscheinen – hielt die Kammer nach dem aktenkundigen Verlauf und Vortrag und den Angaben der Klägerin zu 1. In der mündlichen Verhandlung für entbehrlich.

 

Zur Überzeugung der Kammer ist diesen beiden Klägern grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit der beiden Bewilligungsbescheide vom 13.05.2019 vorzuhalten. Es geht hier nicht um einen strafrechtlichen Maßstab, denn ein Betrugsvorwurf fordert die „Absicht“ der Verschaffung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils, ein viel höherer Verschuldensmaßstab, als der Gesetzgeber bei der Rückabwicklung sozialrechtlicher Leistungen mit der groben Fahrlässigkeit vorgibt. Die schnelle Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens ist daher für die Frage, ob hier die Rücknahme- und Erstattungsentscheidungen rechtmäßig sind, ohne Belang.

 

Gegenüber der Klägerin zu 1. und dem Kläger zu 2. ist die Kammer ohne Zweifel, dass beide zumindest grobfahrlässig die Rechtswidrigkeit der beiden Bewilligungsbescheide vom 13.05.2019 nicht erkannt haben. Der Tatbestand nach § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 bzw. Nr. 3 SGB X ist bei den Eltern erfüllt. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt danach, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. z.B. Hessisches Landessozialgericht – LSG - vom 31. Oktober 2008, L 7 AL 172/07 mit Hinweisen auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, juris). Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d.h. seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen, im Übrigen auch sein Verhalten (LSG a.a.O., Rnr. 30 unter Hinweis auf BSGE 42, 184, 186f.). Grobe Fahrlässigkeit in diesem Sinne kann auch vorliegen, wenn der Fehler einer Leistungsbewilligung ausschließlich im Verantwortungsbereich der Behörde liegt. Voraussetzung ist jedoch, dass sich die tatsächlichen oder rechtlichen Mängel aus dem Bewilligungsbescheid oder anderen Umständen ergeben und nach dem individuellen Einsichtsvermögen des Betroffenen für diesen auch ohne weiteres erkennbar sind, ihm quasi „ins Auge springen“ (LSG a.a.O. unter Hinweis auf BSG vom 8. Februar 2001, B 11 AL 21/00 R).

 

Bereits aus dem schriftsätzlichen Vortrag der Bevollmächtigten, der durch den Vortrag der Klägerin zu 1. im Termin und dem persönlichen Eindruck der Kammer von ihr bestätigt wird, ist den Eltern -  also dem Kläger zu 2. und der Klägerin zu 1. - bewusst gewesen, dass hier ab Februar 2019 nicht unerheblich höhere Leistungen als zuvor bewilligt worden sind. Die Erhöhung von monatlich rund 685 EUR auf monatlich rund 1.188 EUR „spring ins Auge“, zumal sie auf dem einem Bescheid vom 13.05.2019 auf Seite 1 untereinander steht. Der Betrag hat sich nahezu verdoppelt. Beide haben auch zugegeben, erkannt zu haben, dass dies daran lag, dass Einkommen des Klägers zu 4. nicht mehr berücksichtigt ist. Hinzukommt, dass dies auf Seite 2 des eben genannten, einen Bewilligungsbescheides vom 13.05.2019 auch explizit und unmissverständlich angegeben ist, dass die Änderung auf den „Wegfall“ von Einkommen herrührt. Wenn die Klägerin zu 2. nun in der mündlichen Verhandlung zu verstehen geben will, mit der Sprache Schwierigkeiten zu haben, vielen Zahlen und Berechnungen nicht nachvollziehen zu können, so wird dies als Schutzbehauptung verstanden. Es galt hier auch nicht, Zahlen oder Berechnungen nachzuvollziehen. Es war in den beiden Bescheiden deutlich und auch den Berechnungstabellen – ohne dass man rechnen muss! – zu entnehmen, dass ab Februar 2019 kein Einkommen des Klägers zu 4. mehr aufgeführt ist. Dies entsprach nicht den tatsächlichen Gegebenheiten, was die Eltern auch wussten. Die Klägerin zu 2. hat in der mündlichen Verhandlung eingangs dargelegt, dass sie und ihr Mann sich die Bescheide regelmäßig und sorgfältig angesehen haben. Wenn die beiden dann im Gespräch zu den beiden Bescheiden vom 13.05.2019 miteinander beschlossen, der Beklagte als Fachbehörde werde es wohl besser wissen, vermutlich eine Änderung im Gesetz der Grund sei – ohne dass dies im Text einer der Bescheide steht - und nicht beim Beklagten rückfragen, so wird damit deutlich, dass beide von ihrer Erkenntnisfähigkeit durchaus in der Lage waren, die Rechtswidrigkeit zu erkennen, sich dem nur – aus welchen Gründen auch immer – verschlossen haben. Es ist gerade nicht so – wie der Beklagte zutreffend ausführt -, dass sich Leistungsempfänger quasi blind auf Berechnungen eines Leistungsbescheides verlassen können. Auch wenn Änderungen unvermittelt und ohne vorherige Mitteilung von Änderungen erfolgen, ist ein genauer Blick – das hat die Klägerin zu 2. auch vorgetragen, regelmäßig mit ihrem Mann getan zu haben – angezeigt, ggf. dann auch eine Rückfrage bei der Behörde. Die Kammer ist überzeugt, dass beide Kläger bei einer ihnen zumutbaren Gewissensanstrengung hätten erkennen müssen, dass hier seitens der Beklagten ein Fehler zu ihren Gunsten erfolgt ist. Sich dieser Erkenntnis zu verschließen, ist als grobfahrlässige Unkenntnis zu der Rechtswidrigkeit der erfolgten Bewilligungen zu bewerten.

 

Der Anspruch auf Erstattung von 2 x 466, 44 EUR folgt aus § 50 Abs. 2 SGB X. Fehler bei der Berechnung des Erstattungsbetrages werden weder eingewandt, noch sind diese ersichtlich.

 

Insoweit ist daher die Klage betreffend die Klägerin zu 1. und den Kläger zu 2. unbegründet und abzuweisen.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz – SGG-  und berücksichtigt in der Quote das Obsiegen bzw. Unterliegen von Klägerseite und Beklagten.

 

Rechtskraft
Aus
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