S 16 AY 11/25 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Asylbewerberleistungsgesetz
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 16 AY 11/25 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 AY 6/25 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss


Der Antrag wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. 


Gründe


Der sinngemäße Antrag,

den Antragsgegner zu verpflichten, die Kostenübernahme für eine Unterbringung des Antragstellers nach § 35 BtmG zuzusichern. 
 
ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Insoweit gilt § 920 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist damit die Glaubhaftmachung von Tatsachen, die einen Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Zwischen beiden besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit oder Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System. Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenwertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine abschließende Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden.

Vorliegend mangelt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Eine besondere Eilbedürftigkeit ist nicht ersichtlich. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss für die Abwendung wesentlicher Nachteile nötig sein; d.h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29. Januar 2008 – L 9 AS 421/07 ER –). Eine solche Notlage ist bei einer Gefährdung der Existenz oder erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen zu bejahen. 

Der Antragsteller befindet sich noch bis voraussichtlich 03.05.2026 in Haft. Er begründet die Eilbedürftigkeit mit dem Umstand, dass eine Maßnahme nach § 35 BtMG nur während der Haftverbüßung erfolgen könne. Es sei zu erwarten, dass die Prüfung und Bearbeitung des Antrags bei der Staatsanwaltschaft alleine in der Regel ca. 10 -12 Wochen dauere und zudem noch die Zeit zu berücksichtigen sei, die es brauche, um einen Platz in einer geeigneten Einrichtung zu finden. Sollte der Eilantrag negativ beschieden werden, müsste – ausgehend von einer Verfahrensdauer von etwa 6-8 Wochen - bereits im Juni wieder ein neuer Eilantrag gestellt werden. Der Antragsteller könne nicht darauf verwiesen werden, eine Entwöhnungsbehandlung nach Haftentlassung durchzuführen. Es bestehe die erhebliche Gefahr, dass der Antragsteller aufgrund seiner massiven Suchtmittelabhängigkeit direkt nach Haftentlassung rückfällig werden würde und dann nicht mehr die Motivation und Bereitschaft für eine Therapiebehandlung habe. Ein erneuter Kreislauf aus Drogenkonsum, Beschaffungskriminalität und weiteren Haftstrafen wäre zu erwarten. Aktuell sei der Antragsteller suchtmittelfrei und im Hinblick auf die in § 35 BtMG vorgesehene Möglichkeit einer Maßnahme anstelle von Haft hochmotiviert. Um eine dauerhafte Suchtmittelfreiheit zu erreichen und damit gleichzeitig weiterer Straffälligkeit vorzubeugen, sei es zwingend erforderlich, dass der Antragsteller vor Haftentlassung therapiert werde, um einen erneuten Rückfall nach Haftentlassung zu vermeiden. Zurzeit ist keine dringliche Notlage glaubhaft gemacht. 

Unter Berücksichtigung, dass sich der Antragsteller noch bis voraussichtlich Mai 2026 in Haft befindet, fehlt es bereits diesbezüglich an der Dringlichkeit der Entscheidung. Es ist zwar nachvollziehbar, dass der Antragsteller die Entwöhnungsbehandlung innerhalb des Haftzeitraums absolvieren möchte, jedoch ergibt sich hieraus allein keine dringliche Notlage. Dem Antragsteller ist es indes nicht verwehrt die Suchtbehandlung auch nach der Haftentlassung zu absolvieren.   

Nach alledem war der Antrag abzulehnen.
 

Rechtskraft
Aus
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