L 2 R 38/23

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Osnabrück (NSB)
Aktenzeichen
S 10 R 278/21
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 2 R 38/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufungen des Klägers werden zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der am 11. Januar 1958 geborene und seit 1. Februar 2024 im Altersrentenbezug stehende Kläger begehrt mit seinen Berufungen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) in Form der Gewährung einer Kfz-Beihilfe in Höhe von 22.000 €.

Der Kläger, der seine Schreiben als „Assessor jur. in Vorruhestand“ verfasst, ist aufgrund einer schizoaffektiven Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis seit vielen Jahren in der Psychiatrischen Institutsambulanz des H. I. in Behandlung. Nach eigenen Angaben des Klägers ist er seit 1990 psychisch erkrankt mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 wegen seelischer und 10 wegen Kniefunktionsbeeinträchtigung (Bl. 1 GA). Bereits seit August 1997 erhielt er von der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer. Mit Bescheid vom 18. Januar 2024 bewilligte die Beklagte dem Kläger anstelle der bisherigen Rente ab 1. Februar 2024 Regelaltersrente in Höhe von 1.217,95 EUR (monatlicher Zahlbetrag nach Abzug des Anteils zur Kranken- und Pflegeversicherung 1.077,28 EUR, Stand März 2024).

Den Antrag des Klägers vom 19. Januar 2021 auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (berufliche Rehabilitation) in Form eines persönlichen Budgets für Sprachkurse in Italienisch und Französisch (vgl. u.a. Schreiben vom 29. April 2021), einer unterstützten Beschäftigung für eine Finanzbuchhalterfortbildung bei der VHS J. oder K. sowie von Fahrtkosten bzw. einer Kraftfahrzeughilfe in Höhe von 9.500 €, weil die nachmittäglich oder abendlich stattfindenden Schulungsstunden durch die Busverbindungen des ÖPNV nicht frequentierbar seien, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. April 2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2021 ab, weil seine Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung verhindert werden könne. Über den Antrag auf Kraftfahrzeughilfe hatte die Beklagte zunächst noch nicht entschieden (vgl. Vermerk vom 23. Juli 2021 VV Bd. 1).

Die hiergegen am 30. August 2021 beim dem Sozialgericht Osnabrück erhobene Klage wies das Sozialgericht wie zuvor den Eilantrag S 10 R 236/22 ER (Beschluss des SG vom 9. September 2022, Beschluss L 9 R 274/22 B des LSG Niedersachsen-Bremen vom 21. Oktober 2022) mit Urteil vom 7. Februar 2023 ab. Die Klage sei teilweise unzulässig, soweit einzelne Klagegegenstände wie insbesondere die begehrte Kfz-Hilfe nicht bereits Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gewesen seien, und im Übrigen jedenfalls unbegründet. Der Kläger erfülle die persönlichen Voraussetzungen für LTA nicht, weil für ihn eine wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit ausgeschlossen sei. Es liege bereits eine dauerhafte volle Erwerbsminderung vor, und nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen sei eine wesentliche Verbesserung der medizinischen Situation nicht zu erwarten. Die Erlangung eines anderen Arbeitsplatzes sei nur bei teilweiser Erwerbsminderung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2. c) SGB VI relevant. Es sei nicht auch ersichtlich, dass LTA in Form der Kfz-Hilfe seine auf erheblichen psychischen Beschwerden beruhende Erwerbsminderung voraussichtlich wesentlich bessern, wiederherstellen oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden könnten (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 b SGB VI). In jedem Fall aber habe der Kläger das Renteneintrittsalter für eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen bereits erreicht, so dass eine Integration in den Arbeitsmarkt nicht mehr erforderlich sei. Auch im Übrigen würden Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 99 Abs. 1 SGB IX nicht in Betracht kommen. Denn für eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben an der Gesellschaft bedürfe der Kläger keiner Kfz-Hilfe, weil er mit dem öffentlichen Personennahverkehr hinreichend mobil sei und die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht aufgrund der Art und Schwere der Behinderung unzumutbar sei. Vielmehr sei nach dem Vortrag des Klägers der öffentliche Nahverkehr an seinem Wohnort unzureichend.

Gegen das dem Kläger am 14. Februar 2023 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers im Verfahren L 2 R 38/23 vom 21. Februar 2023, mit der er die Gewährung einer Kfz-Beihilfe in Höhe von 22.000 € begehrt.

Den weiteren Antrag des Klägers vom 29. März 2023 auf LTA in Form einer Kfz-Beihilfe lehnte die Beklagte mit Bescheid 6. April 2023 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2023 ab, weil die Erwerbsfähigkeit durch LTA nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne. Nach den ärztlichen Feststellungen sei davon auszugehen, dass der Kläger dauerhaft voll erwerbsgemindert sei und diese Minderung zur Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung geführt habe. Durch die Leistung würde der Rentenbezug nicht zumindest zum Teil entfallen. Des Weiteren setze Erwerbstätigkeit voraus, dass hieraus ein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen von mehr als 520 € erzielt werde. Eine möglichst dauerhafte Eingliederung in das Erwerbsleben werde daher mit der angestrebten geringfügigen Beschäftigung als Aushilfskraft in einem Restaurant nicht erzielt. Seine dagegen am 6. Juli 2023 bei dem Sozialgericht Osnabrück erhobene Klage begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass er beabsichtige, auch über den 31. Januar 2023 hinaus, dann in Vollzeit, abhängig beschäftigt zu bleiben und auch eine rechtsanwaltliche Tätigkeit eine Option sei. Er bat mit Schreiben vom 6. September 2023 (Bl. 11 GA I) um Aufschub „auf die lange Bank“, weil er zur Zeit noch keinen konkreten Arbeitsplatz nachweisen könne. Im Hinblick auf ein Ruhen des Verfahrens gab die Beklagte daraufhin mit Schreiben vom 24. Oktober 2023 (Bl. 18 GA) zu Bedenken, dass in absehbarer Zeit eine Umwandlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung in eine Regelaltersrente von Amts wegen zu erwarten sei. Das Sozialgericht wies mit Urteil vom 29. Januar 2024 auch diese Klage ab und verwies ergänzend auf den Leistungsausschluss nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI, wonach Leistungen zur Teilhabe nicht für Versicherte erbracht werden, die eine Rente wegen Alters von wenigstens zwei Dritteln der Vollrente beziehen oder beantragt haben, und dem Kläger mit Bescheid vom 18. Januar 2024 Regelaltersrente gewährt worden sei. Ferner sei der Kläger nicht zur Ausübung eines Beschäftigungsverhältnisses auf ein Kraftfahrzeug angewiesen (§ 3 Kraftfahrzeughilfe-Verordnung – KfzHV), da ein Beschäftigungsverhältnis nicht bestehe.

Zur Begründung seiner hiergegen am 21. Februar 2024 erhobenen Berufung L 2 R 48/24 macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass wegen der geringen Altersrente bei ihm Altersarmut vorliege und er erwerbstätig sein müsse.

Mit Beschluss vom 10. April 2024 hat der Senat die beiden Berufungsverfahren L 2 R 38/23 und L 2 R 48/24 zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung verbunden.

Der Kläger beantragt,

  1. das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 7. Februar 2023 und den Bescheid der Beklagten vom 13. April 2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2021 sowie das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 29. Januar 2024 und den Bescheid der Beklagten vom 6. April 2023 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2023 aufzuheben und
  2. die Beklagte zu verpflichten, ihm Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Kfz-Hilfe in Höhe von 22.000,00 € zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

              die Berufungen in beiden Verfahren zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten L 2 R 38/23, L 2 R 48/24 und S 10 R 236/22 ER sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Berufungen des Klägers sind nicht begründet.

Die angefochtenen Entscheidungen sind zu Recht ergangen. Das Sozialgericht hat die Klagen mit den angefochtenen Urteilen zutreffend abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrten LTA in Form der Gewährung einer Kfz-Beihilfe. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen des Sozialgerichts in den angefochtenen Urteilen vom 7. Februar 2023 (insbesondere S. 3 und 4) und 29. Januar 2024 (insbesondere S. 3) Bezug genommen, und der Senat sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Abgesehen von dem inzwischen eingetretenen Leistungsausschluss nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI für den seit Februar 2024 im Bezug einer Regelaltersrente stehenden Kläger liegen und lagen die Voraussetzungen für eine Kfz-Hilfe nicht vor. Für eine analoge Anwendung ist schon mangels Regelungslücke kein Raum. Der Gesetzgeber hat den Leistungsausschluss nicht von der betragsmäßigen Höhe der Altersrente abhängig gemacht, sondern der gesetzliche Leistungsausschluss besteht für Versicherte, die eine Rente wegen Alters von wenigstens zwei Dritteln der Vollrente beziehen oder beantragt haben. Daher ist es unerheblich, ob – wie der Kläger meint, seine Altersrente zu gering sei und er wegen Altersarmut erwerbstätig sein müsse. Entscheidend für den Leistungsausschluss ist insoweit allein, dass der Kläger seine Altersrente als Vollrente bezieht.

Zudem sind im Hinblick auf die erst noch beabsichtigte Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als niedergelassener Rechtsanwalt die Voraussetzungen für LTA nicht gegeben, weil insoweit schon eine konkrete möglichst dauerhafte Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nicht hinreichend dargetan wurde; einen konkreten Arbeitsplatz für die Kfz-Beihilfe gab und gibt es nach den Angaben des Klägers nicht.

Die begehrte Kfz-Beihilfe kommt schließlich auch als Leistung der Eingliederungshilfe (vgl. § 49 Abs. 1 und 3 Nrn. 1 und 7 und Abs. 8 Nr. 1 SGB IX i.V.m. der KfzHV) aus den zuvor genannten Gründen nicht in Betracht. Wie bereits das Sozialgericht hinreichend erläutert hat, ist außerdem schon nicht ersichtlich, dass dem Kläger wegen der Art und Schwere seiner Behinderung, also aus gesundheitlichen Gründen, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.

 

Rechtskraft
Aus
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