L 16 KR 181/24

Sozialgericht
SG Lüneburg (NSB)
1. Instanz
SG Lüneburg (NSB)
Aktenzeichen
S 16 KR 113/22
Datum
-
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 16 KR 181/24
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
 

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 19. März 2024 wird zurückgewiesen,

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Krankengeld sowie die Teilnahme am Wahltarif Krankengeld.

Die 1940 geborene Klägerin ist seit dem 4. Januar 2004 hauptberuflich selbstständiges Mitglied der Beklagten. Sie bezog seit dem 1. Mai 2000 Altersrente in Höhe von ca 900 Euro. Sie übte zudem eine selbstständige Tätigkeit als Geschäftsführerin einer Firma aus, aus der sie ein Einkommen in Höhe von 4.837,50 Euro erzielte. Dieses Einkommen legte die Beklagte auch der Bemessung der monatlichen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zugrunde. Ihre selbstständige Tätigkeit beendete die Klägerin zum 31. Dezember 2022.

Mit Bescheid vom 12. August 2021 erhielt die Klägerin den Einstufungsbescheid zur Kranken-und Pflegeversicherung ab dem 1. Januar 2021. Da ein Anspruch auf Krankengeld sowie die Teilnahme am Wahltarif nicht versichert waren, beantragte sie am 15. September 2021 entsprechende Leistungen ab dem 1. Oktober 2021. Mit Bescheid vom 20. September 2021 versicherte die Beklagte die Klägerin mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 28. September 2021 in der Fassung des Bescheides vom 6. April 2022 hob die Beklagte diesen Bescheid ab 1. Mai 2022 auf.

Dem Antrag der Klägerin auf Teilnahme am Wahltarif Krankengeld, der den Anspruch auf Krankengeld vom 15. bis zum 42. Tag der Arbeitsunfähigkeit absichert, gab die Beklagte mit Bescheid vom 20. September 2021 statt. Auch diesen Bescheid hob sie mit Bescheid vom 28. September 2021 auf.

Die fristgemäß erhobenen Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2022 zurück. Der Anspruch auf Krankengeld habe zum 30. April 2022 aufgehoben werden müssen gemäß § 45 Abs 1-2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), da die Klägerin anhand der beigefügten Informationen hätte erkennen müssen, dass ein Anspruch auf Krankengeld bei dem Bezug einer gesetzlichen Rente ausgeschlossen sei. Aus diesem Grund habe sie nicht auf den Bestand der Bewilligung vertrauen dürfen. Es sei eine Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Krankenkasse grundsätzlich höher zu bewerten sei, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung einer Rente vorliegen würden. Etwas Anderes ergäbe sich auch nicht daraus, dass die Klägerin ein monatliches Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze erziele, welches der Beitragsbemessung zugrunde liege und daher ein Anspruch auf Krankengeld im Krankheitsfall bestehe. § 50 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) solle den Doppelbezug von Leistungen, die dem gleichen Zweck - dem Ersatz von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen – dienten, verhindern. Der Wahltarif Krankengeld sei ausgeschlossen, da bereits bei vollendetem 55. Lebensjahr sowie bei Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Teilnahme ausgeschlossen sei. Auch dies hätte die Klägerin anhand der beigefügten Informationen erkennen müssen.

Die Klägerin hat dagegen Klage vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat die Auffassung vertreten, sehr wohl einen Anspruch auf die Gewährung von Krankengeld und die Teilnahme am Wahltarif Krankengeld zu haben. Der Beklagten sei das Geburtsjahr der Klägerin bekannt gewesen und auch die Tatsache, dass sich diese im Rentenbezug befunden habe. Gleichwohl seien entsprechende Bescheide ergangen. Zudem dürfte bereits dogmatisch ein Anspruch bestehen, da Krankengeld ein Entgeltersatz sei und die Klägerin weitaus höhere Einnahmen habe als die aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19. März 2024 abgewiesen, Die zulässige Klage sei nicht begründet. Zurecht habe die Beklagte mit Bescheid vom 28. September 2021 in Gestalt des Bescheides vom 6. April 2022 den Bescheid vom 20. September 2021 ab 1. Mai 2022 aufgehoben. Der Klägerin stehe ein Krankengeldanspruch ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu. Zudem habe sie die Teilnahme am Wahltarif Krankengeld rechtmäßig aufgehoben.

Das SG hat sich zunächst gemäß § 136 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2022 bezogen und ergänzend ausgeführt, dass die Beklagte ihre Entscheidung zutreffend auf § 45 Abs 1-2 SGB X gestützt habe und zu Recht davon ausgegangen sei, dass die Bescheide vom 20. September 2021 von Anfang an rechtswidrig gewesen seien. Nach § 50 SGB V ende ein Anspruch auf Krankengeld vom Beginn dieser Leistung an für Versicherte, die unter anderem eine Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Krankenversicherung bezögen. Nach Abs 1 sei, wenn ein Anspruch auf die genannten Rentenleistungen bestehe, ein gleichzeitiger Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen. Das gelte vor allem auch, wenn alle anspruchsbegründenden Voraussetzungen gegeben seien, also unabhängig davon, ob ein solcher Anspruch entstanden bzw fällig sei oder ob er sogar bereits gezahlt worden sei.  Das bedeute, dass ein Versicherter, solange er nur eine der in Abs 1 Nummer 1 bis 5 abschließend genannten, nicht analogiefähigen Leistungen beanspruchen könne und diese auch bewilligt seien, keinen Anspruch auf Krankengeld mehr habe. Soweit die Klägerin den Wahltarif Krankengeld beantragt habe, sei aus dem mit Schreiben vom 9. September 2021 übersandten Merkblatt hervorgegangen, dass bereits bei vollendetem 55. Lebensjahr sowie bei Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Teilnahme am Krankengeld ausgeschlossen sei.  Gehe die Beklagte somit zurecht davon aus, dass die aufgehobenen Bescheide rechtswidrig seien, habe sie zu Recht Vertrauensschutz hinsichtlich des Krankengeldbezuges bis zum 30. April 2022 angenommen. Arbeitsunfähigkeitszeiten bis zu diesem Zeitpunkt würden deshalb zur Gewährung von Krankengeld führen. Auch das im § 45 SGB X zu prüfende Ermessen sei von der Beklagten ausgeübt worden und Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Führe die Klägerin aus, dass aufgrund ihres hohen Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit, nach dem ihre Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung berechnet worden seien, hier möglicherweise eine andere Beurteilung in Betracht komme, habe die Kammer dem nicht zu folgen vermocht. Wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2022 ausgeführt habe, solle § 50 SGB V den Doppelbezug von Leistungen, die dem gleichen Zweck - dem Ersatz von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen - dienten, verhindern. Dass das Einkommen der Klägerin deutlich höher sei als die ihr gewährte Rente und somit aus ihrer Sicht zu einem ungerechten Ergebnis führe, sei angesichts der Formulierung des § 50 SGB V und seinem Sinn und Zweck hinzunehmen.

Gegen das am 10. April 2024 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. April 2024 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen erhoben.  Für die Einkommensverhältnisse der Klägerin sei ihr monatliches Einkommen als Geschäftsführerin in Höhe von ca 4.900,00 Euro monatlich prägend gewesen. Es müsse eine teleologische Reduktion des § 50 Abs 1 SGB V vorgenommen werden. Es dürfe der Klägerin nicht verwehrt werden, einen Wahltarif mit Anspruch auf Krankengeld abzuschließen aufgrund ihrer äußerst geringen und ihre Einkommensverhältnisse nicht prägenden Altersrente. Die gesetzliche Regelung führe in ihrem Einzelfall zu Ungerechtigkeiten. Wenn denn der Gesetzgeber diesen Einzelfall vor Augen gehabt hätte, so hätte er aufgrund der signifikanten Unverhältnismäßigkeit für diese Fallkonstellation im Gesetz einen Ausnahmetatbestand normieren müssen, da der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Gesetzgebung stets zu beachten sei. Die Grundsätze der teleologischen Reduktion dürften mithin ergeben, dass bei dem hier entscheidungserheblichen Sachverhalt ein Anspruch der Klägerin auf den Wahltarif Krankengeld bestehen dürfte.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 19. März 2024 und den Bescheid vom 28. September 2021 in Gestalt des Bescheides vom 6. April 2022 sowie den Bescheid vom 28. September 2021, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2022 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

       die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden.

Die Beteiligten sind mit Verfügung vom 27. Juni 2024 zu einer Entscheidung durch Beschluss angehört worden,

                                               Entscheidungsgründe

Der Senat konnte die Berufung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Nach dieser Vorschrift kann das Landessozialgericht, außer in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1 SGG, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das SG hat durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden. Die Beteiligten sind gemäß § 153 Abs 4 Satz 2 SGG angehört worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die gemäß §§ 143 f SGG form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die richtigen Rechtsgrundlagen herangezogen und den Sachverhalt zutreffend gewürdigt. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 50 Abs 1 Nr 1 SGB V schließt der Bezug einer Rente einen Anspruch auf Krankengeld aus. Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits mehrfach entschieden, dass es auf die Höhe der gewährten Leistung nicht ankommt (vgl BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 3 KR 15/18 R Rn 22 ff; BSG, Urteil vom 28. September 2010-B 1 KR 31/09 R, BSGE 106, 296 = SozR 4-2500 § 50 Nr 2 Rn 12 ff“). Das SG hat auch zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen des § 45 SGB X erfüllt waren. Im Übrigen wird auf die Ausführungen im Urteil des SG Bezug genommen, § 142 Abs 2 Satz 3 SGG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Es hat kein gesetzlicher Grund vorgelegen, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG). 

 

Rechtskraft
Aus
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