Der Bescheid der Beklagten vom 13.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 07.09.2017 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin mit einer Oberschenkelprothese links des Typs „Genium X3“ zu versorgen.
Die Beklagte erstattet die notwendigen außergerichtlichen Kosten
der Klägerin.
T a t b e s t a n d :
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Versorgung mit einer Beinprothese des Typs „Genium X3“.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Bei ihr besteht ein Zustand nach Unterschenkelverlust links im Jahr 1993 mit in den Jahren 2015 und 2016 erfolgten Nachamputationen. Sie war mit einer Oberschenkelprothese mit „C-Leg“-Kniegelenkspassteil versorgt.
Mit Schreiben vom 21.06.2016 beantragte das Sanitätshaus I. GmbH aus P. für die Klägerin unter Beifügung einer ärztlichen Verordnung vom 16.06.2016 und einem Kostenvoranschlag vom 21.06.2016 über 47.889,99 Euro bei der Beklagten eine Versorgung mit einer Beinprothese des Typs „Genium X3“. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe das Gelenk im Alltag testen können und komme damit wesentlich besser zurecht und fühle sich sicherer.
Die Beklagte holte im Verfahren eine ärztliche und eine orthopädietechnische gutachliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) jeweils vom 00.00.0000 ein. Darin ist ausgeführt, es sollte primär für die bestehende Versorgung ein passgerechter Schaft gefertigt werden. Anschließend sei eine vollstationäre Rehabilitation zu prüfen.
Die Klägerin legte die Neuversorgung befürwortende Stellungnahmen ihres behandelnden Arztes und ihres Physiotherapeuten vor und führte aus, für ihre Lebensqualität sei die Versorgung mit dem „Genium X3“ von großer Bedeutung. Der Unterschied zur bisherigen Versorgung sei riesig. Die begehrte Prothese sei bequemer, sie könne besser gehen und habe weniger Schmerzen, Hindernisse und längere Wege könne sie leichter bewältigen.
Nach einer von der Klägerin durchlaufenen Rehabilitationsmaßnahme bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 06.12.2016 aufgrund einer entsprechenden weiteren Stellungnahme des MDK vom 28.11.2016 eine Erprobung der Beinprothese des Typs „Genium X3“. In einer weiteren ärztlichen und einer weiteren orthopädietechnischen Stellungnahme des MDK im März 2017 wurde ausgeführt, die Klägerin könne die möglichen Gebrauchsvorteile eines Genium-Kniepassteils nicht ausreichend nutzen. Bei komplexeren Bewegungen hätten sich wiederholt deutliche Unsicherheiten gezeigt. Das Gangbild sei nur imaginär verbessert.
Mit Bescheid vom 13.03.2017 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag der Klägerin unter Verweis auf die Ausführungen des MDK ab. Den hiergegen von der Klägerin unter Verweis auf Vorteile des „Genium X3“ gegenüber dem „C-Leg“ erhobenen Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des MDK mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2017 zurück.
Zur Begründung ihrer hiergegen am 13.09.2017 erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, sie könne nicht auf das vorhandene „C-Leg“ verwiesen werden. Dieses sei in den 90er-Jahren entwickelt worden und stelle nicht mehr den aktuellen Stand der Technik dar. Dieser werde vielmehr durch das Kniegelenk „Genium X3“ abgebildet, welches weitreichende Gebrauchsvorteile habe, insbesondere im Rahmen der Gangsicherheit und Standsicherung insbesondere auf unebenen Untergründen. Außerdem sei das „Genium X3“ komplett wasserfest, so dass u.a. ein Wechsel von einer Alltagsprothese zur wasserfesten Prothese überflüssig werde. Dies sei wichtig, da sie damit als alleinerziehende Mutter mit ihrer kleinen Tochter ein Schwimmbad besuchen könne.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie mit einer Oberschenkelprothese des Typs „Genium X3“ zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das Gericht ein Sachverständigengutachten des Orthopädietechnikermeisters E. vom 13.04.2018 nebst ergänzender Stellungnahme vom 19.10.2018 eingeholt. Dieser hat die vorhandene Versorgung mit dem „C-Leg“ als nicht ausreichend bezeichnet. Damit werde die Klägerin nicht mobilisiert, sondern vielmehr erheblich behindert. Das „Genium X3“ entspreche dem aktuellsten Stand der Technik. Im Falle der Klägerin würden damit diverse Verbesserungen erzielt. Die Klägerin könne alle Gebrauchsvorteile nutzen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb, wie in der Vergangenheit, der nachweislich nicht funktionierende Zustand der Versorgung mit dem „C-Leg“ erneut und erneut probiert werden solle.
Nach Einholung einer weiteren ärztlichen Stellungnahme des MDK vom 07.06.2018 hat die Beklagte die Klägerin mit einem neuen Schaft für das „C-Leg“ versorgt und mitgeteilt, die Klägerin habe sich hierüber jedenfalls nicht negativ geäußert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorganges der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat Anspruch auf Versorgung mit einer Beinprothese des Typs „Genium X3“ durch die Beklagte.
Rechtsgrundlage des Leistungsanspruchs ist § 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie erstens nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs. 4 SGB V aus der Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen und zweitens im Einzelfall erforderlich sind, um entweder den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Wie in allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der gesetzlichen Krankenversicherung auch, müssen die Leistungen nach § 33 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (sog. Wirtschaftlichkeitsgebot, § 2 Abs. 4 und § 12 Abs. 1 SGB V).
Die Versorgung der Klägerin mit einer Beinprothese des Typs „Genium X3“ ist zum Behinderungsausgleich erforderlich und auch individuell geeignet.
Im Bereich des hier betroffenen unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Im Vordergrund steht dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion – hier das Gehen – selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), weil die Erhaltung beziehungsweise Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 06.09.2004, Az. B 3 KR 20/04 R). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung ist eine kostenaufwändige Versorgung, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Das gilt bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich insbesondere durch Prothesen für grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile bietet (BSG, Urteile vom 06.06.2002, Az. B 3 KR 68/01 R, vom 06.09.2004 a.a.O. und vom 24.01.2013, Az. B 3 KR 5/12 R). Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels oder lediglich ästhetische Vorteile bieten. Desgleichen kann eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen – nur am Rand des Alltagslebens – zum Tragen kommen oder einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (vgl. zum Vorstehenden insgesamt Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 09.11.2017, Az. L 1 KR 211/15).
Die Versorgung mit einer Beinprothese des Typs „Genium X3“ kann die Klägerin vorliegend beanspruchen, da sie im Alltagsleben durch diese Versorgung im Verhältnis zur Versorgung mit dem „C-Leg“ deutliche Gebrauchsvorteile hat, die sie nach ihren körperlichen und geistigen Voraussetzungen und nach ihrer individuellen Lebensgestaltung auch nutzen kann.
Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen E. fest. Der Sachverständige ist aufgrund eingehender Untersuchung und sorgfältiger Befunderhebung sowie unter Berücksichtigung der übrigen vorliegenden Unterlagen zu der von ihm vorgenommenen Beurteilung gelangt. Anhaltspunkte für eine unvollständige Erhebung der vorhandenen Unterlagen oder eine unzutreffende Beurteilung sind nicht ersichtlich. Die Ausführungen des Sachverständigen sind schlüssig, in sich widerspruchsfrei und überzeugend begründet. Ausführlich und für die Kammer nachvollziehbar führt der Sachverständige aus, dass durch das „Genium X3“ im Fall der Klägerin diverse Verbesserungen erzielt werden könnten. Durch den funktionellen Aufbau im Gelenkkorpus werde ein schnellerer Bodenkontakt erreicht und die Schwungphase besser eingeleitet. Daraus resultiere beim Gehen eine deutliche Energieersparnis technischer und physischer Art. Durch eine intuitive Stehfunktion werde die kontralaterale Seite (Gegenseite) entspannt und entlastet. Dies sei insbesondere bemerkbar bei dauerhaftem Stehen wie z.B. bei Küchenarbeit, beim Bügeln und beim Warten an Haltestellen oder Kassen. Das „Genium X3“ habe fünf Modi für die individuell einstellbaren Aktivitäten wie Fahrradfahren, Inlineskaten, Tischtennisspiel, Tanzen etc., das „C-Leg“ demgegenüber nur zwei solcher Modi. Außerdem ermögliche das „Genium X3“ alternierendes Treppauf- und Treppabgehen. Dadurch werde die Gegenseite massiv entlastet. Diese Funktion bringe insbesondere bei langen Oberschenkelstümpfen wie dem der Klägerin erhebliche Vorteile. Schließlich ermögliche die Wasserfestigkeit eine Nutzung im Schwimmbad und unter der Dusche. Die Klägerin werde alle Gebrauchsvorteile des „Genium X3“ nutzen können.
Handelt es sich aber im vorliegenden Fall gerade um, wie oben ausführlich dargestellt, technische Verbesserungen des Hilfsmittels bei einem unmittelbaren Behinderungsausgleich, die zu wesentlichen Gebrauchsvorteilen führen, geht die Ausffassung der Beklagten, es seien wiederum weitere Anpassungen des „C-Leg“ durchzuführen, fehl.
Aus der Wasserfestigkeit des „Genium X3“ ergibt sich schließlich keine Überversorgung. Bei einer Beinprothese geht es um das Grundbedürfnis auf möglichst sicheres, gefahrloses Gehen und Stehen, wie es bei nicht behinderten Menschen durch die Funktion der Beine gewährleistet ist. Diese Funktion muss in möglichst weitgehender Weise ausgeglichen werden. Eine wasserfeste Prothese ermöglicht im heimischen Nassbereich sowie im Schwimmbad ein sicheres Gehen und Stehen. Im häuslichen Bereich in Bad und Dusche muss sich ein Versicherter nicht auf Badewannenlifter, Duschhocker, Unterarmgehstützen und rutschfeste Matten verweisen lassen. Der unmittelbare Behinderungsausgleich durch ein Körperersatzstück hat Vorrang gegenüber einem nur mittelbaren Ausgleich. Die genannten weiteren Hilfsmittel sind, soweit erforderlich, nur ergänzend zur Verfügung zu stellen, soweit es sich nicht - wie die rutschfesten Matten - um allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens handelt (BSG, Urteil vom 25.06.2009, Az. B 3 KR 2/08 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.