Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.09.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2022 verurteilt, bei dem Kläger aufgrund des Antrags vom 20.04.2021 einen GdB von 80 festzustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu Recht die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) abgelehnt hat.
Der Beklagte hatte bei dem am 00.00.0000 geborenen Kläger mit Bescheid vom 04.12.2020 einen Grad der Behinderung - GdB - von 70 wegen einer Funktionseinschränkung der Hüftgelenke bei Totalendoprothesen beiderseits, einer Hörminderung und Ohrgeräuschen, Hirnleistungsstörungen, Konzentrationsstörungen, Hirndurchblutungsstörungen, Gleichgewichtsstörungen, einer Funktionseinschränkung der Wirbelsäule, Schluckstörungen, eines operativ behandelten Zenker-Divertikel, peripheren Nervenstörungen, einer Funktionsstörung der Schultergelenke und einem Herzschrittmacher bei Herzklappenfehler festgestellt. Ferner hatte er das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G festgestellt.
Mit Änderungsantrag vom 20.04.2021 machte der Kläger die Zuerkennung des Merkzeichens aG geltend und legte hierzu Berichte des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. T. vom 03.03.2021, 01.05.2021 und 07.05.2021, des Evangelischen Klinikums R. vom 27.04.2021 und des MVZ N., Bereich Neurochirurgie, vom 09.06.2021 vor.
Der Beklagte zog im Rahmen seiner medizinischen Ermittlungen Befundberichte von den behandelnden Ärzten Dr. K. (Arzt für Orthopädie) vom 18.05.2021 und Dr. F. vom 15.07.2021 sowie einen Bericht der Neuroradiologie des Evangelischen Klinikums R. vom 27.07.2021 bei. Diese medizinischen Unterlagen ließ er durch seinen ärztlichen Dienst auswerten, der im Rahmen seiner Stellungnahme vom 24.08.2021 zu der Einschätzung gelangte, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens aG nicht vorliegen würden, da ein dauerhaft behinderungsbedingtes Angewiesensein auf einen Rollstuhl, auch für sehr kurze Entfernungen, nicht vorliege. Dabei wurden unter anderem die Funktionseinschränkung der Hüftgelenke bei Totalendoprothesen-Versorgung beiderseits mit einem Einzel-GdB von 40, die Funktionseinschränkung der Wirbelsäule mit Gangstörung mit einem Einzel-GdB von 20, die peripheren Nervenstörungen mit einem Einzel-GdB von 20 und der Herzschrittmacher bei Herzklappenfehler mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet
Mit Bescheid vom 09.09.2021 lehnte der Beklagte die Feststellung eines höheren GdB als 70 sowie die Zuerkennung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG ab. Zur Begründung führte er aus, dass eine Veränderung des Gesundheitszustandes nicht festzustellen sei. Eine außergewöhnliche Gehbehinderung liege vor, wenn Menschen sich dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb eines Kraftfahrzeugs bewegen können. Die Teilhabebeeinträchtigung, die die Gehfähigkeit in diesem Ausmaß einschränke, müsse einen GdB von mindestens 80 bedingen. Zu den außergewöhnlich Gehbehinderten würden z.B. Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, die nicht prothetisch oder orthetisch versorgt werden können, oder Menschen mit schwerster Einschränkung der Herzleistungsfähigkeit oder der Lungenfunktion oder Menschen, deren Gehfähigkeit aufgrund anderer Leiden ebenso stark eingeschränkt ist, zählen.
Hiergegen erhob der Kläger am 21.09.2021 Klage, die sodann seitens des Beklagten im Zusammenhang mit seinem Schreiben vom 17.09.2021, bei dem Beklagten eingegangen am 20.09.2021, als Widerspruch gegen den Bescheid vom 09.09.2021 ausgelegt und entsprechend als Vorverfahren bearbeitet wurde.
Zur Begründung führte der Kläger aus, dass zu seinem persönlichen Nachteil ein unabhängiger und neutraler medizinischer Gutachter zur Überprüfung seiner erheblichen körperlichen Einschränkungen und Schmerzen nicht beauftragt worden sei. Er selbst könne keinen Schritt mehr schmerzfrei gehen. Er müsse in seinem Schwerbehindertenausweis unbedingt eingetragen bekommen, dass er mit seinem Fahrzeug auf einem Schwerbehindertenparkplatz parken dürfe. Er sei auf sein Fahrzeug angewiesen, damit er die ihn behandelnden Ärzte in der Stadt erreichen könne.
Zur Stützung seines Vorbringens legte er einen weiteren Bericht des Evangelischen Klinikums R. – Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie – vom 10.12.2021 vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2022 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und begründete diese Entscheidung damit, dass die vorliegenden Befunde das von ihm gewünschte Merkzeichen nicht rechtfertigen würden. Auch aus dem letzten aktenkundigen Befundbericht des Evangelischen Klinikums R. vom 10.12.2021 lasse sich eine außergewöhnliche Gehbehinderung nicht ableiten. Es bestünde zwar der Verdacht auf eine schmerzhafte Lockerung der Hüftprothesen beiderseits, aber die Lockerungen könnten durch entsprechende medizinische Maßnahmen behandelt werden. Das Gangbild werde als unsicher und schmerzbedingt hinkend beschrieben, die Gehfähigkeit sei aber nicht weitestgehend aufgehoben. Die alleinige Benutzung eines Rollators reiche für die Gewährung des Merkzeichens aG nicht aus. Ebenso stünde das Merkzeichen aG nicht zu, wenn wegen des engen Parkraums auf Normalparkplätzen Probleme beim Ein- und Aussteigen bestehen.
Im Rahmen der Fortführung des Klageverfahrens hat der Kläger sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, dass es ihm nicht mehr möglich sei, nur noch einen einzigen Schritt schmerzfrei zu machen. Seit Anfang November 2021 könne er nicht mehr Radfahren. Seit Dezember 2022 könne er nicht mehr täglich zum Schwimmen gehen. Er mache deshalb nur noch fast jeden Tag spezielle Gymnastikübungen, gehe dreimal wöchentlich in ein Fitnessstudio und fahre ca. vier bis fünfmal wöchentlich 40 Minuten auf einem Ergometer.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 09.09.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2022 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, aufgrund des Antrags vom 20.04.2021 die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist weiterhin der Auffassung, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG nicht rechtfertigen.
Das Gericht hat von Amts wegen den Sachverhalt medizinisch ermittelt durch Einholung eines fachinternistischen Zusatzgutachtens von dem Sachverständigen Dr. Z. vom 06.08.2022, eines HNO-ärztlichen Zusatzgutachtens von dem Sachverständigen
Dr. P. vom 20.09.2022, eines nervenärztlichen Zusatzgutachtens von dem Sachverständigen O. vom 29.11.2022 und eines fachorthopädischen Hauptgutachtens von dem Sachverständigen Dr. V. vom 07.12.2022.
Im Hinblick auf das Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme wird auf Blatt 98 ff., Blatt.130 ff., Blatt 161 ff., Blatt 176 ff. und Blatt 87 ff. der Gerichtsakten Bezug genommen.
Das Regelungsangebot des Beklagten vom 06.03.2023, für die Zeit ab 20.04.2021 einen GdB von 80 festzustellen, hat der Kläger mit der Begründung, ihm gehe es ausschließlich um die Zuerkennung des Merkzeichens aG, nicht angenommen.
Der Kläger hat dem Gericht im weiteren Verfahren einen radiologischen Bericht der Praxis C. vom 03.05.2023 vorgelegt.
Das Gericht hat einen Bericht der Klinik für Innere Medizin und Kardiologie des Evangelischen Klinikums R. vom 09.08.2023 beigezogen.
Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Der Kläger hat zwar zunächst ohne Durchführung des gemäß § 78 Absatz 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG- für die hier statthafte Klageart der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erforderlichen Vorverfahrens die Klage bereits am 21.09.2021 erhoben, so dass die Klage zum Zeitpunkt ihrer Erhebung unzulässig war. Aufgrund des während der Rechtshängigkeit durchgeführten Vorverfahrens und mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2022 ist die Klage jedoch zulässig geworden.
Die Klage ist teilweise begründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 09.09.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2022 nur insoweit im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG - beschwert, als der Beklagte zunächst keinen höheren GdB als 70 festgestellt hat. Denn bei dem Kläger war aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen ein GdB von 80 festzustellen.
Rechtsgrundlage für die Feststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches -SGB X-. Danach können Verwaltungsakte mit Dauerwirkung insoweit für die Zukunft geändert werden, als in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei ihrem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Die materiellen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen hinsichtlich der Feststellung, dass nunmehr ein GdB von 80 vorliegt vor. Denn insoweit liegt eine entscheidungserhebliche, wesentliche Änderung des Sachverhalts vor.
Rechtsgrundlage für die Feststellung eines höheren GdB sind nunmehr §§ 2 und 152 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches -SGB IX- in der zum 01. Januar 2018 in Kraft getretenen Neufassung durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG -, Bundesgesetzblatt I 2016, 3234 ff.).
Hiernach stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (Abs. 1 Satz 1). Als GdB werden dabei die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach 10er- Graden abgestuft festgestellt. Grundlage der Bewertung waren dabei bis zum 31. Dezember 2008 die aus den Erfahrungen der Versorgungsverwaltung und den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft gewonnenen Tabellenwerte der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP). Dieses Bewertungssystem ist zum 01. Januar 2009 ohne wesentliche inhaltliche Änderungen abgelöst worden durch die aufgrund des § 30 Abs. 17 (bzw. Abs. 16) BVG erlassene und zwischenzeitlich mehrfach geänderte Rechtsverordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung -VersMedV-) vom 10. Dezember 2008 (Bundesgesetzblatt I 2412).
Die darin niedergelegten Maßstäbe waren nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX (in der bis zum 14. Januar 2015 gültigen Fassung) auf die Feststellung des GdB entsprechend anzuwenden. Seit dem 15. Januar 2015 existiert im Schwerbehindertenrecht eine eigenständige Rechtsgrundlage für den Erlass einer Rechtsverordnung, in der die Grundsätze für die medizinische Bewertung des GdB und auch für die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen aufgestellt werden (§ 70 Abs. 2 SGB IX in der seit dem 15. Januar 2015 gültigen Fassung bzw. § 153 Abs. 2 SGB IX in der seit dem 01. Januar 2018 gültigen Fassung). Hierzu sieht der zeitgleich in Kraft getretene § 159 Abs. 7 SGB IX (nunmehr § 251 Abs. 5 SGB IX n.F.) als Übergangsregelung vor, dass bis zum Erlass einer solchen Verordnung die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten.
Als Anlage zu § 2 VersMedV sind - versorgungsmedizinische Grundsätze - (VMG) erlassen worden, in denen u.a. die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden sind. Diese sind auch für die Feststellung des GdB maßgebend (vgl. Teil A Nr. 2a VMG). Die AHP und die zum 01. Januar 2009 in Kraft getretene VMG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG-, vgl. z.B. Urteil vom 16.12.2014, Az.: B 9 SB 2/13 R).
Gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeiten oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt sind. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann in den VMG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist – in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB (vgl. Teil A Nr. 3c VMG) - in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken, sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen). Außerdem sind bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in den VMG feste Grade angegeben sind (Teil A Nr. 3b VMG). Hierbei führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung und auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3d ee VMG; vgl. zum Vorstehenden auch: BSG, Urteil vom 17.04.2013, Az.: B 9 SB 3/12 R).
Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Vorgaben hat der Beklagte die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers insoweit unzutreffend bewertet, als er lediglich einen GdB von 70 festgestellt hat.
Denn nach dem Ergebnis der von Amts wegen eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten ist die bei dem Kläger vorliegende Hörminderung beiderseits mit einem Einzel-GdB von 40 zu berücksichtigen. Zusätzlich haben die Sachverständigen abweichend von den Feststellungen des Beklagten eine Funktionsstörung der Hände bei Fingerpolyarthrose beiderseits, bewertet mit einem Einzel-GdB von 10, und eine Nierenfunktionseinschränkung leichten Grades, bewertet mit einem Einzel-GdB von 20, festgestellt. Unter Einbeziehung der weiteren Gesundheitsstörungen des Klägers hat der Hauptgutachter Dr. V. nachvollziehbar die Feststellung eines Gesamt-GdB von 80 vorgeschlagen.
Die Kammer hält die Einschätzung der Sachverständigen für überzeugend, weil sie diese aufgrund einer ausführlichen Anamnese sowie auf eingehende und sorgfältige ambulante Untersuchungen stützen. Die Sachverständigen orientieren ihre Beurteilung an anerkannten Wertungsmaßstaben, ihre Ausführungen sind in sich schlüssig und frei von Widersprüchen, Unrichtigkeiten oder Fehlschlüsse lassen sich nicht erkennen.
Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme rechtfertigen die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen die Feststellung eines GdB von 80.
Es liegen jedoch nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen des von dem Kläger begehrten Merkzeichens aG vor. Insoweit ist die Klage nicht begründet.
Gesetzliche Grundlage hierfür ist § 229 Absatz 3 SGB IX. Danach kommt die Anerkennung des Nachteilsausgleiches aG nur dann in Betracht, wenn die mobilitätsbezogene Behinderung (Teilhabebeeinträchtigung) erheblich ist und einem GdB von 80 entspricht. Danach müssen die die Gehfähigkeit beeinträchtigenden Behinderungen für sich (d. h. als einzelne Behinderung oder in der Gesamtheit der die Gehfähigkeit beeinträchtigenden Behinderungen) ein GdB von 80 hervorrufen. Wird dieser GdB nicht erreicht, kommt es auf das Ausmaß der faktischen Einschränkung des Gehvermögens nicht mehr an.
Eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung liegt nach § 229 Absatz 3 Satz 2 SGB IX vor, wenn sich die schwerbehinderten Menschen wegen der Schwere ihrer Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen insbesondere schwerbehinderte Menschen, die aufgrund der Beeinträchtigung der Gehfähigkeit und Fortbewegung – dauerhaft auch für sehr kurze Entfernungen – aus medizinischer Notwendigkeit auf die Verwendung eines Rollstuhls angewiesen sind. Verschiedenste Gesundheitsstörungen (insbesondere Störungen bewegungsbezogener, neuromuskulärer oder mentaler Funktionen, Störungen des kardiovaskulären oder Atmungssystems) können die Gehfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Diese sind als außergewöhnliche Gehbehinderung anzusehen, wenn nach versorgungsärztlicher Feststellung die Auswirkung der Gesundheitsstörungen sowie deren Kombination auf die Gehfähigkeit dauerhaft so schwer ist, dass sie der unter Satz 1 genannten Beeinträchtigung gleichkommt.
Nach den bisherigen medizinischen Ermittlungen des Beklagten und den von Amts wegen erfolgten Ermittlungen des Gerichts ergeben sich aufgrund des Ergebnisses der Beweiserhebung durch Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte des Klägers und von Sachverständigengutachten keine Anhaltspunkte für die Feststellung eines GdB von 80 für die hier vorliegenden mobilitätsbezogenen Beeinträchtigungen und somit für das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG.
Der Sachverständige Dr. Z. hat in seinem Gutachten vom 06.08.2022 auf fachinternistischem Gebiet eine Nierenfunktionseinschränkung leichten Grades festgestellt und bewertet diese Einschränkung mit einem Einzel-GdB von 20. Im Übrigen bestätigt er die auf internistischem Gebiet bereits festgestellten Diagnosen bezüglich der Herz- und Kreislauffunktionsstörung und die entsprechende GdB-Bewertung des Beklagten. Eine Einschränkung der Gehfähigkeit hat er auf seinem Fachgebiet nicht feststellen können.
Im Hinblick auf den Befundbericht des Evangelischen Klinikums R. vom 09.08.2023 ergeben sich keine abweichenden Gesichtspunkte auf kardiologischem Gebiet, denn im Rahmen einer ambulanten Kontrolle des Herzschrittmachers am 19.07.2023 wurde eine einwandfreie Funktion des Systems festgestellt und es hat sich eine normale Leistung des linken und rechten Herzens im Rahmen der Echokardiografie gezeigt. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Undichtigkeit der Aortenklappe nur leichtgradig sei.
Eine wesentliche Leistungsbeeinträchtigung auf kardiologischen Gebiet wurde nicht festgestellt.
Ausweislich des HNO-ärztlichen Zusatzgutachtens des Sachverständigen Dr. P. vom 20.09.2022 stellt dieser eine Verschlechterung der Hörminderung fest und bewertet diese nun mit einem Einzel-GdB von 40, wobei er hierzu ausführt, dass die Befunde einer rechts mittel- bis hochgradige und links an Taubheit grenzende, kombinierter Schallleitungs- und Schallempfindlichkeitsschwerhörigkeit vorliege. Im Hinblick auf die Schluckstörungen bestätigt er den bereits seitens des Beklagten festgestellten Einzel-GdB von 20.
Der Sachverständige O. stellt in seinem nervenärztlichem Zusatzgutachten vom 29.11.2022 eine Gang-und Standunsicherheit bei Beinnervenschädigung/Polyneuropathie sowie Durchblutungsstörungen fest. Er weist aber nachvollziehbar darauf hin, dass der Kläger auch ohne orthopädische Hilfsmittel nicht praktisch vom ersten Schritt außerhalb des Kraftfahrzeugs an nur mit fremder Hilfe oder großer Anstrengung gehen kann. Im Rahmen der 6 Minuten-Geh-Testung sei der Kläger in der Lage gewesen, in dieser Zeit ohne Gehilfen eine Wegstrecke von 199 m ohne Pausen zu bewältigen. Der Kläger sei auch aufgrund der Beeinträchtigung der Gehfähigkeit nicht dauerhaft, auch für sehr kurze Entfernungen, aus medizinischer Notwendigkeit auf die Verwendung eines Rollstuhls angewiesen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist der Kläger zum Untersuchungstermin allein mit dem Pkw gekommen. Er hatte keine Gehilfen dabei und kam im Konfektionsschuhwerk mit Einlagen. Nach den eigenen Beschreibungen des Klägers treibt er regelmäßig Sport in einem Fitnessstudio und macht täglich Gymnastikübungen. Ferner erreicht er im häuslichen Bereich das Schlafzimmer im Obergeschoss.
Die Gang- und Standunsicherheit bei Beinnervenschädigung/Polyneuropathie sowie Hirndurchblutungsstörungen/Mikroangiopathie schätzt der Sachverständige überzeugend mit einem Einzel-GdB von 20 ein.
Im Vordergrund des Beschwerdebildes des Klägers stehen die orthopädischen Beeinträchtigungen. Der Sachverständige Dr. V. hat in seinem fachorthopädischen Hauptgutachten vom 07.12.2022 unter Auswertung der vorliegenden medizinischen Befunde und aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers festgestellt, dass die Gehfähigkeit durch die Funktionseinschränkung der Hüftgelenke, der Wirbelsäule und der Füße sowie aufgrund der Gang- und Standunsicherheit eingeschränkt ist, wobei er die Funktionseinschränkung der Hüftgelenke mit einem Einzel-GdB von 40, die Funktionseinschränkung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 20 und die Funktionseinschränkungen der Füße mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet.
Auch diese Sachverständige beschreibt, dass der Kläger allein mit dem Pkw zur Untersuchung gekommen ist, er habe im nahegelegenen Parkhaus geparkt und von dort bis zum Untersuchungsinstitut einen Fußweg von 200 m zurückgelegt. Insgesamt gelangt er zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, dass die mobilitätsbezogenen Einschränkungen, einschließlich der festgestellten Gang- und Standunsicherheit, insgesamt einen Gesamtgrad der Behinderung von 50 ausmachen. Zu der Gesamt-GdB-Bewertung gelangt er zu dem Ergebnis dass ein Gesamt GdB von 80 zugrunde zu legen sei.
Im Hinblick auf den Bericht über die radiologische Untersuchung bei der Praxis C. vom 03.05.2023 ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine wesentlicher Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers, denn insoweit ist ein Bandscheibenvorfall nicht festgestellt worden. Anhaltspunkte für eine relevante Einschränkung der Gehfähigkeit ergeben sich hieraus ebenfalls nicht.
Die Kammer hat keine Bedenken, sich den vorgenannten Ausführungen der Sachverständigen vollumfänglich anzuschließen. Aus den dort vorgetragenen Gründen ist davon auszugehen, dass die mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigungen nicht einen GdB von mindesten 80 erreichen und somit auch nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG erfüllt sind.
Unter Gesamtwürdigung des Ergebnisses der medizinischen Beweisaufnahme und den Grundsätzen der Versorgungsmedizin-Verordnung ist damit die in dem angefochtenen Bescheid erfolgte Feststellung des Beklagten insoweit rechtmäßig erfolgt, als dieser das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG abgelehnt hat.
Der Klage konnte daher nur teilweise stattgegeben werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Zu berücksichtigen war dabei, dass der Kläger mit seiner Klage ausschließlich die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG verfolgt hat, auch wenn ein höherer GdB aufgrund des Ergebnisses der medizinischen Beweisaufnahme festzustellen war. Mit diesem Klagebegehren ist der Kläger nicht erfolgreich durchgedrungen.