L 2 SO 1989/25 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 1267/25 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 1989/25 ER-B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. Juni 2025 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.



Gründe


I.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Reutlingen vom 10.06.2025 hat keinen Erfolg. Mit diesem Beschluss hat das SG den Antrag der Antragstellerin, den Antragsgegner zu verpflichten, vorläufig doppelte Unterkunftskosten zu übernehmen und eine Erstausstattung für Bekleidung zu gewähren, als unzulässig abgelehnt, da die Antragstellerin vor Anrufung des Gerichts keine konkreten Anträge auf Übernahme von Kosten einer Ersatzunterbringung und Bekleidungserstausstattung gestellt habe. Im Übrigen fehle es auch am Vorliegen eines Anordnungsgrundes.

Die 1959 geborene Antragstellerin beantragte, nachdem sie zuvor Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Jobcenter Z1kreis bezogen hatte, nach Erreichen der Regelaltersgrenze beim Antragsgegner die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Mit Bescheid vom 24.03.2025 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin ab 01.04.2025 bis 30.09.2025 Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 925,95 Euro unter Berücksichtigung des maßgeblichen Regelsatzes, des Mehrbedarfs für Warmwasserbereitung sowie der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung. Seit 15.05.2023 lebt die Antragstellerin in einer von ihr angemieteten 19 qm großen 1-Zimmer-Wohung in J1, B1straße, für die monatliche Mietkosten in Höhe von 350,00 Euro anfallen (vgl. Mietvertrag vom 06.05.2023). Nachdem der Antragstellerin eine Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund in Höhe von 311,06 Euro bewilligt worden war, wird diese bei der Leistungsbewilligung seit 01.06.2025 als einzusetzendes Einkommen angerechnet (vgl. Bescheid vom 19.05.2025). Am 22.05.2025 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit, dass ihre Wohnung aufgrund eines Wasserschadens nicht bewohnbar sei. Den Rat des Antragsgegners, bei der Caritas, bei der Wohnortgemeinde oder der Stadt B2 für eine Notunterkunft vorzusprechen, lehnte sie ab. Am 30.05.2025 rief sie erneut wegen der Wohnsituation beim Antragsgegner an, woraufhin dieser sie erneut an die Wohnortgemeinde verwies.

Bereits am 27.05.2025 hat die Antragstellerin beim SG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Übernahme doppelter Mietzahlungen für die Unterbringung in einem Hotel und eine Erstausstattung für Bekleidung gestellt. Sie könne nicht in ihre Wohnung zurück und das vom Vermieter angebotene Ersatzzimmer sei unzumutbar. Die Antragstellerin hat mit ihrem Antrag Rechnungen verschiedener Jugendherbergen und Pensionen vorgelegt, die allesamt bereits bezahlt waren.
Mit Bescheid vom 27.06.2025 hat der Antragsgegner die Bescheide vom 24.03.2025 und 19.05.2025 aufgehoben, da bekannt geworden sei, dass die Antragstellerin sich nun (dauerhaft) in F1/O1 aufhalte.

Auf Nachfrage des Antragsgegners hat der Vermieter der Antragstellerin mitgeteilt, dass es tatsächlich zu einem Wasserschaden in der Wohnung der Antragstellerin gekommen sei, inzwischen sei die Wohnung aber wieder bewohnbar und müsse noch gereinigt und geringfügig renoviert werden. Er erreiche die Antragstellerin jedoch nicht, deren Eigentum sich noch in der ungekündigten Wohnung befinde.

Aus einem Telefonvermerk des Antragsgegners ergibt sich zudem, dass die Antragstellerin inzwischen beim Amt für Jugend und Soziales der Stadt F1/ O1 Grundsicherungsleistungen beantragt hat und möglicherweise von diesem (vermutlich ab Juli 2025) Leistungen erhält.

Nachdem die Antragstellerin in ihrer Beschwerdeschrift angegeben hat, dass sie unter der Adresse in J1 nicht erreichbar sei, hat sie auf telefonische Nachfrage des Senats mitgeteilt, dass sie sich derzeit in F1/ O1 in der im Rubrum aufgeführten Pension aufhalte und nicht wisse, ob und wenn ja, wann sie in ihre alte Wohnung zurückkehre. Post solle an diese Anschrift versandt werden.

II.
Die am 17.06.2025 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingegangene Beschwerde gegen den Beschluss vom 10.06.2025 ist gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und nach § 173 SGG insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Ein Anordnungsgrund ist dann gegeben, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Dies ist der Fall, wenn es dem Antragssteller nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in Meyer-Ladewig/Keller /Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Auflage 2023, § 86b Rn. 28). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage aufgrund einer summarischen Prüfung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 02.05.2005 -1 BvR 569/05 -, BVerfGE 5, 237, 242). Allerdings sind die an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (BVerfG, Beschluss vom 14.03.2019 - 1 BvR 169/19 - juris Rn. 15; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.10.2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 06.09.2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - <beide juris> jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).

Der angefochtene Beschluss des SG Reutlingen vom 10.06.2025 ist nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin hat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keinen Anspruch auf Übernahme der doppelten Unterkunftskosten (Kosten für Pensionen/Jugendherbergen) sowie eine Erstausstattung für Bekleidung im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII gegen den Antragsgegner. Das SG hat zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die von der Antragstellerin begehrten Leistungen dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass zum einen schon kein Rechtsschutzbedürfnis besteht, da die Antragstellerin die begehrten Leistungen nicht vor Anrufung des Gerichts beim Antragsgegner beantragt hat. Darüber sind auch kein Anordnungsgrund und kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden, weil die Pensionskosten bereits bezahlt waren und die Frage der endgültigen Kostenübernahme dem Hauptsachverfahren vorbehalten bleiben kann. Dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung uneingeschränkt an und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab (vgl. § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag im Beschwerdeverfahren. Denn unabhängig von der Frage, ob die Antragstellerin (zumindest inzwischen) die begehrten Leistungen auch beim Antragsgegner beantragt hat, hat sie weder einen Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Senat hat zunächst erhebliche Zweifel, ob der Antragsgegner für eine Leistungsgewährung überhaupt (noch) gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII örtlich zuständig wäre, da die Antragstellerin sich derzeit offensichtlich nicht in dessen Zuständigkeitsbereich aufhält, ihre Abwesenheit bereits seit dem 22.05.2025 andauert und vor allem nach ihren eigenen Angaben auch nicht sicher ist, ob sie in ihre alte Wohnung zurückkehren wird. Darüber hinaus scheint sie auch Leistungen beim Amt für Jugend und Soziales der Stadt F1/O1 beantragt zu haben und erhält diese möglicherweise bereits. So hat sie zuletzt angegeben, ab 01.07.2025 (wieder) Leistungen zu erhalten. Der Antragsgegner hat allerdings die Leistungsgewährung an die Antragstellerin inzwischen eingestellt. Hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für Jugendherbergen und Pensionen, in denen sich die Antragstellerin unmittelbar nach dem eingetretenen Wasserschaden aufhielt, ist zu berücksichtigen, dass diese nach den vorliegenden Unterlagen bereits weit überwiegend bezahlt wurden, das Vorhandensein von Mitteln, gleich welchen Charakters, aber die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes ausschließt (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.12.2010 - L 19 AS 1167/10 B ER -, juris, Rn. 41). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BVerfG, wonach im einstweiligen Rechtsschutz Antragsteller darauf verwiesen werden können, dass der vorrangige Einsatz von geschütztem Vermögen oder nicht anrechenbarem Einkommen nach einer zusprechenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren ausgeglichen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.03.2007 - 1 BvR 535/07 - zur Abwendung von Wohnungslosigkeit).

Soweit die Antragstellerin weiterhin eine Erstausstattung für Bekleidung geltend macht, bleibt die Beschwerde - unabhängig davon, ob die sonstigen Voraussetzungen für die Bewilligung einer einmaligen Beihilfe im Sinne des 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII (Leistungen zur Deckung von Bedarfen für Erstausstattungen für Bekleidung) vorliegen würden - deshalb ohne Erfolg, weil die Antragstellerin bislang weder ausreichend dargelegt und erst recht nicht glaubhaft nachgewiesen hat, ob ihre Kleidung im Zuge des Wasserschadens vollständig unbrauchbar wurde und auch nicht ausgeführt hat, welche (neuen) Kleidungsstücke sie benötigt bzw. welche Kosten hierfür anfallen. Nicht zuletzt hat sie keine Angaben dazu gemacht, ob sie ihren Bedarf zumindest nicht auch vorübergehend über Secondhand-Einrichtungen oder Kleiderkammern decken kann.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

III.
Der mit der Beschwerde gestellte Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) abgelehnt. Hinreichende Erfolgsaussichten waren bereits zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung nicht gegeben, wie sich aus dem oben Dargestellten ergibt.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).


 

Rechtskraft
Aus
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