L 11 KR 2575/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 KR 2124/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2575/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Für die Berechnung des Krankengeldes bei Arbeitnehmern ist nur
der letzte vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit liegende abgerechnete,
mindestens vier Wochen umfassende Abrechnungszeitraum
maßgeblich. Ein Rückgriff auf einen früheren Abrechnungszeitraum,
in dem höheres Arbeitsentgelt erzielt worden ist, scheidet auch unter
dem Gesichtspunkt einer - im Gesetz nicht vorgesehenen -
Härtefallregelung aus.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28.04.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt höheres Krankengeld für die Zeit ab 25.06.2013.

Die 1955 geborene Klägerin ist gelernte Sicherheitsfachkraft und war bis 28.02.2010 bei der Firma P. Security GmbH versicherungspflichtig beschäftigt, Gehalt wurde zuletzt am 06.11.2009 gezahlt. Im Oktober 2009 erhielt die Klägerin brutto 2.560,54 EUR (netto 1.612,52 EUR). Vom 03.05.2010 bis 01.05.2011 bezog sie Krankengeld, anschließend wurde vom 02.05.2011 bis 29.06.2012 eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben durch den Rentenversicherungsträger durchgeführt, die Klägerin bezog Übergangsgeld. Vom 30.06. bis 18.09.2012 war die Klägerin beim Hotel B. H. für ein Festgehalt von brutto 2.000 EUR monatlich beschäftigt. Vom 19.09.2012 bis 03.03.2013 bezog sie Krankengeld, vom 04.03. bis 01.04.2013 während einer Rehabilitationsmaßnahme Übergangsgeld und bis 04.04.2013 sodann wieder Krankengeld. Ab 05.04.2013 war sie wieder beim Hotel B. H. tätig.

Aufgrund einer am 24.06.2013 festgestellten Arbeitsunfähigkeit erhielt die Klägerin ab 25.06.2013 erneut Krankengeld. Mit Bescheid vom 18.07.2013 teilte die Beklagte ihr mit, dass ab 25.06.2013 ein kalendertägliches Brutto-Krankengeld von 40,99 EUR (netto 35,96 EUR) gezahlt werde nach einem im Mai 2013 erzielten Gehalt von 2.000 EUR brutto (1.366,09 EUR netto). Mit Widerspruch vom 30.07.2013 wandte sich die Klägerin gegen die Höhe des Krankengeldes.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.06.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das Krankengeld betrage 70 vH des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsbemessung unterliege. Es dürfe 90 vH des bei entsprechender Anwendung des berechneten Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. Maßgebend seien die tatsächlichen Einkommensverhältnisse im Bemessungszeitraum. Der letzte vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit liegende Entgeltabrechnungszeitraum sei hier Mai 2013. Ein früheres Beschäftigungsverhältnis, in dem höheres Arbeitsentgelt erzielt worden sei, habe auf das hier zu berechnende Krankengeld keinen Einfluss.

In der Folgezeit bezog die Klägerin durchgehend Krankengeld bis 11.12.2013. Vom 12.12.2013 bis 16.01.2014 nahm die Klägerin wiederum an einer Rehabilitationsmaßnahme teil und bezog Übergangsgeld, anschließend erneut bis zur Aussteuerung am 15.04.2014 Krankengeld. Ab 16.04.2014 erhielt sie Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 05.06.2014 wurde ihr rückwirkend ab 01.07.2013 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zuerkannt.

Am 15.07.2014 hat die Klägerin zum Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, das Arbeitsverhältnis im Hotel B. H. sei zum 29.06.2013 beendet worden, nachdem sie nach vier Wochen Tätigkeit an Krebs erkrankt sei. Sie habe diese Arbeit nach einer 14 Monate dauernden LTA-Maßnahme in einem nicht erlernten Beruf angenommen, um im Arbeitsleben wieder Fuß zu fassen. Dafür habe sie einen um ca 600 EUR monatlich geringeren Verdienst als bei ihrem letzten Arbeitgeber im Sicherheitsdienst in Kauf genommen. Es sei ein Härtefall entsprechend § 47 Abs 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gegeben. Der Mindestumfang des Bemessungszeitraums bezwecke, dass der Lebensstandard des Versicherten hinreichend repräsentiert werde und Zufallsergebnisse vermieden würden. Es müsse insoweit der Bemessungszeitraum von Oktober 2009 herangezogen werden.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat ausgeführt, der Gesetzgeber habe im Rahmen der Krankengeldberechnung klare Vorschriften erlassen, welche eine Härtefallregelung, wie sie die Klägerin vortrage, nicht vorsähen.

Mit Urteil vom 28.04.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Darlegung der Berechnungsgrundlage für Krankengeld nach § 47 SGB V auf die Gründe des Widerspruchsbescheids Bezug genommen.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 29.05.2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 18.06.2015 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie begehrt weiterhin die Gewährung von Krankengeld auf der Basis der Einkünfte von 2009 und legt dar, aus welchen Gründen es bei ihr zu Härten bei der Berechnung des Krankengeldes gekommen sei. Eine Wiedereingliederung während und nach Chemotherapie (August 2012 bis Februar 2013) sei wegen zu hoher psychischer Belastung unmöglich gewesen. Während der Bestrahlung habe sie eine Auto-Immun-Krankheit (rheumatoide Arthritis) bekommen; innerhalb von sieben Monaten habe sie zwei Todesfälle (Geschwister) verkraften müssen. Sie habe im Hotel B. H. am 30.06.2012 angefangen mit 600 EUR Lohn brutto weniger als beim letzten Job und ohne die üblichen Zuschläge für Wochenenden, Feiertage und Spätschichten. Sie sehe es als ungerechtfertigt an, dass das Krankengeld auf der Grundlage dieses Lohnes berechnet werde.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28.04.2015 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 18.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.06.2014 abzuändern und der Klägerin Krankengeld ab 25.06.2013 auf Grundlage eines höheren Arbeitsentgelts zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 12.10.2015 auf eine beabsichtigte Zurückweisung der Berufung nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden. Die Klägerin hat daraufhin ihre Ausführungen vertieft, die Beklagte hat sich mit der Vorgehensweise einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegt worden, statthaft (§§ 143, 144 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Der Bescheid vom 18.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von höherem Krankengeld für die Zeit vom 25.06.2013 bis 15.04.2014. Nach diesem Zeitpunkt besteht ohnehin kein Anspruch auf Krankengeld mehr, da die maximale Leistungsdauer von 78 Wochen nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB V am 15.04.2014 erschöpft war.

Versicherte haben gemäß § 44 Abs 1 SGB V Anspruch auf Krankengeld, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs 4, §§ 24, 40 Abs 2 und 41 SGB V) behandelt werden. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Satz 1 SGB V).

Der Klägerin steht aufgrund der am 24.06.2013 festgestellten Arbeitsunfähigkeit und der seit dem 30.06.2012 bestehenden Versicherung als Beschäftigte (§§ 5 Abs 1 Nr 1, 192 Abs 1 Nrn 2 und 3 SGB V) dem Grunde nach ein Anspruch auf Krankengeld zu. Der Anspruch beginnt am Tag nach ärztlicher Feststellung, somit dem 25.06.2013. Einen Anspruch auf Lohnfortzahlung gegen den Arbeitgeber hatte die Klägerin nicht mehr, da sie bereits im August/September 2012 für sechs Wochen Lohnfortzahlung wegen der Krebserkrankung erhalten hatte und seither nicht mindestens sechs Monate nicht arbeitsunfähig gewesen war und auch eine Frist von 12 Monaten seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit noch nicht abgelaufen war (§ 3 Abs 1 Satz 2 Entgeltfortzahlungsgesetz).

Die Höhe des Krankengeldes ist in § 47 SGB V geregelt. Gemäß § 47 Abs 1 Satz 1 SGB V beträgt es 70 vH des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts (bezüglich abhängig beschäftigter Arbeitnehmer) oder Arbeitseinkommens (bezüglich selbstständig Erwerbstätiger), soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Das aus dem Arbeitsentgelt berechnete Krankengeld darf 90 vH des bei entsprechender Anwendung des Absatzes 2 berechneten Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. Das Regelentgelt wird gemäß § 47 Abs 1 Satz 5 SGB V ua nach § 47 Abs 2 SGB V berechnet nach der Referenzmethode. Diese berücksichtigt die Entwicklung außerhalb des Referenzzeitraums nicht. Mit der Anknüpfung an das im Referenzzeitraum erzielte und abgerechnete Entgelt bzw Einkommen wird unter anderem sichergestellt, dass mit dem Krankengeld der faktische Lebensstandard des Versicherten aufrechterhalten bleibt, der durch die tatsächliche Verfügungsbefugnis über das Arbeitsentgelt bzw Arbeitseinkommen geprägt ist (BSG 14.12.2006, B 1 KR 5/06 R, SozR 4-2500 § 47 Nr 5). Das Krankengeld soll den wirtschaftlichen Status des Versicherten sichern, der zuletzt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit tatsächlich bestanden hat.

Gemäß § 47 Abs 2 Satz 1 SGB V ist somit für die Berechnung des Regelentgelts das von dem Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltzeitraum, mindestens das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt durch die Zahl der Stunden zu teilen, für die es gezahlt wurde. Ist das Arbeitsentgelt - wie im vorliegenden Fall - nach Monaten bemessen oder ist eine Berechnung des Regelentgelts nach den Sätzen 1 und 2 nicht möglich, gilt der dreißigste Teil des im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonat erzielten und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderten Arbeitsentgelts als Regelentgelt, Satz 3.

Entsprechend dem eindeutigen Wortlaut des § 47 Abs 2 Satz 1 SGB V geht der Senat in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 14.12.2006, aaO; BSG 10.05.2012, B 1 KR 26/11 R, SozR 4-2500 § 47 Nr 13) davon aus, dass für die Krankengeldberechnung nur der letzte vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit liegende und abgerechnete, mindestens vier Wochen umfassende Entgeltabrechnungszeitraum maßgeblich ist. Im vorliegenden Fall ist dies der Monat Mai 2013, der von der Beklagten als Entgeltabrechnungszeitraum für die Krankengeldberechnung zu Recht herangezogen wurde. Für den von der Klägerin gewünschten Rückgriff auf das zuletzt im Oktober 2009 erzielte Arbeitsentgelt gibt es keinerlei Grundlage.

Eine Härtefallregelung in dem von der Klägerin gewünschten Sinne sieht weder das Gesetz noch die Satzung der Beklagten vor. Entgegen der Vorstellung der Klägerin dient die vom Gesetzgeber gewählte Anknüpfung an das "mindestens während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und abgerechnete Entgelt" gerade dazu, dass das dem Lohnersatz dienende Krankengeld allen Veränderungen in den Lohnverhältnissen des Versicherten so dicht wie möglich folgt, mithin das jeweils aktuelle Lohnniveau widerspiegelt (BSG 22.06.1973, 3 RK 90/71, BSGE 36, 55 = SozR Nr 59 zu § 182 RVO). Das im Herbst 2009 erzielte Arbeitsentgelt ist für den Lebensstandard der Klägerin im Juni 2013 auch nicht mehr prägend. Auf die Ursachen für Veränderungen in den Lebensverhältnissen kommt es nicht an, denn Krankengeld dient nicht allgemein zum Ausgleich widriger Lebensumstände.

Die Berechnung der Beklagten entspricht nach alledem den gesetzlichen Vorschriften. Das tägliche Brutto-Arbeitsentgelt beträgt 66,67 EUR (2.000 EUR: 30 Tage). 70% davon betragen 46,67 EUR. Das tägliche Netto-Arbeitsentgelt beträgt 45,54 EUR (1.366,09 EUR: 30 Tage), 90% davon sind 40,99 EUR. Da 90% des Nettoarbeitsentgelts nach § 47 Abs 1 Satz 2 SGB V nicht überschritten werden dürfen, hat die Beklagte zutreffend ein Brutto-Krankengeld in Höhe von 40,99 EUR bewilligt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved