Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 378/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zurückverweisung wegen Ermittlungsdefiziten
1. Der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 10. März 2016 wird aufgehoben und die Sache wird zur weiteren Sachaufklärung an den Beklagten zurückverwiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Beschränkung seines Arbeitslosengeldes II auf die Kosten für Unterkunft und Heizung von Dezember 2015 bis Februar 2016.
Der 1992 geborene Kläger bezieht seit Mai 2015 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Beklagten. Mit Bescheid vom 12. (13.?) November 2015 wurden ihm vorläufige Leistungen für die Monate November 2015 bis Oktober 2016 in Höhe von je 688,90 EUR bewilligt, davon 250 EUR für Kosten der Unterkunft und Heizung.
In der zwischen den Beteiligten geschlossenen Eingliederungsvereinbarung vom 27. Mai 2015 wurde festgelegt, dass der Beklagte dem Kläger die Teilnahme an der Maßnahme Quali Bau beim bfz D. anbietet und der Kläger an dieser Maßnahme vom 8. Juni bis zum 21. Oktober 2015 teilnimmt. Die Eingliederungsvereinbarung enthielt auch eine Belehrung darüber, dass Pflichtverstöße mit Leistungskürzungen geahndet würden. Der Kläger schloss zudem einen Vertrag mit dem bfz ab, wonach er im genannten Zeitraum an der Qualifizierungsmaßnahme ESF Trockenbau teilnehmen sollte. Diese Maßnahme fand wöchentlich von Montag bis Donnerstag zwischen 8 Uhr und 15:30 Uhr und am Freitag zwischen 8 Uhr und 12 Uhr statt. Für beide Seiten war eine ordentliche und außerordentliche Kündigung möglich.
Laut den Akten des Beklagten soll der Kläger am 11. Juni 2015 nicht zur Maßnahme erschienen sein und sich am 14. Juli 2015 über fehlende Arbeitsschutzvorkehrungen beschwert haben. Am 21. Juli 2015 habe der Kläger wiederum gefehlt und am 29. Juli 2015 habe er eine Abmahnung erhalten, weil er sich nicht an die Kursregeln gehalten habe. Am 6. August 2015 ist der Kläger schließlich vom bfz von der Maßnahme ausgeschlossen worden, weil er sich nicht an Kursregeln gehalten und Anweisungen nicht Folge geleistet habe.
Auf die Anhörung des Beklagten zu einer Sanktion trug der Kläger vor, er habe sich aus gesundheitlichen Gründen mehrfach beschwert, dass Arbeitssicherheitsmaßnahmen nicht eingehalten würden. Er habe einer Darmerkrankung, Schuppenflechte und ADHS. Er müsse deswegen öfters auf Toilette. Das sei ihm als mangelnde Mitarbeit ausgelegt worden.
Mit Bescheid vom 16. November 2015 beschränkte der Beklagte das Arbeitslosengeld II des Klägers auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. Dezember 2015 bis zum 29. Februar 2016. Insoweit wurde zudem der Bescheid vom 13. November 2015 abgeändert. Der Kläger habe die zumutbare Maßnahme Quali Bau ohne wichtigen Grund abgebrochen. Seine Erkrankungen stünden in keinem Zusammenhang mit der Pflicht zur aktiven Mitarbeit. Der Kläger könne ergänzend Sachleistungen erhalten.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2016 zurück und ergänzte noch, der Kläger habe durch sein Verhalten den Abbruch der Maßnahme herbeigeführt. Es habe laut Auskunft des bfz an der aktiven Mitarbeit gefehlt, den Anweisungen der Seminarleitung und der Lehrkräfte sei nicht Folge geleistet und auch Unterrichtszeiten nicht eingehalten worden. Zudem habe der Kläger telefonisch nicht erreicht werden können. Ein wichtiger Grund sei deswegen nicht zu erkennen.
Dagegen hat der Kläger am 7. April 2016 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Er hat auf eine ärztliche Bescheinigung verwiesen, wonach er unter Proctitis ulcerosa leide und ein häufiger Toilettengang durchaus begründet sei.
Der Beklagte hat seine Entscheidung verteidigt und auf die bisherige Begründung verwiesen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger über weitere gesundheitliche Einschränkungen berichtet, dazu auch einen Bescheid über seinen Grad der Behinderung vorgelegt und die Vorkommnisse bei der Maßnahme damit erklärt, dass er aus gesundheitlichen Gründen die Maßnahme so nicht habe mitmachen können.
Der Kläger beantragt:
Der Bescheid des Beklagten vom 16. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. März 2016 wird aufgehoben.
Für den Beklagten wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Für den Rechtsschutz gegen Sanktionsverfügungen eines Jobcenters ist - auch wenn diese in einem Bescheid mit einer die Leistungsbewilligung abändernden Umsetzungsverfügung geregelt sind - keine kombinierte Verpflichtungsklage zu erheben, sondern es genügt die bloße Anfechtung (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015, B 14 AS 19/14 R).
Die Klage hat in der Sache im Umfang der Aufhebung des Widerspruchsbescheids und der Zurückverweisung an den Beklagten zur weiteren Sachaufklärung Erfolg.
Inwieweit der Bescheid des Beklagten vom 16. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. März 2016 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, bedarf weiterer Sachaufklärung.
Das Gericht kann sich nicht der Überzeugung anschließen, dass das Sanktionsregime des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) verfassungswidrig ist. Nach Meinung des Gerichts beinhaltet das Grundrecht auf Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz nicht, dass voraussetzungslos Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015, B 14 AS 19/14 R; LSG München, Beschluss vom 22. Dezember 2015, L 7 AS 782/15 B). Die vom SG Gotha in seinem Beschluss vom 26. Mai 2015, S 15 AS 5157/14, genannten Ausführungen vermögen demgegenüber nicht zu verfangen. Das gilt auch für die Entscheidung des SG Dresden vom 10. August 2015, S 20 AS 1507/14, soweit dort überhaupt diese Ansicht vertreten wird. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts erfolgte die Aufhebung einer Sanktion dort aus anderen, einzelfallbezogenen Gründen.
Als Rechtsgrundlage der streitigen Sanktion kommt allein § 31a Abs. 2 Satz 1 SGB II infrage. Danach ist bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, das Arbeitslosengeld II bei einer Pflichtverletzung nach § 31 SGB II auf die für die Bedarfe nach § 22 SGB II zu erbringenden Leistungen beschränkt. Die hier im Raum stehende Pflichtverletzung fiele unter § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II, also die Weigerung, in einer Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen.
Ob eine solche Pflichtverletzung tatsächlich vorliegt oder ob der Kläger dafür einen wichtigen Grund im Sinn des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II hatte, ist mangels entsprechender Sachaufklärung nicht zu beurteilen.
Bereits frühzeitig hat der Kläger auf verschiedene gesundheitliche Einschränkungen verwiesen. Daraus folgert er, dass ihm deswegen schon die Teilnahme an der Maßnahme unzumutbar war. Dies leitet der Kläger vor allem aus einer Hauterkrankung ab, die zu gesundheitlichen Problemen beim Ausführen von Trockenbaumaßnahmen, die Inhalt der Maßnahme waren, geführt habe. Auch meint er, dass diese Beeinträchtigungen letztlich die Schwierigkeiten verursacht haben, die zu dem Maßnahmeausschluss durch das bfz geführt haben. Dieser wiederum war der Grund für die Sanktionierung durch den Beklagten.
Gerade aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten weiteren Unterlagen, insbesondere dem Bescheid über den Grad der Behinderung des Klägers, ist die Darstellung des Klägers für das Gericht nicht von der Hand zu weisen. Anders als die Terminsvertreterin des Beklagten meint, kann so auch plausibel erklärt werden, dass und warum es zu Problemen mit dem bfz und zum Ausschluss kam. Auch konnte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagten nicht ausreichend dargelegt werden, zu welchen konkreten Verstößen durch den Kläger es bei der Maßnahme überhaupt gekommen sein soll. Weitgehend ungeklärt ist außerdem, inwiefern die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Kläger sein Verhalten erklären bzw. rechtfertigen können - zu denken ist dabei namentlich an die als Behinderung festgestellte psychische Störung - und ob angesichts der verschiedenen Leiden die Teilnahme an der Maßnahme überhaupt zumutbar war. Dazu hat der Kläger etwa auf seine Hauterkrankung verwiesen, die sich infolge von Einwirkungen bei verschiedenen Trockenbaumaßnahmen verschlimmern würde.
Für das Gericht ist damit bislang nicht ausreichend belegt, dass der Kläger ohne wichtigen Grund die Maßnahme abgebrochen hat. Für das Vorliegen der Voraussetzungen trifft den Beklagten die Darlegungs- und Beweislast.
Das Gericht hält jedoch den Sachverhalt für weiter klärungsbedürftig im Hinblick auf die bei Durchführung der Maßnahme vorliegende gesundheitliche Situation des Klägers, die tatsächlichen Vorkommnisse, die zum Maßnahmeausschluss geführt haben, sowie die Zumutbarkeit der Maßnahme. Hierzu fehlt es bislang weitgehend an Ermittlungen des Beklagten. Dieser hat sich darauf beschränkt, die Darmerkrankung des Klägers als Rechtfertigung auszuschließen. Das genügt angesichts der weiteren nachgewiesenen Leiden des Klägers und der Unklarheiten über die tatsächlichen Vorkommnisse nicht.
Es ist zwar Aufgabe des Gerichts, den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend nachzuprüfen. Allerdings ist es nicht gerichtliche Aufgabe, anstellte der Behörde erstmals umfassende Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Dies steht hier aber im Raum, weil die obigen Punkte noch aufzuklären sind. Denn die Verwaltung trifft primär eine Amtsermittlungspflicht und die Gerichte sind primär zur Nachprüfung behördlicher Entscheidung berufen. Gerade bei reinen Anfechtungsklagen, wie vorliegend, und einem erheblichem Ermittlungsdefizit tritt daher die Pflicht der Gerichte aus § 103 SGG hinter die Amtsermittlungspflicht der Verwaltung zurück (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2015, B 14 AS 30/14 R; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 131 Rz. 17 ff.).
Angesichts dieser Umstände hält es das Gericht für zweckmäßig, nach § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG vorzugehen. Es besteht, wie dargelegt, noch erheblicher Ermittlungsbedarf und es handelt sich um die Situation einer isolierten Anfechtung einer behördlichen Entscheidung. Auch die Interessen des Klägers sprechen nicht dagegen, weil der Minderungszeitraum bereits verstrichen ist und der Kläger die Sanktion hingenommen hat, ohne um Eilrechtsschutz nachzusuchen.
Da eine umfassende Klärung am besten im Widerspruchsverfahren zu erwarten ist und der Kläger dort erstmals dem Beklagten seine vorgetragenen Beschwerden mit Attest auch belegt hatte, hebt das Gericht daher allein den Widerspruchsbescheid des Beklagten auf und verweist die Sache an diesen zur weiteren Sachaufklärung im Vorverfahren zurück.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Eine Kostenerstattung durch den Beklagten hält das Gericht nicht für erforderlich, da auf Seiten des Klägers keine relevanten außergerichtlichen Kosten angefallen sind.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Beschränkung seines Arbeitslosengeldes II auf die Kosten für Unterkunft und Heizung von Dezember 2015 bis Februar 2016.
Der 1992 geborene Kläger bezieht seit Mai 2015 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Beklagten. Mit Bescheid vom 12. (13.?) November 2015 wurden ihm vorläufige Leistungen für die Monate November 2015 bis Oktober 2016 in Höhe von je 688,90 EUR bewilligt, davon 250 EUR für Kosten der Unterkunft und Heizung.
In der zwischen den Beteiligten geschlossenen Eingliederungsvereinbarung vom 27. Mai 2015 wurde festgelegt, dass der Beklagte dem Kläger die Teilnahme an der Maßnahme Quali Bau beim bfz D. anbietet und der Kläger an dieser Maßnahme vom 8. Juni bis zum 21. Oktober 2015 teilnimmt. Die Eingliederungsvereinbarung enthielt auch eine Belehrung darüber, dass Pflichtverstöße mit Leistungskürzungen geahndet würden. Der Kläger schloss zudem einen Vertrag mit dem bfz ab, wonach er im genannten Zeitraum an der Qualifizierungsmaßnahme ESF Trockenbau teilnehmen sollte. Diese Maßnahme fand wöchentlich von Montag bis Donnerstag zwischen 8 Uhr und 15:30 Uhr und am Freitag zwischen 8 Uhr und 12 Uhr statt. Für beide Seiten war eine ordentliche und außerordentliche Kündigung möglich.
Laut den Akten des Beklagten soll der Kläger am 11. Juni 2015 nicht zur Maßnahme erschienen sein und sich am 14. Juli 2015 über fehlende Arbeitsschutzvorkehrungen beschwert haben. Am 21. Juli 2015 habe der Kläger wiederum gefehlt und am 29. Juli 2015 habe er eine Abmahnung erhalten, weil er sich nicht an die Kursregeln gehalten habe. Am 6. August 2015 ist der Kläger schließlich vom bfz von der Maßnahme ausgeschlossen worden, weil er sich nicht an Kursregeln gehalten und Anweisungen nicht Folge geleistet habe.
Auf die Anhörung des Beklagten zu einer Sanktion trug der Kläger vor, er habe sich aus gesundheitlichen Gründen mehrfach beschwert, dass Arbeitssicherheitsmaßnahmen nicht eingehalten würden. Er habe einer Darmerkrankung, Schuppenflechte und ADHS. Er müsse deswegen öfters auf Toilette. Das sei ihm als mangelnde Mitarbeit ausgelegt worden.
Mit Bescheid vom 16. November 2015 beschränkte der Beklagte das Arbeitslosengeld II des Klägers auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. Dezember 2015 bis zum 29. Februar 2016. Insoweit wurde zudem der Bescheid vom 13. November 2015 abgeändert. Der Kläger habe die zumutbare Maßnahme Quali Bau ohne wichtigen Grund abgebrochen. Seine Erkrankungen stünden in keinem Zusammenhang mit der Pflicht zur aktiven Mitarbeit. Der Kläger könne ergänzend Sachleistungen erhalten.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2016 zurück und ergänzte noch, der Kläger habe durch sein Verhalten den Abbruch der Maßnahme herbeigeführt. Es habe laut Auskunft des bfz an der aktiven Mitarbeit gefehlt, den Anweisungen der Seminarleitung und der Lehrkräfte sei nicht Folge geleistet und auch Unterrichtszeiten nicht eingehalten worden. Zudem habe der Kläger telefonisch nicht erreicht werden können. Ein wichtiger Grund sei deswegen nicht zu erkennen.
Dagegen hat der Kläger am 7. April 2016 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Er hat auf eine ärztliche Bescheinigung verwiesen, wonach er unter Proctitis ulcerosa leide und ein häufiger Toilettengang durchaus begründet sei.
Der Beklagte hat seine Entscheidung verteidigt und auf die bisherige Begründung verwiesen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger über weitere gesundheitliche Einschränkungen berichtet, dazu auch einen Bescheid über seinen Grad der Behinderung vorgelegt und die Vorkommnisse bei der Maßnahme damit erklärt, dass er aus gesundheitlichen Gründen die Maßnahme so nicht habe mitmachen können.
Der Kläger beantragt:
Der Bescheid des Beklagten vom 16. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. März 2016 wird aufgehoben.
Für den Beklagten wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Für den Rechtsschutz gegen Sanktionsverfügungen eines Jobcenters ist - auch wenn diese in einem Bescheid mit einer die Leistungsbewilligung abändernden Umsetzungsverfügung geregelt sind - keine kombinierte Verpflichtungsklage zu erheben, sondern es genügt die bloße Anfechtung (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015, B 14 AS 19/14 R).
Die Klage hat in der Sache im Umfang der Aufhebung des Widerspruchsbescheids und der Zurückverweisung an den Beklagten zur weiteren Sachaufklärung Erfolg.
Inwieweit der Bescheid des Beklagten vom 16. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. März 2016 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, bedarf weiterer Sachaufklärung.
Das Gericht kann sich nicht der Überzeugung anschließen, dass das Sanktionsregime des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) verfassungswidrig ist. Nach Meinung des Gerichts beinhaltet das Grundrecht auf Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz nicht, dass voraussetzungslos Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015, B 14 AS 19/14 R; LSG München, Beschluss vom 22. Dezember 2015, L 7 AS 782/15 B). Die vom SG Gotha in seinem Beschluss vom 26. Mai 2015, S 15 AS 5157/14, genannten Ausführungen vermögen demgegenüber nicht zu verfangen. Das gilt auch für die Entscheidung des SG Dresden vom 10. August 2015, S 20 AS 1507/14, soweit dort überhaupt diese Ansicht vertreten wird. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts erfolgte die Aufhebung einer Sanktion dort aus anderen, einzelfallbezogenen Gründen.
Als Rechtsgrundlage der streitigen Sanktion kommt allein § 31a Abs. 2 Satz 1 SGB II infrage. Danach ist bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, das Arbeitslosengeld II bei einer Pflichtverletzung nach § 31 SGB II auf die für die Bedarfe nach § 22 SGB II zu erbringenden Leistungen beschränkt. Die hier im Raum stehende Pflichtverletzung fiele unter § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II, also die Weigerung, in einer Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen.
Ob eine solche Pflichtverletzung tatsächlich vorliegt oder ob der Kläger dafür einen wichtigen Grund im Sinn des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II hatte, ist mangels entsprechender Sachaufklärung nicht zu beurteilen.
Bereits frühzeitig hat der Kläger auf verschiedene gesundheitliche Einschränkungen verwiesen. Daraus folgert er, dass ihm deswegen schon die Teilnahme an der Maßnahme unzumutbar war. Dies leitet der Kläger vor allem aus einer Hauterkrankung ab, die zu gesundheitlichen Problemen beim Ausführen von Trockenbaumaßnahmen, die Inhalt der Maßnahme waren, geführt habe. Auch meint er, dass diese Beeinträchtigungen letztlich die Schwierigkeiten verursacht haben, die zu dem Maßnahmeausschluss durch das bfz geführt haben. Dieser wiederum war der Grund für die Sanktionierung durch den Beklagten.
Gerade aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten weiteren Unterlagen, insbesondere dem Bescheid über den Grad der Behinderung des Klägers, ist die Darstellung des Klägers für das Gericht nicht von der Hand zu weisen. Anders als die Terminsvertreterin des Beklagten meint, kann so auch plausibel erklärt werden, dass und warum es zu Problemen mit dem bfz und zum Ausschluss kam. Auch konnte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagten nicht ausreichend dargelegt werden, zu welchen konkreten Verstößen durch den Kläger es bei der Maßnahme überhaupt gekommen sein soll. Weitgehend ungeklärt ist außerdem, inwiefern die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Kläger sein Verhalten erklären bzw. rechtfertigen können - zu denken ist dabei namentlich an die als Behinderung festgestellte psychische Störung - und ob angesichts der verschiedenen Leiden die Teilnahme an der Maßnahme überhaupt zumutbar war. Dazu hat der Kläger etwa auf seine Hauterkrankung verwiesen, die sich infolge von Einwirkungen bei verschiedenen Trockenbaumaßnahmen verschlimmern würde.
Für das Gericht ist damit bislang nicht ausreichend belegt, dass der Kläger ohne wichtigen Grund die Maßnahme abgebrochen hat. Für das Vorliegen der Voraussetzungen trifft den Beklagten die Darlegungs- und Beweislast.
Das Gericht hält jedoch den Sachverhalt für weiter klärungsbedürftig im Hinblick auf die bei Durchführung der Maßnahme vorliegende gesundheitliche Situation des Klägers, die tatsächlichen Vorkommnisse, die zum Maßnahmeausschluss geführt haben, sowie die Zumutbarkeit der Maßnahme. Hierzu fehlt es bislang weitgehend an Ermittlungen des Beklagten. Dieser hat sich darauf beschränkt, die Darmerkrankung des Klägers als Rechtfertigung auszuschließen. Das genügt angesichts der weiteren nachgewiesenen Leiden des Klägers und der Unklarheiten über die tatsächlichen Vorkommnisse nicht.
Es ist zwar Aufgabe des Gerichts, den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend nachzuprüfen. Allerdings ist es nicht gerichtliche Aufgabe, anstellte der Behörde erstmals umfassende Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Dies steht hier aber im Raum, weil die obigen Punkte noch aufzuklären sind. Denn die Verwaltung trifft primär eine Amtsermittlungspflicht und die Gerichte sind primär zur Nachprüfung behördlicher Entscheidung berufen. Gerade bei reinen Anfechtungsklagen, wie vorliegend, und einem erheblichem Ermittlungsdefizit tritt daher die Pflicht der Gerichte aus § 103 SGG hinter die Amtsermittlungspflicht der Verwaltung zurück (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2015, B 14 AS 30/14 R; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 131 Rz. 17 ff.).
Angesichts dieser Umstände hält es das Gericht für zweckmäßig, nach § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG vorzugehen. Es besteht, wie dargelegt, noch erheblicher Ermittlungsbedarf und es handelt sich um die Situation einer isolierten Anfechtung einer behördlichen Entscheidung. Auch die Interessen des Klägers sprechen nicht dagegen, weil der Minderungszeitraum bereits verstrichen ist und der Kläger die Sanktion hingenommen hat, ohne um Eilrechtsschutz nachzusuchen.
Da eine umfassende Klärung am besten im Widerspruchsverfahren zu erwarten ist und der Kläger dort erstmals dem Beklagten seine vorgetragenen Beschwerden mit Attest auch belegt hatte, hebt das Gericht daher allein den Widerspruchsbescheid des Beklagten auf und verweist die Sache an diesen zur weiteren Sachaufklärung im Vorverfahren zurück.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Eine Kostenerstattung durch den Beklagten hält das Gericht nicht für erforderlich, da auf Seiten des Klägers keine relevanten außergerichtlichen Kosten angefallen sind.
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