Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 1852/16 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Wiederaufnahmeklage des Klägers wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme der Klage S 7 R 3176/04 bzw. L 2 R 2873/06.
Der Kläger beantragte am 3. August 2001 Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Rentenbescheid vom 27. November 2002 gewährte die Beklagte ab 1. September 2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Aufschiebung des Rentenbeginns auf einen späteren Zeitpunkt sei nicht möglich. Die Rente beginne ab 1. September 2001, da der Kläger seit August 2001 voll erwerbsgemindert sei. Ein Verzicht gemäß § 46 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sei unzulässig, da hierdurch ein anderer Leistungsträger (Sozialhilfeträger) belastet wäre. Hiergegen erhob der Kläger am 10. Dezember 2002 Widerspruch. Mit Rentenbescheid vom 17. Juni 2003 berechnete die Beklagte die gewährte Rente ab 1. September 2003 neu. Mit Bescheid vom 8. März 2004 wurde die Rente ab 1. April 2004 neu berechnet. Die Bitte des Klägers vom 4. August 2004 um nochmalige Neuberechnung seiner Rente sah die Beklagte als Antrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an, den sie mit Bescheid vom 25. August 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2004 ablehnte.
Am 29. Dezember 2004 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) und begehrte u.a., die Rente erst zum 1. September 2002 gewährt zu bekommen. Sein Bevollmächtigter beantragte im weiteren Verlauf des Klageverfahrens, die Erwerbsminderungsrente ab dem 1. Januar 2003, hilfsweise ab dem 1. September 2002, höchsthilfsweise ab dem 1. Juli 2002 zu gewähren. Mit Urteil vom 24. April 2006 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2004 verurteilt, den Bescheid vom 27. November 2002 abzuändern und dem Kläger die Rente wegen voller Erwerbsminderung erst ab 1. Juli 2002 zu gewähren. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
Gegen das dem Kläger am 1. Juni 2006 zugestellte Urteil erhob er am 6. Juni 2006 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg. Der Rentenbeginn könne nur auf den 1. Januar 2003 lauten. Im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens begehrte er zusätzlich eine höhere Rente unter Anerkennung weiterer Zeiten sowie "Verzinsung". Mit Urteil vom 23. Mai 2007 änderte das LSG das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 24. April 2006 und verurteilte die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 21. Juni 2006, 16. August 2006, 1. November 2006 und 5. Februar 2007, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Januar 2003 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Die Klage wurde abgewiesen. Das Urteil des LSG vom 23. Mai 2007 wurde rechtskräftig.
Mit zwei Eingaben (u.a. Telefaxschreiben vom 22. April 2016) wandte sich der Kläger im Weiteren an das Bundessozialgericht (BSG) mit dem Begehren, das Verfahren mit Blick auf das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Mai 2007 wieder anzurufen. Mit Schreiben vom 11. Mai 2014 und 28. April 2016 teilte das BSG dem Kläger mit, dass es keine Zuständigkeiten und Befugnisse habe, die über die Entscheidung in den ihm zugewiesenen Rechtsmittelverfahren hinausgingen. Ein früheres Rechtsmittelverfahren gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Mai 2007 mit ihm als Beteiligten sei beim BSG nicht feststellbar. Es gäbe deshalb keine Veranlassung, ein solches Verfahren wiederanzurufen. Für ein möglicherweise beabsichtigtes Wiederaufnahmeverfahren eines früher bereits rechtskräftig abgeschlossenen Urteils sei das BSG nicht zuständig; er müsse sich hierzu an das Gericht wenden, das dieses Urteil erlassen habe.
Am 13. Mai 2016 ist das Schreiben des BSG vom 28. April 2016 an den Kläger beim LSG eingegangen versehen mit dem handschriftlichen Vermerk des Klägers: "An LSG = das Verfahren vom Urteil des 23. Mai 2007 ist damit offiziell neu angerufen, 13. Mai 2016". Dieser handschriftliche Vermerk des Klägers ist auch vom Kläger eigenhändig unterschrieben.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Mai 2007 (L 2 R 2873/06) für nichtig zu erklären, den Rechtsstreit erneut zu verhandeln und das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 24. April 2006 abzuändern und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 21. Juni 2006, 16. August 2006, 1. November 2006 und 5. Februar 2007 zu verurteilen, ihm eine höhere Rente ab 1. Januar 2003 unter zusätzlicher Anerkennung von 36 Monaten Beitragszeiten für die Erziehung des Sohnes Wieland, weiterer Beitragszeiten ab 1. November 2006 wegen nicht erwerbsmäßiger Pflege seines Vaters zu bewilligen und die Beklagte zur Zahlung von Verzugszinsen ab Beginn der Rente zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Wiederaufnahmeklage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten des LSG und die beigezogene Senatsakte L 2 R 2873/06 und die beigezogene Akte des SG S 7 R 3176/04 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte in der Sache verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger am 10. Juni 2016 einen Verlegungsantrag gestellt hat und zur mündlichen Verhandlung am 15. Juni 2016 nicht erschienen ist.
Grundsätzlich stellt der Umstand, dass ein Beteiligter außer Stande ist, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen und dies vorher mitteilt, noch keinen zwingenden Grund für eine Terminverlegung dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Gericht - wie vorliegend - auf die Möglichkeit hingewiesen hat, dass auch bei Ausbleiben eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung kann - und ggfs. muss - jedoch gem. § 202 SGG i. V. m. dem entsprechend anwendbaren § 227 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) bei Vorliegen erheblicher Gründe aufgehoben werden, selbst wenn das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet war. Ein i. S. des § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO ordnungsgemäß gestellter Verlegungsantrag mit einem hinreichend substantiiert geltend und ggfs. glaubhaft gemachten Terminverlegungsgrund begründet grundsätzlich eine entsprechende Pflicht des Gerichts zur Terminverlegung (vgl. Bundessozialgericht - BSG - Beschluss vom 24. Oktober 2013 - B 13 R 59/13 B). Nach dieser Maßgabe war dem Verlegungsantrag des Klägers nicht stattzugeben. Der Antrag war nicht hinreichend substantiiert und der Verlegungsgrund damit nicht glaubhaft gemacht. Der Kläger hat lediglich mit Fax vom 10. Juni 2016 mitgeteilt, er sei "verwundet und nicht reisefähig". Damit war für den Senat nicht nachvollziehbar, ob der Kläger reiseunfähig und/oder verhandlungsunfähig war. Die Art der "Verwundung/Erkrankung" hat der Kläger nicht präzisiert. Das vom Kläger angekündigte ärztliche Attest hat er bis zur mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt.
Die Wiederaufnahmeklage ist unzulässig.
Ein rechtskräftig beendetes Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit kann - neben den hier nicht einschlägigen Fällen der §§ 179 Abs. 2, 180 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung (ZPO) wiederaufgenommen werden (§ 179 Abs. 1 SGG). Gemäß § 578 Abs. 1 ZPO kann die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens durch die Restitutionsklage (§ 580 ZPO) und die - hier allein in Betracht kommende - Nichtigkeitsklage (§ 579 ZPO) erfolgen.
Die Nichtigkeitsklage findet nach § 579 Abs. 1 ZPO statt, (1.) wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, (2.) wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern er nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs und eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist, (3.) wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt oder das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war und (4.) wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. Diese Gründe sind abschließend (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl., § 179 SGG Rdnr. 3c f.).
Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Klage an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist (vgl. § 589 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Auch muss ein Wiederaufnahmegrund schlüssig behauptet werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. Rdnr. 7, 9). Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Klage als unzulässig zu verwerfen (Satz 2 der Vorschrift).
Die am 13. Mai 2016 beim Landessozialgericht erhobene Klage ist unzulässig. Gemäß § 586 Abs. 1 ZPO ist die Klage vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben. Gemäß § 586 Abs. 2 Satz 1 beginnt diese Frist mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Gemäß § 586 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist nach Ablauf von fünf Jahren von dem Tag der Rechtskraft des Urteils an gerechnet die Klage unstatthaft. Diese Regelung kommt vorliegend zur Anwendung. Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des mit rechtskräftigem Endurteil vom 23. Mai 2007 abgeschlossenen Berufungsverfahrens. Gegen dieses Urteil hat sich der Kläger nicht mit dem gegebenen gesetzlichen Rechtsbehelf an das BSG gewandt. Das Urteil vom 23. Mai 2007 wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 2. Juni 2007 zugestellt. Den gegen dieses Urteil gegebenen Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160a Abs. 1 Satz 1 SGG hat der Kläger nicht erhoben. Er wäre gemäß § 160a Abs. 1 Satz 2 SGG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim BSG einzulegen gewesen. Gemäß § 64 Abs. 2 SGG endet eine nach Monaten bestehende Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach seiner Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Das Ereignis war die Zustellung des Urteils des Landessozialgerichts vom 23. Mai 2007 am 2. Juni 2007 an den Kläger. Die Frist von einem Monat für die Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG endete somit mit Ablauf des 2. Juli 2007; mit Ablauf dieser Frist wurde das Urteil des LSG rechtskräftig. Bezogen auf die Einlegung der Wiederaufnahmeklage am 13. Mai 2016 ist somit offensichtlich gemäß § 586 Abs. 2 Satz 2 ZPO ein Zeitraum von deutlich mehr als fünf Jahren vom Tag der Rechtskraft des Urteils des LSG an gerechnet verstrichen; die Wiederaufnahmeklage ist deshalb nicht statthaft.
Soweit gemäß ‚§ 586 Abs. 3 ZPO § 586 Abs. 2 ZPO nicht auf die Nichtigkeitsklage wegen mangelnder Vertretung anzuwenden ist, ist auch diesbezüglich die erhobene Wiederaufnahmeklage unzulässig. Einen (diesen) zulässigen Wiederaufnahmegrund hat der Kläger bereits nicht geltend gemacht.
Da der Wiederaufnahmeantrag nicht zulässig ist (Stufe I: Zulässigkeit der Wiederaufnahmeklage), war der auf Aufhebung des Urteils vom 23. Mai 2007 gerichtete Antrag mit dem Ziel einer neuen Verhandlung und Entscheidung im früheren Rechtsstreit daher zu verwerfen; der Senat musste weder prüfen, ob tatsächlich ein Wiederaufnahmegrund (Stufe II: Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes) vorliegt, noch den früheren Rechtsstreit erneut verhandeln und entscheiden (Stufe 3: Verhandlung und Entscheidung des früheren Rechtsstreits).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme der Klage S 7 R 3176/04 bzw. L 2 R 2873/06.
Der Kläger beantragte am 3. August 2001 Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Rentenbescheid vom 27. November 2002 gewährte die Beklagte ab 1. September 2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Aufschiebung des Rentenbeginns auf einen späteren Zeitpunkt sei nicht möglich. Die Rente beginne ab 1. September 2001, da der Kläger seit August 2001 voll erwerbsgemindert sei. Ein Verzicht gemäß § 46 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sei unzulässig, da hierdurch ein anderer Leistungsträger (Sozialhilfeträger) belastet wäre. Hiergegen erhob der Kläger am 10. Dezember 2002 Widerspruch. Mit Rentenbescheid vom 17. Juni 2003 berechnete die Beklagte die gewährte Rente ab 1. September 2003 neu. Mit Bescheid vom 8. März 2004 wurde die Rente ab 1. April 2004 neu berechnet. Die Bitte des Klägers vom 4. August 2004 um nochmalige Neuberechnung seiner Rente sah die Beklagte als Antrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an, den sie mit Bescheid vom 25. August 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2004 ablehnte.
Am 29. Dezember 2004 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) und begehrte u.a., die Rente erst zum 1. September 2002 gewährt zu bekommen. Sein Bevollmächtigter beantragte im weiteren Verlauf des Klageverfahrens, die Erwerbsminderungsrente ab dem 1. Januar 2003, hilfsweise ab dem 1. September 2002, höchsthilfsweise ab dem 1. Juli 2002 zu gewähren. Mit Urteil vom 24. April 2006 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2004 verurteilt, den Bescheid vom 27. November 2002 abzuändern und dem Kläger die Rente wegen voller Erwerbsminderung erst ab 1. Juli 2002 zu gewähren. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
Gegen das dem Kläger am 1. Juni 2006 zugestellte Urteil erhob er am 6. Juni 2006 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg. Der Rentenbeginn könne nur auf den 1. Januar 2003 lauten. Im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens begehrte er zusätzlich eine höhere Rente unter Anerkennung weiterer Zeiten sowie "Verzinsung". Mit Urteil vom 23. Mai 2007 änderte das LSG das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 24. April 2006 und verurteilte die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 21. Juni 2006, 16. August 2006, 1. November 2006 und 5. Februar 2007, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Januar 2003 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Die Klage wurde abgewiesen. Das Urteil des LSG vom 23. Mai 2007 wurde rechtskräftig.
Mit zwei Eingaben (u.a. Telefaxschreiben vom 22. April 2016) wandte sich der Kläger im Weiteren an das Bundessozialgericht (BSG) mit dem Begehren, das Verfahren mit Blick auf das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Mai 2007 wieder anzurufen. Mit Schreiben vom 11. Mai 2014 und 28. April 2016 teilte das BSG dem Kläger mit, dass es keine Zuständigkeiten und Befugnisse habe, die über die Entscheidung in den ihm zugewiesenen Rechtsmittelverfahren hinausgingen. Ein früheres Rechtsmittelverfahren gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Mai 2007 mit ihm als Beteiligten sei beim BSG nicht feststellbar. Es gäbe deshalb keine Veranlassung, ein solches Verfahren wiederanzurufen. Für ein möglicherweise beabsichtigtes Wiederaufnahmeverfahren eines früher bereits rechtskräftig abgeschlossenen Urteils sei das BSG nicht zuständig; er müsse sich hierzu an das Gericht wenden, das dieses Urteil erlassen habe.
Am 13. Mai 2016 ist das Schreiben des BSG vom 28. April 2016 an den Kläger beim LSG eingegangen versehen mit dem handschriftlichen Vermerk des Klägers: "An LSG = das Verfahren vom Urteil des 23. Mai 2007 ist damit offiziell neu angerufen, 13. Mai 2016". Dieser handschriftliche Vermerk des Klägers ist auch vom Kläger eigenhändig unterschrieben.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Mai 2007 (L 2 R 2873/06) für nichtig zu erklären, den Rechtsstreit erneut zu verhandeln und das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 24. April 2006 abzuändern und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 21. Juni 2006, 16. August 2006, 1. November 2006 und 5. Februar 2007 zu verurteilen, ihm eine höhere Rente ab 1. Januar 2003 unter zusätzlicher Anerkennung von 36 Monaten Beitragszeiten für die Erziehung des Sohnes Wieland, weiterer Beitragszeiten ab 1. November 2006 wegen nicht erwerbsmäßiger Pflege seines Vaters zu bewilligen und die Beklagte zur Zahlung von Verzugszinsen ab Beginn der Rente zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Wiederaufnahmeklage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten des LSG und die beigezogene Senatsakte L 2 R 2873/06 und die beigezogene Akte des SG S 7 R 3176/04 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte in der Sache verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger am 10. Juni 2016 einen Verlegungsantrag gestellt hat und zur mündlichen Verhandlung am 15. Juni 2016 nicht erschienen ist.
Grundsätzlich stellt der Umstand, dass ein Beteiligter außer Stande ist, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen und dies vorher mitteilt, noch keinen zwingenden Grund für eine Terminverlegung dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Gericht - wie vorliegend - auf die Möglichkeit hingewiesen hat, dass auch bei Ausbleiben eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung kann - und ggfs. muss - jedoch gem. § 202 SGG i. V. m. dem entsprechend anwendbaren § 227 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) bei Vorliegen erheblicher Gründe aufgehoben werden, selbst wenn das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet war. Ein i. S. des § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO ordnungsgemäß gestellter Verlegungsantrag mit einem hinreichend substantiiert geltend und ggfs. glaubhaft gemachten Terminverlegungsgrund begründet grundsätzlich eine entsprechende Pflicht des Gerichts zur Terminverlegung (vgl. Bundessozialgericht - BSG - Beschluss vom 24. Oktober 2013 - B 13 R 59/13 B). Nach dieser Maßgabe war dem Verlegungsantrag des Klägers nicht stattzugeben. Der Antrag war nicht hinreichend substantiiert und der Verlegungsgrund damit nicht glaubhaft gemacht. Der Kläger hat lediglich mit Fax vom 10. Juni 2016 mitgeteilt, er sei "verwundet und nicht reisefähig". Damit war für den Senat nicht nachvollziehbar, ob der Kläger reiseunfähig und/oder verhandlungsunfähig war. Die Art der "Verwundung/Erkrankung" hat der Kläger nicht präzisiert. Das vom Kläger angekündigte ärztliche Attest hat er bis zur mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt.
Die Wiederaufnahmeklage ist unzulässig.
Ein rechtskräftig beendetes Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit kann - neben den hier nicht einschlägigen Fällen der §§ 179 Abs. 2, 180 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung (ZPO) wiederaufgenommen werden (§ 179 Abs. 1 SGG). Gemäß § 578 Abs. 1 ZPO kann die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens durch die Restitutionsklage (§ 580 ZPO) und die - hier allein in Betracht kommende - Nichtigkeitsklage (§ 579 ZPO) erfolgen.
Die Nichtigkeitsklage findet nach § 579 Abs. 1 ZPO statt, (1.) wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, (2.) wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern er nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs und eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist, (3.) wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt oder das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war und (4.) wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. Diese Gründe sind abschließend (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl., § 179 SGG Rdnr. 3c f.).
Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Klage an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist (vgl. § 589 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Auch muss ein Wiederaufnahmegrund schlüssig behauptet werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. Rdnr. 7, 9). Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Klage als unzulässig zu verwerfen (Satz 2 der Vorschrift).
Die am 13. Mai 2016 beim Landessozialgericht erhobene Klage ist unzulässig. Gemäß § 586 Abs. 1 ZPO ist die Klage vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben. Gemäß § 586 Abs. 2 Satz 1 beginnt diese Frist mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Gemäß § 586 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist nach Ablauf von fünf Jahren von dem Tag der Rechtskraft des Urteils an gerechnet die Klage unstatthaft. Diese Regelung kommt vorliegend zur Anwendung. Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des mit rechtskräftigem Endurteil vom 23. Mai 2007 abgeschlossenen Berufungsverfahrens. Gegen dieses Urteil hat sich der Kläger nicht mit dem gegebenen gesetzlichen Rechtsbehelf an das BSG gewandt. Das Urteil vom 23. Mai 2007 wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 2. Juni 2007 zugestellt. Den gegen dieses Urteil gegebenen Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160a Abs. 1 Satz 1 SGG hat der Kläger nicht erhoben. Er wäre gemäß § 160a Abs. 1 Satz 2 SGG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim BSG einzulegen gewesen. Gemäß § 64 Abs. 2 SGG endet eine nach Monaten bestehende Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach seiner Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Das Ereignis war die Zustellung des Urteils des Landessozialgerichts vom 23. Mai 2007 am 2. Juni 2007 an den Kläger. Die Frist von einem Monat für die Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG endete somit mit Ablauf des 2. Juli 2007; mit Ablauf dieser Frist wurde das Urteil des LSG rechtskräftig. Bezogen auf die Einlegung der Wiederaufnahmeklage am 13. Mai 2016 ist somit offensichtlich gemäß § 586 Abs. 2 Satz 2 ZPO ein Zeitraum von deutlich mehr als fünf Jahren vom Tag der Rechtskraft des Urteils des LSG an gerechnet verstrichen; die Wiederaufnahmeklage ist deshalb nicht statthaft.
Soweit gemäß ‚§ 586 Abs. 3 ZPO § 586 Abs. 2 ZPO nicht auf die Nichtigkeitsklage wegen mangelnder Vertretung anzuwenden ist, ist auch diesbezüglich die erhobene Wiederaufnahmeklage unzulässig. Einen (diesen) zulässigen Wiederaufnahmegrund hat der Kläger bereits nicht geltend gemacht.
Da der Wiederaufnahmeantrag nicht zulässig ist (Stufe I: Zulässigkeit der Wiederaufnahmeklage), war der auf Aufhebung des Urteils vom 23. Mai 2007 gerichtete Antrag mit dem Ziel einer neuen Verhandlung und Entscheidung im früheren Rechtsstreit daher zu verwerfen; der Senat musste weder prüfen, ob tatsächlich ein Wiederaufnahmegrund (Stufe II: Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes) vorliegt, noch den früheren Rechtsstreit erneut verhandeln und entscheiden (Stufe 3: Verhandlung und Entscheidung des früheren Rechtsstreits).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
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