L 1 P 5/12

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 8 P 59/07
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 P 5/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid vom 18. Oktober 2011 sowie der Bescheid der Beklagten, dem Kläger zugegangen am 12. Januar 2007, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2007 aufgehoben. 2. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagte und die Beigeladene je zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagte und die Beigeladene jeweils selbst. 3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erhöhung der Pflegestufe für die am xxxxx 2007 verstorbene Versicherte K.B ...

Der Kläger ist der Enkel der Versicherten. Der Bevollmächtigte des Klägers ist der Sohn der Versicherten. Für Sohn und Enkelsohn der Versicherten bestand eine Vorsorgevollmacht der Versicherten ab 18. Mai 2006.

Die Versicherte war in dem Pflegeheim E. der Beigeladenen untergebracht und erhielt von der Beklagten Leistungen nach der Pflegestufe II.

Mit Schreiben vom 12. August 2006 wies der Sohn der Versicherten die Beklagte darauf hin, dass ihm von der Beigeladenen wiederholt ein Schreiben vorgelegt worden sei, mit dem er auf Briefpapier der Beigeladenen einen Höherstufungsantrag bei der Beklagten stellen sollte. Er habe dem nicht zugestimmt, da er zunächst wissen wolle, ob der Zeitkorridor der Pflegestufe II tatsächlich ausgeschöpft worden sei. Dem Schreiben waren als Anlagen der in Bezug genommene Höherstufungsantrag vom 15. Juni 2006 sowie ein Informationsschreiben der Beigeladenen zu den Auswirkungen einer Pflegestufenänderung beigefügt.

Mit Antrag vom 10. Oktober 2006 beantragte der Sohn der Versicherten dann die Einstufung in eine höhere Pflegestufe. Auf dem Antrag war unter der Rubrik "Ich beantrage die Zuteilung einer höheren Pflegestufe ab " vermerkt: "Feststellung u.V. der Rückstufung".

Die Beklagte beauftragte den MDK mit der Begutachtung der Versicherten. Dieser kam in seinem Gutachten vom 29. Dezember 2006 zu dem Ergebnis, dass die Versicherte bei einem Bedarf in der Grundpflege von 246 Minuten die Voraussetzungen der Pflegestufe III erfülle. Die Beklagte bewilligte daher mit beim Sohn der Versicherten am 12. Januar 2007 eingegangenem Bescheid ohne Datum Leistungen der Pflegestufe III ab dem 1. September 2006. Den monatlichen Leistungsbetrag in Höhe von 1432,00 Euro überwies die Beklagte an die Beigeladene.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bevollmächtigte der Versicherten am 23. Januar 2007 Widerspruch. Er führte aus, er habe die Höherstufung erst ab Feststellung und nur unter dem Vorbehalt der Rückstufung gestellt. Er sei bei der Begutachtung durch den MDK nicht hinzugezogen worden. Gleichzeitig nahm er seinen Antrag auf Höherstufung rückwirkend zum Zeitpunkt der Antragstellung zurück.

Nach erneuter Begutachtung durch den MDK im Beisein des Sohnes der Versicherten (Gutachten vom 23. Februar 2007) wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2007 zurück.

Am 15. Juni 2007 hat der Bevollmächtigte der Versicherten Klage erhoben.

Nach dem Tod der Versicherten hat der Bevollmächtigte eine Durchschrift der Sterbeurkunde vorgelegt. Im November 2007 hat der Bevollmächtigte mitgeteilt, der Enkel der Versicherten sei gemäß Testamentseröffnung der Erbe der Versicherten und führe das Verfahren fort. Der Enkel hat seinen Vater, den Sohn der Versicherten, zu seinem Bevollmächtigten bestellt. Nach Einholung der Pflegedokumentation der Versicherten vom D.-Heim und eines Befundberichtes sowie erfolgter Akteneinsicht durch den Bevollmächtigten des Klägers hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18. November 2011 abgewiesen. Die Klage sei durch den Tod der Versicherten nicht unzulässig geworden. Der Enkel der Versicherten habe als Erbe den Rechtsstreit nach der Aussetzung gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 246 Zivilprozessordnung als Gesamtrechtsnachfolger aufnehmen können, was er durch die Erklärung seines Bevollmächtigten getan habe. Die Klage sei aber unzulässig, weil die Versicherte und ihr Rechtsnachfolger nicht beschwert seien. Denn die Beklagte sei auf Antrag des Bevollmächtigten der Versicherten tätig geworden und habe diesem stattgegeben. Eine Beschwer folge auch nicht daraus, dass der Bevollmächtigte vermeintlich hinsichtlich des Beginns der Höherstufung und ihrer Beständigkeit Einschränkungen gemacht habe. Der intendierte Hinweis zur Möglichkeit der Rückstufung sei, so wie vom Bevollmächtigten eingetragen, nicht verständlich. Auch der Hinweis zum Zeitpunkt der Höherstufung sei nicht aus sich heraus verständlich. Jedenfalls habe sich die Beklagte rechtmäßiger Weise an den Zeitpunkt gehalten, zu dem der MDK für die Versicherte die Pflegestufe III festgestellt habe.

Der Sohn der Versicherten hat gegen den ihm am 7. Januar 2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 6. Februar 2012 Berufung eingelegt, die er damit begründet, dass es Pflicht auch des Sozialgerichts gewesen sei, die vollständige Pflegedokumentation beizuziehen und ihm zur Akteneinsicht zur Verfügung zu stellen. Im Zusammenhang mit der Pflege seiner verstorbenen Mutter sei es nach seiner Ansicht zu strafrechtlich relevantem Verhalten gekommen, dessen Aufklärung er begehrt.

Der Klägervertreter beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 18. Oktober 2011 sowie den Bescheid der Beklagten, dem Kläger zugegangen am 12. Januar 2007, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2007 aufzuheben.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Krankenakte der Klägerin und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.

Sie hat in der Sache auch Erfolg. Der Senat hält nicht an der im die Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss vom 19. September 2013 geäußerten Rechtsauffassung fest. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und verletzten den Erben der Versicherten in seinen Rechten. Sie waren daher aufzuheben.

Entgegen der Ansicht des Sozialgerichtes scheitert die Zulässigkeit der Klage nicht an der fehlenden Klagebefugnis.

Dabei ist zunächst festzuhalten, dass an das Vorliegen der Klagebefugnis keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11.01.2016 - L 6 AS 309/15 B PKH).

Vor diesem Hintergrund kann es zunächst dahinstehen, ob nicht schon der Umstand, dass mit der höheren Pflegestufe auch eine höhere – zivilrechtliche – Zahlungspflicht des Versicherten gegenüber dem Pflegeheim entsteht, eine rechtliche Beschwer einhergeht. Denn letztlich liegt eine Beschwer schon darin, dass der Bevollmächtigte der Versicherten den Antrag auf Höherstufung wirksam zurückgenommen hat, ohne dass die Beklagte darauf mit Einstellung der Leistungsgewährung reagiert hätte. Die Leistungen des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) sind nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB XI antragsabhängig. Eine Leistungsgewährung stellt daher einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt dar. Mit der wirksamen Antragsrücknahme fehlt dem Bescheid damit eine Tatbestandsvoraussetzung (vgl. zur Bedeutung des Antrags für Leistungen nach dem SGB XI: BSG, Urt. v. 13.05.2004 - B 3 P 7/03 R, Rn. 19). Die Leistungsgewährung ist nach der Antragsrücknahme nicht mehr gewollt und stellt sich als aufgedrängt dar. Allein daraus resultiert eine Beschwer (vgl. VG Halle, Urt. v. 30.08.2013 - 4 A 244/12, Rn. 19 zu der vergleichbaren Situation einer antragsabhängigen Genehmigung, bei der ebenfalls der Antrag zurückgenommen wurde).

Dass die Antragsrücknahme hier zulässig und wirksam war, ergibt sich aus Folgendem:

Das SGB XI enthält keine Regelung, die im vorliegenden Fall einer Antragsrücknahme entgegenstünde. Der Senat hat – abweichend von der im Prozesskostenhilfe-Beschluss geäußerten Auffassung – erhebliche Zweifel daran, dass die Regelung des § 87a Abs. 2 SGB XI die Rücknehmbarkeit eines Höherstufungsantrages beeinflusst. Vielmehr hat das Bundessozialgericht (BSG) immer wieder betont, dass die Norm gerade keine Regelung für den Fall der Antragsrücknahme beinhaltet (vgl. BSG, Urt. v. 07.10.2010 – B 3 P 4/09 R, Rn. 12). Systematisch sieht § 87a Abs. 2 SGB XI als Folge eines trotz Aufforderung unterbliebenen Antrags auch nicht etwa eine andere Einstufung der Pflegestufe vor, sondern vermittelt dem Heimträger einen davon losgelösten vorläufigen Zahlungsanspruch, der im Weg der Zahlungsklage durchzusetzen ist (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 13; vgl. auch BSG, Urt. v. 16.05.2013 - B 3 P 1/12 R, Rn. 10f). Es wird also für eine solche Zahlungsklage ein Antrag fingiert (vgl. BSG, Urt. v. 07.10.2010, Rn. 16 a.E.). Es erscheint zweifelhaft, ob hieraus abgeleitet werden kann, dass die Rücknahme eines Antrags auf der Ebene der bescheidmäßigen Einordnung in eine Pflegestufe nicht möglich sein soll.

Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht an. Denn zumindest lagen die Voraussetzungen des § 87a Abs. 2 SGB XI nicht vor. Die Beigeladene konnte ein den Voraussetzungen des § 87a Abs. 2 SGB XI entsprechendes Aufforderungsschreiben trotz gerichtlicher Aufforderung nicht vorlegen, und ein solches ist auch in den dem Gericht vorliegenden Verwaltungsvorgängen nicht zu finden. Insbesondere handelt es sich bei dem Schreiben vom 15. Juni 2006 (Bl. 265 GA) nicht um ein solches Aufforderungsschreiben. Vielmehr ist dies ein von der Beigeladenen auf deren Briefpapier formulierter Antrag, den der Bevollmächtigte der Versicherten unterschreiben sollte. § 87a Abs. 2 SGB XI fordert jedoch eine schriftliche und begründete Aufforderung des Heimträgers zur Antragstellung gegenüber dem Versicherten. Dass eine solche vorliegt, behauptet auch die Beigeladene nicht.

Ergeben sich somit aus den gesetzlichen Regelungen unmittelbar keine Beschränkungen der Antragsrücknahme, so lassen sich zumindest im vorliegenden Fall solche Beschränkungen nach Ansicht des Senates auch nicht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ableiten.

Für die Frage der wirksamen Antragsrücknahme stellt das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) auf die Prinzipien des Verwaltungsprozessrechts ab, die die Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens im Gerichtsprozess regeln und nach denen grundsätzlich Rechtsbehelfe bis zur rechtskräftigen Entscheidung zurückgenommen werden können. Auch für das Verwaltungsverfahren kann daher nach Ansicht des BVerwG grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Rücknahme von Anträgen bis zu diesem Zeitpunkt möglich ist. Ausnahmen sollen allerdings dann in Betracht kommen, wenn die Rücknahme gesetzlich ausgeschlossen ist oder wenn bereits durch die Stellung des Antrags oder durch die Entscheidung der Behörde über den Antrag Umstände eingetreten sind, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.05.1980 – 5 C 65/78, Rn. 13).

Das BSG beantwortet die Frage der allgemeinen Rücknehmbarkeit von Leistungsanträgen im Sozialrecht hingegen aus der Sicht der Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches zu empfangsbedürftigen Willenserklärungen und modifiziert diese unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Sozialrechts (vgl. für den Bereich des Beitragsrechts: Urt. v. 06.02.1991 - 13/5 RJ 18/89; im Arbeitsförderungsrecht: Urt. v. 16.09.1998 - B 11 AL 17/98 R; Urt. v. 17.04.1986 - 7 RAr 81/84; Urt. v. 05.08.1999 - B 7 AL 38/98 R; im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende: Urt. v. 24.04.2015 - B 4 AS 22/14 R, jeweils mwN). Für den Bereich der Arbeitsförderung sieht das BSG auf dieser Grundlage eine Möglichkeit der Antragsrücknahme nur bis zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Bewilligungsentscheidung mit der Begründung, dass mit der Leistungsbewilligung auch ein Krankenversicherungsschutz eingetreten sei, der im Falle der Antragsrücknahme nach Leistungsbewilligung aus Rechtsgründen nicht rückabgewickelt werden könne.

Alle Ansichten stellen damit letztlich auf die Frage ab, ob Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes oder der Rückabwickelbarkeit einer Antragsrücknahme entgegenstehen. Solche Gesichtspunkte sind in dem vorliegenden konkreten Fall nicht ersichtlich.

Der Fall ist davon geprägt, dass der Bevollmächtigte der Versicherten von vornherein deutlich gemacht hat, dass er ohne weitere Abklärung einer Höherstufung der Pflegestufe für die Versicherte nicht zustimme und dass er die Rücknahme des – zuvor auf Drängen der Beigeladenen gestellten – Höherstufungsantrages unverzüglich nach Erhalt des bewilligenden Bescheides erklärt hat. Zu einem vorherigen Zeitpunkt war ihm dies nicht möglich, da er – trotz ausdrücklichen Wunsches, bei der Begutachtung anwesend zu sein – von der Begutachtung durch den MDK und dessen Ergebnis keine Kenntnis hatte. Eine durch den Antrag bis zu seiner Rücknahme verursachte und dieser entgegenstehende Leistungsbewilligung kann sich also nur auf die Zeit vom 12. Januar 2007 (Zugang Bewilligungsbescheid beim Sohn der Versicherten) bis 23. Januar 2007 (Zugang des Widerspruchs bei der Beklagten per Fax) beziehen.

Auch, wenn es sich bei der in Rede stehenden Pflegeleistung um eine Sachleistung handelt, deren Rückabwicklung zwar nicht von vornherein ausgeschlossen ist, jedoch – vor allem im Verhältnis des Versicherten zu dem Heimträger – mit komplexen (bereicherungsrechtlichen) Fragen behaftet sein kann, vermag der Senat nicht zu erkennen, dass bei dieser Sachlage eine Antragsrücknahme unzulässig war.

Dafür spricht schon, dass die Situation mit der vom BSG anerkannten Situation der Rücknahme bis zur Leistungsbewilligung annährend vergleichbar ist.

Ausschlaggebend ist zudem, dass die Beklagte durch eine Rückabwicklung nicht benachteiligt ist, die Beigeladene nicht schutzwürdig erscheint und dem Bevollmächtigten der Versicherten kein Missbrauch des Rücknahmerechts vorgeworfen werden kann.

Diese Einschätzung folgt daraus, dass die Beklagte den Differenzbetrag, der sich zwischen den Leistungen für die Pflegestufe II und III ergibt, zurückfordern und sich damit schadlos halten kann. Abwicklungstechnische Probleme sind hier nicht zu erwarten.

Die Beigeladene erscheint nicht schutzwürdig. Wie sich aus der Rechtsprechung des BSG ergibt, hat ein Heimträger zwei Möglichkeiten, einer aus seiner Sicht ungenügenden Bezahlung seiner Pflegeleistung zu begegnen (BSG, Urt. v. 16.05.2013 – B 3 P 1/12 R, Rn. 10ff). Zum einen kann er den Weg über die Pflegestufe nach § 87a Abs. 2 SGB XI gehen. Diesen Weg hat die Beigeladene nicht formal korrekt durchgeführt. Der andere Weg führt – losgelöst von der Regelung des § 87a SGB XI und einer Beteiligung des Versicherten – über eine Änderung der Pflegeklasse (zu den Einzelheiten dieses Weges vgl. BSG, aaO, Rn. 15ff). Auch diese Möglichkeit hat die Beigeladene nicht ergriffen. Vielmehr hat sie sich offensichtlich darauf beschränkt, den Bevollmächtigten der Versicherten zur Stellung eines eigenen Höherstufungsantrags ohne Einhaltung der formalen Vorgaben des § 87a SGB XI zu bewegen. Geht sie diesen Weg, obwohl der Bevollmächtigte der Versicherten deutlich zu erkennen gibt, dass er von einer solchen Antragstellung nicht überzeugt ist und den Antrag "unter dem Vorbehalt der Rückstufung" stellt, so ist sie im Falle der Antragsrücknahme nicht schutzwürdig.

Es ist nicht erkennbar, dass der Bevollmächtige der Versicherten die Antragsrücknahme aus rechtsmissbräuchlichen Gründen erklärt hat. Vielmehr wurde bereits dargestellt, dass der Bevollmächtigte von Beginn an seine Zweifel an der Erforderlichkeit einer Höherstufung mitgeteilt, den Antrag "unter dem Vorbehalt der Rückstufung" gestellt und ihn sogleich nach Kenntnis von der Bewilligung von Leistungen nach der Pflegestufe III zurückgenommen hat. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall auch maßgeblich von dem Fall, der der Entscheidung des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) vom 11. Juli 2007 (L 1 P 18/05) zugrunde lag und auf den sich die Beigeladene beruft. Das Sächsische LSG stellt nämlich maßgeblich darauf ab, dass die dortige Versicherte durch ihre Antragstellung verhindert habe, dass das Pflegeheim den Weg über § 87a Abs. 2 SGB XI gehen konnte; dies stelle sich als treuwidrig dar (vgl. Rn. 29 der Entscheidung). Zudem ist die Entscheidung zwischenzeitlich durch die neuere Rechtsprechung des BSG überholt. Denn sie stützt sich wesentlich auf die Entscheidung des BSG vom 1. September 2005 (B 3 P 4/04) und leitet daraus eine Abweichung vom Antragsprinzip ab (vgl. Rn. 28 der LSG-Entscheidung). Die Entscheidung des BSG vom 7. Oktober 2010 (B 3 P 4/09, Rn. 12) macht jedoch deutlich, dass die Entscheidung vom 1. September 2005 zwischenzeitlich durch den Erlass des § 87a Abs. 2 SGB XI überholt ist und weist ausdrücklich darauf hin, dass die Situation der Rücknahme des Höherstufungsantrags nicht geregelt und nicht gelöst ist.

War also in diesem Verfahren die Antragsrücknahme zulässig, so ist damit nicht nur die Klagebefugnis und damit die Zulässigkeit der Klage, sondern gleichzeitig auch ihre Begründetheit und somit auch die Begründetheit der Berufung gegeben. Denn einem Bescheid bezüglich einer antragsabhängigen Leistung fehlt ohne einen solchen Antrag eine Tatbestandsvoraussetzung, und er ist daher rechtswidrig (vgl. BSG, Urt. v. 16.09.1998 - B 11 AL 17/98 R, Rn. 21 und Urt. v. 06.02.1991 - 13/5 RJ 18/89, Rn. 22; VG Halle, a.a.O., Rn. 22ff).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt, dass die Beigeladene sich dem Antrag der Beklagten angeschlossen hat und damit mit dieser zusammen unterliegt. § 193 SGG konnte keine Anwendung finden, da es sich bei dem Erben der Versicherten nicht um einen Sonderrechtsnachfolger iSd § 56 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch handelt, da er zur Zeit des Todes der Versicherten mit ihr weder in einem Haushalt gelebt hat noch von ihr wesentlich unterhalten wurde. Die Zulassung der Revision erfolgt, da die Frage der Antragsrücknahme im Bereich des SGB XI nicht abschließend geklärt ist.
Rechtskraft
Aus
Saved