L 12 KO 1550/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 KO 1550/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Vergütung des Antragstellers für das Gutachten im Verfahren L 4 R 959/15 wird auf 3.219,59 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe der Kostenerstattung für ein vom Antragsteller erstelltes Gutachten.

In dem beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg geführten Verfahren L 4 R 959/15 ist eine Rente wegen Erwerbsminderung streitig. Mit gerichtlicher Verfügung vom 16.09.2015 wurde der Antragsteller von Amts wegen zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und um die Erstattung eines Gutachtens auf Basis einer ambulanten Untersuchung der Klägerin gebeten.

Am 03.03.2016 ging das 89-seitige Gutachten (zzgl. 2 weiteren Seiten Literaturverzeichnis) des Antragstellers bei Gericht ein. Mit Rechnung vom 11.03.2016 machte der Antragsteller eine Vergütung in Höhe von 5.703,97 EUR (inklusive 910,72 EUR Umsatzsteuer) geltend. Er rechnete hierbei 52,5 Stunden zu je 75 EUR (wobei der Antragsteller dies als M3 bezeichnete), d.h. 3.937,50 EUR ab. Diese Stundenanzahl schlüsselte der Antragsteller in 12,5 Stunden Aktenstudium, 5,0 Stunden Untersuchung und Anamnese, 17,9 Stunden Diktat und Korrektur und 16,9 Stunden für die Abfassung der Beurteilung auf. Des Weiteren stellte der Antragsteller Schreibauslagen in Höhe von 175,50 EUR, Kopierkosten in Höhe von 45,10 EUR, Post und Telekommunikationskosten in Höhe von 9,94 EUR in Rechnung. Auf die so errechnete Summe von 4.168,04 EUR schlug der Antragsteller noch einen Zuschlag in Höhe von 15 % (625,21 EUR) als Ersatz für besondere Aufwendungen einer Hilfskraft auf.

Die Kostenbeamtin hat die Vergütung des Antragstellers mit Schreiben vom 23.03.2016 auf 3.933,59 EUR (inklusive 628,05 EUR Umsatzsteuer) herabgesetzt. Hierbei hat sie Honorargruppe M2 (75 EUR pro Stunde) und 41 Stunden (= 3.075 EUR) zugrunde gelegt. Bei dieser Stundenanzahl ging die Kostenbeamtin von erforderlichen 9,1 Stunden Aktenstudium, 5,0 Stunden Untersuchung und Anamnese, 6,0 Stunden Diktat von Anamnesen und Befunden, 14,8 Stunden für die Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen und 6,0 Stunden für die Korrektur aus. Für Schreibauslagen hat die Kostenbeamtin 220,60 EUR und für Portokosten 9,94 EUR berücksichtigt. Der Zuschlag von 15 % für besondere Aufwendungen einer Hilfskraft auf den Netto-Gesamtbetrag könne nicht entschädigt werden. Ein Zuschlag von 15 % könne nur auf den auf die Hilfskraft entfallenden Teil der Gemeinkosten ersetzt werden. Vorliegend sei kein Betrag explizit für Gemeinkosten der Hilfskraft beantragt worden. Der Zuschlag von 15 % sei vielmehr auf die gesamten entstanden Kosten addiert worden, in welchen sowohl der Zeitaufwand für die Erstellung des Gutachtens, als auch die Schreibauslagen und Porto enthalten seien.

Mit Schreiben vom 20.04.2016 hat der Antragsteller hieraufhin richterliche Festsetzung beantragt. Hinsichtlich der Kostenberücksichtigung für eine Hilfskraft weise er darauf hin, dass er keine ständige Bürokraft, noch eine ständig angestellte Hilfskraft habe. Diese werde nur bei Bedarf in Anspruch genommen und nicht fest vergütet. Es erfolge seit 2008 keine Praxistätigkeit mehr, sondern er erstelle ausschließlich Gutachten. Die Hilfskraft bearbeite einmal wöchentlich den eingegangenen Schriftverkehr und begleite und organisiere die Gutachtenstermine.

Die Kostenbeamtin hat dem Antrag nicht abgeholfen und die Sache dem Kostensenat vorgelegt.

Der Antragsgegner hat mit Schreiben vom 06.06.2016 u.a. darauf hingewiesen, zwar seien grundsätzlich die notwendigen Aufwendungen für Hilfskräfte zu ersetzen, sofern diese für die Erstellung des Gutachtens notwendig seien. Die Höhe der Aufwendungen bestimme sich nach der Höhe der Vergütung, die der Hilfskraft gezahlt worden sei. Darüber hinaus könne ein auf Hilfskräfte entfallender Teil der Gemeinkosten des Sachverständigen durch einen Zuschlag von 15 % auf den Betrag abgegolten werden, der als notwendige Aufwendung für die Hilfskraft zu ersetzen sei. Der Ansatz des Sachverständigen entspreche daher nicht den gesetzlichen Vorschriften, da dieser die tatsächlichen Aufwendungen für die Hilfskraft nicht beziffert habe. Ein Zuschlag von 15 % auf die gesamte Rechnungssumme sei im Gesetz nicht vorgesehen.

Unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Antragsgegners hat der Senat den Antragsteller mit Schreiben vom 14.06.2016 darauf hingewiesen, dass seine Rechnung nicht den gesetzlichen Vorgaben entspreche und diesen um eine Stellungnahme gebeten. Der Antragsteller hat hieraufhin mit Schreiben vom 29.06.2016 nochmals bekräftigt, dass er eine richterliche Kostenfestsetzung begehre und zudem ausgeführt, der von ihm begehrte "Hilfskraft-Zuschlag" entspreche "zweifelsfrei" den gesetzlichen Vorgaben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.

II.

Die Vergütung des Antragstellers für das Gutachten im Verfahren L 4 R 959/15 ist auf 3.219,59 EUR festzusetzen.

Über den Antrag auf richterliche Festsetzung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) entscheidet der Senat zwar prinzipiell durch den Berichterstatter als Einzelrichter (§ 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG). Vorliegend hat indessen der Einzelrichter (Berichterstatter) das Verfahren gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG auf den Senat übertragen, weshalb dieser als Gesamtspruchkörper entscheidet.

Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Absatz 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Kostenfestsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68; Bayerisches LSG, Beschluss vom 04.07.2014 - L 15 SF 123/14 -, juris). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rn. 12 – m.w.N.). Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Kostenfestsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung kann daher auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (Bayerisches LSG, Beschluss vom 04.07.2014 - L 15 SF 123/14 -, juris; vgl. auch Meyer/Höver/Bach/Oberlack, 26. Aufl. 2014, § 4, Rn. 12 – m.w.N.).

Grundlage des hier zu beurteilenden Vergütungsanspruchs sind die §§ 8, 9 JVEG. Gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 i.V.m. § 9 Absatz 1 JVEG erhält der Sachverständige neben dem Ersatz von Fahrtkosten und Entschädigung für sonstigen Aufwand (§ 8 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 JVEG) für seine Leistung ein Honorar, das nach Stundensätzen zu bemessen ist. Die Höhe des Stundensatzes variiert je nach der Zugehörigkeit des Gutachtens zu einer bestimmten Honorargruppe (§ 9 Absatz 1 JVEG i.V.m. Anlage 1 zu § 9 Absatz 1). Das Honorar wird gemäß § 8 Absatz 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit gewährt.

I. Honorargruppe Die Rechnung des Antragstellers ist in diesem Punkt in sich widersprüchlich, da der Antragsteller zwar einen Stundensatz von 75 EUR abrechnet, diesen aber als fälschlich als M3 bezeichnet. Die Frage, ob dem Antragsteller insoweit nur ein reiner Rechenfehler unterlaufen ist und ob ein solcher Rechenfehler zu Gunsten des Antragstellers im Kostenfestsetzungsverfahren korrigiert werden kann, kann dahinstehen, da eine Kostenfestsetzung mit einem Stundensatz von 100 EUR (Honorargruppe M3) nicht in Betracht kommt.

Nach § 9 Absatz 1 JVEG erhalten medizinische Sachverständige für jede Stunde ein Honorar in Höhe von 65 EUR, 75 EUR oder 100 EUR, je nachdem, welcher Honorargruppe (M 1 bis M 3) das von ihnen erstattete Gutachten nach der Anlage 1 zu § 9 Absatz 1 JVEG zuzuordnen ist. Dabei hat sich der Gesetzgeber an den verschiedenen Gegenständen medizinischer Gutachten und ihrem Umfang orientiert, wobei die Vergütung aufwandsbezogen gestaltet sein soll (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 186).

Im Einzelnen lautet die gesetzliche Regelung (soweit der Bereich der Sozialgerichtsbarkeit betroffen sein könnte): Gegenstand medizinischer und psychologischer Gutachten Honorar M 1 Einfache gutachtliche Beurteilungen, insbesondere • zur Minderung der Erwerbsfähigkeit nach einer Monoverletzung 65 EUR M 2 Beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacherer medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, insbesondere Gutachten • in Verfahren nach dem SGB IX, • zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität, • zu spurenkundlichen oder rechtsmedizinischen Fragestellungen mit Befunderhebung (z.B. bei Verletzungen und anderen Unfallfolgen)

75 EUR M 3 Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtungen spezieller Kausalzusammenhänge und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalfragen), insbesondere Gutachten • zum Kausalzusammenhang bei problematischen Verletzungsfolgen, • in Verfahren nach dem OEG • zur Geschäfts-, Testier- oder Prozessfähigkeit, • zu Berufskrankheiten und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit bei besonderen Schwierigkeiten.

100 EUR

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 22.09.2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A - MedR 2006, 118 ff.) gilt insoweit:

Honorargruppe M 1 Einfachere gutachtliche Beurteilungen mit einer Vergütung nach Honorargruppe M 1 sind solche, bei denen die Diagnose zu beurteilender Gesundheitsstörungen verhältnismäßig leicht zu stellen ist und die Beweisfragen ohne sonderliche Mühe zu beantworten sind.

Honorargruppe M 2 Gutachten mit einer Vergütung nach der Honorargruppe M 2 sind die typischen in der Sozialgerichtsbarkeit eingeholten Gutachten, die durchschnittliche Anforderungen stellen. Gutachten mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad sind solche, bei denen die diagnostischen oder ätiologischen Fragen oder die Beurteilung des Leistungsvermögens eingehendere Überlegungen erfordern. Hierbei handelt es sich vor allem um sog. "Zustandsgutachten", in denen das Leistungsvermögen des Untersuchten im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung oder anderen Bereichen unter Berücksichtigung von Vorgutachten und Vorbefunden zu erörtern sind, sowie Gutachten aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung oder des sozialen Entschädigungsrechts, wenn die zu klärenden Kausalfragen keine besonders schwierigen Überlegungen erfordern.

Honorargruppe M 3 Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad nach der Honorargruppe M 3 liegen vor, wenn der Sachverständige umfassende und vielseitige bzw. vielschichtige Überlegungen anstellen muss. Die Schwierigkeiten können mit den diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhängen, aber auch andere Gründe haben, z.B. durch eine Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde oder anamnestischer Angaben bedingt sein. In erster Linie sind hier Zusammenhangsgutachten in der gesetzlichen Unfallversicherung und im sozialen Entschädigungsrecht einzuordnen, die sich im notwendigen Umfang mit den im Schrifttum vertretenen wissenschaftlichen Meinungen im Gutachten auseinander setzen, sowie Zustandsgutachten bei sehr komplizierten, widersprüchlichen Befunden und entsprechenden Schwierigkeiten bei deren diagnostischer Einordnung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bei einer nach dem Schwierigkeitsgrad völlig gleichmäßigen Abstufung die betragsmäßig ungleichmäßige, aber vom Gesetz verbindlich vorgegebene unterschiedliche Vergütung der Honorargruppen von 65 EUR über 75 EUR bis zu 100 EUR nicht nachvollziehbar erscheinen würde. Eine Vergütung nach Honorargruppe M3 fordert daher gegenüber Gutachten, die nach Honorargruppe M2 bewertet werden, einen deutlich höheren Schwierigkeitsgrad, wobei sich dieser gerade aus den Darlegungen im Gutachten entnehmen lassen muss. Es genügt daher für eine Vergütung nach der Honorargruppe M3 nicht, dass ein schwieriges Gutachten in Auftrag gegeben worden ist. Aus dem Gutachten selbst muss sich vielmehr ergeben, dass der Sachverständige die geforderten vielschichtigen bzw. vielseitigen Überlegungen auch anstellte und wodurch diese veranlasst wurden.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Entschädigung für das Gutachten des Antragstellers mit einem Stundensatz von 75 EUR nach Honorargruppe M2 der Anlage 1 zu § 9 Absatz 1 JVEG vorzunehmen.

Der Antragsteller ist Facharzt für Anästhesie und Allgemeinmedizin mit der Zusatzbezeichnung Schmerztherapie. Ein bestimmtes medizinisches Fachgebiet indiziert indessen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht bereits eine Zuordnung zur höchsten Honorargruppe. Gleiches gilt, wenn ein Gutachter über ein bestimmtes medizinisches Fachgebiet hinaus qualifiziert ist und sich sein Gutachten über die üblicherweise definierten Grenzen eines Fachgebiets hinaus erstreckt. Maßstab für die Zuordnung zu einer Honorargruppe ist nicht die (z. B. in akademischen Graden und weiteren Nachweisen zum Ausdruck kommende) Qualifikation eines Gutachters, sondern der Schwierigkeitsgrad des in Auftrag gegebenen und erstatteten Gutachtens. Hier kommt es auf den Einzelfall an.

Vorliegend handelt es sich um ein Gutachten in einem Rentenverfahren, also ein Zustandsgutachten zur Ermittlung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin. Die vom Antragsteller zu beantwortende Frage nach den Gesundheitsstörungen und den sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen mit Auswirkung auf das Leistungsvermögen ist grundlegend und Bestandteil jeder Beweisanordnung in einem Gutachten, in welchem eine Erwerbsminderung im Raum steht. Des Weiteren gehören die Auswertung und Bewertung von Vorbefunden und -gutachten zum regelmäßigen Erscheinungsbild von Sachverständigengutachten im sozialgerichtlichen Verfahren. Das Gutachten des Antragstellers stellt sowohl nach der vom Gericht vorgegebenen Fragestellung als auch nach seinem Aufbau und Inhalt eine beschreibende Ist-Zustands-Begutachtung nach standardisiertem Schema dar. Spezielle Kausalzusammenhänge wie etwa im Bereich der Kriegsopferversorgung, des Opferentschädigungs- und des Häftlingshilfegesetzes oder der gesetzlichen Unfallversicherung waren nicht zu erörtern.

Soweit der Antragsteller in seiner Rechnung vorträgt, es habe sich um ein komplexes interdisziplinäres Schmerzgutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad gehandelt (aber gleichwohl den zutreffenden Stundensatz von 75 EUR zu Grunde gelegt hat), vermag dies nicht zu einer anderen Einschätzung zu führen. Dass eine komplexe psychische Symptomatik unter Einbeziehung auch der somatischen Erkrankungen zu beurteilen ist, ändert nichts an der durchschnittlichen Schwierigkeit der Gutachterleistung; denn es ist auf dem Gebiet der Erwerbsminderungsrente die Regel, dass medizinische Bewertungen unter ausschließlicher Berücksichtigung eines Fachgebietes dem Beschwerdebild der Rentenantragsteller nicht genügen (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.06.2014 - L 3 R 317/11 B -, juris). Die Frage nach den Gesundheitsstörungen und den sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen mit Auswirkung auf das Leistungsvermögen ist grundlegend und Bestandteil jeder Beweisanordnung in einem Gutachten, in welchem eine Erwerbsminderung im Raum steht. Hierbei sind regelmäßig auch subjektive Empfindungen des zu Begutachtenden, wie vorliegend Schmerzen, vom Gutachter zu würdigen. Des Weiteren gehören die Auswertung und Bewertung von Vorbefunden und -gutachten zum regelmäßigen Erscheinungsbild von Sachverständigengutachten im sozialgerichtlichen Verfahren. Die in sozialgerichtlichen Verfahren übliche Auseinandersetzung mit einschlägigen Vorgutachten begründet grundsätzlich keinen hohen Schwierigkeitsgrad (Thüringer LSG, Beschluss vom 01.06.2011 – L 6 SF 277/11 B –, juris). Die Auseinandersetzung mit Vorbefunden stellt gerade in Rentenverfahren eher den Regel- und nicht den Ausnahmefall dar. Eine Einstufung nach M3 kommt daher nur bei komplexen Zustandsgutachten in Betracht, die durch sehr komplizierte, widersprüchliche Befunde und entsprechenden Schwierigkeiten bei deren diagnostischer Einordnung gekennzeichnet sind und sich hierdurch von den nach M2 zu vergütenden Gutachten deutlich abgrenzen. Dies ist nur dann der Fall, wenn Aufgabenstellung und Gutachten über die regelmäßig geforderte Erörterung des Leistungsvermögens des Untersuchten im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung unter Berücksichtigung von Vorgutachten und Vorbefunden deutlich hinausgeht. Letzteres war vorliegend nicht der Fall.

II. Zeitaufwand Bei der Frage der Entschädigung für die aufgewandte Zeit stehen sich folgende Positionen gegenüber: Antragsteller Kostenbeamtin Aktenstudium 12,5 h 9,1 h Untersuchung/Anamnese 5,0 h 5,0 h Diktat Anamnese/Befunde 17,9 h 6,0 h Beurteilung, Beantwortung Beweisfragen 16,9 h 14,8 h Korrektur, Durchsicht (bei Antragsteller nicht gesondert ausgewiesen) - 6,0 h Zwischensumme 52,3 h 40,9 h Gesamtzeitaufwand (aufgerundet) 52,5 h 41,0 h

Grundlage des hier zu beurteilenden Vergütungsanspruchs sind die §§ 8, 9 JVEG. Handelt es sich wie hier um ein Zeithonorar nach § 9 Abs. 1 JVEG, hat der Sachverständige in der Kostenrechnung anzugeben, welcher Zeitaufwand für die Erbringung der Leistung notwendig war. Das JVEG sieht im Grundsatz keine Begrenzung der für eine Leistung benötigten Zeit vor. Eine Vergütung wird allerdings nur für die "erforderliche" und nicht für die tatsächlich aufgewendete Zeit gewährt, § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG. Die "erforderliche" Zeit ist nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen (s. z. B. Meyer/Bach/Höver/Oberlack, a.a.O., § 8, Rn. 13 mit zahlreichen Nachweisen). Erforderlich ist die Zeit, die bei sachgerechter Abwägung von erfahrenen Sachverständigen in durchschnittlicher Arbeitsintensität für die Beantwortung der Beweisfragen benötigt wird. Hierbei geht die Rechtsprechung vielfach von Erfahrungssätzen aus, die aus einer Vielzahl von Gutachten ermittelt worden sind und die im Interesse einer Gleichbehandlung aller Sachverständigen notwendige objektive Beurteilung ermöglichen. Hieraus leitet sich auch die Kompetenz zur Überprüfung von Entschädigungsansprüchen ab, die mithin mit keinerlei Wertung hinsichtlich der Gutachten und ihrer Bearbeitung verbunden ist (vgl. hierzu grundlegend: Beschluss des Senats vom 14.01.2014 - L 12 KO 4491/12 B-, juris).

Es kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich aufgewandte Zeit richtig sind und dass die vom Sachverständigen zur Vergütung verlangten Stunden für die Erstellung des Gutachtens auch notwendig waren. Dementsprechend findet regelmäßig nur eine Plausibilitätsprüfung der Kostenrechnung anhand allgemeiner Erfahrungswerte statt (Beschluss des Senats vom 22.09.2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A -). Im Grundsatz gestaltet sich die kostenrechtliche Prüfung demnach so (Beschluss des Senats vom 05.04.2005 - L 12 SB 795/05 KO-A - Juris), dass in einem ersten Schritt im Rahmen der Plausibilitätsprüfung das Gutachten und seine einzelnen Teile auf sogenannte Standardseiten mit 2.700 Anschlägen je Seite umgerechnet wird und anhand von Erfahrungswerten (Blätter je Stunde im Fall der Aktendurchsicht bzw. Seiten je Stunde) für die jeweilige Tätigkeit (Aktendurchsicht, Diktat von Anamnese und Befunden, Beurteilung einschließlich Beantwortung der Beweisfragen, Korrektur) ein Zeitaufwand ermittelt wird, der im Fall eines Routinegutachtens zu erwarten ist. Überschreitet der Sachverständige mit seinem geltend gemachten Zeitaufwand das Ergebnis dieser Plausibilitätsprüfung (mehr als geringfügig, d.h. um mehr als 10 %), ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob sich - insbesondere aus dem Gutachten selbst unter Berücksichtigung des tatsächlichen Zeitaufwandes und ggf. vom Sachverständigen dargelegter Umstände - Hinweise ergeben, die eine Abweichung vom Ergebnis der Plausibilitätsprüfung rechtfertigen.

Soweit die Kostenbeamtin auf Basis der oben skizzierten Plausibilitätsprüfung den vom Gutachter angegebenen Zeitaufwand von 52,5 Stunden auf einen plausiblen Zeitaufwand von 41 Stunden gekürzt hat, entspricht dies zwar grundsätzlich den Werten der in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Plausibilitätsprüfung, diese kann jedoch in der genannten Form für die Vergütung des vorliegenden Gutachtens nicht herangezogen werden. Bei der Plausibilitätsprüfung wird nämlich auf Grundlage des Gutachtensinhalts anhand von Erfahrungswerten der Zeitaufwand ermittelt, der im Falle eines "Routinegutachtens" zu erwarten ist (vgl. Beschluss vom 05.04.2005 - L 12 SB 795/05 KO-A -, juris). Das hier in Auftrag gegebene und vom Antragsteller erstattete Gutachten weicht zwar nicht im Gutachtensauftrag, wohl aber im inhaltlichen Umfang des erstellten Gutachtens in so hohem Maße von einem in der Sozialgerichtsbarkeit üblichen Routinegutachten oder Standardgutachten ab, dass die für die Vergütung von Standardgutachten entwickelten Erfahrungswerte, die der Plausibilitätsprüfung zu Grunde liegen, keine Aussagekraft haben und dementsprechend nicht für die Bestimmung des "erforderlichen" Zeitaufwandes herangezogen werden können (vgl. Beschluss des Senats vom 21.05.2014 - L 12 KO 2832/13 -). Das Gutachten des Antragstellers umfasst 89 Seiten (dies entspricht 71,92 Standardseiten mit ca. 2.700 Anschläge einschließlich Leerzeichen pro Seite, vgl. BT-Drs. 15/1971 S. 184) und der Antragsteller hat nach eigenen Angaben für die Erstellung des Gutachtens 52,5 Stunden benötigt. Sowohl der formale Seitenumfang als auch der geltend gemachte Zeitaufwand übersteigen damit den in sozialgerichtlichen Verfahren üblichen Umfang um ein Vielfaches. Es ist nochmals darauf hinzuweisen, dass für die Vergütung des Sachverständigen nicht dessen individuelle Arbeitsweise, d.h. weder dessen Zeiteinteilung noch dessen den Umfang bestimmende Diktion, sondern der bei sachgerechter Abwägung von erfahrenen Sachverständigen in durchschnittlicher Arbeitsintensität für die Beantwortung der Beweisfragen "erforderliche" Zeitaufwand maßgeblich ist.

Der "erforderliche" Zeitaufwand und damit die Vergütung können daher im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle nicht allein unter Zugrundlegung des Umfangs eines Gutachtens bemessen werden, wenn dieser - wie vorliegend - ganz erheblich vom Regelfall abweicht. In derartigen Fallkonstellationen ist die Plausibilität des in Rechnung gestellten Zeitaufwandes nicht allein auf Basis des Gutachtensumfangs zu bestimmen, vielmehr kann die auf Basis des § 14 JVEG geschlossene Vergütungsvereinbarung zwischen dem Land Baden-Württemberg und häufiger für Gerichtsgutachten herangezogenen Sachverständigen als objektiver Erfahrungssatz und damit als zusätzliches Korrektiv für eine Plausibilitätsprüfung herangezogen werden. Hiernach wird bei schwierigen Gutachten (M2) für das LSG Baden-Württemberg eine Pauschalvergütung für den erforderlichen Zeitaufwand von 830 EUR gewährt. Dies entspricht einem Zeitaufwand von gerundet 11 Stunden für ein Routinegutachten. Bei Gutachten in erstinstanzlichen Verfahren beträgt die Pauschalvergütung 750 EUR, was 10 Stunden entspricht; der "Zuschlag" von einer Stunde im Berufungsverfahren beruht auf der Erfahrung, dass der Aktenumfang usw. hier in der Regel größer ist. Zwar hat der Wert von 11 Stunden keinerlei Allgemeingültigkeitsanspruch und limitiert daher den Erstattungsanspruch des Gutachters grundsätzlich nicht nach oben, er basiert jedoch auf langjährigen Erfahrungswerten des Kostensenats sowie der beteiligten Sachverständigen und kann daher als ergänzender Erfahrungswert der Plausibilitätsprüfung zu Grunde gelegt werden. Wird der genannte Erfahrungswert von 11 Stunden durch einen Gutachter ganz massiv überschritten, so bedarf es einer näheren Prüfung, ob Gutachtensauftrag und -inhalt den tatsächlichen Zeitaufwand erforderlich erscheinen lassen. Eine derartige ergänzende Plausibilitätskontrolle ist aus Sicht des Senats immer dann erforderlich, wenn der Erfahrungswert von 11 Stunden um mehr als das 3-fache überschritten wird. Dies ist hier sowohl nach eigenen Angaben des Antragstellers als auch nach der umfangsorientierten Plausibilitätsprüfung durch die Kostenbeamtin der Fall. Der vom Antragsteller geltend gemachte Zeitaufwand von 52,5 Stunden für die Erstellung des Gutachtens übersteigt den Erfahrungswert von 11 Stunden um den Faktor 4,77 und die (am Umfang des Gutachtens orientierte) Plausibilitätsprüfung der Kostenbeamtin, mit einer Reduzierung auf 41 Stunden, führt immer noch zu einem Übersteigen des plausiblen Gesamtzeitaufwandes um den Faktor 3,73. Ein im Vergleich zu einem Routinegutachten nahezu 4 bis 5-facher Zeitaufwand lässt sich vorliegend jedoch weder durch den Gutachtensauftrag erklären, der ausschließlich Fragen enthält, die in jedem Rechtstreit über die Gewährung einer Rente wegen einer Erwerbsminderung gestellt werden, noch durch besondere Schwierigkeiten der individuellen Fallkonstellation. Besonderheiten des individuellen Falls, die hier einen im Vergleich zum Regelfall massiv erhöhten Zeitaufwand plausibel machen könnten, sind nicht ersichtlich. Allein der Umfang der dem Antragsteller überlassenen Akten (1.358 Aktenseiten) ist hier als überdurchschnittlich zu bewerten. Hierdurch lassen sich jedoch die vom Antragsteller aufgewandten 52,5 Stunden nicht erklären. Sonstige Besonderheiten sind nicht ersichtlich. Wie bereits oben bei der Einstufung in die Honorargruppe dargelegt, sind bei Gutachten zur Frage der Leistungsfähigkeit eines zu Begutachtenden, regelmäßig auch subjektive Empfindungen, wie vorliegend Schmerzen, vom Gutachter zu würdigen und auch die Auswertung und Bewertung von Vorbefunden und -gutachten gehören zum Regelfall und erklären den geltend gemachten Zeitaufwand von 52,5 Stunden nicht.

In einer solchen Konstellation ist als "erforderlicher" Zeitaufwand maximal das 3-fache des durchschnittlichen Zeitaufwandes anzuerkennen, d.h. konkret 33 Stunden, die vergütungsfähig sind.

II. Die Kosten für Schreibarbeiten und Kopien sind antragsgemäß - wie auch bereits von der Kostenbeamtin ausgeführt - gemäß §§ 7, 12 JVEG in einer Gesamthöhe von 220,60 EUR zu erstatten. Antragsgemäß zu erstatten sind schließlich auch die Portokosten in Höhe von 9,94 EUR.

Soweit der Antragsteller hingegen einen pauschalen Zuschlag von 15 % auf den von ihm in Rechnung gestellten Betrag als Ersatz für besondere Aufwendungen einer Hilfskraft begehrt (konkret 625,21 EUR), gibt es hierfür keine gesetzliche Grundlage. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr.1 JVEG werden die für die Vorbereitung und Erstattung des Gutachtens aufgewendeten notwendigen besonderen Kosten, einschließlich der insoweit notwendigen Aufwendungen für Hilfskräfte, gesondert ersetzt. Hilfskraft im Sinne dieser Vorschrift ist eine Person, die der ernannte Sachverständige zur Durchführung zusätzlicher Arbeiten heranzieht und die an seine Weisungen gebunden ist. Voraussetzung für eine Erstattung ist aber neben der Notwendigkeit eines Einsatzes und der Qualifikation als Hilfskraft die konkrete Mitteilung des entsprechenden Aufwandes. Denn anders lässt sich ein Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen nicht begründen und nicht prüfen (Beschlüsse des Senats vom 28.05.2015 - L 12 SF 1072/14 E - und vom 29.04.2005 - L 12 U 1257/05 KO-B -). Zwar hat der Antragsteller einen konkreten Betrag genannt, diesen jedoch unzulässig anhand eines pauschalierten prozentualen Anteils seiner übrigen Rechnungsposten ermittelt. Das Begehren des Antragstellers zielt damit nicht auf Ersatz des tatsächlichen Aufwands für eine Hilfskraft, sondern auf Erstattung einer unzulässigen Pauschale. Erforderlich für einen Kostenersatz gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr.1 JVEG ist hingegen, dass die konkreten in Rechnung gestellten Tätigkeiten auf die Vorbereitung bzw. Erstattung eines besonderen Gutachtens bezogen sind (vgl. OLG Koblenz Beschluss vom 14.01.1993 - 5 W 7/93 -, juris) und es sich nicht um Arbeiten handelt, für die pauschal Schreibauslagen nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG gezahlt werden (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 04.04 2005 - L 6 SF 83/05 -, juris). Beides hat der Sachverständige darzulegen. Eine dem gemäße Konkretisierung ist auch nach entsprechendem Hinweis und Bitte des Senats um Stellungnahme nicht erfolgt, so dass hier eine Kostenerstattung ausscheidet.

Eine solche kommt schließlich auch nicht gemäß § 12 Abs. 2 JVEG in Betracht, auf den sich der Antragsteller mit seiner 15% Pauschale offenbar bezieht. Gemäß § 12 Abs. 2 JVEG wird ein auf die Hilfskräfte entfallender Teil der Gemeinkosten durch einen Zuschlag von 15 % auf den Betrag abgegolten, der als notwendige Aufwendung für die Hilfskräfte zu ersetzen ist, es sei denn, die Hinzuziehung der Hilfskräfte hat keine oder nur unwesentlich erhöhte Gemeinkosten veranlasst. Diese Regelung regelt unmissverständlich nur einen Zuschlag für die auf die Hilfskraft entfallenden Gemeinkosten. Die vom Antragsteller begehrte Pauschale ist hiervon hingegen nicht gedeckt. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch der in § 12 Abs. 2 JVEG geregelte Zuschlag auf die Gemeinkosten regelmäßig bei freien Mitarbeitern, die keine oder nur geringe Gemeinkosten verursachen, nicht anfällt (Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., § 12 Rn.30).

III. Somit ergibt sich Folgendes: Vergütung für Zeitaufwand (33 Stunden x 75 EUR) 2.475,00 EUR Schreibauslagen und Kopien 220,60 EUR Porto 9,94 EUR Zwischensumme 2.705,54 EUR 19 % Umsatzsteuer 514,05 EUR Gesamtsumme 3.219,59 EUR

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 4 Absatz 8 JVEG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Absatz 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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