Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Freiburg (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 19 AS 4524/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Bei der Frage, ob und ggf. in welcher Höhe der Absetzbetrag des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung nicht berücksichtigt wird, ist stets eine einzelfallbezogene Ermessensausübung des Leistungsträgers erforderlich.
2. Der Hinweis auf die Gesetzesbegründung, wonach die Freibeträge des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II lediglich einen Anreiz zur Erwerbsaufnahme geben sollen und daher zur Bedarfsdeckung nicht erforderlich sind, genügt für sich genommen nicht, um ermessensfehlerfrei die fehlende Berücksichtigung des Absetzbetrages des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung zu begründen.
2. Der Hinweis auf die Gesetzesbegründung, wonach die Freibeträge des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II lediglich einen Anreiz zur Erwerbsaufnahme geben sollen und daher zur Bedarfsdeckung nicht erforderlich sind, genügt für sich genommen nicht, um ermessensfehlerfrei die fehlende Berücksichtigung des Absetzbetrages des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung zu begründen.
1. Der Antragsgegner wird unter Abänderung des Bescheides vom 11.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2016 in der Fassung des Bescheides vom 26.11.2016 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 17.11.2016 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem unter dem Aktenzeichen S 19 AS 4528/16 anhängigen Klageverfahren, längstens aber bis zum 30.04.2016, vorläufig Leistungen nach dem SGB II in Höhe von weiteren 83,95 EUR monatlich zu erbringen. 2. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers dem Grunde nach. 3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe:
I.
Der Antragsteller beanstandet im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die fehlende Berücksichtigung der Absetzbeträge des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung für den Zeitraum 01.11.2016 bis 30.04.2017.
Der Antragsteller steht seit geraumer Zeit (aufstockend) im Bezug von laufenden Leistungen nach dem SGB II beim Antragsgegner. Neben den Leistungen nach dem SGB II bezieht der Antragsteller Einkommen aus zwei verschiedenen geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. So arbeitet der Antragsteller zum Einen bei der Firma "S. K. H.". Ausweislich der vorliegenden Verwaltungsakte erhielt der Antragsteller für diese Tätigkeit bis einschließlich Februar 2016 ein gleichbleibendes monatliches Gehalt von 149,50 EUR, ab März 2016 auf Grund einer betriebsbedingten Reduzierung seiner Arbeitszeit ein gleichbleibendes Gehalt von 99,00 EUR monatlich. Die zum 01.03.2016 in Kraft getretene Reduzierung seines Gehaltes zeigte der Antragsteller dem Antragsgegner mit Schreiben am 09.02.2016 an. Zum Anderen erhält der Antragsteller für eine weitere geringfügige Beschäftigung als Hausmeister beim E. O. in F. eine tarifliche Vergütung, die sich im Zeitraum Oktober 2013 bis heute schrittweise von monatlich 391,84 EUR netto auf nunmehr monatlich 420,77 EUR netto erhöht hat.
Auf den Weiterbewilligungsantrag des Antragstellers vom 28.09.2016 bewilligte der Antragsgegner durch Bescheid vom 11.10.2016 für den Zeitraum 01.11.2016 bis 30.04.2017 vorläufige Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 255,10 EUR für den Monat November 2016 sowie in Höhe von 340,17 EUR für die weiteren Monate. Die geringere Leistungsbewilligung im November 2016 begründete der Antragsgegner mit der Anrechnung einer Nebenkostengutschrift in entsprechender Höhe. Der Bescheid enthielt auszugsweise die folgende Begründung:
"Die Entscheidung über die vorläufige Bewilligung beruht auf § 40 Absatz 2 Nummer 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Absatz 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III. Die Entscheidung über die vorläufige Bewilligung beruht auf § 41a Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Sie erzielen laufende Einnahmen, die monatlich in unterschiedlicher Höhe zufließen Wie sich die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II im Einzelnen zusammensetzen, können Sie dem beigefügten Berechnungsbogen entnehmen."
Aus diesem Berechnungsbogen ist ersichtlich, dass der Antragsgegner bei der Leistungsberechnung im gesamten Bewilligungszeitraum ein Einkommen des Antragstellers in Höhe von monatlich jeweils 519,77 EUR netto (420,77 EUR + 99,00 EUR) berücksichtigt. Von diesem Einkommen wird ein "individueller Freibetrag" in Höhe von jeweils 100,00 EUR monatlich in Abzug gebracht. Weitere Freibeträge werden nicht berücksichtigt, so dass auf den Gesamtbedarf des Antragstellers ein zu berücksichtigendes Gesamteinkommen in Höhe von 419,77 EUR monatlich in Abzug gebracht wird.
Mit Schreiben vom 20.10.2016, eingegangen beim Antragsgegner am 27.10.2016, erhob der Antragsteller gegen die vorläufige Leistungsbewilligung durch Bescheid vom 11.10.2016 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, das zu berücksichtigende Einkommen sei aus seiner Sicht nicht richtig berechnet worden, da lediglich der Grundfreibetrag, nicht aber die sonstigen Freibeträge berücksichtigt worden seien. Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.11.2016 machte der Antragsteller zur weiteren Widerspruchsbegründung geltend, durch die fehlerhafte Berechnung monatlich ca. 80,00 EUR weniger an existenzsichernden Leistungen zur Verfügung zu haben, auf die er dringend angewiesen sei.
Durch Widerspruchsbescheid vom 08.11.2016 wies der Antragsgegner den Widerspruch des Antragstellers zurück. Zur Begründung verwies er auf die Regelung des § 41a Abs. 2 S. 2 SGB II. Danach sei die vorläufige Leistung so zu bemessen, dass der monatliche Bedarf der Leistungsberechtigten zur Sicherung des Lebensunterhalts gedeckt sei; dabei könne der Absetzbetrag nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben. Bei einer vorläufigen Bewilligung entscheide die Behörde über die Berücksichtigung dieser Freibeträge nach billigen Ermessen unter Berücksichtigung der bekannten und voraussichtlichen Verhältnisse. Vorliegend sei zu erwarten, dass die Einkünfte des Antragstellers in etwa so hoch seien, wie sie berücksichtigt worden seien. Im Interesse der Behörde stehe nicht nur der wirtschaftliche Umgang mit Steuergeldern, sondern auch eine zeitnahe Bearbeitung nach Beendigung des Bewilligungszeitraums und damit Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Durch die zurückhaltende Gewährung von Freibeträgen erhalte der Leistungsberechtigte mehr Anreiz zu einer zeitnahen Abgabe der abschließenden Unterlagen. Überdies sollten die Freibeträge des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II lediglich einen Anreiz dazu geben, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Sie würden jedoch nicht zur Bedarfsdeckung benötigt. Es sei nicht ersichtlich, dass der Bedarf des Antragstellers ohne die Gewährung weiterer Freibeträge unterdeckt würde. Der Antragsteller sei daher nicht beeinträchtigt, weshalb den Interessen der Behörde Vorrang eingeräumt werden müsse. Die Entscheidung, die Freibeträge auf den Grundfreibetrag zu beschränken, sei daher nicht zu beanstanden.
Am 17.11.2016 hat sich der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes an das Sozialgericht Freiburg gewandt. Er hat zugleich gegen den Widerspruchsbescheid vom 08.11.2016 eine Klage erhoben, die weiterhin unter dem Aktenzeichen S 19 AS XXXX/16 vor dem Sozialgericht Freiburg anhängig ist. Der Antragsteller ist der Auffassung, der Antragsgegner habe das ihm nach § 41a Abs. 2 SGB II zustehende Ermessen nicht hinreichend ausgeübt. So beschränke sich die Ermessensausübung auf allgemeine Ausführungen. Ermessen müsse jedoch vor allem der Einzelfallgerechtigkeit dienen, weshalb eine individuelle Ermessensausübung Grundvoraussetzung sei. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller in der Vergangenheit bislang stets der Aufforderung des Antragsgegners zur Vorlage der für die endgültige Leistungsbewilligung erforderlichen Unterlagen innerhalb weniger Tage nachgekommen sei. Da der Antragsteller überdies über ein gleichbleibendes Einkommen verfüge, drohe vorliegend auch keine Überzahlung durch die vorläufig bewilligten Leistungen. Zu berücksichtigen sei überdies, dass der Antragsteller auf die weitere Gewährung der Freibeträge vertraut habe. Er sei auf diese Freibeträge auch angewiesen, da er so oft wie möglich seine in H. lebende Tochter besuche. Durch die fehlende Berücksichtigung der Freibeträge im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung habe der Antragsteller keine ausreichenden Mittel mehr zur Verfügung, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Der Antragsteller hat eine eidesstattliche Versicherung vom 08.11.2016 vorgelegt, ausweislich derer er nicht genug Geld besitze, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem SGB II bis April 2017 unter Berücksichtigung des Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II zu bewilligen und auszuzahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er weist zunächst darauf hin, dass das Einkommen des Antragstellers aus der Tätigkeit bei der Schulstiftung der E. F. geringfügig schwankend sei, weshalb die Voraussetzungen für eine vorläufige Leistungsbewilligung zu bejahen seien. Überdies ist der Antragsgegner der Ansicht, im Widerspruchsbescheid vom 08.11.2016 zutreffend Ermessen im Sinne des § 41a Abs. 2 S. 2 SGB II ausgeübt zu haben. Insbesondere werde der monatliche Bedarf des Antragstellers durch sein Einkommen und die mit Bescheid vom 11.10.2016 bewilligten ergänzenden Leistungen gedeckt.
Durch Änderungsbescheid vom 26.11.2016 hat der Antragsgegner dem Antragsteller ab Januar 2017 unter Berücksichtigung der zum 01.01.2017 erhöhten Regelbedarfe vorläufig monatliche Leistungen in Höhe von 345,17 EUR bewilligt. Hinsichtlich der Einkommensanrechnung haben sich durch diesen Änderungsbescheid keine Veränderungen ergeben.
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten im Gerichts- und Verwaltungsverfahren wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen.
II.
Der vorliegende Antrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und im Übrigen zulässig. Der Antrag ist auch begründet. Dem Antragsteller kommt im Wege des einstweiligen Rechtschutzverfahrens ein Anspruch auf die vorläufige Berücksichtigung des (gesamten) Absetzbetrages des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II zu.
Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (also des Anordnungsgrundes) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 86b, Rdn. 27 m. w. N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragsstellers zu entscheiden (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Rdn. 29 m. w. N.). Sowohl Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG glaubhaft zu machen. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. nur Keller in: Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, a. a. O., Rdn. 41 f.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war dem vorliegenden Antrag stattzugeben. Die fehlende Berücksichtigung des Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung für den Zeitraum November 2016 bis April 2017 erweist sich nach summarischer Prüfung als ermessensfehlerhaft. Da nach summarischer Prüfung überdies eine Ermessensreduktion auf Null, also eine Einengung des Ermessensspielraums auf nur eine mögliche Entscheidung, vorliegt, war der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller ab Antragseingang beim Sozialgericht Freiburg (17.11.2016) bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum Ende des aktuellen Bewilligungszeitraumes am 30.04.2016, Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der Freibeträge des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II zu bewilligen und damit vorläufig monatlich 83,95 EUR höhere Leistungen zu gewähren. Im Einzelnen:
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 11.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2016 in der Fassung des Bescheides vom 26.11.2016, durch den der Antragsgegner dem Antragsteller im Zeitraum 01.11.2016 bis 30.04.2017 vorläufige Leistungen nach dem SGB II bewilligt hat. Der Antragsteller wendet sich ausschließlich gegen die fehlende Berücksichtigung des Absetzbetrages des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II. Die Frage, in welcher Höhe Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung in die Bedarfsberechnung einzustellen sind, ist dagegen nicht streitgegenständlich; insoweit liegt ein abtrennbarer Streitgegenstand vor (st. Rspr. des BSG, vgl. nur BSG, Urt. v. 16.06.2015 – Az. B 4 AS 44/14 R, Rdn. 11 nach Juris).
Rechtsgrundlage für die vorläufige Leistungsbewilligung ist § 41a SGB II, der seit dem 01.08.2016 (abschließend) die vorläufige Leistungsbewilligung regelt. Nach § 41a Abs. 1 S. 1 ist über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen vorläufig zu entscheiden, wenn (1.) zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Geld- und Sachleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist und die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen oder (2.) ein Anspruch auf Geld- und Sachleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Ob die Voraussetzungen für eine (lediglich) vorläufige Leistungsbewilligung überhaupt vorlagen, bedurfte im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung keiner Entscheidung durch die Kammer. Angesichts des Umstandes, dass das Gehalt des Antragstellers für seine Tätigkeit bei der Firma "S. K. H." – abgesehen von einer einmaligen betriebsbedingten Reduzierung der Arbeitszeit – seit Jahren gleichbleibend ist und dass das weitere Gehalt für die Hausmeistertätigkeit des Antragstellers beim E. O. ebenfalls abgesehen von einigen wenigen – wohl tariflich bedingten – Lohnerhöhungen keinen Veränderungen unterliegt, erscheint es allerdings fraglich, ob die Voraussetzungen für eine (lediglich) vorläufige Leistungsbewilligung nach § 41a SGB II überhaupt erfüllt sind. Dabei dürfte zu berücksichtigen sein, dass jedem Arbeitsverhältnis, durch das grundsätzlich ein gleichbleibender Monatslohn erzielt wird, die Möglichkeit einer Lohnerhöhung immanent ist. Die bloße, stets bestehende (theoretische) Möglichkeit einer zukünftigen Lohnerhöhung dürfte dabei nicht mit denjenigen Fällen vergleichbar sein, in denen Leistungsbezieher – etwa wegen schwankenden Arbeitszeiten – Monat für Monat ein Arbeitsentgelt in unterschiedlicher Höhe beziehen.
Selbst wenn vorliegend jedoch zu Gunsten des Antragsgegners die Zulässigkeit einer (lediglich) vorläufigen Leistungsbewilligung unterstellt wird, erweist sich die fehlende Berücksichtigung des Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II als rechtswidrig. Zwar ist gemäß § 41a Abs. 2 S. 2 SGB II die vorläufige Leistung so zu bemessen, dass der monatliche Bedarf der Leistungsberechtigten zur Sicherung des Lebensunterhalts gedeckt ist; dabei kann der Absetzbetrag nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben. Die Neuregelung des § 41 Abs. 2 S. 2 SGB II eröffnet dem Leistungsträger somit grundsätzlich die Möglichkeit, im Rahmen einer vorläufigen Leistungsbewilligung den Absetzbetrag des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II ganz oder teilweise nicht zu berücksichtigen. In der Gesetzesbegründung der Bundesregierung ist hierzu ausgeführt, dass es zulässig ist, "ggf. Freibeträge unberücksichtigt zu lassen, da mit diesen lediglich ein Erwerbsanreiz gesetzt werden soll, aber durch deren Nichtberücksichtigung im Rahmen der vorläufigen Entscheidung nicht die Bedarfsdeckung gefährdet wird. Die Freibeträge werden ggf. im Rahmen der abschließenden Entscheidung nachgezahlt" (Deutscher Bundestag – Drucksache 18/8041, S. 53 f.).
Der Antragsgegner hat somit die Möglichkeit, im Rahmen einer Ermessenentscheidung (so auch Groth/Siebel-Huffmann, NJW 2016, 3404; 3409) den Absetzbetrag nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II ganz oder teilweise bei der vorläufigen Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unberücksichtigt zu lassen. Dass dem Antragsgegner insoweit ein Ermessenspielraum zusteht ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Norm ("kann"), sondern auch daraus, dass das Gesetz die Möglichkeit vorsieht, den Absetzbetrag ganz oder teilweise unberücksichtigt zu lassen. Dem Antragsgegner steht somit nicht nur ein Ermessen zu, ob, sondern auch in welcher Höhe er die Freibeträge des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung berücksichtigt.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich der streitgegenständliche Bescheid des Antragsgegners hinsichtlich der Nichtberücksichtigung des (gesamten) Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II als ermessensfehlerhaft. Ist ein Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach seinem Ermessen zu handeln, hat er sein Ermessen gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Ermessensfehlerhaft ist – abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall des Ermessensausfalls – das Handeln der Behörde insbesondere dann, wenn sie von unzutreffenden, in Wahrheit nicht gegebenen, unvollständigen oder falsch gedeuteten tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen ausgeht, Gesichtspunkte tatsächlicher oder rechtlicher Art berücksichtigt, die rechtlich nicht relevant sind, oder umgekehrt wesentliche Gesichtspunkte außer Acht lässt, die zu berücksichtigen wären (vgl. nur Just in: Hauck/Noftz, SGB I, Werksstand 08/06, § 39 Rdn. 15 m.w.N.).
Der Ermessensnichtgebrauch, den mangels jeglicher Begründung für die fehlende Berücksichtigung des Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II der Ausgangsbescheid vom 11.10.2016 aufweist, konnte zwar gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) im Widerspruchsverfahren geheilt werden. Die Ermessenserwägungen im Widerspruchsbescheid vom 08.11.2016 erweisen sich nach summarischer Prüfung jedoch als fehlerhaft. Zutreffend hat der Antragsgegner zwar zunächst ausgeführt, dass es zu erwarten sei, dass die Einkünfte des Antragstellers in etwa so erzielt würden, wie sie berücksichtigt worden seien. Weshalb diese Erwägung allerdings für die erfolgte Nichtberücksichtigung des Absetzbetrages nach §11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II spricht, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Im Gegenteil, der Umstand, dass sich das Erwerbseinkommen des Antragstellers aller Vorsicht nach allenfalls geringfügig erhöhen wird, spricht vielmehr gegen die fehlende Berücksichtigung der Freibeträge des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II. So sollen durch die Neuregelung des § 41a Abs. 2 S. 2 SGB II Erstattungsforderungen im Rahmen der endgültigen Leistungsbewilligung vermieden werden (so auch: Formann SGb 2016, 615; 616). Die Gefahr einer Überzahlung im Rahmen der endgültigen Leistungsbewilligung ist aber umso höher, je mehr Schwankungen das (voraussichtliche) Erwerbseinkommen des Leistungsberechtigten unterworfen ist. Da vorliegend – wie bereits ausgeführt – allenfalls geringe Schwankungen des Erwerbseinkommen des Antragstellers zu erwarten sind, ist auch die "Gefahr" einer vorläufigen Leistungsüberzahlung mit der Folge von Erstattungsansprüchen im Rahmen der endgültigen Leistungsbewilligung gering. Dabei hat die Kammer auch berücksichtigt, dass der Antragsteller in der Vergangenheit Veränderungen seines Arbeitslohnes stets zeitnah mitgeteilt hat.
Sofern der Antragsgegner weiter ausführt, durch die zurückhaltende Gewährung von Freibeträgen solle ein Anreiz zur zeitnahen Abgabe der für die endgültige Leistungsbewilligung erforderlichen Unterlagen geschaffen werden, vermag diese Erwägung unter Umständen im Einzelfall, falls etwa der betroffene Leistungsempfänger in der Vergangenheit tatsächlich erst verspätet erforderliche Unterlagen vorgelegt haben sollte, die fehlende Berücksichtigung des Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II zu begründen. Vorliegend hat der Antragsteller aber gerade geltend gemacht, bislang die erforderlichen Unterlagen nach Aufforderung des Antragsgegners jeweils binnen weniger Tage vorgelegt zu haben. Diese seitens des Antragsgegners trotz gerichtlicher Nachfrage durch Verfügung vom 18.11.2016 ausdrücklich nicht widersprochene Aussage wird auch durch die vorgelegten Verwaltungsakten nicht widerlegt. Die fehlende Berücksichtigung des Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II ist daher ersichtlich nicht erforderlich, um eine zeitnahe endgültige Leistungsbewilligung zu ermöglichen. Die Ermessenserwägungen des Antragsgegners sind daher auch insoweit weder einzelfallbezogen noch ansonsten nachvollziehbar.
Sofern der Antragsgegner schließlich geltend macht, die Freibeträge des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II sollten lediglich einen Anreiz zur Erwerbsaufnahme geben und seien daher zur Bedarfsdeckung nicht erforderlich, mag dies grundsätzlich zutreffend sein. Alleine diese Erwägung kann nach summarischer Prüfung jedoch nicht genügen, um die fehlende Berücksichtigung des Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II zu begründen. Diese Erwägung trifft nämlich grundsätzlich auf alle Fälle der vorläufigen Leistungsbewilligung nach § 41a SGB II zu. Hätte der Gesetzgeber den Umstand, dass die Freibeträge des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II nicht der Sicherung des Existenzminimums dienen, für deren fehlende Berücksichtigung im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung als ausreichend erachtet, hätte er die Regelung des § 41a Abs. 2 S. 2 als gebundene Entscheidung oder zumindest als intendierte Ermessensentscheidung, die lediglich in atypischen Fallkonstellationen ein Abweichen vom Regelfall ermöglicht, ausgestalten können. Stattdessen ist jedoch im Rahmen des § 41 Abs. 2 S. 2 SGB II Ermessen auszuüben. Bei dieser seitens des Antragsgegners zu treffenden Ermessensentscheidung kann nicht alleine ein allgemein gültiger Gesichtspunkt herangezogen werden. Erforderlich ist vielmehr eine auf den Einzelfall eingehende Darlegung, dass und welche Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen stattgefunden hat und welchen Erwägungen dabei die tragende Bedeutung zugekommen ist, damit dem Betroffenen bzw. dem Gericht die Prüfung ermöglicht wird, ob die Ermessensausübung den gesetzlichen Vorgaben entspricht (vgl. nur Just a.a.O., Rdn. 22 m.w.N.).
Die Ermessensentscheidung des Antragsgegners erweist sich nach alledem als fehlerhaft. Darüber hinaus liegt nach summarischer Prüfung auch eine Ermessensreduktion auf Null vor, da lediglich die (volle) Berücksichtigung des Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II als ermessensfehlerfrei erscheint. Dabei hat die Kammer neben den obigen Erwägungen, also der allenfalls in einem geringen Umfang zu erwartenden Überzahlung sowie der in der Vergangenheit zeitnah erfolgten Vorlage der zur endgültigen Leistungsbewilligung erforderlichen Unterlagen durch den Antragsteller, auch berücksichtigt, dass der Antragsteller durch die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung vom 08.11.2016 glaubhaft gemacht hat, auf die Freibeträge des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II angewiesen zu sein, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Hierbei war zu beachten, dass der Antragsteller angegeben hat, einen erhöhten Bedarf auf Grund der regelmäßigen Besuche seiner in H. lebenden Tochter und damit auf Grund grundgesetzlich geschützter Belange zu haben. Eben diesen Umstand hat der Antragsteller zwar erst im Rahmen der Antragsbegründung vorgetragen, bereits im Widerspruchsverfahren hat er jedoch angegeben, auch auf die nicht berücksichtigten Freibeträge dringend angewiesen zu sein. Dies hätte den Antragsgegner zu weiteren Nachfragen veranlassen können.
Auf Grund der oben dargestellten Erwägungen, die allesamt gegen die fehlende Berücksichtigung des Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung sprechen sowie des Umstandes, dass der Antragsteller glaubhaft machen konnte, die Absetzbeträge zum Bestreiten seines Lebensunterhaltes bzw. für grundgesetzlich geschützte Belange zu benötigen, hat der Antragsteller auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ihm waren mithin im Wege der einstweiligen Anordnungen ab Antragseingang am 17.11.2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II unter Berücksichtigung des Freibetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II und damit monatlich weitere 83,95 EUR (20 % des um den Grundfreibetrag bereinigten, vorläufig angerechneten Erwerbseinkommens in Höhe von 419,77 EUR) zu gewähren.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbs. 1 SGG ausgeschlossen, weil in der Hauptsache die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG nicht zulässig wäre, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750,00 EUR nicht übersteigt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller beanstandet im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die fehlende Berücksichtigung der Absetzbeträge des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung für den Zeitraum 01.11.2016 bis 30.04.2017.
Der Antragsteller steht seit geraumer Zeit (aufstockend) im Bezug von laufenden Leistungen nach dem SGB II beim Antragsgegner. Neben den Leistungen nach dem SGB II bezieht der Antragsteller Einkommen aus zwei verschiedenen geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. So arbeitet der Antragsteller zum Einen bei der Firma "S. K. H.". Ausweislich der vorliegenden Verwaltungsakte erhielt der Antragsteller für diese Tätigkeit bis einschließlich Februar 2016 ein gleichbleibendes monatliches Gehalt von 149,50 EUR, ab März 2016 auf Grund einer betriebsbedingten Reduzierung seiner Arbeitszeit ein gleichbleibendes Gehalt von 99,00 EUR monatlich. Die zum 01.03.2016 in Kraft getretene Reduzierung seines Gehaltes zeigte der Antragsteller dem Antragsgegner mit Schreiben am 09.02.2016 an. Zum Anderen erhält der Antragsteller für eine weitere geringfügige Beschäftigung als Hausmeister beim E. O. in F. eine tarifliche Vergütung, die sich im Zeitraum Oktober 2013 bis heute schrittweise von monatlich 391,84 EUR netto auf nunmehr monatlich 420,77 EUR netto erhöht hat.
Auf den Weiterbewilligungsantrag des Antragstellers vom 28.09.2016 bewilligte der Antragsgegner durch Bescheid vom 11.10.2016 für den Zeitraum 01.11.2016 bis 30.04.2017 vorläufige Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 255,10 EUR für den Monat November 2016 sowie in Höhe von 340,17 EUR für die weiteren Monate. Die geringere Leistungsbewilligung im November 2016 begründete der Antragsgegner mit der Anrechnung einer Nebenkostengutschrift in entsprechender Höhe. Der Bescheid enthielt auszugsweise die folgende Begründung:
"Die Entscheidung über die vorläufige Bewilligung beruht auf § 40 Absatz 2 Nummer 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Absatz 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III. Die Entscheidung über die vorläufige Bewilligung beruht auf § 41a Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Sie erzielen laufende Einnahmen, die monatlich in unterschiedlicher Höhe zufließen Wie sich die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II im Einzelnen zusammensetzen, können Sie dem beigefügten Berechnungsbogen entnehmen."
Aus diesem Berechnungsbogen ist ersichtlich, dass der Antragsgegner bei der Leistungsberechnung im gesamten Bewilligungszeitraum ein Einkommen des Antragstellers in Höhe von monatlich jeweils 519,77 EUR netto (420,77 EUR + 99,00 EUR) berücksichtigt. Von diesem Einkommen wird ein "individueller Freibetrag" in Höhe von jeweils 100,00 EUR monatlich in Abzug gebracht. Weitere Freibeträge werden nicht berücksichtigt, so dass auf den Gesamtbedarf des Antragstellers ein zu berücksichtigendes Gesamteinkommen in Höhe von 419,77 EUR monatlich in Abzug gebracht wird.
Mit Schreiben vom 20.10.2016, eingegangen beim Antragsgegner am 27.10.2016, erhob der Antragsteller gegen die vorläufige Leistungsbewilligung durch Bescheid vom 11.10.2016 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, das zu berücksichtigende Einkommen sei aus seiner Sicht nicht richtig berechnet worden, da lediglich der Grundfreibetrag, nicht aber die sonstigen Freibeträge berücksichtigt worden seien. Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.11.2016 machte der Antragsteller zur weiteren Widerspruchsbegründung geltend, durch die fehlerhafte Berechnung monatlich ca. 80,00 EUR weniger an existenzsichernden Leistungen zur Verfügung zu haben, auf die er dringend angewiesen sei.
Durch Widerspruchsbescheid vom 08.11.2016 wies der Antragsgegner den Widerspruch des Antragstellers zurück. Zur Begründung verwies er auf die Regelung des § 41a Abs. 2 S. 2 SGB II. Danach sei die vorläufige Leistung so zu bemessen, dass der monatliche Bedarf der Leistungsberechtigten zur Sicherung des Lebensunterhalts gedeckt sei; dabei könne der Absetzbetrag nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben. Bei einer vorläufigen Bewilligung entscheide die Behörde über die Berücksichtigung dieser Freibeträge nach billigen Ermessen unter Berücksichtigung der bekannten und voraussichtlichen Verhältnisse. Vorliegend sei zu erwarten, dass die Einkünfte des Antragstellers in etwa so hoch seien, wie sie berücksichtigt worden seien. Im Interesse der Behörde stehe nicht nur der wirtschaftliche Umgang mit Steuergeldern, sondern auch eine zeitnahe Bearbeitung nach Beendigung des Bewilligungszeitraums und damit Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Durch die zurückhaltende Gewährung von Freibeträgen erhalte der Leistungsberechtigte mehr Anreiz zu einer zeitnahen Abgabe der abschließenden Unterlagen. Überdies sollten die Freibeträge des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II lediglich einen Anreiz dazu geben, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Sie würden jedoch nicht zur Bedarfsdeckung benötigt. Es sei nicht ersichtlich, dass der Bedarf des Antragstellers ohne die Gewährung weiterer Freibeträge unterdeckt würde. Der Antragsteller sei daher nicht beeinträchtigt, weshalb den Interessen der Behörde Vorrang eingeräumt werden müsse. Die Entscheidung, die Freibeträge auf den Grundfreibetrag zu beschränken, sei daher nicht zu beanstanden.
Am 17.11.2016 hat sich der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes an das Sozialgericht Freiburg gewandt. Er hat zugleich gegen den Widerspruchsbescheid vom 08.11.2016 eine Klage erhoben, die weiterhin unter dem Aktenzeichen S 19 AS XXXX/16 vor dem Sozialgericht Freiburg anhängig ist. Der Antragsteller ist der Auffassung, der Antragsgegner habe das ihm nach § 41a Abs. 2 SGB II zustehende Ermessen nicht hinreichend ausgeübt. So beschränke sich die Ermessensausübung auf allgemeine Ausführungen. Ermessen müsse jedoch vor allem der Einzelfallgerechtigkeit dienen, weshalb eine individuelle Ermessensausübung Grundvoraussetzung sei. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller in der Vergangenheit bislang stets der Aufforderung des Antragsgegners zur Vorlage der für die endgültige Leistungsbewilligung erforderlichen Unterlagen innerhalb weniger Tage nachgekommen sei. Da der Antragsteller überdies über ein gleichbleibendes Einkommen verfüge, drohe vorliegend auch keine Überzahlung durch die vorläufig bewilligten Leistungen. Zu berücksichtigen sei überdies, dass der Antragsteller auf die weitere Gewährung der Freibeträge vertraut habe. Er sei auf diese Freibeträge auch angewiesen, da er so oft wie möglich seine in H. lebende Tochter besuche. Durch die fehlende Berücksichtigung der Freibeträge im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung habe der Antragsteller keine ausreichenden Mittel mehr zur Verfügung, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Der Antragsteller hat eine eidesstattliche Versicherung vom 08.11.2016 vorgelegt, ausweislich derer er nicht genug Geld besitze, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem SGB II bis April 2017 unter Berücksichtigung des Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II zu bewilligen und auszuzahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er weist zunächst darauf hin, dass das Einkommen des Antragstellers aus der Tätigkeit bei der Schulstiftung der E. F. geringfügig schwankend sei, weshalb die Voraussetzungen für eine vorläufige Leistungsbewilligung zu bejahen seien. Überdies ist der Antragsgegner der Ansicht, im Widerspruchsbescheid vom 08.11.2016 zutreffend Ermessen im Sinne des § 41a Abs. 2 S. 2 SGB II ausgeübt zu haben. Insbesondere werde der monatliche Bedarf des Antragstellers durch sein Einkommen und die mit Bescheid vom 11.10.2016 bewilligten ergänzenden Leistungen gedeckt.
Durch Änderungsbescheid vom 26.11.2016 hat der Antragsgegner dem Antragsteller ab Januar 2017 unter Berücksichtigung der zum 01.01.2017 erhöhten Regelbedarfe vorläufig monatliche Leistungen in Höhe von 345,17 EUR bewilligt. Hinsichtlich der Einkommensanrechnung haben sich durch diesen Änderungsbescheid keine Veränderungen ergeben.
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten im Gerichts- und Verwaltungsverfahren wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen.
II.
Der vorliegende Antrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und im Übrigen zulässig. Der Antrag ist auch begründet. Dem Antragsteller kommt im Wege des einstweiligen Rechtschutzverfahrens ein Anspruch auf die vorläufige Berücksichtigung des (gesamten) Absetzbetrages des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II zu.
Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (also des Anordnungsgrundes) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 86b, Rdn. 27 m. w. N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragsstellers zu entscheiden (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Rdn. 29 m. w. N.). Sowohl Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG glaubhaft zu machen. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. nur Keller in: Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, a. a. O., Rdn. 41 f.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war dem vorliegenden Antrag stattzugeben. Die fehlende Berücksichtigung des Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung für den Zeitraum November 2016 bis April 2017 erweist sich nach summarischer Prüfung als ermessensfehlerhaft. Da nach summarischer Prüfung überdies eine Ermessensreduktion auf Null, also eine Einengung des Ermessensspielraums auf nur eine mögliche Entscheidung, vorliegt, war der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller ab Antragseingang beim Sozialgericht Freiburg (17.11.2016) bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum Ende des aktuellen Bewilligungszeitraumes am 30.04.2016, Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der Freibeträge des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II zu bewilligen und damit vorläufig monatlich 83,95 EUR höhere Leistungen zu gewähren. Im Einzelnen:
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 11.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2016 in der Fassung des Bescheides vom 26.11.2016, durch den der Antragsgegner dem Antragsteller im Zeitraum 01.11.2016 bis 30.04.2017 vorläufige Leistungen nach dem SGB II bewilligt hat. Der Antragsteller wendet sich ausschließlich gegen die fehlende Berücksichtigung des Absetzbetrages des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II. Die Frage, in welcher Höhe Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung in die Bedarfsberechnung einzustellen sind, ist dagegen nicht streitgegenständlich; insoweit liegt ein abtrennbarer Streitgegenstand vor (st. Rspr. des BSG, vgl. nur BSG, Urt. v. 16.06.2015 – Az. B 4 AS 44/14 R, Rdn. 11 nach Juris).
Rechtsgrundlage für die vorläufige Leistungsbewilligung ist § 41a SGB II, der seit dem 01.08.2016 (abschließend) die vorläufige Leistungsbewilligung regelt. Nach § 41a Abs. 1 S. 1 ist über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen vorläufig zu entscheiden, wenn (1.) zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Geld- und Sachleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist und die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen oder (2.) ein Anspruch auf Geld- und Sachleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Ob die Voraussetzungen für eine (lediglich) vorläufige Leistungsbewilligung überhaupt vorlagen, bedurfte im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung keiner Entscheidung durch die Kammer. Angesichts des Umstandes, dass das Gehalt des Antragstellers für seine Tätigkeit bei der Firma "S. K. H." – abgesehen von einer einmaligen betriebsbedingten Reduzierung der Arbeitszeit – seit Jahren gleichbleibend ist und dass das weitere Gehalt für die Hausmeistertätigkeit des Antragstellers beim E. O. ebenfalls abgesehen von einigen wenigen – wohl tariflich bedingten – Lohnerhöhungen keinen Veränderungen unterliegt, erscheint es allerdings fraglich, ob die Voraussetzungen für eine (lediglich) vorläufige Leistungsbewilligung nach § 41a SGB II überhaupt erfüllt sind. Dabei dürfte zu berücksichtigen sein, dass jedem Arbeitsverhältnis, durch das grundsätzlich ein gleichbleibender Monatslohn erzielt wird, die Möglichkeit einer Lohnerhöhung immanent ist. Die bloße, stets bestehende (theoretische) Möglichkeit einer zukünftigen Lohnerhöhung dürfte dabei nicht mit denjenigen Fällen vergleichbar sein, in denen Leistungsbezieher – etwa wegen schwankenden Arbeitszeiten – Monat für Monat ein Arbeitsentgelt in unterschiedlicher Höhe beziehen.
Selbst wenn vorliegend jedoch zu Gunsten des Antragsgegners die Zulässigkeit einer (lediglich) vorläufigen Leistungsbewilligung unterstellt wird, erweist sich die fehlende Berücksichtigung des Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II als rechtswidrig. Zwar ist gemäß § 41a Abs. 2 S. 2 SGB II die vorläufige Leistung so zu bemessen, dass der monatliche Bedarf der Leistungsberechtigten zur Sicherung des Lebensunterhalts gedeckt ist; dabei kann der Absetzbetrag nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben. Die Neuregelung des § 41 Abs. 2 S. 2 SGB II eröffnet dem Leistungsträger somit grundsätzlich die Möglichkeit, im Rahmen einer vorläufigen Leistungsbewilligung den Absetzbetrag des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II ganz oder teilweise nicht zu berücksichtigen. In der Gesetzesbegründung der Bundesregierung ist hierzu ausgeführt, dass es zulässig ist, "ggf. Freibeträge unberücksichtigt zu lassen, da mit diesen lediglich ein Erwerbsanreiz gesetzt werden soll, aber durch deren Nichtberücksichtigung im Rahmen der vorläufigen Entscheidung nicht die Bedarfsdeckung gefährdet wird. Die Freibeträge werden ggf. im Rahmen der abschließenden Entscheidung nachgezahlt" (Deutscher Bundestag – Drucksache 18/8041, S. 53 f.).
Der Antragsgegner hat somit die Möglichkeit, im Rahmen einer Ermessenentscheidung (so auch Groth/Siebel-Huffmann, NJW 2016, 3404; 3409) den Absetzbetrag nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II ganz oder teilweise bei der vorläufigen Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unberücksichtigt zu lassen. Dass dem Antragsgegner insoweit ein Ermessenspielraum zusteht ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Norm ("kann"), sondern auch daraus, dass das Gesetz die Möglichkeit vorsieht, den Absetzbetrag ganz oder teilweise unberücksichtigt zu lassen. Dem Antragsgegner steht somit nicht nur ein Ermessen zu, ob, sondern auch in welcher Höhe er die Freibeträge des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung berücksichtigt.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich der streitgegenständliche Bescheid des Antragsgegners hinsichtlich der Nichtberücksichtigung des (gesamten) Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II als ermessensfehlerhaft. Ist ein Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach seinem Ermessen zu handeln, hat er sein Ermessen gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Ermessensfehlerhaft ist – abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall des Ermessensausfalls – das Handeln der Behörde insbesondere dann, wenn sie von unzutreffenden, in Wahrheit nicht gegebenen, unvollständigen oder falsch gedeuteten tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen ausgeht, Gesichtspunkte tatsächlicher oder rechtlicher Art berücksichtigt, die rechtlich nicht relevant sind, oder umgekehrt wesentliche Gesichtspunkte außer Acht lässt, die zu berücksichtigen wären (vgl. nur Just in: Hauck/Noftz, SGB I, Werksstand 08/06, § 39 Rdn. 15 m.w.N.).
Der Ermessensnichtgebrauch, den mangels jeglicher Begründung für die fehlende Berücksichtigung des Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II der Ausgangsbescheid vom 11.10.2016 aufweist, konnte zwar gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) im Widerspruchsverfahren geheilt werden. Die Ermessenserwägungen im Widerspruchsbescheid vom 08.11.2016 erweisen sich nach summarischer Prüfung jedoch als fehlerhaft. Zutreffend hat der Antragsgegner zwar zunächst ausgeführt, dass es zu erwarten sei, dass die Einkünfte des Antragstellers in etwa so erzielt würden, wie sie berücksichtigt worden seien. Weshalb diese Erwägung allerdings für die erfolgte Nichtberücksichtigung des Absetzbetrages nach §11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II spricht, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Im Gegenteil, der Umstand, dass sich das Erwerbseinkommen des Antragstellers aller Vorsicht nach allenfalls geringfügig erhöhen wird, spricht vielmehr gegen die fehlende Berücksichtigung der Freibeträge des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II. So sollen durch die Neuregelung des § 41a Abs. 2 S. 2 SGB II Erstattungsforderungen im Rahmen der endgültigen Leistungsbewilligung vermieden werden (so auch: Formann SGb 2016, 615; 616). Die Gefahr einer Überzahlung im Rahmen der endgültigen Leistungsbewilligung ist aber umso höher, je mehr Schwankungen das (voraussichtliche) Erwerbseinkommen des Leistungsberechtigten unterworfen ist. Da vorliegend – wie bereits ausgeführt – allenfalls geringe Schwankungen des Erwerbseinkommen des Antragstellers zu erwarten sind, ist auch die "Gefahr" einer vorläufigen Leistungsüberzahlung mit der Folge von Erstattungsansprüchen im Rahmen der endgültigen Leistungsbewilligung gering. Dabei hat die Kammer auch berücksichtigt, dass der Antragsteller in der Vergangenheit Veränderungen seines Arbeitslohnes stets zeitnah mitgeteilt hat.
Sofern der Antragsgegner weiter ausführt, durch die zurückhaltende Gewährung von Freibeträgen solle ein Anreiz zur zeitnahen Abgabe der für die endgültige Leistungsbewilligung erforderlichen Unterlagen geschaffen werden, vermag diese Erwägung unter Umständen im Einzelfall, falls etwa der betroffene Leistungsempfänger in der Vergangenheit tatsächlich erst verspätet erforderliche Unterlagen vorgelegt haben sollte, die fehlende Berücksichtigung des Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II zu begründen. Vorliegend hat der Antragsteller aber gerade geltend gemacht, bislang die erforderlichen Unterlagen nach Aufforderung des Antragsgegners jeweils binnen weniger Tage vorgelegt zu haben. Diese seitens des Antragsgegners trotz gerichtlicher Nachfrage durch Verfügung vom 18.11.2016 ausdrücklich nicht widersprochene Aussage wird auch durch die vorgelegten Verwaltungsakten nicht widerlegt. Die fehlende Berücksichtigung des Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II ist daher ersichtlich nicht erforderlich, um eine zeitnahe endgültige Leistungsbewilligung zu ermöglichen. Die Ermessenserwägungen des Antragsgegners sind daher auch insoweit weder einzelfallbezogen noch ansonsten nachvollziehbar.
Sofern der Antragsgegner schließlich geltend macht, die Freibeträge des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II sollten lediglich einen Anreiz zur Erwerbsaufnahme geben und seien daher zur Bedarfsdeckung nicht erforderlich, mag dies grundsätzlich zutreffend sein. Alleine diese Erwägung kann nach summarischer Prüfung jedoch nicht genügen, um die fehlende Berücksichtigung des Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II zu begründen. Diese Erwägung trifft nämlich grundsätzlich auf alle Fälle der vorläufigen Leistungsbewilligung nach § 41a SGB II zu. Hätte der Gesetzgeber den Umstand, dass die Freibeträge des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II nicht der Sicherung des Existenzminimums dienen, für deren fehlende Berücksichtigung im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung als ausreichend erachtet, hätte er die Regelung des § 41a Abs. 2 S. 2 als gebundene Entscheidung oder zumindest als intendierte Ermessensentscheidung, die lediglich in atypischen Fallkonstellationen ein Abweichen vom Regelfall ermöglicht, ausgestalten können. Stattdessen ist jedoch im Rahmen des § 41 Abs. 2 S. 2 SGB II Ermessen auszuüben. Bei dieser seitens des Antragsgegners zu treffenden Ermessensentscheidung kann nicht alleine ein allgemein gültiger Gesichtspunkt herangezogen werden. Erforderlich ist vielmehr eine auf den Einzelfall eingehende Darlegung, dass und welche Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen stattgefunden hat und welchen Erwägungen dabei die tragende Bedeutung zugekommen ist, damit dem Betroffenen bzw. dem Gericht die Prüfung ermöglicht wird, ob die Ermessensausübung den gesetzlichen Vorgaben entspricht (vgl. nur Just a.a.O., Rdn. 22 m.w.N.).
Die Ermessensentscheidung des Antragsgegners erweist sich nach alledem als fehlerhaft. Darüber hinaus liegt nach summarischer Prüfung auch eine Ermessensreduktion auf Null vor, da lediglich die (volle) Berücksichtigung des Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II als ermessensfehlerfrei erscheint. Dabei hat die Kammer neben den obigen Erwägungen, also der allenfalls in einem geringen Umfang zu erwartenden Überzahlung sowie der in der Vergangenheit zeitnah erfolgten Vorlage der zur endgültigen Leistungsbewilligung erforderlichen Unterlagen durch den Antragsteller, auch berücksichtigt, dass der Antragsteller durch die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung vom 08.11.2016 glaubhaft gemacht hat, auf die Freibeträge des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II angewiesen zu sein, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Hierbei war zu beachten, dass der Antragsteller angegeben hat, einen erhöhten Bedarf auf Grund der regelmäßigen Besuche seiner in H. lebenden Tochter und damit auf Grund grundgesetzlich geschützter Belange zu haben. Eben diesen Umstand hat der Antragsteller zwar erst im Rahmen der Antragsbegründung vorgetragen, bereits im Widerspruchsverfahren hat er jedoch angegeben, auch auf die nicht berücksichtigten Freibeträge dringend angewiesen zu sein. Dies hätte den Antragsgegner zu weiteren Nachfragen veranlassen können.
Auf Grund der oben dargestellten Erwägungen, die allesamt gegen die fehlende Berücksichtigung des Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung sprechen sowie des Umstandes, dass der Antragsteller glaubhaft machen konnte, die Absetzbeträge zum Bestreiten seines Lebensunterhaltes bzw. für grundgesetzlich geschützte Belange zu benötigen, hat der Antragsteller auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ihm waren mithin im Wege der einstweiligen Anordnungen ab Antragseingang am 17.11.2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II unter Berücksichtigung des Freibetrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II und damit monatlich weitere 83,95 EUR (20 % des um den Grundfreibetrag bereinigten, vorläufig angerechneten Erwerbseinkommens in Höhe von 419,77 EUR) zu gewähren.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbs. 1 SGG ausgeschlossen, weil in der Hauptsache die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG nicht zulässig wäre, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750,00 EUR nicht übersteigt.
Rechtskraft
Aus
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