Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 11 RJ 237/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 RJ 64/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 44/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.03.2003 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Auszahlung einer Witwenrente neben der Rente aus eigener Versicherung ohne eine Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte nach § 22b Fremdrentengesetz (FRG).
Die am ...1936 in der früheren Sowjetunion geborene Klägerin ist die Ehefrau des am ...1997 verstorbenen Versicherten ... (im folgenden: der Versicherte). Nach dessen Tod siedelte die Klägerin am 15.12.1997 nach Deutschland über. Sie ist als Spätaussiedlerin gemäß § 4 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt und bezieht aus eigener Versicherung eine Rente nach dem FRG, begrenzt auf 25 Entgeltpunkte.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 26.06.1998 bewilligte die Beklagte der Klägerin anlässlich des Todes ihres Ehemannes große Witwenrente ab dem 15.12.1997. In dem Bescheid ermittelte die Beklagte aufgrund der von dem Versicherten nach dem FRG zu berücksichtigenden Beitragszeiten 26,8749 Entgeltpunkte, lehnte eine Auszahlung der Rente jedoch mit der Begründung ab, dass der Rentenfeststellung für einen Berechtigten nach dem FRG höchstens 25 Entgeltpunkte zugrunde zu legen seien, die Klägerin aber bereits eine eigene Rente auf der Basis von 25 Entgeltpunkten beziehe.
Am 14.12.2001 stellte die Klägerin unter Hinweis auf ein am 30.08.2001 ergangenes Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - (Aktenzeichen: B 4 RA 118/00 R) einen Antrag auf Neufeststellung ihrer Witwenrente. Nach dieser Entscheidung habe sie neben ihrer Rente aus eigener Versicherung Anspruch auf eine - wenn auch ebenfalls auf 25 Entgeltpunkte begrenzte - Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes.
Mit Bescheid vom 19.08.2002 lehnte die Beklagte den Neufeststellungsantrag der Klägerin nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ab. Das BSG habe in dem von der Klägerin angeführten Urteil zwar entschieden, dass eine Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte nach § 22b FRG allein beim Zusammentreffen mehrerer eigener Rentenrechte eines Berechtigten, nicht aber beim Zusammentreffen von Versicherten- und Hinterbliebenenrenten in Betracht komme. Dieser Entscheidung werde über den dort entschiedenen Einzelfall hinaus jedoch nicht gefolgt. Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes sei eindeutig auch die Hinterbliebenenrente von der Begrenzungsregelung des § 22b FRG erfasst. Durch die Einführung dieser Regelung habe der Gesetzgeber das bisher geltende Eingliederungsprinzip durch das Bedürftigkeitsprinzip ersetzt und die Renten von Spätaussiedlern bezüglich der anrechenbaren Zeiten nach dem FRG auf die Höhe der Eingliederungshilfe begrenzt. Besondere Regelungen für die Hinterbliebenenrente seien vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber Hinterbliebene habe besser stellen wollen als Alleinstehende. Zu einer solchen Besserstellung komme es aber, wenn § 22b FRG auf Hinterbliebenenrenten nicht anwendbar sei. Denn deren FRG-Renten entsprächen dann - nach Berücksichtigung des Rentenartfaktors für die Witwen- bzw. Witwerrente von 0,6 - den Gesamtrenten von Verheirateten bzw. Partnern mit insgesamt 40 Entgeltpunkten, während Alleinstehende lediglich eine auf 25 Entgeltpunkte begrenzte Rente erhielten. Für diese unterschiedliche Behandlung von Witwen und Alleinstehenden ergebe sich aber kein sachlich gerechtfertigter Grund. Wenn die - am Bedürftigkeitsprinzip orientierte - Leistung bereits durch die eigene Versichertenrente erbracht sei, bestehe für eine weitere Leistung keine Veranlassung mehr; denn der Bedarf des Berechtigten sei durch den Tod des Ehepartners nicht größer geworden.
Der gegen diesen Bescheid am 22.08.2002 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.10.2002 zurückgewiesen.
Mit ihrer am 31.10.2002 beim Sozialgericht Köln erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, es seien keinerlei Anhaltspunkte erkennbar, aus welchen Gründen vorliegend von der eindeutigen Entscheidung des BSG vom 30.08.2001 (a.a.O.) abgewichen werden solle.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.08.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.10.2002 zu verurteilen, den Bescheid vom 26.06.1998 zurück zu nehmen und ihr große Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes ... unter Berücksichtigung von 25 persönlichen Entgeltpunkten zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat im wesentlichen auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger habe beschlossen, dem Urteil des BSG über den dort entschiedenen Einzelfall hinaus nicht zu folgen.
Mit Urteil vom 21.03.2003 ist das Sozialgericht der Entscheidung des BSG vom 30.08.2001 - B 4 RA 118/00 R - gefolgt und hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Weder unmittelbar noch in analoger Anwendung ergebe sich aus § 22b FRG eine Begrenzung der nach dem FRG berücksichtigungsfähigen Entgeltpunkte auch für die Bezieher einer Hinterbliebenenrente neben einer eigenen Rente. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das am 10.04.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.05.2003 Berufung eingelegt.
Sie hat ergänzend auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 12.12.2002 - L 5 KN 2/02 - verwiesen, das die von ihr vertretene Rechtsauffassung bestätigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.03.2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und legt ergänzend ein Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 01.07.2003 - L 11 RJ 511/03 - vor, in dem der Entscheidung des BSG vom 30.08.2001 (a.a.O.) gefolgt wird. Dem von der Beklagten zitierten Urteil des LSG Schleswig-Holstein komme schon deshalb keine Bedeutung zu, weil das LSG darin offensichtlich davon ausgegangen sei, dass die Nichtanwendung des § 22b FRG beim Zusammentreffen einer Hinterbliebenenrente und einer Rente aus eigener Versicherung zu einer Rentenleistung auf der Basis von insgesamt 50 Entgeltpunkten führe. Zu einer solchen Besserstellung der Hinterbliebenen komme es aber nicht, weil die Hinterbliebenenrente wegen des Rentenartfaktors von 0,6 auf 60 % begrenzt sei und für Hinterbliebene bei zwei Renten mit jeweils maximal 25 Entgeltpunkten daher im Ergebnis ohnehin lediglich 15 zusätzliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 19.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.10.2002 nicht im Sinne des § 54 Abs.2 S.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, weil diese Bescheide rechtmäßig sind. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 26.06.1998 zu.
Nach § 44 Abs.1 S.1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist.
Der Bescheid vom 26.06.1998 ist jedoch nicht unrichtig. Die Beklagte hat die Hinterbliebenenrente der Klägerin gemäß § 22b Abs.1 S.1 FRG zu Recht nicht ausgezahlt.
Nach § 22b Abs.1 S.1 FRG werden für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zugrunde gelegt.
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 22b Abs.1 S.1 FRG bestehen nicht (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30.08.2001 - B 4 RA 87/00 R -; LSG NRW vom 10.07.2002 - L 8 RJ 3/02 -; LSG NRW vom 29.11.2002 - L 13 RJ 30/02 -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.10.2000 - L 12 RA 2663/99 sowie LSG für den Freistaat Sachsen vom 03.06.2002 - L 4 RA 61/99 -) und wurden von den Beteiligten auch nicht geltend gemacht.
§ 22b Abs.1 S.1 FRG, der durch Art.3 Nr.5 des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG) mit Wirkung vom 07.05.1996 (Art.12 Abs.2 WFG) eingefügt worden ist, erfasst die am 15.12.1997 nach Deutschland zugezogene Klägerin. Die Vorschrift gilt gemäß Art.6 § 4b des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes - FANG - idF des Art.4 Nr.4 WFG) für Berechtigte, die - wie die Klägerin - nach dem 06.05.1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen haben.
Die Vorschrift des § 22b Abs.1 S.1 FRG ist vorliegend auch sachlich anwendbar. Entgegen der Auffassung des BSG in seinem Urteil vom 30.08.2001 - B 4 RA 118/00 R -, der sich das LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 01.07.2003 - L 11 RJ 511/03 -) und das Sozialgericht Karlsruhe (Urteil vom 11.02.2003 - S 2 RA 4039/02 -) angeschlossen haben, betrifft die darin vorgesehene Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte nach Ansicht des Senats nicht nur Versicherte, die verschiedene Rechte auf Rente aus eigener Versicherung haben. Sie ist vielmehr auch dann anwendbar, wenn einem Begünstigten - wie hier der Klägerin - neben einem Recht auf Rente aus eigener Versicherung noch ein aus der Versicherung des verstorbenen Ehegatten abgeleitetes Recht auf eine Hinterbliebenenrente zusteht (im Ergebnis ebenso LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 12.12.2002 - L 5 KN 2/02 -; SG Mannheim, Urteil vom 27.11.2002 - S 9 RJ 2074/02 -; SG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2003 - S 15 RJ 209/02 - und SG Dortmund, Urteil vom 24.03.2003 - S 46 (15) RJ 278/02 -; ferner Bönisch, Die Begrenzung der Entgeltpunkte für Zeiten nach dem Fremdrentengesetz, in: Mitteilungen der LVA Oberfranken/Mittelfranken 2000, S. 149 ff (153), sowie Göhde, Zur Anwendung der Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte nach § 22b Abs.1 FRG bei mehreren Renten eines Berechtigten, in: Mitteilungen der LVA Rheinprovinz 7-8/2002, S. 313 ff; ferner Kommentar zum Recht der Gesetzlichen Rentenversicherung, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, Stand Januar 1998, § 22b FRG Anmerkung 4.51). Insbesondere der Wortlaut des § 22b FRG steht einer solchen Auslegung nicht entgegen (dazu unter (1.)). Darüber hinaus sprechen Gesetzeszusammenhang sowie Sinn und Zweck des § 22b FRG für eine Anwendung der Norm auch auf ein Zusammentreffen eigener und abgeleiteter Rentenrechte (dazu unter (2.) und (3.)).
(1.) Der Wortlaut des § 22b Abs.1 S.1 FRG, insbesondere die gesetzlichen Begriffe "anrechenbare Zeiten", "Berechtigter" und "Entgeltpunkte", steht einer Anwendung der Norm auf Hinterbliebenenrenten zumindest nicht zwingend entgegen (ebenso SG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2003 - S 15 RJ 209/02 -; weitergehend LSG Schleswig-Holstein, a.a.O., SG Dortmund, a.a.O., und SG Mannheim, a.a.O., nach denen der Wortlaut des § 22b Abs.1 S.1 FRG sogar für dessen Anwendung auch auf Hinterbliebenenrenten spricht).
So wird der Begriff "Berechtigter" im FRG nicht ausschließlich für Personen mit eigenem Rentenstammrecht verwendet. Er bezeichnet vielmehr in zahlreichen Vorschriften (z.B. §§ 14a, 31 FRG) ganz allgemein Personen, auf die die Regelungen des FRG anwendbar sind. Dass er dabei auch die Hinterbliebenen umfasst, ergibt sich beispielsweise aus der Regelung des § 14a FRG, der sich ausschließlich auf Hinterbliebenenrenten bezieht (so auch SG Dortmund, a.a.O., SG Düsseldorf, a.a.O.). Hätte der Gesetzgeber den Bezug zur eigenen Leistung herstellen und Hinterbliebene von der Begrenzungsregelung des § 22b Abs.1 FRG ausnehmen wollen, so hätte es nahe gelegen, anstelle der tatsächlich gewählten Formulierung "Berechtigter" den Begriff "Versicherter" zu verwenden (ebenso LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.).
Auch der Begriff "anrechenbare Zeiten" lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass § 22b FRG sich lediglich auf das Zusammentreffen mehrerer Renten aus eigener Versicherung bezieht (ebenso SG Düsseldorf, a.a.O.). Zwar beruht der Wert der Hinterbliebenenrente - wie der 4. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 30.08.2001 (B 4 RA 118/00 R) ausführt - nicht auf einer durch eigene Versicherungsleistung erworbenen individuellen Rangstelle, sondern leitet sich entsprechend ihrer Unterhaltsersatzfunktion aus der Rente des Versicherten ab. Auch die Bestimmung der Höhe der Hinterbliebenenrente setzt aber notwendigerweise die Feststellung der "anrechenbaren Zeiten" voraus (so auch SG Dortmund, a.a.O., SG Düsseldorf, a.a.O.).
Gleiches gilt für den in § 22b FRG verwendeten Begriff "Entgeltpunkte". Dieses Wort stellt nicht unausweichlich eine Verbindung zur eigenen Versicherung des Antragstellers her. Es wird zwar für die Berechnung von Versicherungsleistungen verwandt. Es bedarf aber auch bei der Hinterbliebenenrente der Ermittlung von Entgeltpunkten, um die Höhe der Rente festzustellen (SG Dortmund, a.a.O.; SG Düsseldorf, a.a.O., Göhde, a.a.O.).
Ist der Wortlaut der umstrittenen Regelung des § 22b Abs.1 S.1 FRG aber nicht eindeutig, so kommt den übrigen Auslegungsmethoden, namentlich dem Gesetzeszusammenhang (dazu unter (2.)) und dem Sinn und Zweck (dazu unter (3.)) des Gesetzes, maßgebliche Bedeutung zu. Diese sprechen jedoch gegen eine Beschränkung der Begrenzungsregelung des § 22b Abs.1 S.1 FRG auf Versichertenrenten aus eigener Versicherung.
(2.) So wird insbesondere in der Vorschrift des § 22b Abs.3 FRG, die in engem systematischen Zusammenhang mit der hier streitigen Regelung des Abs.1 S.1 FRG steht, der Grundsatz deutlich, dass der Gesetzgeber Alleinstehende nur mit Leistungen auf der Basis von maximal 25 Entgeltpunkten ausstatten will (LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.). Danach werden bei Ehegatten und in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Berechtigten, deren jeweilige Rente nach Abs.1 und 2 festgestellt worden ist, höchstens insgesamt 40 Entgeltpunkte zugrunde gelegt (§ 22b Abs.3 S.1 FRG). Hintergrund der Kürzung von eigentlich 50 auf 40 Entgeltpunkte ist der Umstand, dass diese Personen durch das Zusammenleben Kosten der Haushaltsführung einsparen (LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.). Wenn aber schon bei lebenden Ehegatten eine Beschränkung auf maximal 40 Entgeltpunkte als Maß der Existenzsicherung festgesetzt ist, dann müssen die Entgeltpunkte für anrechenbare Zeiten nach dem FRG nach dem Tod des einen Berechtigten für den Überlebenden erst recht begrenzt werden (ebenso LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.); denn dessen Haushaltsführungskosten verringern sich zwangsläufig mit dem Tod des Ehepartners. Dass sich die Begrenzung der Entgeltpunkte bei Hinterbliebenen ihrer Höhe nach an den Leistungen für Alleinstehende orientiert, die maximal auf der Basis von 25 Entgeltpunkten gewährt werden, macht insbesondere § 22b Abs.3 S.2 FRG deutlich, der in seinem Nachsatz " ... höchstens jedoch 25 Entgeltpunkte für einen Berechtigten." bestimmt, dass bei der Aufteilung der Renten von Ehegatten und in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Berechtigten einer von ihnen maximal Leistungen nach 25 Entgeltpunkten erhalten kann (LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.).
(3.) Für eine Anwendung der Vorschrift des § 22b Abs.1 FRG auch beim Zusammentreffen einer Rente aus eigener Versicherung und einer Hinterbliebenenrente spricht ferner der Sinn und Zweck der Regelung (ebenso LSG Schleswig-Holstein, a.a.O., SG Dortmund, a.a.O., SG Düsseldorf, a.a.O., SG Mannheim, a.a.O.). Durch das WFG wurde das System der Renten nach dem FRG vom Eingliederungsprinzip auf das Bedürftigkeitsprinzip umgestellt. Während vor dem 07.05.1996 entsprechend dem sog. Eingliederungsprinzip bei der Rentenbemessung in wesentlicher Weise die Lebensarbeitsleistung der Berechtigten im Herkunftsgebiet berücksichtigt wurde, haben die Betroffenen nunmehr lediglich noch Anspruch auf eine pauschalierte Fürsorgerente, die sich an der Höhe der Eingliederungshilfe orientiert. Hintergrund dieses Systemwechsels war der Umstand, dass das mit dem FRG verfolgte Ziel, die Vertriebenen und Spätaussiedler, die infolge der Auswirkungen des 2. Weltkriegs ihre soziale Sicherheit in den Herkunftsgebieten verloren haben, in das Rentenversicherungssystem der BRD einzugliedern, weitgehend erreicht ist. Darüber hinaus ist nach dem Willen des Gesetzgebers über 50 Jahre nach Kriegsende sowie wegen der Überwindung der deutschen und europäischen Teilung eine unveränderte Beibehaltung der für einen Übergangszeitraum konzipierten, ein hohes Rentenniveau sichernden Regelungen sachlich nicht mehr zu rechtfertigen (BT-Drucksache 13/4610, S. 19).
Mit dem nunmehr geltenden Fürsorgegedanken wäre es aber nicht zu vereinbaren, dass der Hinterbliebene sich wirtschaftlich besser steht als der Alleinstehende, dessen Leistungen nach § 22b Abs.1 FRG auf maximal 25 Entgeltpunkte begrenzt sind (ebenso LSG Schleswig-Holstein, a.a.O., SG Dortmund, a.a.O., SG Düsseldorf a.a.O.). Wenn die Betroffenen lediglich noch eine am Bedürftigkeitsprinzip orientierte Leistung erhalten sollen und dieser Bedarf bei Alleinstehenden mit 25 Entgeltpunkten gedeckt ist, so muß dies auch für Hinterbliebene, die nach dem Tod des Partners ebenfalls allein stehen, der Fall sein. Das gilt umso mehr, wenn der Ehepartner des Versicherten - insoweit weicht der hier zu entscheidende Fall von dem Sachverhalt ab, der dem Urteil des 4. Senat des BSG (a.a.O.) zugrunde lag - bereits im Herkunftsgebiet verstorben ist; denn der Tod des Ehepartners im Herkunftsgebiet vermag den Bedarf des Hinterbliebenen in Deutschland nicht zu erhöhen (so auch SG Mannheim, a.a.O.).
Dieses Auslegungsergebnis führt entgegen der Auffassung des 4. Senats des BSG (a.a.O) auch nicht dazu, dass Hinterbliebene bei einer Begrenzung ihrer Leistungen auf insgesamt 25 Entgeltpunkte nach § 22b Abs.1 FRG letztlich nur Inhaber eines "leeren Rechts auf Witwenrente" sind. Zum einen hat der überlebende Ehegatte immer dann ein Recht auf Leistungserhöhung, wenn für die ihm zustehende Rente aus eigener Versicherung weniger als 25 Entgeltpunkte ermittelt werden. Zum anderen sieht § 22b FRG gerade keine Hinterbliebenenrente im Sinne des § 46 SGB VI vor. Es handelt sich vielmehr um eine eigenständige Hinterbliebenenversorgung für Spätaussiedler (vgl. LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Zulassung der Revision ergibt sich aus § 160 Abs.2 Nr.2 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Auszahlung einer Witwenrente neben der Rente aus eigener Versicherung ohne eine Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte nach § 22b Fremdrentengesetz (FRG).
Die am ...1936 in der früheren Sowjetunion geborene Klägerin ist die Ehefrau des am ...1997 verstorbenen Versicherten ... (im folgenden: der Versicherte). Nach dessen Tod siedelte die Klägerin am 15.12.1997 nach Deutschland über. Sie ist als Spätaussiedlerin gemäß § 4 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt und bezieht aus eigener Versicherung eine Rente nach dem FRG, begrenzt auf 25 Entgeltpunkte.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 26.06.1998 bewilligte die Beklagte der Klägerin anlässlich des Todes ihres Ehemannes große Witwenrente ab dem 15.12.1997. In dem Bescheid ermittelte die Beklagte aufgrund der von dem Versicherten nach dem FRG zu berücksichtigenden Beitragszeiten 26,8749 Entgeltpunkte, lehnte eine Auszahlung der Rente jedoch mit der Begründung ab, dass der Rentenfeststellung für einen Berechtigten nach dem FRG höchstens 25 Entgeltpunkte zugrunde zu legen seien, die Klägerin aber bereits eine eigene Rente auf der Basis von 25 Entgeltpunkten beziehe.
Am 14.12.2001 stellte die Klägerin unter Hinweis auf ein am 30.08.2001 ergangenes Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - (Aktenzeichen: B 4 RA 118/00 R) einen Antrag auf Neufeststellung ihrer Witwenrente. Nach dieser Entscheidung habe sie neben ihrer Rente aus eigener Versicherung Anspruch auf eine - wenn auch ebenfalls auf 25 Entgeltpunkte begrenzte - Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes.
Mit Bescheid vom 19.08.2002 lehnte die Beklagte den Neufeststellungsantrag der Klägerin nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ab. Das BSG habe in dem von der Klägerin angeführten Urteil zwar entschieden, dass eine Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte nach § 22b FRG allein beim Zusammentreffen mehrerer eigener Rentenrechte eines Berechtigten, nicht aber beim Zusammentreffen von Versicherten- und Hinterbliebenenrenten in Betracht komme. Dieser Entscheidung werde über den dort entschiedenen Einzelfall hinaus jedoch nicht gefolgt. Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes sei eindeutig auch die Hinterbliebenenrente von der Begrenzungsregelung des § 22b FRG erfasst. Durch die Einführung dieser Regelung habe der Gesetzgeber das bisher geltende Eingliederungsprinzip durch das Bedürftigkeitsprinzip ersetzt und die Renten von Spätaussiedlern bezüglich der anrechenbaren Zeiten nach dem FRG auf die Höhe der Eingliederungshilfe begrenzt. Besondere Regelungen für die Hinterbliebenenrente seien vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber Hinterbliebene habe besser stellen wollen als Alleinstehende. Zu einer solchen Besserstellung komme es aber, wenn § 22b FRG auf Hinterbliebenenrenten nicht anwendbar sei. Denn deren FRG-Renten entsprächen dann - nach Berücksichtigung des Rentenartfaktors für die Witwen- bzw. Witwerrente von 0,6 - den Gesamtrenten von Verheirateten bzw. Partnern mit insgesamt 40 Entgeltpunkten, während Alleinstehende lediglich eine auf 25 Entgeltpunkte begrenzte Rente erhielten. Für diese unterschiedliche Behandlung von Witwen und Alleinstehenden ergebe sich aber kein sachlich gerechtfertigter Grund. Wenn die - am Bedürftigkeitsprinzip orientierte - Leistung bereits durch die eigene Versichertenrente erbracht sei, bestehe für eine weitere Leistung keine Veranlassung mehr; denn der Bedarf des Berechtigten sei durch den Tod des Ehepartners nicht größer geworden.
Der gegen diesen Bescheid am 22.08.2002 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.10.2002 zurückgewiesen.
Mit ihrer am 31.10.2002 beim Sozialgericht Köln erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, es seien keinerlei Anhaltspunkte erkennbar, aus welchen Gründen vorliegend von der eindeutigen Entscheidung des BSG vom 30.08.2001 (a.a.O.) abgewichen werden solle.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.08.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.10.2002 zu verurteilen, den Bescheid vom 26.06.1998 zurück zu nehmen und ihr große Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes ... unter Berücksichtigung von 25 persönlichen Entgeltpunkten zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat im wesentlichen auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger habe beschlossen, dem Urteil des BSG über den dort entschiedenen Einzelfall hinaus nicht zu folgen.
Mit Urteil vom 21.03.2003 ist das Sozialgericht der Entscheidung des BSG vom 30.08.2001 - B 4 RA 118/00 R - gefolgt und hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Weder unmittelbar noch in analoger Anwendung ergebe sich aus § 22b FRG eine Begrenzung der nach dem FRG berücksichtigungsfähigen Entgeltpunkte auch für die Bezieher einer Hinterbliebenenrente neben einer eigenen Rente. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das am 10.04.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.05.2003 Berufung eingelegt.
Sie hat ergänzend auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 12.12.2002 - L 5 KN 2/02 - verwiesen, das die von ihr vertretene Rechtsauffassung bestätigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.03.2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und legt ergänzend ein Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 01.07.2003 - L 11 RJ 511/03 - vor, in dem der Entscheidung des BSG vom 30.08.2001 (a.a.O.) gefolgt wird. Dem von der Beklagten zitierten Urteil des LSG Schleswig-Holstein komme schon deshalb keine Bedeutung zu, weil das LSG darin offensichtlich davon ausgegangen sei, dass die Nichtanwendung des § 22b FRG beim Zusammentreffen einer Hinterbliebenenrente und einer Rente aus eigener Versicherung zu einer Rentenleistung auf der Basis von insgesamt 50 Entgeltpunkten führe. Zu einer solchen Besserstellung der Hinterbliebenen komme es aber nicht, weil die Hinterbliebenenrente wegen des Rentenartfaktors von 0,6 auf 60 % begrenzt sei und für Hinterbliebene bei zwei Renten mit jeweils maximal 25 Entgeltpunkten daher im Ergebnis ohnehin lediglich 15 zusätzliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 19.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.10.2002 nicht im Sinne des § 54 Abs.2 S.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, weil diese Bescheide rechtmäßig sind. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 26.06.1998 zu.
Nach § 44 Abs.1 S.1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist.
Der Bescheid vom 26.06.1998 ist jedoch nicht unrichtig. Die Beklagte hat die Hinterbliebenenrente der Klägerin gemäß § 22b Abs.1 S.1 FRG zu Recht nicht ausgezahlt.
Nach § 22b Abs.1 S.1 FRG werden für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zugrunde gelegt.
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 22b Abs.1 S.1 FRG bestehen nicht (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30.08.2001 - B 4 RA 87/00 R -; LSG NRW vom 10.07.2002 - L 8 RJ 3/02 -; LSG NRW vom 29.11.2002 - L 13 RJ 30/02 -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.10.2000 - L 12 RA 2663/99 sowie LSG für den Freistaat Sachsen vom 03.06.2002 - L 4 RA 61/99 -) und wurden von den Beteiligten auch nicht geltend gemacht.
§ 22b Abs.1 S.1 FRG, der durch Art.3 Nr.5 des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG) mit Wirkung vom 07.05.1996 (Art.12 Abs.2 WFG) eingefügt worden ist, erfasst die am 15.12.1997 nach Deutschland zugezogene Klägerin. Die Vorschrift gilt gemäß Art.6 § 4b des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes - FANG - idF des Art.4 Nr.4 WFG) für Berechtigte, die - wie die Klägerin - nach dem 06.05.1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen haben.
Die Vorschrift des § 22b Abs.1 S.1 FRG ist vorliegend auch sachlich anwendbar. Entgegen der Auffassung des BSG in seinem Urteil vom 30.08.2001 - B 4 RA 118/00 R -, der sich das LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 01.07.2003 - L 11 RJ 511/03 -) und das Sozialgericht Karlsruhe (Urteil vom 11.02.2003 - S 2 RA 4039/02 -) angeschlossen haben, betrifft die darin vorgesehene Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte nach Ansicht des Senats nicht nur Versicherte, die verschiedene Rechte auf Rente aus eigener Versicherung haben. Sie ist vielmehr auch dann anwendbar, wenn einem Begünstigten - wie hier der Klägerin - neben einem Recht auf Rente aus eigener Versicherung noch ein aus der Versicherung des verstorbenen Ehegatten abgeleitetes Recht auf eine Hinterbliebenenrente zusteht (im Ergebnis ebenso LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 12.12.2002 - L 5 KN 2/02 -; SG Mannheim, Urteil vom 27.11.2002 - S 9 RJ 2074/02 -; SG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2003 - S 15 RJ 209/02 - und SG Dortmund, Urteil vom 24.03.2003 - S 46 (15) RJ 278/02 -; ferner Bönisch, Die Begrenzung der Entgeltpunkte für Zeiten nach dem Fremdrentengesetz, in: Mitteilungen der LVA Oberfranken/Mittelfranken 2000, S. 149 ff (153), sowie Göhde, Zur Anwendung der Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte nach § 22b Abs.1 FRG bei mehreren Renten eines Berechtigten, in: Mitteilungen der LVA Rheinprovinz 7-8/2002, S. 313 ff; ferner Kommentar zum Recht der Gesetzlichen Rentenversicherung, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, Stand Januar 1998, § 22b FRG Anmerkung 4.51). Insbesondere der Wortlaut des § 22b FRG steht einer solchen Auslegung nicht entgegen (dazu unter (1.)). Darüber hinaus sprechen Gesetzeszusammenhang sowie Sinn und Zweck des § 22b FRG für eine Anwendung der Norm auch auf ein Zusammentreffen eigener und abgeleiteter Rentenrechte (dazu unter (2.) und (3.)).
(1.) Der Wortlaut des § 22b Abs.1 S.1 FRG, insbesondere die gesetzlichen Begriffe "anrechenbare Zeiten", "Berechtigter" und "Entgeltpunkte", steht einer Anwendung der Norm auf Hinterbliebenenrenten zumindest nicht zwingend entgegen (ebenso SG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2003 - S 15 RJ 209/02 -; weitergehend LSG Schleswig-Holstein, a.a.O., SG Dortmund, a.a.O., und SG Mannheim, a.a.O., nach denen der Wortlaut des § 22b Abs.1 S.1 FRG sogar für dessen Anwendung auch auf Hinterbliebenenrenten spricht).
So wird der Begriff "Berechtigter" im FRG nicht ausschließlich für Personen mit eigenem Rentenstammrecht verwendet. Er bezeichnet vielmehr in zahlreichen Vorschriften (z.B. §§ 14a, 31 FRG) ganz allgemein Personen, auf die die Regelungen des FRG anwendbar sind. Dass er dabei auch die Hinterbliebenen umfasst, ergibt sich beispielsweise aus der Regelung des § 14a FRG, der sich ausschließlich auf Hinterbliebenenrenten bezieht (so auch SG Dortmund, a.a.O., SG Düsseldorf, a.a.O.). Hätte der Gesetzgeber den Bezug zur eigenen Leistung herstellen und Hinterbliebene von der Begrenzungsregelung des § 22b Abs.1 FRG ausnehmen wollen, so hätte es nahe gelegen, anstelle der tatsächlich gewählten Formulierung "Berechtigter" den Begriff "Versicherter" zu verwenden (ebenso LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.).
Auch der Begriff "anrechenbare Zeiten" lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass § 22b FRG sich lediglich auf das Zusammentreffen mehrerer Renten aus eigener Versicherung bezieht (ebenso SG Düsseldorf, a.a.O.). Zwar beruht der Wert der Hinterbliebenenrente - wie der 4. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 30.08.2001 (B 4 RA 118/00 R) ausführt - nicht auf einer durch eigene Versicherungsleistung erworbenen individuellen Rangstelle, sondern leitet sich entsprechend ihrer Unterhaltsersatzfunktion aus der Rente des Versicherten ab. Auch die Bestimmung der Höhe der Hinterbliebenenrente setzt aber notwendigerweise die Feststellung der "anrechenbaren Zeiten" voraus (so auch SG Dortmund, a.a.O., SG Düsseldorf, a.a.O.).
Gleiches gilt für den in § 22b FRG verwendeten Begriff "Entgeltpunkte". Dieses Wort stellt nicht unausweichlich eine Verbindung zur eigenen Versicherung des Antragstellers her. Es wird zwar für die Berechnung von Versicherungsleistungen verwandt. Es bedarf aber auch bei der Hinterbliebenenrente der Ermittlung von Entgeltpunkten, um die Höhe der Rente festzustellen (SG Dortmund, a.a.O.; SG Düsseldorf, a.a.O., Göhde, a.a.O.).
Ist der Wortlaut der umstrittenen Regelung des § 22b Abs.1 S.1 FRG aber nicht eindeutig, so kommt den übrigen Auslegungsmethoden, namentlich dem Gesetzeszusammenhang (dazu unter (2.)) und dem Sinn und Zweck (dazu unter (3.)) des Gesetzes, maßgebliche Bedeutung zu. Diese sprechen jedoch gegen eine Beschränkung der Begrenzungsregelung des § 22b Abs.1 S.1 FRG auf Versichertenrenten aus eigener Versicherung.
(2.) So wird insbesondere in der Vorschrift des § 22b Abs.3 FRG, die in engem systematischen Zusammenhang mit der hier streitigen Regelung des Abs.1 S.1 FRG steht, der Grundsatz deutlich, dass der Gesetzgeber Alleinstehende nur mit Leistungen auf der Basis von maximal 25 Entgeltpunkten ausstatten will (LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.). Danach werden bei Ehegatten und in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Berechtigten, deren jeweilige Rente nach Abs.1 und 2 festgestellt worden ist, höchstens insgesamt 40 Entgeltpunkte zugrunde gelegt (§ 22b Abs.3 S.1 FRG). Hintergrund der Kürzung von eigentlich 50 auf 40 Entgeltpunkte ist der Umstand, dass diese Personen durch das Zusammenleben Kosten der Haushaltsführung einsparen (LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.). Wenn aber schon bei lebenden Ehegatten eine Beschränkung auf maximal 40 Entgeltpunkte als Maß der Existenzsicherung festgesetzt ist, dann müssen die Entgeltpunkte für anrechenbare Zeiten nach dem FRG nach dem Tod des einen Berechtigten für den Überlebenden erst recht begrenzt werden (ebenso LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.); denn dessen Haushaltsführungskosten verringern sich zwangsläufig mit dem Tod des Ehepartners. Dass sich die Begrenzung der Entgeltpunkte bei Hinterbliebenen ihrer Höhe nach an den Leistungen für Alleinstehende orientiert, die maximal auf der Basis von 25 Entgeltpunkten gewährt werden, macht insbesondere § 22b Abs.3 S.2 FRG deutlich, der in seinem Nachsatz " ... höchstens jedoch 25 Entgeltpunkte für einen Berechtigten." bestimmt, dass bei der Aufteilung der Renten von Ehegatten und in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Berechtigten einer von ihnen maximal Leistungen nach 25 Entgeltpunkten erhalten kann (LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.).
(3.) Für eine Anwendung der Vorschrift des § 22b Abs.1 FRG auch beim Zusammentreffen einer Rente aus eigener Versicherung und einer Hinterbliebenenrente spricht ferner der Sinn und Zweck der Regelung (ebenso LSG Schleswig-Holstein, a.a.O., SG Dortmund, a.a.O., SG Düsseldorf, a.a.O., SG Mannheim, a.a.O.). Durch das WFG wurde das System der Renten nach dem FRG vom Eingliederungsprinzip auf das Bedürftigkeitsprinzip umgestellt. Während vor dem 07.05.1996 entsprechend dem sog. Eingliederungsprinzip bei der Rentenbemessung in wesentlicher Weise die Lebensarbeitsleistung der Berechtigten im Herkunftsgebiet berücksichtigt wurde, haben die Betroffenen nunmehr lediglich noch Anspruch auf eine pauschalierte Fürsorgerente, die sich an der Höhe der Eingliederungshilfe orientiert. Hintergrund dieses Systemwechsels war der Umstand, dass das mit dem FRG verfolgte Ziel, die Vertriebenen und Spätaussiedler, die infolge der Auswirkungen des 2. Weltkriegs ihre soziale Sicherheit in den Herkunftsgebieten verloren haben, in das Rentenversicherungssystem der BRD einzugliedern, weitgehend erreicht ist. Darüber hinaus ist nach dem Willen des Gesetzgebers über 50 Jahre nach Kriegsende sowie wegen der Überwindung der deutschen und europäischen Teilung eine unveränderte Beibehaltung der für einen Übergangszeitraum konzipierten, ein hohes Rentenniveau sichernden Regelungen sachlich nicht mehr zu rechtfertigen (BT-Drucksache 13/4610, S. 19).
Mit dem nunmehr geltenden Fürsorgegedanken wäre es aber nicht zu vereinbaren, dass der Hinterbliebene sich wirtschaftlich besser steht als der Alleinstehende, dessen Leistungen nach § 22b Abs.1 FRG auf maximal 25 Entgeltpunkte begrenzt sind (ebenso LSG Schleswig-Holstein, a.a.O., SG Dortmund, a.a.O., SG Düsseldorf a.a.O.). Wenn die Betroffenen lediglich noch eine am Bedürftigkeitsprinzip orientierte Leistung erhalten sollen und dieser Bedarf bei Alleinstehenden mit 25 Entgeltpunkten gedeckt ist, so muß dies auch für Hinterbliebene, die nach dem Tod des Partners ebenfalls allein stehen, der Fall sein. Das gilt umso mehr, wenn der Ehepartner des Versicherten - insoweit weicht der hier zu entscheidende Fall von dem Sachverhalt ab, der dem Urteil des 4. Senat des BSG (a.a.O.) zugrunde lag - bereits im Herkunftsgebiet verstorben ist; denn der Tod des Ehepartners im Herkunftsgebiet vermag den Bedarf des Hinterbliebenen in Deutschland nicht zu erhöhen (so auch SG Mannheim, a.a.O.).
Dieses Auslegungsergebnis führt entgegen der Auffassung des 4. Senats des BSG (a.a.O) auch nicht dazu, dass Hinterbliebene bei einer Begrenzung ihrer Leistungen auf insgesamt 25 Entgeltpunkte nach § 22b Abs.1 FRG letztlich nur Inhaber eines "leeren Rechts auf Witwenrente" sind. Zum einen hat der überlebende Ehegatte immer dann ein Recht auf Leistungserhöhung, wenn für die ihm zustehende Rente aus eigener Versicherung weniger als 25 Entgeltpunkte ermittelt werden. Zum anderen sieht § 22b FRG gerade keine Hinterbliebenenrente im Sinne des § 46 SGB VI vor. Es handelt sich vielmehr um eine eigenständige Hinterbliebenenversorgung für Spätaussiedler (vgl. LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Zulassung der Revision ergibt sich aus § 160 Abs.2 Nr.2 SGG.
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Aus
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