L 4 R 2678/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 2360/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2678/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger erhebt Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1950 geborene Kläger ist im dritten Lebensjahr an Poliomyelitis erkrankt, an deren Folgen er leidet. Eine Berufsausbildung hat er nicht durchlaufen. Seit März 1966 stand er als Chemiewerker im Dienst der Protektorwerk F. M. GmbH & Co. KG und bedienten eine Mischmaschine. Gegenüber der Ärztin für Anästhesie/Sozialmedizin Dr. S. gab der Kläger im Januar 2001 an, nur noch stundenweise als Maschinenarbeiter tätig, ansonsten als "Mädchen für Alles" (z.B. Reinigungsarbeiten, Reinigen der Sauganlage, Tragen von verschiedenen Materialien mit überwiegendem Stehen und Gehen sowie Heben von Lasten bis 40 kg) tätig zu sein. Nachdem im Jahr 2000 Fehlzeiten über die Entgeltfortzahlungsfristen hinaus nicht aufgetreten waren, kam es ab Ende Februar 2001 zu längeren Krankheitszeiten. Nach Aufrüstung der von ihm bedienten Mischmaschine mit EDV sollte im Februar 2002 eine Umsetzung auf einen Arbeitsplatz "Gewebe einziehen" erfolgen. Ein Arbeitsversuch scheiterte. Vom 27. März 2003 bis 14. Mai 2005 bezog der Kläger Arbeitslosengeld.

Im Dezember 2000 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit. Die damalige Landesversicherungsanstalt Baden (später Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg, jetzt Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) zog Arztbriefe und Klinikberichte bei, darunter die Berichte des Staatlichen Rheumakrankenhauses (jetzt Rheumazentrum) Baden-Baden vom 08. Dezember 1994, 21. März 1997 und 11. November 1998 über stationäre Behandlungen vom 09. November bis 07. Dezember 1994, 19. Februar bis 11. März 1997 und 20. Oktober bis 06. November 1998. Ärztin für Anästhesie/Sozialmedizin Dr. S. diagnostizierte im Gutachten vom 23. Januar 2001 ein chronisch rezidivierendes HWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen, eine chronisch rezidivierende Proktocolitis, eine coronare Herzerkrankung, eine Hohl-Spitzfuß-Deformität links (Zustand nach Kinderlähmung), eine hypothyreote Struma sowie eine Hörminderung. Wenn auch die bisher ausgeübte Tätigkeit, wie sie der Kläger beschrieben habe, auf Dauer nicht mehr zuzumuten sei, blieben leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne überwiegend einseitige Körperhaltung und ohne besonderen Zeitdruck vollschichtig möglich. Auf dieser Grundlage erließ die Beklagte den ablehnenden Bescheid vom 31. Januar 2001, weil weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliege. Mit dem Widerspruch hiergegen wies der Kläger im Wesentlichen auf den seit 1991 bestehenden Grad der Behinderung (GdB) von 60 sowie darauf hin, die Summe der Erkrankungen und der hieraus resultierenden Beschwerden sei derart ausgeprägt, dass nach jetzigem Stand eine Erwerbstätigkeit nicht mehr möglich sei. Nach prüfärztlichem Vermerk wurden weitere Ermittlungen nicht eingeleitet. Die Widerspruchsstelle der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2001. Es liege weder Erwerbsunfähigkeit noch Berufsunfähigkeit und auch kein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung nach dem ab 01. Januar 2001 geltenden Recht, da der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich arbeiten könne, vor.

Mit der am 04. Juli 2001 zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhobenen Klage trug der Kläger vor, wegen der Wirbelsäulenfehlhaltung, die auf der Kinderlähmung resultiere, leide er unter immer stärkeren Beschwerden seitens der Wirbelsäule. Hinzu kämen Herzbeschwerden und eine Schilddrüsenerkrankung sowie in neuester Zeit schmerzhafte, mehrmals tägliche Stuhlgänge mit Verdauungsbeschwerden. Auf die seit 1996 zunehmenden krankheitsbedingten Fehlzeiten (Jahreskalender mit Schriftsatz vom 30. Januar 2002 vorgelegt) sei zu verweisen. Aufgrund seiner jahrelangen Tätigkeit als Maschinenführer habe er sich Spezialkenntnisse angeeignet, die ihn als Facharbeiter qualifizierten.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte beratungsärztliche Stellungnahmen des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 27. November 2001 und des Internisten Medizinaldirektor L. vom 09. Dezember 2004 vor.

Die Arbeitgeberin erläuterte in der Auskunft vom 17. September 2001, die Tätigkeit als Mischer von Kunststoffgranulaten werde in Anlehnung an den Metalltarif (Einstiegslohngruppe 5, letzte Lohngruppe 6) vergütet; sie habe eine Anlernzeit von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren erfordert und werde mit Unterbrechungen auch jetzt noch ausgeübt. Sie übersandte auch eine Bescheinigung des Internisten Dr. d. R. vom 23. Dezember 1997, wonach der Kläger wegen einer Erkrankung des Magen-Darm-Trakts mehrmals am Tag die Toilette aufsuchen müsse. Arzt für Orthopädie Dr. Hi. berichtete in der Zeugenaussage vom 14. September 2001 über die seit 1987 andauernde Behandlung, während deren sich seit 1994/95 die Beschwerden verstärkt hätten. Arzt für Innere Medizin Dr. G. berichtete in seiner Zeugenauskunft vom 18. September 2001 über Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule, die sich in den letzten zwölf Monaten verschlimmert hätten, der Lendenwirbelsäule sowie über die beklagten Schmerzen im Bereich des Enddarmes. Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erstattete Ärztlicher Direktor Prof. Dr. Le. (Rheumatologie, Immunologie) von der M.-G.-Klinik B. nach Untersuchung vom 25. Februar 2003 das Gutachten vom 17. November 2004. Die aufgrund des Zustands nach Kinderlähmung entstandenen Fehlhaltungen bildeten ein zunehmendes Problem der Belastbarkeit durch Fehlstatik, die durch erhebliche muskuläre Verspannungen insbesondere der paravertebralen Rückenmuskulatur kompensiert werde. Veränderungen der Hals- und Brustwirbelsäule seien ausgeprägt. Leichte Tätigkeiten ohne Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten bis zu fünf kg seien allenfalls halbschichtig möglich. Auf eine wechselnde Körperhaltung müsse Rücksicht genommen werden und am Arbeitsplatz müsse eine dem Beschwerdebild entsprechende orthopädische Anordnung vorhanden sein. Die offensichtliche Schwerhörigkeit verbiete darüber hinaus Tätigkeiten z.B. im Pforten- oder Telefondienst. Der Zustand bestehe zumindest seit Antragstellung. Schließlich seien Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörung als Risikosituation hinsichtlich der Herzkranzgefäße und der peripheren Arterien zu berücksichtigen.

Nach Eingang der zitierten Stellungnahme des Arztes L. vom 09. Dezember 2004 holte das SG die erneute Aussage des Orthopäden Dr. Hi. vom 14. Januar 2005, der leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Überlastung der Schulterregion im Umfang von acht Stunden für zumutbar hielt, und die Aussage des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. B. vom 15. März 2005 als seit November 2001 behandelnder Hausarzt, der den Kläger mit Rückenschmerzen als seit November 2001 durchgehend arbeitsunfähig ansah, ein. Oberarzt Dr. J. von der Orthopädischen Klinik der S. V.-Kliniken K. wurde von Amts wegen mit einem Gutachten betraut. Er erstattete dieses unter dem 30. April 2005 (Untersuchung vom 28. April 2005). Es bestünden eine leichte Fehlstatik im Bereich des Oberkörpers, leichte Bewegungseinschränkungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule. Neurologische Ausfälle seien nicht nachzuweisen. Arbeiten in vornüber gebeugter Körperhaltung, wiederkehrende Zwangshaltungen des Oberkörpers sowie Heben und Tragen von Gegenständen über acht Kilogramm seien zu meiden In beiden Ellenbogengelenken bestehe ein leichtes Streckdefizit, das zu keinen weiteren Konsequenzen führe. Aufgrund des Befundes an Hüften, Knie und Füßen sei dauerndes Stehen und Gehen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, in der Hocke, im Knien sowie Gehen auf unebenem Boden zu meiden. Ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr sei insoweit weitgehend unverändert seit 2001 anzunehmen. Dem Gutachten Prof. Dr. Le. sei zu widersprechen. Der Kläger sei mit Hörgeräten versorgt, seitens des Herzens hätten sich seit Ende letzten Jahres keine wesentlich krankhaften Befunde ergeben.

Durch Gerichtsbescheid vom 03. Juni 2005 wies das SG die Klage ab. Es stütze sich auf die Gutachten von Dr. S. und Dr. J ... Der Kläger sei in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte und zeitweise mittelschwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zu acht Kilogramm vollschichtig bei der Möglichkeit zum Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen zu verrichten. Er genieße keinen Berufsschutz als Facharbeiter. Er könne allenfalls der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters im oberen Bereich zugeordnet werden und damit zumutbar auf Tätigkeiten eines Kassierers an Selbstbedienungstankstellen und in Parkhäusern oder als Pförtner an einer Nebenpforte verwiesen werden. Auf die Entscheidungsgründe wird im Übrigen Bezug genommen.

Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 30. Juni 2005 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, der Sachverständige Dr. J. werfe zu Unrecht Prof. Dr. Le. oberflächliche Befundung vor. Darüber hinaus sprächen vielfältige Muskelverspannungen auch für eine psychosomatische Komponente. Auch die Einschränkungen auf internistischem Gebiet seien nicht ausreichend gewürdigt. Aufgrund der häufigen Fehlzeiten ab Sommer 2000 sei ein Leistungsfall - nach früherem Recht - der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit bereits beim Antrag vom Dezember 2000 erfüllt gewesen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 31. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2001 zu verurteilen, ihm ab 01. Dezember 2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise ab 01. Januar 2001 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren, weiter hilfsweise die Einholung eines internistischen Sachverständigengutachtens zu dem in der mündlichen Verhandlung vom 09. März 2007 genannten Beweisthema und einer berufskundlichen Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit zu der Frage, ob der imperative Stuhldrang mit der Konkurrenzfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu vereinbaren ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die ablehnenden Entscheidungen weiterhin für zutreffend.

Wiederum auf Antrag nach § 109 SGG hat Arzt für Orthopädie Prof. Dr. G.-Z., Ärztlicher Direktor und Chefarzt der S.-Klinik Z., A., das Gutachten vom 26. Juli 2006 (Untersuchung am 09. Mai 2006) erstattet. Es bestünden ausgeprägte Verschleißerscheinungen im Bereich der Halswirbelsäule mit Funktionseinschränkungen, Fehlstatik im Bereich der Brustwirbelsäule mit Fehlhaltung, muskuläre Dysbalance der Lendenwirbelsäule, Beckentiefstand links 1 cm bei Beinlängendifferenz, beginnende Hüftgelenksarthrose, beginnende Arthrose des oberen Sprunggelenks mit Überlastungszeichen, Hohl-Spitzfuß links, chronische Darmentzündung mit Durchfallerkrankung, Schwerhörigkeit sowie medikamentös eingestellte hypothyreote Struma. Heben und Tragen von Lasten über zehn kg solle ebenso wie rein stehende Tätigkeit gemieden werden. Wechselnde Körperhaltung sei günstig. Akkord, Lärm, Nässe und Zugluft, schließlich Arbeiten mit besonderer Verantwortung seien nicht mehr möglich. Auf Rückfrage hat der Sachverständige präzisiert (12. Oktober 2006), leichte Arbeiten könnten noch mehr als sechs Stunden durchgeführt werden und Lasten seien auf fünf kg zu begrenzen. Kurzfristige Arbeitsunterbrechungen für Toilettengänge müssten ermöglicht werden.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten (Rente und Rehabilitation) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Es besteht kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, hilfsweise - nach neuem Recht - wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

1. Nachdem der Kläger den Rentenantrag noch im Dezember 2000 gestellt hat, sind für einen bis dahin eintretenden Leistungsfall noch maßgeblich die Bestimmungen des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (vgl. § 300 Abs. 2, § 302b Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2000, BGBl. I S. 1827).

Gemäß §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI a.F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie berufsunfähig bzw. erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Berufsunfähig sind nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (Satz 3). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4). Erwerbsunfähig sind nach § 44 Abs. 2 SGB VI a.F. Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich DM 630,00 übersteigt; erwerbsunfähig sind auch Versicherte nach § 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können (Satz 1). Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine selbständige Tätigkeit ausübt oder eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 2).

1.1. Die Voraussetzungen des § 43 SGB VI a.F. sind nicht gegeben, weil der Kläger nicht berufsunfähig ist.

Der Senat legt als bisherigen Beruf die bis Frühjahr 2000 ausgeübte Tätigkeit des Bedienens einer Mischmaschine zu Grunde. Bisheriger Beruf ist die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Der Kläger war ab 31. März 1966 bei einem Unternehmen als Maschinenbediener in der Abteilung Mischerei beschäftigt. Es handelte sich bei dieser Tätigkeit um eine ange¬lernte Tätigkeit. Eine abgeschlossene Ausbildung hat der Kläger nicht. Diese Tätigkeit übte der Kläger bis Frühjahr 2002 aus. Nach Umrüstung dieser Mischmaschine auf CNC-Steuerung bediente er diese Mischmaschine nicht mehr. Seinen Angaben nach verrichtete er verschiedene Tätigkeiten wie Reinigungsarbeiten, Reinigen der Sauganlage und das Tragen verschiedener Materialien. Ein Versuch der Umsetzung an einen anderen Arbeitsplatz scheiterte. Der Senat geht zu Gunsten des Klägers davon aus, dass er sich von der bis Frühjahr 2002 ausgeübten Tätigkeit nicht löste. Diese Tätigkeit gab der Kläger nicht aus gesundheitlichen Gründen auf. Vielmehr war er wegen der Umrüstung nicht mehr in der Lage, die Maschine zu bedienen. Einer Lösung von der zuvor ausgeübten Tätigkeit könnte entgegenstehen, dass es an einem inneren Lösungswillen des Klägers (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30. Juli 1997 - 5 RJ 20/97 -) fehlen könnte.

Wie das SG ordnet auch der Senat im Rahmen des Mehrstufenschemas, das das BSG in ständiger Rechtsprechung zur Bestimmung der zumutbaren Verweisungstätigkeiten entwickelt hat (z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55), die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit in die Gruppe der angelernten Arbeiter (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) ein. Dies gründet sich auf der Arbeitgeberauskunft vom 17. September 2001 (Blatt 19 der SG-Akte). Angesichts des im Versicherungsverlauf vom 31. Januar 2001 (Blatt 153 der Verwaltungsakte) ausgewiesenen erzielten hohen Entgelts (bereits im Jahre 1996 mehr als DM 70.000,00 brutto) ist diese Einstufung nicht zu widerlegen.

Ob der Kläger seinen bisherigen Beruf noch verrichten kann, lässt der Senat offen. Denn der Kläger kann mit dem bei ihm noch vorhandenen Leistungsvermögen jedenfalls die bereits vom SG benannte Tätigkeit als Pförtner an einer Nebenpforte vollschichtig verrichten und damit auf diese Tätigkeit verwiesen werden.

Der Kläger leidet - belastet durch den Zustand nach Kinderlähmung - unter Verschleißerscheinungen des Stütz- und Bewegungsapparats. An der Halswirbelsäule bestehen fortgeschrittene degenerative Veränderungen im Bereich C 5 bis C 7. Die Lendenwirbelsäule zeigt einen altersentsprechenden Befund. Die Verschleißerscheinungen an den übrigen Gelenken sind nicht ausgeprägt. Bewegungseinschränkungen sind nur in geringem Umfang vorhanden. Neurologische Ausfälle bestehen nicht. Der Senat stützt sich insoweit auf das Gutachten des Dr. J. vom 30. April 2005. In den auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eingeholten Gutachten des Prof. Dr. Le. vom 17. November 2004 und des Prof. Dr. G.-Z. vom 26. Juli 2006 ergeben sich insoweit keine abweichenden Befunde. Vielmehr bestätigen diese Gutachten die von Dr. J. erhobenen Befunde. Auch die im Laufe des Verfahrens zu den Akten gelangten Befundberichte behandelnder Ärzte enthalten keine abweichenden Befunde.

Weitere Gesundheitsstörungen schränken die Leistungsfähigkeit für die benannten Tätigkeiten nicht ein. Der Kläger leidet unter chronischer Darmentzündung mit Durchfallerkrankung. Ärztin Dr. S. gab im Gutachten vom 23. Januar 2001, das der Senat urkundenbeweislich verwertet, den Stuhlgang mit drei- bis viermal am Tag an. In den Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte Dr. G. vom 18. September 2001 und des Dr. B. vom 15. März 2005 ist die Erkrankung nicht erwähnt. Diese Durchfälle bestanden auch schon während der ausgeübten Tätigkeit. Dies ergibt sich aus der von der Arbeitgeberin des Klägers übersandten ärztlichen Bescheinigung des Dr. d. R. vom 23. Dezember 1997. Es ist nicht ersichtlich, dass es deshalb zu Problemen während der Ausübung der Tätigkeit des Bedienens der Mischmaschine kam. Insoweit ist deshalb eine wesentliche Verschlimmerung nicht festzustellen. Die bekannte coronare Herzerkrankung hat noch nicht zu wesentlichen Einschränkungen geführt. Bezüglich der Hörminderung ist eine ausreichende Versorgung mit Hörgeräten erfolgt (vgl. Gutachten Dr. J.). Eine Struma ist medikamentös eingestellt.

Im Hinblick darauf hält der Senat die Leistungsbeurteilung des Dr. J., die durch die des Prof. Dr. G.-Z. bestätigt wird, für nachvollziehbar. Der Kläger kann zumindest leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen verrichten ohne Heben und Tragen von Lasten von mehr als acht kg und ohne wiederkehrende Zwangshaltungen des Oberkörpers. Überwiegend stehende und gehende Tätigkeiten müssen gemieden werden. Wechselnde Körperhaltung ist günstig und qualitative Erschwernisse wie Akkord, Lärm, Nässe und Zugluft sind auszuschließen Der Kläger kann entsprechende Tätigkeiten vollschichtig verrichten, wobei der Senat aus der Formulierung der beiden zuvor genannten Gutachter, das Leistungsvermögen betrage sechs Stunden und mehr täglich, davon ausgeht, dass damit ein vollschichtiges Leistungsvermögen auch im Sinne des bis 31. Dezember 2000 geltenden Rechts gemeint ist.

Hieraus ergibt sich dann, dass der Senat der Leistungsbeurteilung des Prof. Dr. Le. nicht folgt, weil - worauf sowohl Dr. J. als auch Internist L., dessen Stellungnahme vom 09. Dezember 2004 der Senat als Parteivorbringen der Beklagten berücksichtigt, zu Recht verweisen - die erhobenen Befunde die angegebene eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Klägers nicht rechtfertigen.

Anhaltspunkte für eine schwere spezifische Leistungseinschränkung sind nicht erkennbar. Insbesondere lässt sich aus den zuvor genannten Gründen auf Grund der Darmerkrankung Entsprechendes nicht ableiten.

Eine Verweisung auf die Tätigkeit des Pförtners an einer Nebenpforte ist einem angelernten Arbeiter - auch des oberen Bereichs - sozial zumutbar (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2004 B 13 RJ 49/03 R -). Sie ist dem Kläger auch unter Berücksichtigung des bestehenden Leistungsvermögens zumutbar (vgl. zum Folgenden Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Januar 2007 - L 3 R 2841/03 -). Der Pförtner an der Nebenpforte hat insbesondere bekannte Fahrzeuge der Firma bzw. Mitarbeiter passieren zu lassen (vgl. BSG vom 22. Oktober 1996 - 13 RJ 35/95 - und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Juni 1997 - L 2 J 3307/96 -). Die Tätigkeit des Pförtners an der Nebenpforte kann im Wechsel von Sitzen und Stehen ausgeübt werden und ist nicht mit dem Heben und Tragen von Lasten verbunden. Tätigkeiten eines Pförtners an der Nebenpforte erfordern auch keine besonderen sprachlichen Anforderungen an das Kommunikationsvermögen. Pförtnertätigkeiten kommen darüber hinaus in den unterschiedlichsten Ausprägungen vor. Der Kläger konnte deshalb in einem Bereich eingesetzt werden, der nicht in erster Linie durch Publikumsverkehr geprägt ist. Der Kläger selbst sieht sich grundsätzlich in der Lage sind, eine solche Tätigkeit auszuüben. Nachdem er die Tätigkeit des Bedienens der Mischmaschine nicht mehr verrichten konnte, wurde - wie sich aus den beigezogenen Akten des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg - Integrationsamt - ergibt -betriebsintern geprüft, ob der Kläger einen anderen Arbeitsplatz bei seinem bisherigen Arbeitgeber erhalten kann. Dabei brachte der Kläger auch eine Tätigkeit als Pförtner ins Gespräch (Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 10. November 2005), was allerdings daran scheiterte, dass die entsprechende Stelle besetzt war.

Der Senat sieht sich zu einer weiteren Beweiserhebung nicht gedrängt. Da die Durchfälle bzw. der vom Kläger behauptete imperative Stuhldrang auch schon während der ausgeübten Tätigkeit bestand, ohne dass ersichtlich wäre, dass es deshalb zu Problemen gekommen wäre oder insoweit eine Verschlechterung eingetreten ist, war weder ein internistisches Sachverständigengutachten zu erheben noch eine berufskundliche Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit einzuholen.

1.2. Die Voraussetzungen des § 44 SGB VI a.F. sind nicht gegeben, weil der Kläger nicht erwerbsunfähig ist. Denn er kann zumindest leichte Tätigkeiten mit den zuvor genannten Einschränkungen vollschichtig verrichten.

2. Der Kläger hat auch für die Zeit ab 01. Januar 2001 weder Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung noch auf Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

2.1. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI in der seit 01. Januar 2001 geltenden Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2000 - BGBl. I, S. 1827 - (n.F.) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI n.F. Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI n.F. Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI n.F. Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI n.F.). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI n.F.).

Der Kläger ist nicht erwerbsgemindert, weil er wie dargelegt Tätigkeiten in einem Umfang von sechs Stunden verrichten kann.

2.2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung einer teilweisen Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI n.F ... Er ist aus den zuvor genannten Gründen nicht berufsunfähig.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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