Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 11 R 87/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 193/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen und zur Deutschen Rentenversicherung nach § 21 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) hat.
Der am 00.00.1922 in M1/Polen geborene Kläger ist jüdischer Abstammung. Er war nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt, weshalb er als Verfolgter im Sinne des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt worden ist und Leistungen nach diesem Gesetz erhalten hat. Der Kläger lebt seit 1947 in Israel; er besitzt die israelische Staatsangehörigkeit.
Im Dezember 1989 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge bzw. die Weiterversicherung sowie die Anerkennung von Versicherungszeiten nach § 17 Abs. 1 b des Fremdrentengesetzes (FRG). Am 06.11.1990 beantragte er dann bei der Beklagten die Gewährung von Altersruhegeld. Er machte dabei Beschäftigungszeiten von November 1936 bis September 1939 als Friseur im Friseurgeschäft "M2" in Lodz geltend. In diesem Schreiben erinnerte er auch daran, dass die Beklagte über die Nachentrichtung zu entscheiden habe. Mit Bescheid vom 13.04.1992 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung eines Altersruhegeldes wegen Vollendung des 65. Lebensjahres mit der Begründung ab, dass für den Kläger keine für die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeit vorhanden sei. Der Bescheid enthielt den Zusatz, dass bezüglich der Anträge auf Nachentrichtung bzw. freiwilliger Weiterversicherung der Kläger von der Versicherungsabteilung weiteren Bescheid erhalte. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers leitete die Beklagte als Klage an das Sozialgericht Düsseldorf weiter. Das sich vor dem SG Düsseldorf anschließende Klageverfahren (S 0 (00) RJ 00/00) endete mit Urteil vom 27.01.1998. Gegen das klageabweisende Urteil vom 27.01.1998 legte der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) ein (Az.: L 0 RJ 000/00). Mit Urteil vom 10.09.1999 wies das LSG NRW die Berufung zurück mit der Begründung, dass keine anrechenbare polnischen Versicherungszeiten für den Kläger gemäß § 17 Abs. 1 b FRG vorlägen.
Unter dem 15.06.2001 beantragte der Kläger über einen (anderen) Bevollmächtigten Akteneinsicht bei der Beklagten. Diese wurde dem Kläger-Bevollmächtigten im Juli/August 2001 gewährt. Unter dem 27.03.2002 beantragte der Kläger dann über seinen jetzigen Bevollmächtigten u.a. die Anerkennung von Beitragszeiten im Ghetto Lodz, die Gewährung einer Rente sowie die freiwillige Weiterversicherung nach § 7 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch (SGB VI). Mit Bescheid vom 19.03.2003 gewährte die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 unter Anerkennung von Beitragszeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) ab April 1940 in Höhe von 235,25 EUR. Dagegen erhob der Kläger unter dem 28.03.2003 Widerspruch und beantragte die Überprüfung des nach Entrichtungsrechtes nach § 21 WGSVG. Mit Bescheid vom 03.12.2003 lehnte die Beklagte dann den Antrag vom 28.03.2003 auf Feststellung des Rechts zur Nachentrichtung von Beiträgen gemäß § 21 WGSVG ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger sein Verlangen auf die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge auf den am 27.12.1989 gestellten Antrag stütze. Die Beklagte habe zwar versäumt, in angemessener Frist über den Nachentrichtungsantrag zu entscheiden, dennoch sei das Recht auf Nachentrichtung verwirkt. Nach über 3 Jahren zwischen der Urteilsverkündung des LSG NRW vom 19.09.1999 und dem Wiederaufgreifen des Verfahrens am 28.03.2003 habe der Kläger das Recht auf Nachentrichtung verwirkt. Als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben sei das Rechtsinstitut der Verwirkung auch für das Sozialrecht anerkannt. Der Kläger bzw. sein damaliger Bevollmächtigter sei nach dem aktenkundigen Sachverhalt nach der Urteilsverkündung des LSG NRW am 10.09.1999 über drei Jahre untätig gewesen. Der Kläger hätte sich spätestens nach Ablauf von zwei Jahren nach der Antragstellung um die weitere Erledigung des Antrags kümmern müssen (so auch BSG, Urteil vom 28.04.1987). Die mehrjährige Untätigkeit des Klägers bedinge für sich allein noch nicht die Verwirkung des Rechtes zur Nachentrichtung. Hinzu kommen müssen vielmehr bei den anderen Beteiligten des Rechtsverhältnisses, dass dieser sich im Vertrauen darauf, dass das Recht nicht mehr geltend gemacht werde, in seinen Vorkehrungen so eingerichtet habe, dass ihm durch die Durchsetzung des Rechts nach Ablauf von fast dreizehn Jahren ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Ein solcher unzumutbarer Nachteil würde hier entstehen, wenn die Beklagte die Beiträge aufgrund des weiteren Antrags vom 28.03.2003 heute entgegen nehmen würde. Eine zeitlich unbegrenzte Ausdehnung der ohnehin sehr großzügigen und deshalb für die Versicherten günstigen Nachentrichtungsvorschriften könne der Versichertengemeinschaft zur Vermeidung von Risikoverschiebungen nicht zugemutet werden. Der Kläger erhob dagegen unter dem 29.12.2003 Widerspruch und trug zur Begründung vor, dass das Nachentrichtungsrecht nicht nach drei Jahren verwirkt sei, sondern grundsätzlich erst nach zehn Jahren. Im Übrigen könne sich die Beklagte nicht auf die Grundsätze von Treu und Glauben damit auf Verwirkung berufen, wenn sie selber dem Kläger Jahrzehnte lang das Nachentrichtungsrecht verwehrt habe. Den Widerspruch des Klägers gab die Beklagte nicht statt, sondern wies ihn mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2004 zurück. Wegen der Gründe wird auf den Inhalt des Bescheides (Bl. 273 - Bl. 274 der Verwaltungsakten) Bezug genommen.
Der Kläger hat dagegen am 22.10.2004 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass zunächst nach Antragstellung im Dezember 1989 die Anträge des Klägers abgelehnt worden seien. Erst nachdem das Bundessozialgericht entschieden habe, dass die Rechtsauffassung der Beklagten unzutreffend gewesen sei, seien dann auch für den Kläger die von ihn zurückgelegten Ghettobeitragszeiten anerkannt worden, unter Berücksichtigung dessen er auch seit dem 01.07.1997 eine Regelaltersrente erhalte. Nachdem der Kläger dann hinsichtlich der bereits vierzehn Jahre zuvor beantragten Nachentrichtung um Bescheiderteilung gebeten hatte, habe die Beklagte diesen Antrag zurückgewiesen wegen Verwirkung. Der Kläger könne diese Verwahrensweise der Beklagten nicht anders als unseriös bezeichnen. Wäre die Beklagte schon zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Beitragsnachentrichtung im Jahre 1989 einem Gerichtsurteil des SG München in einem parallel gelagerten Fall gefolgt, so würde der Kläger schon seit längerer Zeit eine Rente unter Berücksichtigung von nachentrichteten Beiträgen und Ghettoarbeitszeiten beziehen können.
Die Bevollmächtigte des Klägers ist ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 28.03.2007 ordnungsgemäß vom Termin zur mündlichen Verhandlung benachrichtigt worden.
Der im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.05.2007 nicht erschienene und nicht vertretene Kläger beantragt schrifsätzlich sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.12.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2004 zu verurteilen, den Kläger zur Nachentrichtung von Beiträgen nach Maßgabe des § 21 Abs. 1 Satz 3 WGSVG zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass im vorausgegangenen Rentenstreitverfahren eine Beschäftigungszeit im Ghetto Lodz nicht behauptet worden sei, sondern erstmalig mit dem Antrag nach dem ZRBG am 27.03.2002. Bei der Akteneinsichtnahme im Jahre 2001 hätte die Bevollmächtigte des Klägers erkennen können, dass über den geltend gemachten Nachentrichtungsantrag bisher nicht entschieden worden sei. Die Akten wurden jedoch ohne Stellungnahme zurückgesandt. Die Beklagte verbleibe daher bei ihrer Auffassung, dass das Nachentrichtungsrecht verwirkt sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten über den Kläger, der beigezogenen Entschädigungsakten vom Amt für Wiedergutmachung in Saarburg (Az.: 000000) sowie der beigezogenen Vorverfahrensakten des SG Düsseldorf mit dem Aktenzeichen S 0 (00) RJ 00/00 Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte verhandeln und entscheiden, obwohl weder der Kläger noch seine Bevollmächtigte am Termin zur mündlichen Verhandlung teilgenommen haben. Die Bevollmächtigte des Klägers ist in der ihr ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese verfahrensrechtliche Möglichkeit hingewiesen worden (§§ 110, 126 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 03.12.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2004 konnte nicht aufgehoben werden, da er nicht rechtswidrig ist und den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG beschwert. Denn der Kläger ist nicht mehr befugt, Beiträge gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 WGSVG nachzuentrichten.
Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 WGSVG in der Fassung des Rentenüberleitungsgesetzes vom 25.07.1991 können Verfolgte, für die nach § 17 Abs. 1 b letzter Halbsatz des FRG in der vom 01.01.1990 an geltenden Fassung Beitragszeiten nach dem Rentengesetz erstmals zu berücksichtigen sind auf Antrag die Nachentrichtung des § 10 in der am 31. Dezember 1989 geltenden Fassung nach Maßgabe der Absätze 2 - 5 ausüben, wenn sie vor dem 01.01.1976 einen Antrag nach § 10 gestellt haben oder in der Zeit vom 01.12.1979 - 01.12.1980 berechtigt waren, einen solchen Antrag zu stellen. Der Nachentrichungsantrag nach Abs. 1 konnte dabei nur bis zum 31.12.1990 gestellt werden.
Für den Kläger, die Verfolgte im Sinne des BEG ist, hat zwar rechtzeitig den Nachentrichtungsantrag nach der genannten Vorschrift gestellt, nämlich am 27.12.1989. Er ist jedoch nicht zur Nachentrichtung zuzulassen, weil er die Rechte aus dem Nachentrichtungsantrag vom 27.12.1989 nicht mehr geltend machen kann.
Der Kläger hatte mit dem Antrag vom 27.12.1989 ein Verfahren eingeleitet, das in mehreren Schritten, nämlich nach Antragstellung durch Konkretisierung des Antrags, sodann Zulassung zur Nachentrichtung und anschließend in der Einzahlung der Beiträge abgewickelt wird. Wie das Bundessozialgericht wiederholt ausgeführt hat, lässt die gesetzliche Regelung der Antragsfrist und einer Teilzahlungsfrist von höchstens einem Jahr nach der Zustellung des Nachentrichtungsbescheides dabei erkennen, dass die Nachentrichtungsverfahren bis ca. Ende 1992 abgeschlossen sein sollten (vgl. z.B. BSG, Urteil ...). Allerdings konnte dieser zeitliche Rahmen nicht allgemein eingehalten werden, hauptsächlich weil bei manchen Antragstellern zuvor der Versicherungsverlauf geklärt werden musste, ein Beratungsbedarf bestand und manchen Antragsteller im Ausland wohnten. Die Rechtsprechung und die Praxis der Versicherungsträger haben daher das Nachentrichtungsverfahren bei solchen Antragstellern in einer Weise ausgestaltet, die ihren berechtigten Belangen Rechnung trug, auch wenn sich das Verfahren dadurch bis zur Zahlung der Beiträge über den ursprünglich vorgesehenen Zeitraum hinaus erstreckt. Daraus lässt sich indes nicht herleiten, dass das Nachentrichtungsverfahren beliebig offen gehalten und in die Länge gezogen werden konnte. Vielmehr verlangt das Gesetz, wenn es für die Nachentrichtung einen bestimmten zeitlichen Rahmen vorgibt, dass das Verfahren zügig zu Ende geführt wird. Verzögerungen können nur hingenommen werden, soweit sie wegen erforderlicher Ermittlungen und Beratungen sowie angemessener Überlegungszeiten bei den Antragstellern unvermeidlich sind.
Weil derjenige, der aus einer Rechtsbeziehung Ansprüche oder sonstige Rechte herleitet, seinerseits an der Gestaltung des Rechtsverhältnisses mitzuwirken hat, soweit es für die Begründung, Änderung oder Konkretisierung des Rechts erforderlich ist, hätte sich auch der Kläger an einer zügigen Durchführung des Nachentrichtungsverfahrens beteiligen müssen. Insbesondere hätte er sich zur Vermeidung von Rechtsnachteilen spätestens nach dem Urteil des LSG NRW vom 10.09.1999 zeitnah nach dem Stand des Nachentrichtungsverfahrens erkundigen müssen. In diesem Fall wäre zwar, worauf die Beteiligten zutreffend hinweisen, der Kläger durch Bescheid von der Nachentrichtung ausgeschlossen worden, weil zu diesem Zeitpunkt, noch keine Beitragszeiten nach § 17 Abs. 1 b FRG zu berücksichtigen gewesen wären. Gegen einen solchen ablehnenden Nachentrichtungsbescheid hätte der Kläger jedoch Widerspruch einlegen können sowie gegebenenfalls gegen einen ablehnenden Widerspruchsbescheid Klage erhoben können. Der Kläger hat sich jedoch erstmalig im Juni 2001 nach Abschluss des Berufungsverfahrens vor dem LSG an die Beklagte mit der Bitte um Akteneinsicht gewandt. Selbst nach Vornahme der Akteneinsicht hat er dann jedoch nicht auf das noch offenstehende Nachentrichtungsverfahren hingewiesen, sondern eine Überprüfung des Nachentrichtungsantrages erst am 28.03.2003 beantragt. Diesen Nachentrichtungsantrag vom 28.03.2003 konnte die Beklagte dann jedoch wegen Verwirkung ablehnen.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist es der Beklagten auch nicht verwehrt, sich auf Verwirkung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu berufen. Zwar ist es zutreffend, dass die Beklagte selber über dreizehn Jahre bezüglich des Nachentrichtungsantrages untätig geblieben ist. Das kann jedoch nicht dazu führen, dass der Kläger nach nahezu vierzehn Jahren seinen Nachentrichtungsantrag wieder aufgreift, den er selber letztmalig im Oktober 1991 aufgegriffen hat.
Im Übrigen weist das Gericht auch darauf hin, dass die Beklagte auch bis zur Geltendmachung von Beitragszeiten im Ghetto Lodz im März 2002 diese einen Nachentrichtungsantrag immer hätte ablehnen müssen, weil für den Kläger keine Beitragszeiten nach §§ 17 Abs. 1 b FRG anzuerkennen gewesen wären. Diese Zeiten im Ghetto Lodz hatte der Kläger erstmalig im Jahre 2002 geltend gemacht und nicht wie er durch seine Bevollmächtigte hat vortragen lassen, schon im damaligen Rentenverfahren. Im damaligen Rentenverfahren war nicht Streitgegenstand die Anerkennung ... Wenn nun aber die Beklagte mit Bescheid vom 19.03.2003 eine Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten im Ghetto Lodz anerkennt, kann das nicht dazu führen, ein Nachentrichtungsrecht wieder aufleben zu lassen, welches nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut bis zum 31.12.1990 zu beantragen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen und zur Deutschen Rentenversicherung nach § 21 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) hat.
Der am 00.00.1922 in M1/Polen geborene Kläger ist jüdischer Abstammung. Er war nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt, weshalb er als Verfolgter im Sinne des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt worden ist und Leistungen nach diesem Gesetz erhalten hat. Der Kläger lebt seit 1947 in Israel; er besitzt die israelische Staatsangehörigkeit.
Im Dezember 1989 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge bzw. die Weiterversicherung sowie die Anerkennung von Versicherungszeiten nach § 17 Abs. 1 b des Fremdrentengesetzes (FRG). Am 06.11.1990 beantragte er dann bei der Beklagten die Gewährung von Altersruhegeld. Er machte dabei Beschäftigungszeiten von November 1936 bis September 1939 als Friseur im Friseurgeschäft "M2" in Lodz geltend. In diesem Schreiben erinnerte er auch daran, dass die Beklagte über die Nachentrichtung zu entscheiden habe. Mit Bescheid vom 13.04.1992 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung eines Altersruhegeldes wegen Vollendung des 65. Lebensjahres mit der Begründung ab, dass für den Kläger keine für die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeit vorhanden sei. Der Bescheid enthielt den Zusatz, dass bezüglich der Anträge auf Nachentrichtung bzw. freiwilliger Weiterversicherung der Kläger von der Versicherungsabteilung weiteren Bescheid erhalte. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers leitete die Beklagte als Klage an das Sozialgericht Düsseldorf weiter. Das sich vor dem SG Düsseldorf anschließende Klageverfahren (S 0 (00) RJ 00/00) endete mit Urteil vom 27.01.1998. Gegen das klageabweisende Urteil vom 27.01.1998 legte der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) ein (Az.: L 0 RJ 000/00). Mit Urteil vom 10.09.1999 wies das LSG NRW die Berufung zurück mit der Begründung, dass keine anrechenbare polnischen Versicherungszeiten für den Kläger gemäß § 17 Abs. 1 b FRG vorlägen.
Unter dem 15.06.2001 beantragte der Kläger über einen (anderen) Bevollmächtigten Akteneinsicht bei der Beklagten. Diese wurde dem Kläger-Bevollmächtigten im Juli/August 2001 gewährt. Unter dem 27.03.2002 beantragte der Kläger dann über seinen jetzigen Bevollmächtigten u.a. die Anerkennung von Beitragszeiten im Ghetto Lodz, die Gewährung einer Rente sowie die freiwillige Weiterversicherung nach § 7 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch (SGB VI). Mit Bescheid vom 19.03.2003 gewährte die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 unter Anerkennung von Beitragszeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) ab April 1940 in Höhe von 235,25 EUR. Dagegen erhob der Kläger unter dem 28.03.2003 Widerspruch und beantragte die Überprüfung des nach Entrichtungsrechtes nach § 21 WGSVG. Mit Bescheid vom 03.12.2003 lehnte die Beklagte dann den Antrag vom 28.03.2003 auf Feststellung des Rechts zur Nachentrichtung von Beiträgen gemäß § 21 WGSVG ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger sein Verlangen auf die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge auf den am 27.12.1989 gestellten Antrag stütze. Die Beklagte habe zwar versäumt, in angemessener Frist über den Nachentrichtungsantrag zu entscheiden, dennoch sei das Recht auf Nachentrichtung verwirkt. Nach über 3 Jahren zwischen der Urteilsverkündung des LSG NRW vom 19.09.1999 und dem Wiederaufgreifen des Verfahrens am 28.03.2003 habe der Kläger das Recht auf Nachentrichtung verwirkt. Als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben sei das Rechtsinstitut der Verwirkung auch für das Sozialrecht anerkannt. Der Kläger bzw. sein damaliger Bevollmächtigter sei nach dem aktenkundigen Sachverhalt nach der Urteilsverkündung des LSG NRW am 10.09.1999 über drei Jahre untätig gewesen. Der Kläger hätte sich spätestens nach Ablauf von zwei Jahren nach der Antragstellung um die weitere Erledigung des Antrags kümmern müssen (so auch BSG, Urteil vom 28.04.1987). Die mehrjährige Untätigkeit des Klägers bedinge für sich allein noch nicht die Verwirkung des Rechtes zur Nachentrichtung. Hinzu kommen müssen vielmehr bei den anderen Beteiligten des Rechtsverhältnisses, dass dieser sich im Vertrauen darauf, dass das Recht nicht mehr geltend gemacht werde, in seinen Vorkehrungen so eingerichtet habe, dass ihm durch die Durchsetzung des Rechts nach Ablauf von fast dreizehn Jahren ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Ein solcher unzumutbarer Nachteil würde hier entstehen, wenn die Beklagte die Beiträge aufgrund des weiteren Antrags vom 28.03.2003 heute entgegen nehmen würde. Eine zeitlich unbegrenzte Ausdehnung der ohnehin sehr großzügigen und deshalb für die Versicherten günstigen Nachentrichtungsvorschriften könne der Versichertengemeinschaft zur Vermeidung von Risikoverschiebungen nicht zugemutet werden. Der Kläger erhob dagegen unter dem 29.12.2003 Widerspruch und trug zur Begründung vor, dass das Nachentrichtungsrecht nicht nach drei Jahren verwirkt sei, sondern grundsätzlich erst nach zehn Jahren. Im Übrigen könne sich die Beklagte nicht auf die Grundsätze von Treu und Glauben damit auf Verwirkung berufen, wenn sie selber dem Kläger Jahrzehnte lang das Nachentrichtungsrecht verwehrt habe. Den Widerspruch des Klägers gab die Beklagte nicht statt, sondern wies ihn mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2004 zurück. Wegen der Gründe wird auf den Inhalt des Bescheides (Bl. 273 - Bl. 274 der Verwaltungsakten) Bezug genommen.
Der Kläger hat dagegen am 22.10.2004 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass zunächst nach Antragstellung im Dezember 1989 die Anträge des Klägers abgelehnt worden seien. Erst nachdem das Bundessozialgericht entschieden habe, dass die Rechtsauffassung der Beklagten unzutreffend gewesen sei, seien dann auch für den Kläger die von ihn zurückgelegten Ghettobeitragszeiten anerkannt worden, unter Berücksichtigung dessen er auch seit dem 01.07.1997 eine Regelaltersrente erhalte. Nachdem der Kläger dann hinsichtlich der bereits vierzehn Jahre zuvor beantragten Nachentrichtung um Bescheiderteilung gebeten hatte, habe die Beklagte diesen Antrag zurückgewiesen wegen Verwirkung. Der Kläger könne diese Verwahrensweise der Beklagten nicht anders als unseriös bezeichnen. Wäre die Beklagte schon zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Beitragsnachentrichtung im Jahre 1989 einem Gerichtsurteil des SG München in einem parallel gelagerten Fall gefolgt, so würde der Kläger schon seit längerer Zeit eine Rente unter Berücksichtigung von nachentrichteten Beiträgen und Ghettoarbeitszeiten beziehen können.
Die Bevollmächtigte des Klägers ist ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 28.03.2007 ordnungsgemäß vom Termin zur mündlichen Verhandlung benachrichtigt worden.
Der im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.05.2007 nicht erschienene und nicht vertretene Kläger beantragt schrifsätzlich sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.12.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2004 zu verurteilen, den Kläger zur Nachentrichtung von Beiträgen nach Maßgabe des § 21 Abs. 1 Satz 3 WGSVG zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass im vorausgegangenen Rentenstreitverfahren eine Beschäftigungszeit im Ghetto Lodz nicht behauptet worden sei, sondern erstmalig mit dem Antrag nach dem ZRBG am 27.03.2002. Bei der Akteneinsichtnahme im Jahre 2001 hätte die Bevollmächtigte des Klägers erkennen können, dass über den geltend gemachten Nachentrichtungsantrag bisher nicht entschieden worden sei. Die Akten wurden jedoch ohne Stellungnahme zurückgesandt. Die Beklagte verbleibe daher bei ihrer Auffassung, dass das Nachentrichtungsrecht verwirkt sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten über den Kläger, der beigezogenen Entschädigungsakten vom Amt für Wiedergutmachung in Saarburg (Az.: 000000) sowie der beigezogenen Vorverfahrensakten des SG Düsseldorf mit dem Aktenzeichen S 0 (00) RJ 00/00 Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte verhandeln und entscheiden, obwohl weder der Kläger noch seine Bevollmächtigte am Termin zur mündlichen Verhandlung teilgenommen haben. Die Bevollmächtigte des Klägers ist in der ihr ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese verfahrensrechtliche Möglichkeit hingewiesen worden (§§ 110, 126 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 03.12.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2004 konnte nicht aufgehoben werden, da er nicht rechtswidrig ist und den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG beschwert. Denn der Kläger ist nicht mehr befugt, Beiträge gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 WGSVG nachzuentrichten.
Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 WGSVG in der Fassung des Rentenüberleitungsgesetzes vom 25.07.1991 können Verfolgte, für die nach § 17 Abs. 1 b letzter Halbsatz des FRG in der vom 01.01.1990 an geltenden Fassung Beitragszeiten nach dem Rentengesetz erstmals zu berücksichtigen sind auf Antrag die Nachentrichtung des § 10 in der am 31. Dezember 1989 geltenden Fassung nach Maßgabe der Absätze 2 - 5 ausüben, wenn sie vor dem 01.01.1976 einen Antrag nach § 10 gestellt haben oder in der Zeit vom 01.12.1979 - 01.12.1980 berechtigt waren, einen solchen Antrag zu stellen. Der Nachentrichungsantrag nach Abs. 1 konnte dabei nur bis zum 31.12.1990 gestellt werden.
Für den Kläger, die Verfolgte im Sinne des BEG ist, hat zwar rechtzeitig den Nachentrichtungsantrag nach der genannten Vorschrift gestellt, nämlich am 27.12.1989. Er ist jedoch nicht zur Nachentrichtung zuzulassen, weil er die Rechte aus dem Nachentrichtungsantrag vom 27.12.1989 nicht mehr geltend machen kann.
Der Kläger hatte mit dem Antrag vom 27.12.1989 ein Verfahren eingeleitet, das in mehreren Schritten, nämlich nach Antragstellung durch Konkretisierung des Antrags, sodann Zulassung zur Nachentrichtung und anschließend in der Einzahlung der Beiträge abgewickelt wird. Wie das Bundessozialgericht wiederholt ausgeführt hat, lässt die gesetzliche Regelung der Antragsfrist und einer Teilzahlungsfrist von höchstens einem Jahr nach der Zustellung des Nachentrichtungsbescheides dabei erkennen, dass die Nachentrichtungsverfahren bis ca. Ende 1992 abgeschlossen sein sollten (vgl. z.B. BSG, Urteil ...). Allerdings konnte dieser zeitliche Rahmen nicht allgemein eingehalten werden, hauptsächlich weil bei manchen Antragstellern zuvor der Versicherungsverlauf geklärt werden musste, ein Beratungsbedarf bestand und manchen Antragsteller im Ausland wohnten. Die Rechtsprechung und die Praxis der Versicherungsträger haben daher das Nachentrichtungsverfahren bei solchen Antragstellern in einer Weise ausgestaltet, die ihren berechtigten Belangen Rechnung trug, auch wenn sich das Verfahren dadurch bis zur Zahlung der Beiträge über den ursprünglich vorgesehenen Zeitraum hinaus erstreckt. Daraus lässt sich indes nicht herleiten, dass das Nachentrichtungsverfahren beliebig offen gehalten und in die Länge gezogen werden konnte. Vielmehr verlangt das Gesetz, wenn es für die Nachentrichtung einen bestimmten zeitlichen Rahmen vorgibt, dass das Verfahren zügig zu Ende geführt wird. Verzögerungen können nur hingenommen werden, soweit sie wegen erforderlicher Ermittlungen und Beratungen sowie angemessener Überlegungszeiten bei den Antragstellern unvermeidlich sind.
Weil derjenige, der aus einer Rechtsbeziehung Ansprüche oder sonstige Rechte herleitet, seinerseits an der Gestaltung des Rechtsverhältnisses mitzuwirken hat, soweit es für die Begründung, Änderung oder Konkretisierung des Rechts erforderlich ist, hätte sich auch der Kläger an einer zügigen Durchführung des Nachentrichtungsverfahrens beteiligen müssen. Insbesondere hätte er sich zur Vermeidung von Rechtsnachteilen spätestens nach dem Urteil des LSG NRW vom 10.09.1999 zeitnah nach dem Stand des Nachentrichtungsverfahrens erkundigen müssen. In diesem Fall wäre zwar, worauf die Beteiligten zutreffend hinweisen, der Kläger durch Bescheid von der Nachentrichtung ausgeschlossen worden, weil zu diesem Zeitpunkt, noch keine Beitragszeiten nach § 17 Abs. 1 b FRG zu berücksichtigen gewesen wären. Gegen einen solchen ablehnenden Nachentrichtungsbescheid hätte der Kläger jedoch Widerspruch einlegen können sowie gegebenenfalls gegen einen ablehnenden Widerspruchsbescheid Klage erhoben können. Der Kläger hat sich jedoch erstmalig im Juni 2001 nach Abschluss des Berufungsverfahrens vor dem LSG an die Beklagte mit der Bitte um Akteneinsicht gewandt. Selbst nach Vornahme der Akteneinsicht hat er dann jedoch nicht auf das noch offenstehende Nachentrichtungsverfahren hingewiesen, sondern eine Überprüfung des Nachentrichtungsantrages erst am 28.03.2003 beantragt. Diesen Nachentrichtungsantrag vom 28.03.2003 konnte die Beklagte dann jedoch wegen Verwirkung ablehnen.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist es der Beklagten auch nicht verwehrt, sich auf Verwirkung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu berufen. Zwar ist es zutreffend, dass die Beklagte selber über dreizehn Jahre bezüglich des Nachentrichtungsantrages untätig geblieben ist. Das kann jedoch nicht dazu führen, dass der Kläger nach nahezu vierzehn Jahren seinen Nachentrichtungsantrag wieder aufgreift, den er selber letztmalig im Oktober 1991 aufgegriffen hat.
Im Übrigen weist das Gericht auch darauf hin, dass die Beklagte auch bis zur Geltendmachung von Beitragszeiten im Ghetto Lodz im März 2002 diese einen Nachentrichtungsantrag immer hätte ablehnen müssen, weil für den Kläger keine Beitragszeiten nach §§ 17 Abs. 1 b FRG anzuerkennen gewesen wären. Diese Zeiten im Ghetto Lodz hatte der Kläger erstmalig im Jahre 2002 geltend gemacht und nicht wie er durch seine Bevollmächtigte hat vortragen lassen, schon im damaligen Rentenverfahren. Im damaligen Rentenverfahren war nicht Streitgegenstand die Anerkennung ... Wenn nun aber die Beklagte mit Bescheid vom 19.03.2003 eine Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten im Ghetto Lodz anerkennt, kann das nicht dazu führen, ein Nachentrichtungsrecht wieder aufleben zu lassen, welches nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut bis zum 31.12.1990 zu beantragen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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