L 3 U 677/77

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 128/76
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 677/77
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO kann auch dann bestehen, wenn ein Pkw-Besitzer an seinem Pkw im Betrieb einer Kfz-Werkstatt zu deren Aufgabenbereich gehörende Arbeiten einverständlich selbst verrichtet und dabei verunglückt.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 12. Mai 1977 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat den Klägerinnen auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob wegen eines tödlichen Unfalls Hinterbliebenenleistungen zu gewähren sind.

Die Klägerin zu 1. ist die Witwe, die Klägerin zu 2. die Tochter des am Samstag, dem 1976, tödlich verunglückten H. K. (K.). Der im Jahre 1927 geborene K. war rechtsseitig beinbehindert (Unterschenkelamputation) und fuhr deshalb einen Personenkraftwagen mit automatischem Getriebe und einer veränderten Anordnung der Pedale. Durch Einbau einer Zusatzapparatur wurde erreicht, daß das sog. Gaspedal links vom Bremspedal angebracht war und mit dem linken Bein bedient werden konnte. Die Bewegungen dieses Bedienungspedals wurden über eine Welle auf ein bewegliches Pedal übertragen, das rechts als Standpedal an der Stelle des serienmäßigen Gashängepedals angebracht war und Verbindung mit dem hängenden Gasgestänge hatte. Zur Abdeckung dieses beweglichen Gaspedals war ein zweites feststehendes Pedal darüber angebracht, damit sich K. mit der rechten Prothese dort abstützen konnte, ohne unkontrolliert das rechte bewegliche Gaspedal zu bewegen. K. war seit mehreren Jahren Kunde des Volkswagenhändlers Autohaus D. KG in W ... In der Reparaturwerkstatt dieser Firma ließ er seine Fahrzeuge auch instand halten. Dabei handelte es sich zuerst um einen Pkw des Typs Volkswagen (sog. Käfer) mit halbautomatischem Getriebe und sodann um einen des Typs Volkswagen Passat (2-türig) mit vollautomatischem Getriebe. Nachdem K. es sowohl an seinem alten als auch an dem neuen Pkw hatte erleben müssen, daß Mitarbeiter des Autohauses D. die jeweils mit Linksgas betriebenen Wagen so ungeschickt rangierten, daß sie andere Gegenstände rammten und die Vagen des K. dadurch leicht ramponierten, bestand er gegenüber dem Autohaus D. KG darauf, regelmäßig die in dem Betrieb der Werkstatt bei Instandhaltungsarbeiten notwendigen Rangierfahrten mit seinem Wagen selbst auszuführen. Die Firma D. willigte darin ein.

So verhielt es sich auch am Sonnabend, dem 1976. Die Firma D. hatte den Auftrag, an dem VW-Passat des K. die Bremsen auf dem Bremsprüfstand zu prüfen. Auf die Aufforderung des Werkstattleiters H. fuhr K. den Vagen vom Hof in die Halle und auf den Prüfstand. Als der Werkstattleiter hinzukam, lief der Motor des Wagens. K. hatte bei geöffneter linker Tür den Oberkörper in den Raum vor den Führersitz gestreckt und stützte sich mit den Beinen draußen auf dem Fußboden ab. Plötzlich heulte der Motor wie durch Vollgas angetrieben auf, der Wagen schoß nach rückwärts in einer nach links gebogenen Fahrtrichtung und schleifte K. mit. Zwischen dem Wagen und einem Mauervorsprung wurde K. eingeklemmt. Er war sofort bewußtlos. Bei der Einlieferung in die W. Unfallchirurgische Klinik war er bereits tot. Nach dem Leichenschauschein und dem Durchgangsarztbericht vom 1. April 1976 war der Tod durch "Thoraxcontusion, Rippenfraktur, Haematothorax” bei deutlichem Haut- und Mediastinalemphysem, fragliche Verletzung des Abdomens bei Prellmarke am Ober- und Mittelbauch” eingetreten.

Auf die förmliche Unfallanzeige des Autohauses D. KG zog die Beklagte, die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Limburg, Zweigstelle Wetzlar, Az.: 6 Js – 383/76, bei und lehnte daraufhin mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. Juni 1976 die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen den Klägerinnen gegenüber ab. K. habe bei dem Unfall weder nach § 539 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) noch nach § 539 Abs. 2 RVO unter Unfallversicherungsschutz gestanden.

Gegen diesen am 1. Juli 1976 zur Post gegebenen Bescheid haben die Klägerinnen am 28. Juli 1976 Klage bei dem Sozialgericht Gießen (SG) erhoben. Das SG hat die Klägerin zu 1. persönlich zur Sache gehört und die Beklagte mit Urteil vom 12. Mai 1977 unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Juni 1976 verurteilt, das Ereignis vom 20. März 1976 als Arbeitsunfall zu entschädigen. Es hat Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO angenommen.

Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Gegen dieses ihr am 22. Juni 1977 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 8. Juli 1977 die – hinsichtlich der einmaligen und der wiederkehrenden Leistungen bis zu 13 Wochen zugelassene – Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Zur weiteren Sachaufklärung hat der Senat in der mündlichen Verhandlung am 10. Februar 1978 die Klägerin zu 1. persönlich gehört und Prof. Dr. Ing. F. als Sachverständigen vernommen. Dieser hat dabei sein unter dem 6. Januar (gemeint ist: 6. Februar) 1978 schriftlich erstattetes Gutachten mündlich erläutert. Er hält es für wahrscheinlich, daß K. vor dem Verlassen des Pkw’s bei laufendem Motor den bereits eingelegten Rückwärtsgang nicht wieder ausgeschaltet, sondern den Wagen mit der Handbremse angehalten hatte, anschließend das klemmende rechte Gaspedal inspizierte, durch eine Bewegung seines Körpers unbewußt das linke Gaspedal in Vollgas-Stellung brachte und somit den Pkw nach rückwärts beschleunigte.

Die Beklagte führt aus, auch sie sei nach erneuter Prüfung in Übereinstimmung mit dem SG zu dem Ergebnis gelangt, daß K. bei der Fahrt zum Prüfstand unter Versicherungsschutz gestanden habe. Entgegen dem SG sei sie allerdings der Meinung, daß die versicherte Fahrt bereits vor Eintritt des Unfalls abgeschlossen gewesen sei. K. habe den Wagen bereits verlassen gehabt, wodurch der Versicherungsschutz erloschen sei. Seine von dem Werkstattleiter H. bezeugte Körperhaltung lasse mit Wahrscheinlichkeit nur den Schluß zu, daß er den Wagen vorher bereits verlassen und sich erst daraufhin erneut zu dem Fahrzeug hingewendet habe. Aus welchen Gründen er sich noch einmal in den Wagen gebeugt habe, sei letztlich nicht mehr aufklärbar. Nach den Regeln der objektiven Beweislast hätten die Klägerinnen die nachteiligen Folgen hieraus zu tragen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 12. Mai 1977 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertraten die Auffassung, die versicherte Tätigkeit des K. sei vor dem Unfall noch nicht beendet und deshalb der Versicherungsschutz auch noch nicht erloschen gewesen. Sein Fahrzeug habe sich nach den Angaben des Werkstattleiters H. noch nicht in prüfbereiter Stellung auf dem Prüfstand befunden. Der Vorgang des "Auf-den Prüfstand-Fahrens” sei also noch nicht abgeschlossen gewesen.

Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Unfall Akten der Beklagten sowie den der beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Limburg, Zweigstelle Wetzlar, Az.: 6 Js 383/76, insbesondere das darin enthaltene Gutachten des Kraftfahrzeugsachverständigen Ing. (grad.) E. W. vom 26. März 1976, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 SGG und kraft Zulassung in vollem Umfang statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und somit zulässig.

Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Den Klägerinnen stehen gegen die Beklagte Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen zu, weil der Tod des K. durch einen Arbeitsunfall verursacht worden ist (§ 589 Abs. 1 RVO). Zutreffend hat das SG entschieden, daß K. bei der todbringenden Verrichtung an seinem Wagen zwar nicht als Arbeitnehmer gemäß § 539 Abs. 1 RVO, aber gemäß § 539 Abs. 2 RVO unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand, weil er wie ein Arbeitnehmer des Autohauses D. KG tätig war. Die Beklagte gesteht inzwischen auch zu, daß die Fahrt des K. auf den Prüfstand in diesem Sinne unfallversichert gewesen ist. Sie meint nur, diese versicherte Tätigkeit sei im Unfallzeitpunkt beendet und damit der Versicherungsschutz erloschen gewesen. Im Gegensatz dazu folgt aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, daß die Fahrt des K. auf den Prüfstand noch nicht abgeschlossen war.

Hierzu ist festzustellen: K. war Kunde des Autohauses. D. KG in W. Am Samstag, dem 1976, erhielt diese Firma von K., nachdem sie eine Reparatur an seinem Pkw vorgenommen hatte, den Auftrag, noch die Bremsen auf dem Bremsprüfstand in der Werkstatthalle zu prüfen. Der Pkw stand zu dieser Zeit vor der Halle auf dem Werkstatthof. Zum regelmäßigen Betriebsablauf in der Reparaturwerkstatt gehörte es, die Wagen der Kunden in die Halle hinein und auf den Prüfstand zu fahren, dort die Prüfung durchzuführen und – falls keine weitere Reparatur durchzuführen ist – sie wieder vom Prüfstand herunter und aus der Halle heraus auf den Hof zu fahren. Mit dem Pkw des K. wurde eine Ausnahme gemacht. Der Werkstattleiter H. forderte K. auf, den Pkw selbst in die Werkstatthalle hinein und dort auf den Prüfstand zu fahren. K. kam dieser Aufforderung nach. Allerdings hatte er dem Pkw noch nicht in die richtige Stellung auf dem Prüfstand gebracht. Er stand schräg und mit den Hinterrädern 30 bis 50 cm vor der Prüfrolle. In dieser Stellung hatte K. den Pkw mit laufendem Motor angehalten. Als der Werkstattleiter sich dem Pkw näherte stand dessen linke Tür offen und K. hatte seinen Oberkörper weitgehend in den Fußraum vor dem Fahrersitz gestreckt. Mit den aus dem Fahrzeug ragenden Beinen stützte er sich am Boden ab. Plötzlich erhielt der Motor Vollgas, der Pkw fuhr mit wachsender Geschwindigkeit rückwärts und K. wurde an einem Mauervorsprung zwischen der geöffneten Tür, dem Pkw und der Mauer eingequetscht. Er erlitt dabei tödliche Verletzungen am Brustkorb. Diese Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens, insbesondere den Angaben des Werkstattleiters H., und der Ermittlungen der Beklagten.

Was K. zuletzt zu tun beabsichtigte und was er noch tatsächlich ausführte, läßt sich nicht mehr mit Sicherheit aufklären. Fest steht nach den Untersuchungen des Kraftfahrzeugsachverständigen W., daß die Gasgebevorrichtung nicht einwandfrei funktionierte. Das rechte bewegliche Gaspedal unter der feststehenden Abdeckplatte klemmte ungefähr in Halbgasstellung. Die Ursache lag in der Verbindung mit dem Gasgestänge. Um das bewegliche Gaspedal und die feststehende Abdeckplatte herum war ein sog. "Schießgummi” gelegt, welches durch den Gummizug bewirkte, das bewegliche rechte Gaspedal über die Klemmstelle hinweg immer wieder in die Ruhestellung (O-Stellung, Leerlauf) zurückzuziehen.

Den glaubhaften Angaben der Klägerin zu 1. vor dem Senat zufolge was das "Schießgummi” von der Werkstatt angebracht worden. Es war von Anfang an vorhanden und mußte von Zeit zu Zeit erneuert werden. Der Senat folgt Prof. F. in der Feststellung, daß die Funktionsstörung an der Gasgebevorrichtung nicht erst durch den Unfall hervorgerufen wurde, was sich aus den auf den Lichtbildern erkennbaren Beschädigungen des Pkw ergibt.

Unter Berücksichtigung dieser festgestellten Tatsachen sind zur Erklärung des Geschehansablaufes vor allem folgende Verhaltensweisen möglich: Nachdem K. den Pkw angehalten und seinen Oberkörper in den Fußraum vor den Fahrersitz gestreckt hatte, bewegte er entweder seinen Körper derart, daß ungewollt drei Vorgänge in jeweils verschiedene Richtungen bewirkt wurden: Der Sicherungsknopf am Handgriff des in Leerlaufstellung "N” (neutral) auf dem Kardantunnel befindlichem Schalthebels für das automatische Getriebe wurde von links nach rechts eingedrückt und in dieser Stellung festgehalten, zugleich wurde der Schalthebel in die zunächst gelegene Rückwärtsgangstellung "R” nach vorn gestoßen und anschließend einer der an anderer Stelle liegenden Gashebel in Vollgasstellung heruntergedrückt. Diese Möglichkeit ist insbesondere wegen der Voraussetzung von drei Bewegungsabläufen in jeweils verschiedene Richtungen unwahrscheinlich, wie auch Prof. F. überzeugend ausgeführt hat. Danach ist es ebenso unwahrscheinlich, daß diese Bewegungsabläufe durch einen Sturz des K. in seinen Pkw verursacht worden sein können. Möglich ist auch, daß K. den Rückwärtsgang bereits eingelegt und den Wagen durch ein leichtes Anziehen der Handbremse im Stand gehalten hatte. Dann bedurfte es lediglich eines versehentlichen Herunterdrückens des Gashebels (z.B. des linken durch eine Drehung oder ein Abrutschen des Körpers), um bei voller Motorkraft, die als solche geeignet ist, die Bremswirkung einer leicht angezogenen Handbremse zu überwinden, den Wagen nach rückwärts zu beschleunigen. Dieser Geschehensablauf ist in Übereinstimmung mit Prof. F. wahrscheinlich. Dafür, daß K. bereits den Rückwärtsgang eingelegt hatte, spricht, daß er seinen Pkw. um ihn in gerader Stellung auf die Prüfrolle zu fahren, zurück stoßen mußte, da nach vorn kein Platz zum rangieren vorhanden war.

Dies ist jedoch, ebensowenig wie die Frage, ob K. bereits einmal den Pkw vollständig verlassen hatte, nicht entscheidend. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht jedenfalls fest, daß er ihn noch nicht in die prüfgerechte Stellung auf den Prüfstand rangiert hatte. Unter diesem Gesichtspunkt ist es unter Berücksichtigung der ermittelten Tatsachen wahrscheinlich, daß K. diese Haupttätigkeit nicht zu einem eigenwirtschaftlichen Zweck unterbrochen hatte. Dahingehende Anhaltspunkte gibt es nicht. Dagegen lassen die Tatsache der noch nicht prüfgerechten Wagenstellung, der eingelegte Rückwärtsgang und der festgestellte Fehler am Gaspedal überwiegend darauf schließen, daß K. seine Haupttätigkeit – das ordnungsgemäße Abstellen des Wagens auf dem Prüfstand – nicht abbrechen, sondern nur ein dem entgegenstehendes Hindernis feststellen bzw. beseitigen wollte, zumal er wußte, daß der Werkstattleiter sogleich erscheinen würde, um die Bremsprüfung vorzunehmen. Er konnte davon ausgehen, daß die Fehlerquelle mit der ihm vertrauten Konstruktion der Gaspedale und der Anbringung eines sog. Schiessgummis zusammenhing. Unter diesen Umständen lag es vernünftigerweise nahe, den Fehler entweder selbst abzustellen oder wenigstens den Werkstattleiter darauf hinzuweisen, damit dieser die Fehlerquelle beschleunigt beheben konnte. Beides stand im Interesse des Werkstattunternehmers, so daß die Handlungsweise des K. an sich sinnvoll war.

Damit erfüllte K. die Voraussetzungen des § 539 Abs. 2 RVO. Nach der vom Bundessozialgericht (BSG) hierzu entwickelten Rechtsprechung, der der Senat schon mehrfach beigetreten ist, ist für die Anwendung dieser Vorschrift eine ernstliche, dem Unternehmen dienliche Tätigkeit erforderlich, die dem mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und unter solchen Umständen geleistet wird, daß sie einer Arbeitsleistung aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnelt. Es kommt hierbei nicht auf die Beweggründe, sondern auf die Art der Tätigkeit an. Es genügt, wenn der vorgestellte Erfolg einer Tätigkeit, falls er einträte, den Unternehmenszweck irgendwie gefördert hätte. Unerheblich ist hierbei, daß die Hilfe des Außenstehenden gleichzeitig einen Nutzen für den Tätigen selbst oder einen Dritten abwirft. Den mutmaßlichen Willen des Unternehmers hat der Helfer zur Zeit der unfallbringenden Tätigkeit nach seiner subjektiven Auffassung zu beurteilen. Allerdings genügt die subjektive Vorstellung, daß eine dem Unternehmen förderliche Arbeit geleistet werde, allein nicht, sie muß sich vielmehr an objektiven Maßstäben orientieren. So ist der mutmaßliche Wille z.B. aus der Interessenlage und dem allgemeinen Unternehmenszweck zu ermitteln. Wenn der Helfende bei verständiger Würdigung aller Umstände sich sagen muß oder sich hätte sagen müssen, daß seine Hilfe dem Unternehmer nicht genehm sei und von ihm nicht gebilligt werde, kann § 539 Abs. 1 RVO nicht zum Zuge kommen (vgl. BSGE 5, 168; 16, 73; 20, 211; 29, 159; Hess. LSG, Urt. v. 23.10.1974 – L 3/U – 1225/71; Lauterbach, Unfallversicherung, Stand: Juli 1977, Anm. 101 und 102 zu § 539 RVO mit weiterem zahlreichen nachweisen). Gerade auch die Ähnlichkeit mit der im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses geleisteten Tätigkeit trägt zu dem inneren ursächlichen Zusammenhang mit dem unterstützten Unternehmen bei. Selbständige Dienstleistungen sind demgegenüber nicht versichert, insbesondere dann nicht, wenn sich die Selbständigkeit aus der Wahrnehmung eigener Interessen ergibt. Der versicherungsrechtlich entscheidende innere ursächliche Zusammenhang ist dann gegeben, wenn die Tätigkeit rechtlich wesentlich den fremden Unternehmen dient (vgl. BSG, Urt. v. 28.5.1957 – 2 RU 150/55 – in BSGE 5, 168, und Urt. v. 15.12.1977 – 8 RU 42/77 –).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. K. erbrachte im Betrieb des Autohauses D. KG anstelle eines Arbeitnehmers eine ernstliche, abgrenzbare Leistung, die der Erfüllung des Betriebszweckes, nämlich der Ausführung des Bremsprüfauftrages, diente, ja sogar deren notwendige Voraussetzung war. Daß sie gleichzeitig dem Wunsch des K. entsprach, seinen Pkw vor Beschädigungen zu bewahren, ist versicherungsunschädlich. Räumlich, zeitlich und nach der Betriebsorganisation verrichtete er eine fremdbestimmte, kurzfristige und nur auf die Aufgaben des fremden Unternehmens bezogene Tätigkeit, die in den Betrieb der Kfz-Werkstatt vollständig eingegliedert war. Es ist deshalb ausgeschlossen, sie zugleich rechtlich als selbständige Wahrnehmung eigener Interessen zu beurteilen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß der private Kfz-Halter K. sein Fahrzeug außerhalb des fremden Betriebes als eigenes Unternehmen betrieb (§ 658 Abs. 2 Nr. 2 RVO). Entscheidend ist der Gegenstand des jeweiligen Unternehmens in den Grenzen des ihn bestimmenden Aufgabenkreises. Es gehörte ausschließlich zu den Aufgeben der Kfz-Werkstatt, das Fahrzeug des K. in die Werkstatt zu fahren und dort die Bremsen zu überprüfen. Dementsprechend endete das Tätigwerden für sein Unternehmen damit, daß er der Kfz-Werkstatt den Auftrag erteilte, die Bremsen zu überprüfen. Die Tätigkeit des K. in der Kfz-Werkstatt erfolgte daher nicht mehr im Rahmen des eigenen Betriebes, selbst wenn er den Wagen auch weiterhin steuerte. Dies stellt sich rechtlich nur als unerhebliche Besonderheit innerhalb der Aufgaben der Kfz-Werkstatt dar. Das zugrundeliegende Interesse des K. an der Unversehrtheit seines Wagens war zu allgemein für seine Kfz-Haltung, um im Sinne einer wesentlichen Mitwirkung eine innere ursächliche Beziehung zum eigenen Unternehmen zu begründen. Das weitaus überwiegende Gewicht hatten die Interessen des Kfz-Werkstatt-Unternehmers an der konkreten Verrichtung. Sie gehörte zu den Aufgaben seines Betriebes, die ihm wirtschaftlichen Gewinn brachten. Außerdem kommt hinzu, daß Maßnahmen der Verhütung zusätzlicher Schaden bei der Durchführung von Inspektionen eine wesentliche Voraussetzung der Werbewirksamkeit seines Betriebes sind. Die Tätigkeit des K. stand somit rechtlich allein in ursächlicher innerer Beziehung zu dem Betrieb des Autohauses D ... Nur unter den dargelegten Einschränkungen läßt sich die Auffassung des BSG vertreten, der Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO sei ausgeschlossen, wenn ein Unternehmer "im Rahmen” seines eigenen Unternehmens tätig werde (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1977, 8 RU 42/77).

Allerdings handelte K. fehlerhaft, indem er den Pkw mit laufendem Motor und eingeschaltetem Rückwärtsgang abstellte. Diese Handlungsweise entsprach nicht dem mutmaßlichen Willen des Werkstattunternehmers. Insoweit handelte K. jedoch lediglich grob fahrlässig, wodurch nach § 553 RVO der Unfallversicherungsschutz nicht ausgeschlossen wird. Für ein absichtliches Handeln im Sinne dieser Vorschrift fehlt es aber an jeglichen Anhaltspunkten.

Auch lagen damit die strengen Voraussetzungen für eine den Versicherungsschutz ausschließende sog. selbstgeschaffene Gefahr nicht vor (vgl. für die herrschende Rechtsprechung: BSG, Urteil vom 11.12.1973 – 2 RU 30/73 –in BSGE 37, 38). Da K. mit der in seinem Pkw angebrachten Gasgebevorrichtung vertraut war, kann nicht ein so hohes Maß am vernunftwidrigen Handeln festgestellt werden, daß die versicherte Tätigkeit nicht mehr als wesentliche Bedingung für den Unfall anzusehen war. Daraus ergibt sich, daß K. bei seinem vor Abschluß der versicherten Tätigkeit eingetretenen Unfall unter Versicherungsschutz stand. Ein schwerwiegender Bedienungsfehler liegt noch innerhalb des gesetzlich versicherten Risikos, für das die Beklagte zu haften hat.

Zwischen den Arbeitsunfall und dem Tod des K. besteht ausweislich der ärztlich bescheinigten Unfallfolgen auch ein ursächlicher Zusammenhang, was in übrigen von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision aus § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved