L 2 An 312/75

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 An 312/75
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.) Ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis liegt auch dann vor, wenn ein sog. ständiger freier Mitarbeiter die Arbeitsleistung in einem persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis erbringt. Ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis kann auch durch die praktische Durchführung und Gestaltung der Beziehungen zwischen zwei Vertragsparteien selbst dann begründet werden, wenn eine ausdrückliche Abrede besteht, es liege kein Arbeitsverhältnis vor, sondern eine Tätigkeit als freier Mitarbeiter.
2.) Eine selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne des Art. 2 § 9 a Abs. 2 AnVNG liegt nur dann vor, wenn der Erwerbstätige eine auf Dauer angelegte berufsmäßige selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, d.h. wenn er durch die Beschäftigung oder Tätigkeit seinen Lebensunterhalt in erheblichem Umfang oder doch in solchem Umfang erwirbt, daß seine wirtschaftliche Stellung zu einem erheblichen Teil auf der Verwertung seiner Arbeitskraft beruht. Insoweit erzielt er seinen Lebensunterhalt aus seiner selbständigen Erwerbstätigkeit und steht damit in sozialer Hinsicht einem Arbeitnehmer gleich. Von ihm ist der sog. „kapitalistische” Selbständige, dessen Bestreben auf Erhaltung und Vermehrung seines Kapitals gerichtet ist, scharf zu trennen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 29. Januar 1975 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1903 in A. geborene Kläger nahm nach dem am 21. Februar 1922 bestandenen Abitur am 1. Juni 1922 eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf. Das im November 1923 begonnene Studium schloß er am 3. Mai 1928 mit dem Diplom eines Bergingenieurs ab. Von November 1928 bis Ende 1930 war er als kaufmännischer Angestellter versicherungspflichtig tätig. Anschließend war er bis Ende des Jahres 1933 ohne Beschäftigung. Er meldete sich nicht bei dem Arbeitsamt als Arbeitssuchender, sondern bewarb sich persönlich bei verschiedenen Firmen um geeignete Arbeitsstellen. Sein Unterhalt wurde von seiner Mutter bestritten. Von Januar bis 6. Oktober 1934 war er Stipendiat des Kaiser-Wilhelm-Instituts und erhielt täglich RM 3,–. Es schloß sich eine versicherungspflichtige Tätigkeit bis Ende September 1936 an. Vom 2. August 1941 bis 14. September 1942 leistete er als Kriegsverwaltungsrat Wehrdienst. Danach war er wieder – wie vor seiner Einberufung zum Kriegsdienst – Leiter der Erzabteilung der Reichsvereinigung Eisen in B. Wirtschaftsgruppe Ost. Bei Einmarsch der russischen Truppen in B. verlegte er seinen Wohnsitz nach A. zu seinem Bruder, wo sich seine Familie bereits seit dem 14. August 1943 aufhielt. Dort war er bis Ende 1949 ohne Beschäftigung. Er wurde von seinem Bruder, der eine eigene Landwirtschaft betrieb unterhalten. Von Ende 1949 bis Ende 1951 war er Mitarbeiter des Westdeutschen Export- und Ingenieurbüros Dr. R., D. Anschließend war er als Prokurist beschäftigt und wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze bis 31. Dezember 1958 versicherungsfrei. Während eines schwebenden Vergleichsverfahrens über das Vermögen der Fa. Ri. Parfümeriefabrik, schloß der Kläger mit der Vertriebsgesellschaft Ri. mbH am 21. Februar 1959 einen Vertrag, nach dem er sich verpflichtete, "zur Förderung des Umsatzes der Firma, insbesondere durch Kreditverkäufe” ein Darlehen bis zu einem Betrage von maximal 200.000,– DM zu gewähren. Die Zahlungsbedingungen waren im einzelnen geregelt. Nach § 2 des Vertrages erhielt er "als Vergütung für die Hergabe des Darlehens und seine persönlichen Bemühungen” von der Firma eine Umsatzbeteiligung in Höhe von 2 v.H. des monatlichen Netto-Umsatzes bis zur Höhe des jeweils gegebenen Darlehens. Weitere Gegenleistungen der Firma waren vereinbart. Die Darlehenssumme war unterschiedlich, u.a. durch stille Zessionen mehrerer Forderungen der Firma, abgesichert. Für seine Bemühungen sollte der Kläger außer den bereits erwähnten Zahlungen "für evtl. Repräsentationen, sowie Geschäftsfahrten im In- und Ausland, welche er nach vorheriger Absprache mit der Firma durchführt”, die üblichen Vergütungen erhalten. Während der Dauer des Vertrages durfte sich der Kläger an anderen gleichgelagerten Firmen weder beteiligen noch für sie tätig sein. Nach einem vorgelegten Vertragsentwurf ohne Datum und Unterschrift war beabsichtigt, den Kläger in die Vertriebsgesellschaft mbH als Gesellschafter aufzunehmen. In einem Kapitalerhöhungsvertrag vom 26. Februar 1959 wurde der bisherige Inhaber der Vertriebsgesellschaft R. mbH als "alleiniger Geschäftsführer” bezeichnet. Das Vertragsverhältnis lief Ende April 1960 aus.

Am 30. Juni 1960 schloß der Kläger mit A. H. Cr., Gesellschafter und Vorstandsmitglied der Firma G. T. Reg. – Gesellschaft für internationale Produktionsberatung und Auswertung rationeller Arbeitsmethoden, V., einen Vertrag über die Verwertung mehrerer im Besitz des Cr. befindlicher Patente, Patentanmeldungen usw. und die Übernahme von Vertretungen. Der Kläger zahlte für die Beteiligung an der Firma G. 40.000,– DM. Gleichzeitig stellte er einen Kredit von 90.000,– DM zur Verfügung. Zur Sicherung der Darlehenssumme war ein Übereignungsvertrag vorgesehen. Insgesamt sollte der Kläger einen Kredit von 200.000,– DM zur Verfügung stellen, der zu einem Teil an eine noch zu gründende Vertriebsgesellschaft weitergeleitet werden sollte. Am 20. Oktober 1960 wurde diese Vertriebsgesellschaft mit der Firma "TE.”, Handelsgesellschaft für technische Produkte und Maschinen mbH, K., in das Handelsregister eingetragen. Der Kläger wurde als Geschäftsführer aufgeführt. Die Firma wurde am 27. April 1961 durch Beschluß der Gesellschafter aufgelöst. In den folgenden Jahren war der Kläger mit der Abwicklung der Geschäfte, unter anderem auch mit der Aussonderung eines Teils seines Vermögens aus der Konkursmasse einer Firma I. & Co., an der die Firma G. und TE. beteiligt waren, beschäftigt.

Von Mai 1961 bis September 1962 arbeitete der Kläger als Prokurist bei der Firma Sch. KG. Wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze war er versicherungsfrei. In seinem am 31. Dezember 1971 gefertigten und für die Beklagte bestimmten Lebenslauf bezeichnete er sich für die Zeit vom 1. Oktober 1962 bis 30. Oktober 1965 als arbeitslos. Von Januar bis Juni 1965 war der Kläger selbständiger Kaufmann in K. Bis Ende 1965 war er dann "freier wissenschaftlicher Mitarbeiter” des G.-Instituts; seine Tätigkeit wurde nach BAT III vergütet. Nach Aufnahme in ein festes Beschäftigungsverhältnis bei dem G.-Institut leistete der Kläger von Januar bis Ende September 1966 Pflichtbeiträge an die Beklagte und war dann wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze versicherungsfrei. Gemäß dem Bescheid der Beklagten vom 26. November 1968 war er ab 1. Januar 1968 für die weitere Dauer seiner Beschäftigung bei dem Institut bis zum 31. Dezember 1971 wegen überschreitender Jahresarbeitsverdienstgrenze von der Versicherungspflicht befreit. Ab 1. Januar 1972 erhält er Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid vom 15.5.1972).

Da der Kläger Beiträge in Höhe von 38.964,– DM für die Zeit ab 1. Januar 1956 nachentrichtet hatte, gewährte ihm die Beklagte mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 6. August 1973 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres ab 1. Januar 1973. Der Versicherungsfall wurde auf den 31. Dezember 1972 festgelegt. In dem Bescheid ist ausgeführt, daß die Ausfallzeiten nach § 36 Abs. 3 AVG nicht angerechnet werden könnten, weil die Zeit vom Eintritt in die Versicherung (1.6.1922) bis zum Monat vor dem Versicherungsfall nicht zur Hälfte mit Pflicht- und gleichstehenden Beiträgen belegt sei. Von der Gesamtversicherungszeit von 605 Monaten seien an Ausfall- und Ersatzzeiten 60 Monate abzusetzen, so daß der Rest von 525 Monaten mindestens zur Hälfte mit Pflicht- oder gleichstehenden Beiträgen belegt sein müßte. Der Kläger habe aber nur eine Pflichtversicherungszeit von 31 Monaten aufzuweisen. Es müsse daher bei der angerechneten pauschalen Ausfallzeit von 7 Monaten verbleiben.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Gewährung eines höheren Altersruhegeldes unter Anrechnung nachgewiesener Ausfallzeiten der über das 16. Lebensjahr hinausgehenden Schul- und Hochschulausbildung, der Zeiten seiner Arbeitslosigkeiten vom 1. Januar 1931 bis 6. Oktober 1934 und 1. April 1945 bis 31. Dezember 1949. Bezüglich der Zeiten der behaupteten Arbeitslosigkeit von 1931 bis 1934 gab er an, daß er sich zwar nicht bei dem Arbeitsamt als Arbeitssuchender gemeldet habe, doch sei dies nur geschehen, um dem Staate nicht zur Last zu fallen. Seine vielen Bewerbungsschreiben seien erfolglos geblieben. Seine Mutter habe ihn während dieser Zeit unterhalten, damit er weder der Arbeitslosenunterstützung noch der Fürsorge zur Last gefallen sei. Von der später durch Gesetz geforderten Notwendigkeit der Meldung beim Arbeitsamt habe er seiner Zeit nichts ahnen können, sonst hätte er auch dieser Voraussetzung entsprochen. Die Zeit seiner Arbeitslosigkeit nach dem Kriege vom 1. April 1945 bis Dezember 1949 sei entweder als Ausfall- oder als Ersatzzeit rentensteigernd zu berücksichtigen. Er sei Flüchtling aus Berlin gewesen, jedoch habe er nie die amtliche Anerkennung als Flüchtling beantragt. Heute könne dies nicht mehr von ihm nachgeholt werden. Die Arbeitslosigkeit habe sich an die Flucht angeschlossen und sei demnach nach § 28 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. Abs. 2 AVG anzuerkennen. Ein Anschluß an den geleisteten Wehrdienst sei nicht erforderlich. Auch während dieser Zeit habe er sich nicht als Arbeitssuchender beim Arbeitsamt gemeldet, doch habe er sich ständig um Arbeit bemüht. Er sei überfordert, wenn er jetzt noch die Bewerbungsunterlagen vorlegen sollte.

Die nachgewiesenen Ausfallzeiten, die Zeiten seiner Arbeitslosigkeit seien auf Grund der Beitragsnachentrichtung für die Zeit vom 1. Januar 1956 bis 31. Dezember 1972 und der dadurch erreichten Halbbelegung (§ 36 Abs. 3 AVG) anzurechnen (Art. 2 § 49 a Abs. 2 AnVNG, i.V.m. Art. 2 § 9 a Abs. 2 und § 13 a AnVNG). In der Zeit vom 1. Januar 1956 bis 31. Dezember 1971 habe er in den verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen die jeweils gültige Arbeitsverdienstgrenze überschritten, so daß die nachentrichteten Beiträge Pflichtbeiträgen gleichgestellt seien. Ab Januar 1959 sei er selbständig gewesen bis zur Arbeitsaufnahme bei der Fa. Sch. KG am 3. Mai 1961. Nach dem Konkurs dieser Firma sei er ab 1. Oktober 1962 wieder selbständig gewesen bis Dezember 1965. Er sei weder bei der Vertriebsgesellschaft Ri. mbH vom 1. Januar 1959 bis Oktober 1960 noch bei der Firma Cr.-G.-TE. ausschließlich privater Geldgeber gewesen; er habe vielmehr direktiv mitgearbeitet. Von Januar bis Juni 1965 sei er als selbständiger Kaufmann ins Handelsregister eingetragen gewesen. Aber auch die Zeit seiner Tätigkeit als freier wissenschaftlicher Mitarbeiter des G.-Instituts sei eine Zeit der Selbständigkeit im Sinne der oben genannten Vorschriften. Ab 1. Oktober 1966 habe er mit seinem Verdienst bei diesem Institut die Jahresarbeitsverdienstgrenze überschritten, so daß die hierfür nachentrichteten Beiträge wie Pflichtbeiträge angerechnet werden müßten. Das Finanzamt habe die Zeiten der angegebenen Selbständigkeit steuerrechtlich anerkannt. Es sei nicht angängig, daß die Beklagte diese Zeiten rechtlich anders würdige. Mit den insgesamt 5 Jahren und 7 Monaten seiner Selbständigkeit (1.1.1959 bis 30.4.1961 und 1.10.1962 bis 31.12.1965) und schließlich mit dem gesamten Jahr 1972 erfülle er die Voraussetzungen des Art. 2 §§ 9 a Abs. 2, 13 a AnVNG. Die für das Jahr 1972 nachentrichteten Beiträge seien auch nach § 140 AVG als Pflichtbeiträge anzuerkennen. Das ergebe sich aus dem von der Beklagten herausgegebenen Sondermerkblatt für die Nachversicherung Selbständiger. Nach seiner Berechnung ergäben sich somit 264 Monate an Pflicht- und gleichstehenden Beiträgen, so daß mit ihnen die Gesamtversicherungszeit von 605 Monaten zur Hälfte belegt sei.

Die Beklagte hielt die Berechnung des Altersruhegeldes für richtig. Die Zeit der behaupteten Arbeitslosigkeit vom 1. Januar 1931 bis 6. Oktober 1934 sei nur glaubhaft gemacht. Der Kläger gestehe aber ausdrücklich zu, sich während dieser Zeit nicht als Arbeitssuchender beim Arbeitsamt gemeldet zu haben, so daß die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 AVG nicht erfüllt seien. Die Zeit vom 1. April 1945 bis Ende 1949 könne weder als Ersatz- noch als Ausfallzeit anerkannt werden, da sie sich einerseits nicht an den geleisteten Kriegsdienst angeschlossen habe und andererseits die behauptete Flucht aus B. nicht nachgewiesen sei, so daß von einer Arbeitslosigkeit im Anschluß an eine Flucht nicht gesprochen werden könne. Über die Zugehörigkeit eines Versicherten zum Personenkreis der in den §§ 1–4 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) bezeichneten Personengruppen würden die Behörden der Stadt- und Landkreise, Vertriebenen- oder Flüchtlingsämter entscheiden. Einen diesbezüglichen Antrag nach § 16 BVFG habe der Kläger unstreitig nicht gestellt. Im übrigen bestritt sie die Richtigkeit der von dem Kläger errechneten Halbbelegung i.S. des § 36 Abs. 3 AVG. Nach § 54 a AnVNG könnten die nachentrichteten Beiträge nur dann Pflichtbeiträgen gleichstehen, wenn die Versicherungsfreiheit ausschließlich, wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze bestanden habe. Es müsse ein Beschäftigungsverhältnis mit dem entsprechenden Verdienst nachgewiesen sein. Zeiten der Beschäftigungslosigkeit reichten dagegen nicht aus. In seinem Lebenslauf habe der Kläger aber angegeben, von 1962 bis 1965 arbeitslos gewesen zu sein; im Jahre 1972 sei er sogar erwerbsunfähig gewesen. Vom 3. Mai 1961 bis 30. September 1962 und vom 1. Oktober 1966 bis 31. Dezember 1971 sei der Kläger wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze versicherungsfrei gewesen, so daß für diese Zeit von 116 Monaten die nachentrichteten Beiträge den Pflichtbeiträgen gleichstünden. Damit seien auf die Halbbelegung 197 Monate an Pflicht- und gleichstehenden Beiträgen anzurechnen. Das Soll von 262 Monaten werde damit jedoch nicht erfüllt. Im übrigen seien die nachentrichteten Beiträge reine freiwillige Beiträge, denn der Kläger könne sich nicht auf Art. 2 § 13 a i.V.m. § 9 a AnVNG berufen. Er habe keine selbständige Erwerbstätigkeit von wenigstens fünf Jahren aufgegeben. Bei der Firma Vertriebsgesellschaft Ri. mbH sei der Kläger nur Darlehnsgeber gewesen, aber nicht Selbständiger i.S. des Art. 2 § 49 a AnVNG i.d.F. des RRG. Auch der Vertrag vom 30. Juni 1960 lasse nicht erkennen, daß der Kläger als mitarbeitender Gesellschafter der Gesellschaft tätig gewesen sei. Schließlich habe der Kläger sich selbst als arbeitslos von 1962 bis 1965 bezeichnet. Nach den Darlegungen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 27. November 1973 seien in den Jahren 1963/64 schon deswegen keine selbständigen Funktionen mehr erkennbar, weil der Kläger in dieser Zeit nach der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Fa. I. Co. reine schuldrechtliche Ansprüche (Aussonderung- und Schadenersatzansprüche) verfolgt habe. Dagegen könne für die Zeit vom Januar bis Juni 1965 von einer selbständigen Erwerbstätigkeit ausgegangen werden. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Zeit der freien wissenschaftlichen Mitarbeit des Klägers im G.-Institut eine selbständige Tätigkeit i.S. der Vorschrift sei, denn auch bei Anrechnung dieser Zeit wäre der Mindestzeitraum von fünf Jahren Selbständigkeit nicht erfüllt. Die Zeit seiner Bemühungen im Jahre 1972, seine Schadensersatzansprüche gegen den Konkursverwalter K. aus dem Komplex Cr.-G.-I. zu verfolgen, sei keine selbständige Erwerbstätigkeit. Da der Versicherungsfall des Alters auf den 31. Dezember 1972 festgesetzt sei, müßte die behauptete selbständige Erwerbstätigkeit bis zu diesem Zeitpunkt aufgegeben worden sein, so daß auch schon aus diesem Grunde das Jahr 1973 nicht nach Art. 2 § 9 a, § 13 a AnVNG angerechnet werden könnte.

Das Sozialgericht Wiesbaden wies mit dem Urteil vom 29. Januar, 1975 die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, daß das Altersruhegeld des Klägers richtig festgesetzt worden sei. Ausfallzeiten, wie sie der Kläger begehre, könnten anstelle der pauschalen Ausfallzeit von 7 Monaten nicht berücksichtigt werden, weil die Gesamtversicherungszeit von 605 Monaten nicht zur Hälfte mit Pflicht- oder gleichstehenden Beiträgen belegt sei. Es seien nur insgesamt 197 Monate zu errechnen. Die Zeit der behaupteten Arbeitslosigkeit in der Zeit vom 1. Januar 1930 bis 6. Oktober 1934 könne nicht als Ausfallzeit angerechnet werden, da sich der Kläger unstreitig nicht bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitssuchender gemeldet habe. Er habe keine Familienunterstützung i.S. des § 6 Abs. 3 Familienunterstützungsgesetz vom 11. Juli 1939 (RGBl. I/1225) erhalten, sondern sei von seiner Mutter unterhalten worden. Die Zeit vom 1. April 1945 bis 31. Dezember 1949 kann nicht als Ausfallzeit in Betracht, weil sich der Kläger auch während dieser Zeit unstreitig nicht bei einem Arbeitsamt als Arbeitssuchender gemeldet habe. Auch ein Unterbrechungstatbestand sei nicht gegeben. Diese Zeit könne auch nicht als Ersatzzeit angerechnet werden, weil sie sich weder an den Kriegsdienst noch an Zeiten der Flucht angeschlossen habe. Der Kläger gehöre nicht zu dem von dem Bundesvertriebenengesetz erfaßten Personenkreis. Er könne sich auch nicht zur Erleichterung der Berechnung der Halbbelegung auf Art. 2 § 13 a, § 9 a AnVNG berufen. Vor Eintritt des Versicherungsfalles habe er eine selbständige Erwerbstätigkeit von fünf Jahren nicht aufgegeben. Er habe seinen Lebensunterhalt nicht überwiegend in einem größeren Umfange durch eine selbständige Erwerbstätigkeit erworben. Seine wirtschaftliche Stellung habe nicht zu einem maßgeblichen Teil auf dieser berufsmäßigen Beschäftigung oder Tätigkeit beruht. Für die Vertriebsgesellschaft Ri. mbH sei der Kläger privater Darlehensgeber gewesen; es habe sich um die Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen gehandelt. Wenn auch der Kläger bei der TE. als Geschäftsführer bezeichnet worden sei, so sei doch nicht sichtbar, inwiefern für ihn damit eine berufliche Tätigkeit verbunden gewesen sei. 1963/64 habe er reine schuldrechtliche Ansprüche aus den früheren Verträgen abgewickelt. Die TE. habe nur vom 7. Oktober 1960 bis 27. Juli 1961 bestanden. Die Tätigkeit des Klägers als wissenschaftlicher Mitarbeiter des G.-Instituts vom 1. Januar bis 30. Juni 1965 könne ebenfalls nicht als Zeit einer selbständigen Erwerbstätigkeit beurteilt werden, da er nach dem BAT besoldet worden sei und der Arbeitgeber auf die Arbeitszeit habe Einfluß nehmen können. Ab 1. Oktober 1966 habe Versicherungsfreiheit wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze bestanden.

Der Kläger wendet sich mit seiner am 2. April 1975 eingelegten Berufung gegen das zum Zwecke der Zustellung an ihn am 21. März 1975 mittels eingeschriebenen Briefes zur Post aufgelieferte Urteil. Er hält die Ausführungen des Sozialgerichts bezüglich der Anrechnung und Bewertung der freien selbständigen Erwerbstätigkeit für nicht haltbar. Das Sozialgericht habe offenbar seine Ausführungen und die vorgelegten Beweismittel nicht richtig gewürdigt. Er bezieht sich insoweit auf sein Vorbringen im Klageverfahren. Die Definition des Begriffs "Selbständiger” sei unrichtig und viel zu eng gefaßt. Er habe es stets auf eine selbständige Erwerbstätigkeit angelegt. Sowohl bei der Vertriebsgesellschaft Ri. mbH wie auch bei der TE. sei er direktiv tätig gewesen. Er habe sich in verschiedenen Anzeigen – von denen die eine schließlich zur Beteiligung an der Ri. Vertriebsgesellschaft geführt habe – stets um eine "tätige” Mitarbeit bemüht. Diese tätige Mitarbeit sei sogar die Voraussetzung seiner Bemühungen gewesen. Von dem finanziellen Erfolg seiner Selbständigkeit dürfe die Anwendbarkeit der § 13 a, § 9 a AnVNG nicht abhängig gemacht werden. Er habe Geld in die Unternehmen Ri. G.-Cr.-TE.-I. gesteckt mit dem ausgesprochenen Zweck "der tätigen Mitarbeit”. Dabei habe er sich dauernd um sein Geld bekümmert und sich, wenn es notwendig gewesen sei, eingeschaltet. Die Verträge seien nur vorsichtshalber als Darlehens-Rahmenverträge abgeschlossen worden. In §§ 2 und 4 des Vertrages vom 21. Februar 1959 werde ausdrücklich von den persönlichen Bemühungen gesprochen, für die eine Vergütung zu zahlen gewesen sei. Für und gegen den Komplex Cr.-G.-TE.-I. habe er viele In- und Auslandsreisen unternehmen müssen. In den Jahren 1963/65 habe er sich intensiv um neue selbständige Erwerbsmöglichkeiten bemüht. Auch diese vorbereitenden Arbeiten seien als selbständige Erwerbstätigkeit anzusehen. Entgegen der Rechtsansicht des Sozialgerichts seien die beiden Zeiten der Arbeitslosigkeit als Ausfall- oder als Ersatzzeiten anzuerkennen. Die Arbeitslosigkeit habe eine versicherungspflichtige Tätigkeit unterbrochen. Die für das Jahr 1972 nachentrichteten Beiträge seien Pflichtbeiträgen gleichzustellen, was sich auf die Berechnung der Halbbelegung auswirke.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 21. Januar 1975 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 6. August 1973 zu verurteilen, ihm ein höheres Altersruhegeld unter zusätzlicher Anrechnung seiner weiteren Schulausbildung, seines Studiums und seiner Arbeitslosigkeit vom 1. Januar 1931 bis 6. Oktober 1934 als Ausfallzeit sowie der Arbeitslosigkeit vom 1. April 1945 bis 31. Dezember 1949 als Ersatzzeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihr Vorbringen im Klageverfahren und das nach ihrer Ansicht zutreffende Urteil des Sozialgerichts. Der Kläger verkenne die Bedeutung des Begriffs "selbständige Erwerbstätigkeit”. Nicht jede auf Gewinn zielende Erwerbstätigkeit werde von diesem Begriff i.S. des Angestelltenversicherungsgesetzes erfaßt. Die ausschließliche oder doch überwiegende Kapitalbeteiligung sei keine selbständige Erwerbstätigkeit.

Die Beteiligten sind übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 SGG).

Auf den Inhalt der Renten- und Streitakten sowie auf die von dem Kläger seinen Schriftsätzen beigefügten Anlagen 1–62 wird zur Ergänzung des Sachverhaltes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch statthafte Berufung, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 124 Abs. 2 SGG), ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden, denn es stellt mit zutreffender Begründung fest, daß das Altersruhegeld des Klägers in dem Bescheid vom 6. August 1973 richtig festgesetzt worden ist. Entgegen der Ansicht des Klägers können über die pauschale Ausfallzeit von 7 Monaten hinausgehende Ausfallzeiten nicht angerechnet werden. Zwar hat der Kläger nachgewiesen, daß er sich über das 16. Lebensjahr hinaus bis zur Ablegung seines Abiturs am 21. Februar 1922 in weiterer Schulausbildung i.S. des § 36 Abs. 1 Ziff. 4 AVG befand. Auch ist nachgewiesen, daß er mit seinem Diplomexamen am 2. Mai 1928 ein Studium abgeschlossen hat, doch können diese Zeiten nach § 36 Abs. 3 AVG nicht rentensteigernd berücksichtigt werden, weil die Gesamtversicherungszeit vom Eintritt in die Versicherung bis zum Kalendermonat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, nicht mindestens zur Hälfte mit Pflichtbeiträgen oder gleichstehenden Beiträgen belegt ist. Da der Kalendermonat des Eintritts in die Versicherung und der Kalendermonat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, also der Juni 1922 und der Dezember 1972, nicht mitgezählt werden, ergibt sich für den Kläger eine Gesamtversicherungszeit von 605 Monaten. Bei der Ermittlung der Anzahl der Kalendermonate vom Eintritt in die Versicherung bis zum Eintritt des Versicherungsfalles bleiben die auf Zeit nach Eintritt in die Versicherung entfallenden Ersatzzeiten, Ausfallzeiten nach § 36 Abs. 1 Nr. 1–4 AVG und Zeiten eines Rentenbezuges unberücksichtigt, wenn auch die Voraussetzungen dieses Absatzes nicht erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift kann nur die nachgewiesene Zeit des Hochschulstudiums des Klägers von 55 Kalendermonaten und die Zeit seines Wehrdienstes von 14 Monaten und die pauschale Ausfallzeit von 7 Monaten, also insgesamt eine Zeit von 76 Monaten abgesetzt werden. Die Beklagte hat zwar in ihrem Bescheid vom 6. August 1973 80 abzusetzende Monate errechnet, doch befindet sie sich insoweit in einem Irrtum. Der Senat ist an die von der Beklagten errechnete Monatszahl nicht gebunden. Es handelt sich vielmehr um Berechnungsfaktoren, die einer Bindungswirkung i.S. des § 77 SGG nicht fähig sind. Von der Gesamtversicherungszeit von 605 Monaten sind demnach 76 Monate abzusetzen, so daß die verbleibende Versicherungszeit von 529 Monaten zur Hälfte mit Pflicht- oder gleichstehenden Beiträgen belegt sein muß, das sind 264 Monate. Es sind jedoch an Pflichtbeiträgen nur 31 Monate nachgewiesen. Daneben liegen weitere den Pflichtbeiträgen gleichstehende Beitragsmonate vor. Der Kläger hat im Rahmen des § 54 a Abs. 2 AnVNG Beiträge für die Zeit ab 1. Januar 1956 in einer Gesamthöhe von 38.964,– DM nachentrichtet. Nach Art. 2 § 54 a Abs. 1 AnVNG stehen bei Anwendung des § 36 Abs. 3 AVG die nach Eintritt der Versicherungsfreiheit für die Zeit bis zum 31. Dezember 1967 entrichteten freiwilligen Beiträge den Pflichtbeiträgen gleich, wenn die Versicherten nur – also ausschließlich – wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze versicherungsfrei gewesen sind. Dies trifft für den Kläger für die Zeit seiner Beschäftigung bei der Fa. Fr. Z. K., vom 1. Januar 1956 bis 31. Dezember 1958, seiner Beschäftigung bei der Fa. Sch. KG vom 3. Mai 1961 bis 30. September 1962 und während seiner Tätigkeit bei dem G.-Institut vom 1. Oktober 1966 bis 31. Dezember 1971 zu. Das sind weitere 116 den Pflichtbeiträgen gleichstehenden Monate, so daß eine Gesamtzeit von Pflicht- und gleichstehenden Beiträgen von 197 Monaten zu errechnen ist. Dies gesteht jedenfalls die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 13. November 1973 dem Kläger zu. Der Senat ist darüber hinaus der Ansicht daß die Zeit der Tätigkeit des Klägers als freier Mitarbeiter im G.-Institut gegen ein Entgelt nach BAT III a und einer Arbeitsdauer von 44 Wochenstunden vom 1. Juli bis 31. Dezember 1965 ebenfalls wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze versicherungsfrei gewesen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) liegt auch bei den sog. ständigen freien Mitarbeitern ein Arbeitsverhältnis vor, wenn die Leistung in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird, wobei eine wirtschaftliche Abhängigkeit weder erforderlich noch ausreichend ist. Dabei ist anerkannt, daß ein Arbeitsverhältnis auch durch die praktische Durchführung und Gestaltung der Beziehungen zwischen zwei Parteien begründet werden kann, und zwar selbst dann, wenn eine ausdrückliche Abrede besteht, es liege kein Arbeitsverhältnis vor, sondern eine Tätigkeit als freier Mitarbeiter (BAGE 19, 324 ff.). Bei objektiver Betrachtungsweise der Tätigkeit des Klägers war er auch vom 1. Juli bis 31. Dezember 1965 persönlich und wirtschaftlich von dem G.-Institut abhängig. Ihm war die Art seiner Tätigkeit und die Zeitdauer derselben nach dem Vertrag vom 15. Juni 1965 genau vorgeschrieben; das Arbeitsentgelt war präzise vereinbart. Damit sind alle Voraussetzungen für das Bestehen eines echten Arbeitsverhältnisses gegeben. Es kommt nicht darauf an, wo die Arbeit zu erbringen ist, ob in den Räumen des Arbeitgebers oder in den Räumen des Arbeitnehmers. Erforderlich und genügend für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses ist, daß der Mitarbeiter überhaupt, wenn auch nur in einem geringen Umfang, zur Erbringung von weisungsgebundener Arbeit verpflichtet ist. Bei objektiver Würdigung der vertraglichen Vereinbarung vom 15. Juni 1965 muß zwingend auf das Bestehen eines echten Arbeitsverhältnisses geschlossen werden. Der von den Vertragsparteien verwandte Begriff "freier Mitarbeiter” deutet zwar auf ein freies Dienstverhältnis hin, ist jedoch in Bezug auf die getroffenen Vereinbarungen bezüglich der Arbeitsleistung und des Arbeitsentgeltes auslegungsbedürftig. Wie bereits ausgeführt, kann es sich nur – da sämtliche Essentialien vorliegen – um ein echtes Arbeitsverhältnis handeln. Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob die Bezeichnung "freier Mitarbeiter” nur zur Umgehung des Sozialversicherungsschutzes und auch des Kündigungsschutzes – evtl. nach Ablauf der vereinbarten Probezeit – dienen sollte. Auch in diesem Fall müssen sich die Vertragsparteien so behandeln lassen, als hätten sie ein abhängiges Arbeitsverhältnis begründet; denn sie hatten eine Verfügungsmacht des Arbeitgebers – des G.-Instituts –, eine Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers und eine Entgeltlichkeit vereinbart. Dieses Dauerbeschäftigungsverhältnis führte grundsätzlich zur Versicherungspflicht, die im vorliegenden Fall nur deshalb entfiel, weil das Arbeitsentgelt die für das Jahr 1965 gültige Arbeitsverdienstgrenze überstieg. Da der Kläger vom 1. Juli bis 31. Dezember 1965 nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze versicherungsfrei war, stehen die für diesen Zeitraum entrichteten freiwilligen Beiträge den Pflichtbeiträgen gleich. Den von der Beklagten errechneten 197 Pflichtbeiträgen und gleichstehenden Beiträgen sind demnach weitere 6 Monatsbeiträge hinzuzuzählen, so daß sich 203 Monate errechnen lassen. Damit ist jedoch das Soll von 264 Monaten nicht zur Hälfte mit Pflicht- oder gleichstehenden Beiträgen belegt.

Der Kläger ist allerdings der Meinung, daß von der Gesamtversicherungszeit nach § 36 Abs. 3 Satz 2 AVG auch noch die Zeit der behaupteten Arbeitslosigkeit vom 1. Januar 1931 bis 6. Oktober 1934 als Ausfallzeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 AVG abzusetzen sei. Zwar wurde durch die behauptete Arbeitslosigkeit eine versicherungspflichtige Tätigkeit – der letzte Pflichtbeitrag ist für Dezember 1930 entrichtet – unterbrochen, doch hatte sich der Kläger unstreitig während des genannten Zeitraumes nicht bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitssuchender gemeldet und nicht die in § 36 Abs. 1 Nr. 3 AVG aufgeführten Bezüge erhalten. Das Sozialgericht hat richtig darauf hingewiesen, daß die Unterhaltsleistung durch die Mutter nicht die Voraussetzung des § 6 Abs. 3 des Familienunterstützungsgesetzes vom 11. Juli 1939 (RGBl. 1939 I S. 1225) erfüllt. Doch kommt es darauf nicht entscheidend an, weil der Kläger sich nicht bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitssuchender gemeldet hat. Die Gründe hierfür, und mögen sie noch so ehrenvoll sein, können im Rahmen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 AVG nicht berücksichtigt werden. Diese Bestimmung ist nicht auslegungsfähig. Dem Kläger ist zwar zuzugeben, daß die genannten gesetzlichen Voraussetzungen für die Anrechenbarkeit der Arbeitslosigkeit als Ausfallzeit in den Jahren 1931 bis 1934 noch nicht voraussehbar waren, doch hat der Gesetzgeber als unabdingbare Voraussetzung der Anrechenbarkeit als Ausfallzeit die Meldung bei einem deutschen Arbeitsamt gefordert. In gewissem Umfang hat er, wenn die strengen Voraussetzungen der genannten Vorschrift nicht erfüllt sind, einen Ausgleich durch Art. 2 § 14 AnVNG geschaffen, indem er für die nicht nachgewiesenen Ausfallzeiten die Anrechnung einer pauschalen Ausfallzeit auf die Rentenhöhe ermöglicht. Diese pauschale Ausfallzeit ist bei dem Kläger in dem angefochtenen Bescheid mit 7 Monaten richtig errechnet und ist bei der obigen Berechnung der Halbbelegung bereits berücksichtigt worden.

Auch die Zeit vom 1. April 1945 bis Dezember 1949 kann nicht von der Gesamtversicherungszeit im Rahmen des § 36 Abs. 3 AVG abgesetzt werden. Die Anrechnung als Ausfallzeit scheitert bereits an dem Fehlen der Voraussetzung, daß eine versicherungspflichtige Tätigkeit unterbrochen worden ist. Der Kläger war vor der behaupteten Arbeitslosigkeit wegen Überschreitens der damals gültigen Jahresarbeitsverdienstgrenze unstreitig versicherungsfrei. Die Zeit der Arbeitslosigkeit vom 1. April 1945 bis Dezember 1949 kann aber auch nicht als Ersatzzeit von der Gesamtversicherungszeit im Rahmen des § 36 Abs. 3 AVG abgesetzt werden. Sie hat sich unstreitig nicht an den Wehrdienst des Klägers "angeschlossen”, denn er war bereits am 14. September 1942 aus dem Kriegsdienst ausgeschieden. Der Kläger beruft sich demnach nur auf den Ersatzzeittatbestand des § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG und macht geltend, er sei im Anschluß an seine Flucht aus B. bei Kriegsende bis Dezember 1949 trotz intensiver eigener Bemühungen arbeitslos gewesen. Es bestehen aber schon erhebliche Bedenken, ob der Kläger Flüchtling i.S. der §§ 1–4 BVFG ist. Er hat niemals einen Antrag nach § 16 a.a.O. gestellt. Nach seinen Angaben hat er bei Kriegsende die umkämpfte Reichshauptstadt Berlin verlassen aus Gründen, die in seiner Person lagen und hat seinen Wohnsitz in A. genommen, wohin seine Familie bereits im August 1943 evakuiert worden war. Der Senat kann aber die Flüchtlingseigenschaft des Klägers evtl. i.S. des § 3 BVFG dahingestellt sein lassen, weil bei ihm nicht die weiteren Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit i.S. des § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG erfüllt sind. Der Kläger hat nicht nachgewiesen, daß er arbeitslos i.S. dieser Bestimmung war. Arbeitslosigkeit i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 AVG ist nicht schon dann gegeben, wenn ein Versicherter ohne Arbeit ist; der Tatbestand ist nur dann erfüllt, wenn er vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und keine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger oder Selbständiger ausübt und sich regelmäßig um eine zumutbare Beschäftigung bemüht. Danach ist ein Versicherter nur dann arbeitslos, wenn er unfreiwillig ohne Arbeit, arbeitswillig und arbeitsfähig ist. Im Gegensatz zu der Regelung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 AVG setzt § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urt. v. 30.1.1969 – Az.: 5 RKn 133/65 in SozR Nr. 37 zu § 1251 der Reichsversicherungsordnung – RVO –) nicht voraus, daß der Versicherte bei einem Arbeitsamt als Arbeitssuchender gemeldet war und Anspruch auf Arbeitslosengeld oder entsprechende Leistungen hat. Daher ist der Anspruch des Klägers nicht allein schon deshalb ausgeschlossen, weil er bei einem Arbeitsamt nicht als Arbeitssuchender gemeldet war. Allerdings kommt der Meldung und dem Bezug von Unterstützung durch das Arbeitsamt eine erhebliche Beweiskraft für die Frage zu, ob eine Arbeitslosigkeit i.S. der gesetzlichen Regelung vorliegt. Der Kläger hat hierzu selbst vorgetragen, daß er sich zwar um Arbeit bemüht hat, jedoch nicht bei einem Arbeitsamt über einen gewissen Zeitraum gemeldet gewesen ist oder Arbeitslosenunterstützung bezogen hat. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (a.a.O.) kann nicht davon abgegangen werden, daß ein Versicherter, der die Anrechnung einer Zeit noch § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG begehrt, während dieser Zeit arbeitslos i.S. des Rechts der Arbeitslosenversicherung gewesen ist, nämlich willens und fähig war, eine seinem Leistungsvermögen entsprechende Arbeit zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben und daß er somit dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden hat. Umstände, die auf das Vorliegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit ohne Meldung bei einem Arbeitsamt schließen lassen, hat der Kläger nicht unter Beweis gestellt. Es muß vielmehr angenommen werden, daß er sich nur um eine Arbeitsvermittlung in seinem erlernten Beruf als Bergingenieur beworben hat. Dies ergibt sich aus seinen Hinweisen auf die vielen Bewerbungsschreiben um für ihn geeignete Arbeitsstellen. Schließlich war auch sein und seiner Familie Lebensunterhalt durch die Erträgnisse aus der Landwirtschaft seines Bruders A. G. gesichert.

Der Kläger meint jedoch, daß es in seinem Falle ohnedies nicht der Erfüllung der Halbbelegung nach § 36 Abs. 3 AVG bedarf, da für ihn die erleichterten Anrechnungsbedingungen des Art. 2 § 13 a AnVNG Anwendung finden müßten. In Art. 2 § 13 a AnVNG wird auf Art. 2 § 9 a AnVNG verwiesen. Die Verweisung auf diese Vorschrift bedeutet eine Erleichterung der Anrechnungsvoraussetzungen für Ausfallzeiten, wenn die nach § 36 Abs. 3 AVG vorgesehene Halbbelegung nicht erfüllt ist. Der begünstigte Personenkreis beschränkt sich aber auf ehemalige Selbständige, die vor Eintritt des Versicherungsfalles – hier also vor dem 31. Dezember 1972 – eine selbständige Erwerbstätigkeit von wenigstens 5 Jahren aufgegeben haben. Zwar hat der Kläger einen Teil der Voraussetzungen zur Anwendung dieser Vorschrift erfüllt, denn er hat Beiträge nach Art. 2 § 49 a Abs. 2 AnVNG für die Zeit ab 1. Januar 1956 nachentrichtet. Doch sind dies reine freiwillige Beiträge, die zur Erleichterung der Anrechnung von Ausfallzeiten nicht führen können. Entgegen seiner Ansicht gehörte er nicht zu dem Personenkreis, der eine selbständige Erwerbstätigkeit von wenigstens 5 Jahren aufgegeben hat. Zunächst beruft er sich darauf, daß er eine selbständige Erwerbstätigkeit bei der Vertriebsgesellschaft R. mbH von Januar 1959 bis Oktober 1960 ausgeübt habe und bezieht sich dabei auf die vorgelegten Darlehensverträge vom 21. und 26. Februar 1959, speziell auf die §§ 2 und 4. Des weiteren macht er geltend, daß er geschäftsführender Gesellschafter der in Ausführung des Vertrages vom 30. Juni 1960 gegründeten Firma TE. gewesen sei. Unstreitig wurde aber durch den Gesellschaftsvertrag vom 27. April 1961 diese Firma aufgelöst, so daß die behauptete selbständige Erwerbstätigkeit nur von Februar 1959 bis Mai 1961 angedauert haben kann. Ab 3. Mai 1961 hat dann der Kläger bei der Fa. S. KG eine unselbständige Tätigkeit als Prokurist aufgenommen. Als selbständige Tätigkeit i.S. des Klägers können demnach bis zu diesem Zeitpunkt nur 27 Monate errechnet werden. Außerdem ist die Zeit seiner selbständigen Tätigkeit vom 1. Januar 1965 bis Ende Juni 1965 nachgewiesen, so daß weitere 6 Monate anzurechnen sind. Die Tätigkeit des Klägers als freier Mitarbeiter des G.-Instituts ist keine "selbständige” Erwerbstätigkeit i.S. des Art. 2 § 9 a Abs. 2 AnVNG; sie ist als eine wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze versicherungsfreie Beschäftigung zu werten und wurde oben bereits bei der Berechnung der Halbbelegung (§ 36 Abs. 3 AVG) berücksichtigt. Mit der von dem Kläger angegebenen behaupteten Selbständigkeit von Februar 1959 bis April 1961 und von Januar bis Juni 1965 läßt sich nur eine Gesamtdauer der selbständigen Erwerbstätigkeit von 33 Monaten errechnen. Nach seinem Ausscheiden aus der Firma S. KG als Prokurist am 30. September 1962 war der Kläger nicht selbständig erwerbstätig i.S. des Art. 2 § 9 a Abs. 2 AnVNG. Selbständig erwerbstätig ist der Erwerbstätige, der eine auf Dauer angelegte berufsmäßige selbständige Erwerbstätigkeit ausübt. Berufstätig in diesem Sinne ist nur derjenige, der durch die Beschäftigung oder Tätigkeit seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in solchem Umfang erwirbt, daß seine wirtschaftliche Stellung zu einem erheblichen Teil auf der Beschäftigung oder Tätigkeit beruht. Es muß sich also um eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit handeln, die selbständig, also nicht fremdbestimmt, ausgeübt wird. Der Selbständige erzielt – zumindest in erheblichem Umfange – seinen Lebensunterhalt aus der Verwertung seiner Arbeitskraft. Es muß sich also vorwiegend um den Einsatz seiner Arbeitskraft handeln, der Einsatz seines Kapitals allein reicht nicht aus. Insoweit ist zwischen einem erwerbstätigen Selbständigen und einem "kapitalistischen” Selbständigen zu unterscheiden, denn der letztere erzielt Gewinn aus seinem Kapital, nicht aber aus seiner Erwerbstätigkeit. Er hat Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 3 Nr. 4–7 des Einkommensteuergesetzes, das sind Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen, aus Vermietungen und Verpachtungen sowie sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Einkommensteuergesetz. Der selbständige Erwerbstätige steht im weiteren Sinne wirtschaftlich und sozial dem Arbeitnehmer gleich, denn beide sichern ihren Lebensunterhalt durch den Einsatz ihrer Arbeitskraft. Der "kapitalistische” Erwerbstätige hingegen ist um die Erzielung eines Gewinns aus der Verwertung seines Kapitals, um die Vermehrung und Sicherung des Kapitals bemüht. Der Kläger ist den Nachweis der selbständigen Erwerbstätigkeit für die Zeit vom 1. Oktober 1962 bis 31. Dezember 1964 schuldig geblieben. Er hat vielmehr in seinen Schriftsätzen immer wieder darauf hingewiesen, daß seine Arbeitskraft überwiegend durch die Beitreibung des Kapitals, das er in die Handelsgesellschaften, Vertriebsgesellschaft R. mbH und TE. gesteckt hatte, in Anspruch genommen worden ist. Er hat Schadensersatzprozesse und Aussonderungsprozesse aus der Konkursmasse des Komplexes C.-G.-I.-TE. geführt. Damit war er überwiegend mit der Sicherung seines Kapitals beschäftigt, er war aber nicht selbständiger Erwerbstätiger i.S. der angegebenen Definition. Nicht einmal persönlich bei der Abwicklung dieser beiden Firmen hat er mitgearbeitet und war auch nicht Konkurs- oder Vergleichsverwalter. Selbst wenn demnach von der Richtigkeit der Darstellung des Klägers über seine Beschäftigung bei den Firmen Vertriebsgesellschaft R. mbH und TE. ausgegangen und auch das 1. Halbjahr 1965 als Zeit einer selbständigen Erwerbstätigkeit angesehen werden kann, ergibt sich nicht eine Zeit der selbständigen Erwerbstätigkeit von mindestens 5 Jahren, die zur Ermittlung der Anrechenbarkeit der Ausfallzeiten i.S. des Art. 2 § 13 a und § 9 a AnVNG führen könnte. Da der Versicherungsfall des Alters von der Beklagten in Übereinstimmung mit dem Kläger für den Monat Dezember 1972 festgesetzt worden ist, kann es dahingestellt bleiben, ob der Kläger – wie er meint – auch noch im Jahre 1973 selbständig erwerbstätig gewesen ist, denn die selbständige Erwerbstätigkeit muß bei Berechnung der 5-Jahres-Frist vor Eintritt des Versicherungsfalles aufgegeben worden sein.

Nach alledem können die von dem Kläger angegebenen Ausfallzeiten und Ersatzzeiten nicht rentensteigernd berücksichtigt werden. Es muß bei der von der Beklagten angerechneten pauschalen Ausfallzeit von 7 Monaten und der nachgewiesenen Ersatzzeit des Wehrdienstes von 14 Monaten verbleiben. Danach erweist sich die Berechnung des Altersruhegeldes als richtig, so daß die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen ist.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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