S 8 KR 213/06

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Leipzig (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 8 KR 213/06
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der gemeinnützige Verein eines Laienchores ist auch dann kein ein Unternehmen betreibender Unternehmer im Sinne des Künstlersozialversicherungsgesetzes, wenn er mehr als zwei bzw. drei öffentliche Veranstaltungen im Jahr durchführt. Vielmehr muss unter teleologischen Gesichtspunkten eine kunstvermarktende (Gewinnerzielungs-) Absicht hinzu kommen. Andernfalls liegt kein, eine Künstlersozialabgabepflicht rechtfertigender Tatbestand vor, das heißt ein einem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis vergleichbarer Sachverhalt.
I. Die Bescheide vom 18.05.2005, 18.10.2005, 25.01.2006 und 03.02.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2006 werden aufgehoben. II. Die Beklagte hat die Kosten des Klägers zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger zur Abführung einer Künstlersozialabgabe verpflichtet ist.

Der Kläger ist ein Verein, der nach der ...2003 überarbeiteten Vereinssatzung die gemeinnützige Förderung von Kunst und Kultur durch ambitionierte Pflege sowohl klassischer als auch moderner Chorliteratur anstrebt. Er verfolgt danach ausschließlich gemeinnützige und keine eigenwirtschaftliche Zwecke, seine Mitglieder erhalten aus seinen Mitteln keine Zuwendungen. Ein besonderer Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildet die Erarbeitung chorgesanglicher Fertigkeiten durch die Arbeit an anspruchsvoller a-cappella-Chorliteratur, wobei dem Vereinszweck entsprechend der interessierten Allgemeinheit der Zugang zu den Resultaten der Chorproben eröffnet werden soll (vgl. § 2 Abs. 1 bis 5 der Satzung, Bl. 4 der Verwaltungsakte).

Nach Internet-Recherche zum ...-Kammerorchester L ... (vgl. Bl. 9 der Verwaltungsakte) stellte die Beklagte mit Bescheid vom 06.04.2005 dessen Künstlersozialabgabepflicht fest. Da regelmäßig öffentliche Konzerte stattfänden und hierzu fremde Künstler oder Vereinsmitglieder gegen Entgelt engagiert würden, unterliege er der Abgabepflicht; denn er betreibe ein abgabepflichtiges Unternehmen, das die öffentliche Aufführung und Darbietung künstlerischer Werke oder Leistungen bezwecke.

Gegen den, an das Vorstandsmitglied des Klägers gerichteten, Bescheid legte dieses in seinem Namen am 27.04.2005 Widerspruch ein.

Durch weiteren Bescheid vom 18.05.2005 hob die Beklagte den Bescheid vom 06.04.2005 auf und stellte statt dessen die Künstlersozialabgabepflicht des Klägers fest. Als Unternehmer betreibe er einen Chor, dessen Zweck überwiegend darauf gerichtet sei, künstlerische Werke oder Leistungen in ganz Deutschland und Europa öffentlich aufzuführen oder darzubieten. Dies ergebe sich aus der Vereinssatzung.

Auch hiergegen legte der Kläger am 17.06.2005 Widerspruch ein, ohne diesen zu begründen.

Durch weiteren Bescheid vom 18.10.2005 setzte die Beklagte die Künstlersozialabgabe auf Grundlage einer Schätzung fest. Trotz entsprechender Aufforderung und Aufklärung habe er die an selbstständige Künstler und Publizisten gezahlten Entgelte nicht oder nicht vollständig gemeldet. Die Gesamtsumme der Künstlersozialabgabe für die abgerechneten Jahre betrage 3.404,79 EUR, der aktuelle Kontostand liege im Soll bei 4.586,28 EUR. An Entgelten legte sie für das Jahr 2001 5.500,00 EUR, für 2002 24.200,00 EUR, für 2003 26.620,00 EUR und für das Jahr 2004 29.282,00 EUR zugrunde. Für Januar und Februar 2005 seien monatliche Vorauszahlungen von 95,39 EUR zu leisten, für März 2005 bis Februar 2006 jeweils 141,53 EUR.

Auch hiergegen legte der Kläger am 27.10.2005 Widerspruch ein. Die unsubstanziierte Schätzung könne nur als "blanker Abzocker-Zynismus des Herrschaftsapparates" bezeichnet werden, die Werte seien willkürlich festgesetzt. Er betreibe kein abgabepflichtiges Unternehmen, was sich aus dem in der Vereinssatzung statuierten gemeinnützigen Zweck ergebe. Danach diene das Zusammensein der Mitglieder der Freude am gemeinsamen Musizieren und der Förderung des Vereinslebens, öffentliche Auftritte seien demgegenüber nur von untergeordneter Bedeutung. Konzerte sollten lediglich der Allgemeinheit das Resultat der Chorproben eröffnen. Da eine Vielzahl der Vereinsmitglieder zugleich im Ensemble des Kammerchors ... zu ... mitwirkten, seien diese auf keine öffentlichen Auftritte im Veranstaltungsrahmen des Klägers angewiesen. Im Jahr 2003 habe es keine Aufwendungen für Solisten gegeben, auch seien Aufführungen in der Regel Verlustgeschäfte. Für das Jahr 2005 seien lediglich fünf öffentliche Auftritte geplant.

Mit Bescheid vom 25.01.2006 korrigierte die Beklagte die Schätzung auf der Grundlage des zwischenzeitlich eingereichten Meldebogens. Danach habe der Kläger 3.876,77 EUR zu zahlen. Beigefügt war ein Kontoauszug mit einer entsprechenden Saldo-Aufstellung in EUR.

Nach Einreichung eines weiteren Meldebogens vom 26.01.2006 änderte die Beklagte durch Bescheid vom 03.02.2006 den Kontostand auf 762,78 EUR Soll. Die Vorauszahlung für Januar und Februar 2006 liege bei 27,36 EUR monatlich, von März 2006 bis Februar 2007 bei 33,69 EUR.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.03.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Da überwiegender Zweck des Klägers die öffentliche Aufführung künstlerischer oder publizistischer Werke sei, betreibe er nicht nur "Hobbypflege". Somit erwiesen sich nicht-kommerzielle Ziele nur von untergeordneter Bedeutung, sodass der Abgabetatbestand erfüllt sei, zumal bei verschiedenen Konzerten Eintrittsgelder erhoben und Aufwandsentschädigungen gezahlt würden.

Der Kläger hat deswegen am 02.05.2006 Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben. Zentraler Zweck sei die künstlerische Freizeitbeschäftigung seiner Mitglieder und keine irgendwie geartete Konzertpraxis. Er sei als gemeinnützig anerkannt und vergebe nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler, wobei diese in der Vergangenheit drei Veranstaltungen pro Kalenderjahr nicht überstiegen hätten. Angesichts lediglich wöchentlicher Probenzusammenkünfte im Verhältnis zu den wenigen öffentlichen Auftritten sei ein kommerzielles Interesse nicht plausibel zu machen. Naturgemäß sei er – auch zur Gewinnung neuer Mitglieder – darauf angewiesen, eine gewisse Außenwirkung durch öffentliche Konzerte zu erzielen, ohne deswegen kommerzielle Zwecke zu verfolgen. Eintrittsgelder würden in der Regel von den Veranstaltern, d. h. Dritten, erhoben. Da er selbst "bettelarm" sei, habe er – auch "aus Schreck über die Geldgier staatlicher Institutionen" – für das Jahr 2006 nur zwei öffentliche Auftrittseinladungen anderer Vereine oder Institutionen angenommen und seine Außenaktivitäten erheblich verringert; für die Zukunft werde er keinen einzigen selbstständigen Künstler mehr engagieren, zumal er seinen Mitgliedern im Rahmen ihrer Freizeitgestaltung keinen Mitgliedsbeitrag aufbürden wolle. Bürgerschaftliches Kultur-Engagement und eine bürgerschaftlich getragene und geförderte kulturelle gesellschaftliche Bildung werde "von der staatlichen Abgabenlast niedergeknüppelt", sodass eine weitere kulturelle Verarmung, auch in strukturell nicht üppig gebetteten Teilen des Landes, drohe. Zudem habe die Beklagte "mit terrierhafter Verbissenheit" nach dem Versuch einer Inanspruchnahme des ...-Kammerorchesters L ... versucht, nunmehr den Kläger zur Zahlung von Abgaben in Anspruch zu nehmen.

Er beantragt,

die Bescheide vom 18.05.2005, 18.10.2005, 25.01.2006 und 03.02.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt, eine Gerichtsakte sowie einen Verwaltungsvorgang der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand der Klage ist nach dem Klageantrag nicht nur der Bescheid vom 18.05.2005, sondern auch die infolge dessen ergangenen Bescheide vom 18.10.2005, 25.01.2006 und 03.02.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2006. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 16.04.1998, Az: B 3 KR 5/97) sollen zwar die auf der Grundlage des ursprünglichen Feststellungs- bzw. Festsetzungsbescheides erlassenen weiteren Abgabenbescheide über die Höhe der im Abrechnungszeitraum entstandenen Abgabeschuld nicht nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Verfahrensgegenstand geworden sein, weil diese den Erfassungsbescheid weder abgeändert noch ersetzt hätten und einen gesonderten Regelungsgegenstand enthielten; die entgegenstehende frühere Rechtsprechung hat es damit ausdrücklich aufgehoben, da eine weite Auslegung auch aus prozessökonomischen Gründen nicht deren Einbeziehung rechtfertige. Dies konnte hier indes dahinstehen, da die zulässige Klage begründet ist. Mithin sind durch die Aufhebung des Erfassungsbescheides zugleich auch die daraus resultierenden und aufbauenden weiteren Abgabenbescheide – wie beantragt - gegenstandslos geworden.

Insoweit der Kläger im Übrigen schriftsätzlich hilfsweise beantragt hatte, festzustellen, dass er seit dem 01.01.2006 nicht mehr abgabepflichtig zur Künstlersozialkasse ist, wäre ein derartiger Antrag nicht statthaft; denn eine neben der Anfechtungsklage erhobene weitere Feststellungsklage ist unzulässig, weil zulässige Klageart allein die Anfechtungsklage ist. Diese beseitigt – wie vorliegend - im Erfolgsfall die streitige Feststellung über das grundsätzliche Bestehen einer Künstlersozialabgabepflicht, sowohl für die Vergangenheit als auch für die Gegenwart. Somit wird den ergangenen Abgabenbescheiden bereits durch die erhobene Anfechtungsklage die rechtliche Grundlage entzogen, sodass daneben für eine Feststellungsklage kein Raum mehr ist. Eine eigenständige, über den Ausspruch zur Anfechtungsklage hinausreichende, Wirkung käme damit einer Feststellungsklage nicht mehr zu (so auch: BSG, Urteil vom 16.04.1998, a.a.O.).

Die Bescheide vom 18.05.2005, 18.10.2005, 25.01.2006 und 03.02.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2006 erweisen sich hier als rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, denn er unterliegt nicht der Künstlersozialabgabepflicht.

Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) ist ein Unternehmer zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, der u. a. als Unternehmen Chöre und vergleichbare Unternehmen betreibt. "Unternehmer" ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, das heißt zur Erzielung von Einnahmen, selbstständig ausübt und nach außen auftritt. "Unternehmen" ist demzufolge der gesamte Bereich der gewerblichen/beruflichen Betätigung eines Unternehmers (Brandmüller-Zacher, KSVG – Komm., § 24 Nr. 2 und 3, 18. EL). Der Kläger ist jedoch tatsächlich kein ein Unternehmen betreibender "Unternehmer" im Sinne des Künstlersozialversicherungsgesetzes.

Vielmehr handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein (vgl. dazu: BSGE 80,141), der nach seiner Vereinssatzung (vgl. § 2 Abs. 1 bis 5) ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts "steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung verfolgt (Abs. 2), sowie Kunst und Kultur auf hohem künstlerischen Niveau fördern will. Sein besonderer Schwerpunkt liegt danach in der Erarbeitung chorgesanglicher Fertigkeiten (Abs. 3), wobei dem Vereinszweck entsprechend durch Konzerte der interessierten Allgemeinheit der Zugang zu den Resultaten der Chorproben eröffnet werden soll (Abs. 4), das heißt mit anderen Worten durch öffentliche Aufführungen.

Dennoch soll nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (E 80, 141) die Eigenschaft eines Vereins als gemeinnützig allein der Annahme eines "Unternehmens" im Sinne des Künstlersozialversicherungsgesetzes noch nicht entgegenstehen. Die Tätigkeit eines Chores setzt danach lediglich eine gewisse Regelmäßigkeit und Nachhaltigkeit voraus. Hierzu solle es ausreichen, wenn regelmäßig zwei bis drei jährliche Veranstaltungen durchgeführt werden (so: BSG, Urteil vom 16.04.1998, Az.: B 3 KR 5/97 R; krit. zur weiten Auslegung des Unternehmensbegriffes, die "zu grotesken Ergebnissen" führe, Brandmüller-Zacher, a.a.O., Nr. 3). Ausweislich der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gemachten Angaben ist hier von einer regelmäßigen Aufführungspraxis in bestimmten Zeitabständen auszugehen.

Gleichwohl ist nach Rechtsauffassung des erkennenden Gerichtes die Vorschrift des § 24 Abs. 1 Nr. 2 KSVG einschränkend im Hinblick auf den damit verfolgten Gesetzeszweck auszulegen: Insoweit darauf abgestellt wird, dass es für ein Unternehmen im Sinne des Gesetzes ausreichen müsse, künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen im vorgenannten Umfang öffentlich aufzuführen oder darzubieten (so auch: LSG Baden Württemberg, Urteil vom 25.04.2007, Az.: L 5 KR 4654/05), kann diesem Merkmal für Chöre per se keine ausschlaggebende Bedeutung zur Abgrenzung von abgabepflichtigen Unternehmen zukommen, sondern allenfalls die eines Hilfskriteriums. Wenn nach § 2 Abs. 4 der Satzung des Klägers der interessierten Allgemeinheit "der Zugang zu den Resultaten der Chorproben eröffnet" werden soll, liegt dies vielmehr im Wesen eines jeden Chores begründet; denn das "Singen im stillen Kämmerlein" gehört regelmäßig nicht zum Selbstverständnis eines Chores. Üblicherweise dienen regelmäßige Probenzusammenkünfte, gerichtsbekanntermaßen zumindest in bestimmten Abständen, auch der öffentlichen Aufführung erarbeiteter Werke. Chöre, deren Wirken lediglich intern, auf Probenzusammenkünfte, beschränkt wäre, sind kaum denkbar, zumal – worauf der Kläger zu Recht hinweist – ohne eine gewisse, mit der öffentlichen Aufführung einhergehende, Außenwirkung die Mitgliederwerbung erheblich eingeschränkt oder weitgehend ausgeschlossen wäre.

Mithin ist unter teleologischen Gesichtspunkten eine restriktive Auslegung in dem Sinne geboten, dass ein Chor der Abgabepflicht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSVG nur dann unterliegen kann, wenn ein Unternehmer zugleich auch als Vermarkter fremder künstlerischer Leistungen auftritt (vgl.: BSG SozR 3-5425 § 24 Nr. 10, 11, 16, 17; Urteil vom 16.04.1998, a.a.O.). Denn der Gesetzgeber ist bei der Konzeption des Künstlersozialversicherungsgesetzes davon ausgegangen, dass sich selbstständige Künstler und Publizisten größtenteils in einer wirtschaftlichen und sozialen Lage befinden, die Arbeitnehmern in vielen Punkten vergleichbar ist. Wenn keine anderweitige soziale Absicherung erfolgt ist, werden sie deshalb als pflichtversichert in die gesetzliche Renten-, Kranken- und die soziale Pflegeversicherung einbezogen und nur mit dem halben Beitrag belastet. Die andere Hälfte wird durch einen Bundeszuschuss und durch die Künstlersozialabgabe erbracht. Diese wird von Unternehmern erhoben, die Werke und Leistungen selbstständiger Künstler und Publizisten für Zwecke ihres Unternehmens gegen Entgelt in Anspruch nehmen.

Diese sogenannten "Vermarkter" oder "Verwerter" werden an der Finanzierung der Sozialversicherungsbeiträge beteiligt, weil erst durch das Zusammenwirken von selbstständigen Künstlern und Publizisten auf der einen und Verwertern auf der anderen Seite Werke und Leistungen dem Endabnehmer zugänglich gemacht werden können. Das Bundesverfassungsgericht (SozR 5425 § 1 Nr. 1) hat diesen Zweck der Beitragsverteilung nicht als willkürlich gesehen. Vielmehr liegt dem eine vertretbare Erwägung des Gemeinwohls zu Grunde, weil zwischen selbstständigen Künstlern und Publizisten und ihren Vermarktern in der Lebenswirklichkeit typischerweise ein integrierter Arbeitszusammenhang und eine Verantwortlichkeitsbeziehung besteht. Zur Erreichung dieses Zweckes ist die Belastung der in § 24 KSVG genannten Vermarkter mit der für ihre Erhebung als Umlage ausgestalteten Künstlersozialabgabe geeignet und erforderlich, um die zur Finanzierung der Beitragshälfte, unter Berücksichtigung des Bundeszuschusses, benötigten Mittel aufzubringen.

Somit wird das Verhältnis von Verwertern und selbstständigen Kunstschaffenden als zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vergleichbar angesehen. Daraus folgt, dass, mit Ausnahme einer geringfügigen Beschäftigung oder Vermarktung, das Gesetz nur die Verhältnisse zwischen Künstlern und Vermarktern erfassen will, die einem "Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis" vergleichbar sind. An einem derart gestalteten Verhältnis fehlt es hier:

Eine "Kunstvermarktung" des Klägers als Unternehmer hinsichtlich der Aufführung selbst erarbeiteter Chorwerke war vorliegend nicht festzustellen. Nach § 4 seiner Satzung kann Mitglied des Klägers jede natürliche Person werden, die die Satzung des Vereines anerkennt und ihre Eignung gegenüber dem künstlerischen Leiter ausgewiesen hat (§ 1 Abs. 1 a der Satzung). Eine "Professionalität" wird neben der, naturgemäß vorausgesetzten, Eignung zur stimmlichen Mitwirkung am Chor nicht vorausgesetzt. Es handelt sich damit um einen "Laienchor". Der Verein eines Laienchores gehört indes von vornherein grundsätzlich nicht zum Kreis der Unternehmer im Sinne der § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSVG, der zur Künstlersozialabgabe verpflichtet sein könnte (wie hier: BSG, Urteil vom 16.04.1998, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.04.2007, Az.: L 5 KR 4654/05; Bayerisches LSG, Urteil vom 06.03.1997, Az.: L 4 KR 40/94). Die "Hobbypflege", d. h. die Freude am gemeinsamen Musizieren und der gesellschaftliche Kontakt der Vereinsmitglieder, überwiegt sowohl nach der Satzung als auch nach den tatsächlichen Gegebenheiten. Wenngleich nach § 2 Abs. 4 der Satzung der interessierten Allgemeinheit der Zugang zu den Resultaten der Chorproben eröffnet werden soll, reicht dies in dem hier betriebenen Umfang von zuletzt im Jahr 2006 geplanten zwei Konzerten nicht aus, eine "Unternehmereigenschaft" im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSVG zu begründen. Hinzu kam, dass die Vereinsmitglieder des Klägers zum Teil auch Mitglied des ... sind.

Ein daraus erwachsendes irgendwie geartetes soziales Sicherungsbedürfnis, das dem Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern vergleichbar sein und zur Erhebung einer Künstlersozialabgabe berechtigen könnte, ist deshalb in keiner Weise erkennbar, selbst wenn man die fehlende Professionalität des Klägers, verstanden im Sinne einer marktwirtschaftlichen Betätigung, nicht als ausschlaggebend ansähe.

Zwar hat das Bundessozialgericht (in: SozR 3-5425 § 24 Nr. 16) insoweit zum professionellen Vermarkter ausgeführt, dass "professionell" nicht unbedingt bedeute, dass hiermit eine Gewinnerzielungsabsicht einhergehen müsse, weil es ausreiche, wenn die Inanspruchnahme künstlerischer Leistungen im Rahmen einer sonstigen nachhaltigen Tätigkeit geschehe, mit der Einnahmen erzielt werden (BSG SozR 3-5425 § 24 Nr. 8). Dies vermag indes wenig zu überzeugen:

Bereits dem Wortsinne nach kann ein Unternehmer ein Unternehmen nicht losgelöst von wirtschaftlichen Gesichtspunkten betreiben, da hierzu in subjektiver Hinsicht zumindest die Absicht gehört, es wirtschaftlich mit Gewinn (oder zumindest kostendeckend) zu führen. Dies gilt auch dann, wenn es, vor allem im kulturellen Bereich, auf öffentliche, kirchliche oder private Zuschüsse angewiesen ist. Auch im sozialversicherungsrechtlichen Sinne wird die Abgrenzung von selbstständiger Tätigkeit zu abhängiger Beschäftigung u.a. danach vorgenommen, ob der Betreffende ein typisches "Unternehmerrisiko" trägt, das heißt die Möglichkeit, trotz Kapitaleinsatzes keine Einnahmen zu erzielen (vgl. bspw. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2004, Az.: L 4 KR 3083/02). Diese Möglichkeit wird grundsätzlich jeder Unternehmer zu vermeiden suchen. Mit anderen Worten ist die Absicht, mit dem Betreiben eines Unternehmens auch Gewinn erwirtschaften zu wollen, dem Unternehmensbegriff geradezu immanent, ebenso wie dem des "Vermarkters". Denn auch ein "Vermarkter" wird, einem Arbeitgeber vergleichbar, versuchen, sein Unternehmen wirtschaftlich möglichst gewinnbringend zu führen, sei es über Eintrittsgelder und/oder öffentliche/private Zuschüsse.

Der Erhebung von Eintrittsgeldern oder die Verpflichtung außenstehender Künstler bei öffentlichen Aufführungen allein dürfte in diesem Zusammenhang jedoch keine entscheidende Bedeutung zukommen. Andernfalls wäre die öffentliche Hand, zur Gewährleistung zumindest eines bestimmten Rest-Umfanges an kulturellem Leben auf einem gewissen Niveau, darauf angewiesen, zur Vermeidung von Abgabepflichttatbeständen Aufführungen gänzlich zu bezuschussen oder wegen der damit einhergehenden Kosten einen erheblichen Rückgang musikalisch-kultureller Veranstaltungen in Kauf zu nehmen. Dies lag indes nicht in der Absicht des Gesetzgebers.

Der, auch vom Bundesverfassungsgericht für die Abgabepflicht im Künstlersozialversicherungsrecht für konstituierend erachtete Zusammenhang von marktwirtschaftlicher Betätigung des "Vermarkters" auf der einen und dem sozialen Schutzbedürfnis von Künstlern auf der anderen Seite, ginge somit verloren, wenn man auf das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht weitgehend verzichtete. Dem entspricht die Informationsschrift Nr. 12 der Beklagten (vgl. Ziffer 3). Danach "kann" sich ab 01.07.2001 bei jährlich mehr als drei musikalischen Veranstaltungen ... eine Abgabepflicht ergeben". Dies ist ergänzend dahingehend auszulegen, dass eine derartige Verpflichtung nur bei einer hinzu kommenden kunstvermarktenden Absicht besteht.

Bei einem Laienchor, wie dem Kläger, ist diese Absicht, wie auch aus dem Gemeinnützigkeitsstatus erkennbar ist, aber von vornherein ausgeschlossen. Denn im Hinblick auf die, zahlenmäßig immer geringer werdenden, öffentlichen Aufführungen und nach der Vereinsatzung ist nicht anzunehmen, dass der überwiegende oder wesentliche Zweck des Klägers in der öffentlichen und in gewissem Maße kommerziellen Aufführung erarbeiteter Chorliteratur liegt, selbst wenn diese auf hohem künstlerischen Niveau steht. Nach dem aufgeführten Gesetzeszweck unterliegen – auch im Hinblick auf die zu bewahrende kulturelle Vielfalt Deutschlands – demzufolge Chöre, bei denen nicht die Vermarktung, sondern die Freude am gemeinsamen Musizieren im Vordergrund steht, nicht der Abgabepflicht.

Nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers (Bundestagsdrucksache 13/5108 S. 17 zu Art. 9 c (zitiert nach LSG Baden Württemberg, Urteil vom 25.04.2007, a.a.O.) sollen derartige Tätigkeiten nicht von einem abgabepflichtigen Tatbestand erfasst werden. Vielmehr ist nach der Gesetzesbegründung – wie geschehen - eine gesetzliche Korrektur zur Einschränkung der gesetzlichen Abgabepflicht geboten, insbesondere bei Vereinen, die das heimatliche Brauchtum pflegen. Wenn dies vor allem für die in der mündlichen Verhandlung zitierten, "Shanty-Gesangsgruppen", Karnevalsvereine, Blaskapellen und Trachtenvereine gelten soll, muss sich diese Geltung erst recht auch auf Vereine der "Musikstadt Leipzig" erstrecken, die sich deren kulturellem musikalischen Erbe von Barock und Romantik in besonderem Maße verpflichtet fühlen.

Wenn somit nach Nr. 2 der Vorschrift nur die "typischen Verwerter" künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen erfasst werden sollen, deren Hauptzweck – wie bei Konzertchören – die öffentliche Aufführung und der Darbietung ist, fallen die von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung beispielhaft erwähnten folkloristischen Gesangsgruppen damit ebenso wenig unter einen abgabepflichtigen Tatbestand wie der Kläger, zumal dieser nicht selbst als Vermarkter fremder künstlerischer Leistungen auftritt und nachvollziehbar durch die erhobenen Eintrittsgelder bei öffentlichen Auftritten nur selten eine Kostendeckung zu erzielen vermag. Insoweit er in der Vergangenheit fremde Künstler beauftragt hatte, hat er hiervon aus finanziellen Gründen in letzter Zeit abgesehen.

Eine Heranziehung zur Künstlersozialabgabe nach § 24 Abs. 2 Satz 1 KSVG bleibt ebenfalls außer Betracht. Danach sind Unternehmer zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler und Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen. Eine derartige Heranziehung (fremder) selbstständiger Künstler bei Aufführung von Chorwerken war hier nicht (mehr) festzustellen. Ferner ist der Kläger auch kein "Unternehmer" im Sinne dieser Vorschrift; denn § 24 Abs. 2 KSVG bezieht sich lediglich auf Unternehmen, die nicht als typische Verwerter künstlerischer oder publizistischer Leistungen in Abs. 3 der Vorschrift genannt sind. Es sollen hierdurch lediglich Unternehmen in die Abgabepflicht einbezogen werden, die nicht bereits von der Aufzählung in Abs. 1 der Vorschrift erfasst werden, gleichwohl aber in vergleichbarer Weise mehr als nur vereinzelt künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen nutzen (so: BSG in SozR 3-5425 § 2 Nr. 11 und § 24 Nr. 21). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich das erkennende Gericht anschließt, handelt es sich bei Abs. 1 Satz 1 und den dort aufgeführten "Katalogunternehmen" um Spezialvorschriften, die vorrangig anzuwenden sind und abschließenden Charakter haben. Für Unternehmen, die wie in Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Vorschrift "Chöre" betreiben, kann der Auffangtatbestand des § 24 Abs. 2 KSVG damit von vornherein nicht greifen (Urteil vom 16.04.1998 a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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