S 39 RJ 1001/03

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
39
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 39 RJ 1001/03
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 RJ 60/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger der Beklagten einen Betrag von 472,58 EUR wegen überzahlter Rentenleistungen zu erstatten hat.

Die Beklagte zahlte ihrem Versicherten, Herrn H. W., eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von zuletzt monatlich 1033,84 EUR. Die Rente wurde auf das Konto des Versicherten bei der D. Bank in Hamburg überwiesen. Von demselben Konto wurde der monatliche Mietzins in Höhe von 472,58 EUR im Wege des Lastschriftverfahrens abgebucht und auf das Konto des Klägers als Hausverwalter des Wohnungseigentümers überwiesen. Am XX.X.2002 verstarb der Versicherte. Am 28.4.2002 wies das Konto ein Guthaben von 439,98 EUR auf, bevor am 29.4.2002 die von der Beklagten gezahlte Rente für den Monat Mai 2002 auf dem Konto des Versicherten einging. Mit Schreiben vom 24.5.2002, dass am 5.6.2002 bei der Bank einging, wurde die Rente durch den Rentenservice der Deutsche Post zurückgefordert. Auf das Rückforderungsverlangen teilte die Bank mit, dass der Kontostand bei Eingang der Rückforderung 0 Euro betragen habe und das Konto am 3.6.2002 aufgelöst worden sei; neue Kontoinhaberin sei Frau I. S ... Nachdem die Beklagte vergeblich versucht hatte, den überzahlten Rentenbetrag von der Erbin Frau I. S. zurückzuerlangen, da diese zwischenzeitlich selbst verstorben war, machte sie den Rückerstattungsbetrag erneut mit Schreiben vom 26.3.2003 gegenüber der Bank geltend. Diese verwies mit Schreiben vom 31.3.2003 auf die diesbezügliche Korrespondenz mit dem Rentenservice der Deutsche Post und übersandte einen Ausdruck der Kontoumsätze des Kontos des Versicherten H. W ... Daraus ergab sich, dass nach Überweisung der Rente durch den Rentenservice noch 8 Kontobewegungen stattgefunden hatten: die Bundeskasse K. hatte 666 EUR Rente für das Versorgungsamt zugunsten des Versicherten gezahlt; anschließend sind noch 44,10 EUR an die F. Versicherungsges., 40,90 EUR H1 S1, 24 EUR an das E-Werk R., am 3.5.2002 an den Kläger die Miete in Höhe von 472,58 EUR, 666 EUR aufgrund eines Rentenrückrufs an die Bundeskasse K., 1050,80 EUR aufgrund der Kontoauflösung an Frau I. S. und 17,94 EUR als Kontoabrechnung vom Konto des Versicherten abgebucht worden. Den Betrag für die Kontoabrechnung forderte die Beklagte mit Schreiben vom 3.4.2003 von der Bank zurück, welcher von dieser auch beglichen wurde. Mit Rückforderungsschreiben vom 3.4.2003 und 19.6.2003 forderte die Beklagte den Kläger unter Fristsetzung auf, den Mietbetrag zurückzuzahlen. Nach dessen ablehnenden Schreiben vom 17.6.2003 und 1.7.2003 machte die Beklagte mit Bescheid vom 9.7.2003 die Erstattung des Betrages in Höhe von 472,58 EUR geltend. Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos und wurde durch Widerspruchsbescheid vom 17.10.2003 zurückgewiesen.

Mit der hiergegen am 29.10.2003 eingereichten Klage wendet sich der Kläger weiterhin gegen das Rückforderungsverlangen der Beklagten. Er hat die Klage im wesentlichen damit begründet, dass er nicht Empfänger der Geldleistungen sei. Zahlungsempfänger sei vielmehr der von ihm vertretene Eigentümer der Wohnung, dem im Ergebnis das Geld zugeflossen sei. Da er nur als Vertreter des Eigentümers aufgetreten sei, hafte er auch nicht gem. § 118 SGB VI. Außerdem seien zum Zeitpunkt der Rentenzahlung 439,98 EUR auf dem Konto vorhanden gewesen und es habe auch nach Abbuchung der Miete noch ein Guthaben in Höhe von 1068,74 EUR bestanden. Die Mietzahlung sei also gerade nicht aus der Rentenzahlung, sondern aus dem Guthaben des Verstorbenen bewirkt worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß nach dem Inhalt der Akten,

den Bescheid vom 9.7.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.10.2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 18.11.2003,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist darauf, dass der Erstattungsanspruch auf § 118 Abs. 4 SGB VI basiere.

Im Erörterungstermin von 5.5.2004 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte der Kammer sowie der Akte der Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer durfte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Wege des schriftlichen Verfahrens entscheiden. Beide Beteiligten haben in dem Erörterungstermin vom 5.5.2004 ihr Einverständnis hierzu erklärt.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 9.7.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.10.2003 ist rechtmäßig. Insbesondere konnte die Beklagte den Anspruch gem. § 118 Abs. 4 Satz 2 SGB VI n.F. durch Verwaltungsakt geltend machen. Denn im Zeitpunkt der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs im Juni und Juli 2003 galt bereits gem. § 300 Abs. 1 SGB VI die neue Fassung des § 118 Abs. 4 SGB VI, nämlich seit dem 29.6.2002. Ebenso hat sie mit dem Schreiben vom 19.6.2003 das nach § 24 SGB X erforderliche Anhörungsverfahren vor Erteilung des Erstattungsbescheides durchgeführt.

Gem. § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI sind so weit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, sowohl die Personen, die die Geldleistungen unmittelbar in Empfang genommen haben oder an die der entsprechende Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet.

Hier liegt ein Fall einer Überzahlung der Rente für Mai 2002 nach dem Tod des Versicherten im April 2002 vor, da nach § 102 Abs. 5 SGB VI die dem Versicherten gewährte Rente mit dem Ablauf des Monats, in dem er verstorben ist, endet, ohne dass es eines Entziehungsbescheides bedarf. Der Kläger gehört bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes als Begünstigter aus dem Lastschriftverfahren zu dem Personenkreis der "Empfänger" der Geldleistung.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist es unbeachtlich, dass die Mietzahlung letztlich wirtschaftlich nicht ihm als Hausverwalter, sondern dem Eigentümer der Wohnung zugeflossen ist. § 118 Abs. 3 SGB VI regelt in seinem Satz 1, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Versicherten auf ein Konto eines Geldinstituts überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten, sodass es auf die Rechtsbeziehungen des Empfängers zu anderen Personen nicht ankommt. Entscheidend ist nur, ob gerade durch den an den Empfänger überwiesenen Betrag das Guthaben auf dem Konto des Versicherten so gemindert wurde, dass es für eine Rücküberweisung des der Rente entsprechenden Betrages durch das gem. § 118 Abs. 3 SGB VI vorrangig verpflichtete Geldinstitut nicht mehr ausreichte (BSG Urteil vom 11.12.2002, Az. B 5 RJ 42/01 R). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Bank hat den hier streitigen Betrag in Höhe von 472,58 EUR am 3.5.2002 nach Gutschrift der Rente am 29.4.2002, aber vor Eingang der Rückforderung am 5.6.2002 vom Konto des Versicherten als Miete für den Monat Mai 2002 auf das Konto des Klägers überwiesen. Erst nachdem die Beklagte im Verwaltungsverfahren die Bank auf Rückzahlung der Rentenüberzahlung in Anspruch genommen hatte, diese ihrer gesetzlichen Rücküberweisungspflicht nachgekommen und eine weitere Rücküberweisung auf Grund der Kontoauflösung auf Veranlassung der Erbin Frau I. S. nicht mehr möglich war, hat die Beklagte den Kläger auf Rückzahlung der Miete in Anspruch genommen. Da infolge der Verfügung zugunsten des Klägers das Guthaben auf dem Konto für eine Rücküberweisung des vollen Rentenbetrages nicht mehr ausreichte, ist der Kläger als Empfänger des entsprechenden Minderungsbetrages verpflichtet, ihn der Beklagten zu erstatten. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, dass es außer dem Kläger noch weitere Personen gibt, die als Verfügende bzw. Empfänger der Geldleistung in Betracht kommen. Zum einen ist der Kläger insoweit geschützt, als der Rentenversicherungsträger –wie hier geschehen- ihn nur in Höhe der Mietzahlung, also insoweit in Anspruch nehmen darf, als eine Empfangnahme durch den Kläger erfolgt ist. Zum anderen ist die Beklagte im Rahmen des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI bei der Frage, von welchem Empfänger bzw. Verfügenden sie die Geldleistung zurückfordert, nicht zur Einhaltung einer bestimmten Reihenfolge verpflichtet. Es muss lediglich feststehen, dass ein Erstattungsanspruch in der entsprechenden Hohe gegen das Geldinstitut nicht mehr geltend gemacht werden kann (BSG Urteil v. 14.11.2002Az.: B 13 RJ 7/02 R). Dies ist -wie zuvor festgestellt- vorliegend der Fall; abgesehen davon hatte die Beklagte zuvor eine Rückforderung gegenüber der Erbin Frau I. S. erfolglos durchzusetzen versucht.

Schließlich kommt es auch auf eine Kenntnis des Klägers von der gesetzlichen Fiktion nicht an. Der Vorbehalt des § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI schließt aus, dass ein rechtlich schutzwürdiges Vertrauen auf die Wirksamkeit von Rechtshandlungen des Geldinstituts entstehen kann und geht insoweit den bereicherungsrechtlichen Vorschriften des Zivilrechts vor (BSG Urt. v. 11.12.2002, Az.: B 5 RJ 42/01 R; Kreikebohm-Schmidt, SGB VI, § 118 Randziffer 12, 13).

Gegenüber dem Erstattungsanspruch der Beklagten kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass zum Zeitpunkt des Eingangs der Rentenzahlung auf dem Konto des verstorbenen Versicherten noch ein Guthaben in Höhe von 439,98 EUR vorhanden war, welches nicht von der gesetzlichen Fiktion des § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI erfasst und damit nicht einredebehaftet war. Der Kläger verkennt damit den Regelungszusammenhang der Absätze 3 und 4 des § 118 SGB VI, aus dem sich ergibt, dass die Empfangnahme der Geldleistung im Sinne von § 118 Abs. 4 SGB VI nicht so zu verstehen ist, dass Kontobewegungen zu Gunsten des Empfängers notwendig unmittelbar aus der Rentenleistung erfolgen. Im unbaren Zahlungsverkehr hat die Rentenzahlung ihren Charakter als Sozialleistung bereits mit der Gutschrift auf dem Konto des verstorbenen Versicherten verloren (BSG Urteil vom 11.12.2002, Aktenzeichen: B 5 RJ 42/01 R). So verweist das Bundessozialgericht in zahlreichen Entscheidungen darauf, dass es bei der "in Empfang genommenen" Geldleistung und dem "entsprechenden Betrag" nicht um die Rentenzahlung als Sozialleistung, sondern um den Wert des Schutzbetrages in Höhe der Rentenzahlung geht (vgl. nur BSG vom 25.1.2001, Az. B 4 RA 64/99 R und BSG vom 14.11.2002, Az. B 13 RJ 7/02 R). So genügt es für die Inanspruchnahme eines Empfängers im Sinne des Abs. 4, dass die Rentenzahlung vor der Verfügung des Geldleistungsempfängers auf das Konto geflossen ist und die Beklagte zuvor erfolglos versucht hat, das Geldinstitut auf Rücküberweisung des Betrages in Anspruch zu nehmen. Dem entspricht, dass sich auch das Geldinstitut gegenüber dem Rentenversicherungsträger nicht darauf berufen kann, dass das Konto im Zeitpunkt der Gutschrift der Rentenzahlung ein Guthaben und kein Minus aufgewiesen habe und damit bereits ein endgültiger Vermögensübergang zu Gunsten des Kontoinhabers eingetreten sei (BSG Urteil vom 9.4.2002, Az. B 4 RA 64/01 R). Dies gilt auch im Verhältnis zum Empfänger im Sinne des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI, der gegenüber dem Geldinstitut nachrangig haftet. Geldleistungsempfänger ist auch derjenige, der den Betrag durch einen das Geldinstitut nach Abs. 3 wirksam entreichernde Verfügung erlangt hat (BSG Urt. v. 9.4.2002, a.a.O.).

Die verschärfte bereicherungsrechtliche Haftung des Geldleistungsempfängers rechtfertigt sich aus dem besonderen Schutzzweck des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI, der darauf gerichtet ist, dem besonderen Interesse des Versicherungsträgers, fehlgeschlagene -unter gesetzlichem Vorbehalt geleistete- Zahlungen rückabzuwickeln, um die Solidargemeinschaft der Versichtern vor Verlusten zu bewahren (BSG Urteil vom 11.12.2002, Az. B 5 RJ 42/01 R).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Berufung bedarf der Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 500 EUR nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Ziff. 1 SGG). Die Berufung wird zugelassen, weil die Rechtssache gem. § 144 Abs. 2 SGG grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtskraft
Aus
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