Zur Unterbrechung der gegen den Betriebsprüfungsbescheid gerichteten Klage nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. März 2024 wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen: Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2019 rechtswidrig ist.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht die im Rahmen einer Betriebsprüfung erfolgte Festsetzung eines Nachforderungsbetrages iHv 187.188,58 € für den Prüfzeitraum 2012 bis 2015. Hintergrund ist die Frage, ob die für die ursprüngliche Klägerin (Insolvenzschuldnerin) tätigen Industriekletterer – ua der Beigeladene – in den Jahren 2012 bis 2015 zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis standen.
Die ursprüngliche Klägerin war eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (im Folgenden: GmbH) und im Bereich der Arbeiten mit Seilzugangstechnik tätig. Dazu zählen Leistungen aus den Bereichen der Bauhaupt- und Baunebengewerke sowie der Außenwerbung, die deutschlandweit und international erbracht werden können (https://web.archive.org/web/20160319155635/http://www..de/). Im Handelsregisterauszug vom 2. November 2007 wird der Gegenstand der Tätigkeit wie folgt beschrieben: „Die Erbringung von Dienstleistungen, Montagearbeiten und Objektbetreuung, insbesondere die Erbringung von Dienstleistungen mittels seilunterstützter Zugangsverfahren“. Hierzu setzte die GmbH Industriekletterer ein. Die GmbH hatte im streitgegenständlichen Zeitraum einen Industriekletterer als Beschäftigten zur Sozialversicherung gemeldet. Zudem waren beide Geschäftsführer der GmbH selbst Industriekletterer. Bei entsprechendem Bedarf wurden weitere Industriekletterer – deren sozialversicherungsrechtlicher Status hier streitig ist – beauftragt. Diese kümmerten sich in vielen Fällen selbst darum, ein Team mit der erforderlichen Anzahl von Kletterern zusammenzustellen, um den Auftrag bearbeiten zu können. Zudem wurde zumindest in einem Fall eine Pauschale an das gesamte Team gezahlt, welches sich sowohl die Arbeitszeit als auch die Bezahlung untereinander aufteilte. In anderen Fällen erfolgte die Beauftragung weiterer Industriekletterer für ein Team durch die GmbH, wobei dies vielfach auf Empfehlung der bereits beauftragten Industriekletterer erfolgte. Konnte aufgrund höherer Gewalt (zB Sturm) ein Auftrag nicht ausgeführt werden, erfolgte in einigen Fällen gleichwohl eine Bezahlung der beauftragten Industriekletterer. Wurde – von Seiten des Auftraggebers der GmbH – eine Stornierung bis zu fünf Werktage vor Auftragsbeginn vorgenommen, war diese Stornierung idR kostenfrei mit der Folge, dass die von der GmbH beauftragten Industriekletterer ebenfalls keine Vergütung erhielten.
Die Industriekletterer führten Inspektions-, Wartungs-, Reparatur- Montage- und Demontagearbeiten in großen Höhen oder an schwer zugänglichen Stellen durch. Das Gewerbe der Industriekletterer ist gesetzlich nicht geregelt. Es hat sich aber für die gewerbliche Anwendung eine entsprechende Ausbildung in Seilzugangstechnik (SZT) (Level 1 bis 3) etabliert, die das Bestehen einer Prüfung und die Ausbildung in Arbeits- und Rettungsverfahren verlangt. Der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken eV (FISAT) tritt als Dachverband und Interessenvertreter der Branche auf. Er gab 1997 Richtlinien zur Ausbildung und Arbeitssicherheit für seilunterstützte Zugangstechnik heraus und bietet seitdem die Möglichkeit, eine von diesem Verband anerkannte Ausbildung zu absolvieren.
In der Zeit vom 25. Februar 2016 bis zum 10. Dezember 2018 führte die Beklagte bei der GmbH eine Betriebsprüfung durch. Dabei ließ sie sich von zahlreichen für die GmbH tätig gewordenen Industriekletterern Fragebögen hinsichtlich ihrer Tätigkeiten ausfüllen. Diese hatten alle ein Gewerbe angemeldet und gaben im Wesentlichen an, eigene Betriebsmittel (insbesondere die Kletterausrüstung) einzusetzen und keine Arbeitsmittel von der GmbH zur Verfügung gestellt zu bekommen. Sie gaben – soweit die entsprechenden Fragebögen ausgefüllt wurden – zudem übereinstimmend an, selbstständig werbend am Markt aufzutreten. Der Zeuge B beispielsweise verfügte – wie auch einige andere – über einen eigenen Internetauftritt. Soweit ersichtlich beschäftigte keiner der Industriekletterer eigene Mitarbeiter. Überwiegend gaben die Industriekletterer an, die Arbeiten nicht persönlich ausführen zu müssen. Teilweise kreuzten sie bei der Frage, ob im Fall ihrer Verhinderung ein Vertreter eingesetzt wurde, „ja“ an. Schriftliche Verträge schloss die GmbH mit den Mitarbeitern nicht ab. Alle Industriekletterer stellten der GmbH ihre Leistungen in Rechnung. Den in der Verwaltungsakte befindlichen Rechnungen ist zu entnehmen, dass die jeweiligen Abrechnungen nicht einheitlich erfolgten. Teilweise wurden Stunden mit unterschiedlichen Stundensätzen abgerechnet, überwiegend wurden jedoch Pauschalen für die einzelnen Aufträge in Rechnung gestellt.
Nach erfolgter Anhörung der GmbH am 5. Juli 2018 setzte die Beklagte mit Betriebsprüfungsbescheid vom 18. Dezember 2018 einen Nachforderungsbetrag iHv insgesamt 187.188,58 € fest. Die im Zusammenhang mit der Betriebsprüfung eingeleiteten sozialversicherungsrechtlichen Beurteilungen hätten zu dem Ergebnis geführt, dass insgesamt 40 freie Mitarbeiter im Prüfzeitraum in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis als Industriekletterer bzw. Hilfsarbeiter für Industriekletterer gestanden hätten. Die tatsächlichen Verhältnisse stellten sich wie folgt dar:
- „Die Arbeiten wurden höchstpersönlich erledigt.
- Die Arbeiten wurden überwiegend nach Stunden bezahlt, in Einzelfällen pauschal.
- Sofern die Arbeiten nicht allein ausgeführt werden konnten, wurde im Team mit anderen Auftragnehmern gearbeitet.
- Die Arbeiten wurden von der SGmbH kontrolliert.
- Es wurde außer den Klettergurten und –seilen nur die eigene Arbeitskraft eingesetzt.“
Die Auftragnehmer seien in den Betrieb der GmbH eingegliedert gewesen, da diese die Organisation der Arbeit übernommen habe, etwa durch Bereitstellung der zu montierenden Werbebanner und weiterer Arbeitskräfte. Die Auftragnehmer seien auch weisungsgebunden gewesen: Kunden der GmbH hätten nach deren Internetauftritt davon ausgehen müssen, dass sämtliche Arbeiten mit eigenem Personal durchgeführt würden, wofür auch viele Fotos der Einsatzorte sprächen. Es sei kein Hinweis darauf erfolgt, dass die GmbH lediglich als Vermittlerin auftrete. Die Tätigkeit sei im Interesse der GmbH erfolgt. Auch hätten weitere typische Merkmale für ein Arbeitsverhältnis vorgelegen: Die Auftragnehmer hätten nur die Bereitstellung ihrer Arbeitskraft geschuldet, seien auf Stundenbasis bezahlt worden, der Arbeitsort sei mit der Auftragserteilung vorgegeben worden, der Einsatz sei erfolgt zur Erfüllung vertraglicher Pflichten der GmbH. Diese habe die Einsätze geplant, organisiert und überwacht, und gegenüber dem Endkunden gehaftet. Die Auftragnehmer hätten keine Werbung gemacht und seien nicht selbst am Markt aufgetreten. Sie hätten über keine eigene Betriebsstätte verfügt und keine eigenen Arbeitnehmer beschäftigt. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche hingegen, dass sie ein Gewerbe angemeldet hätten, die Arbeitszeit hätten frei einteilen können und die Möglichkeit bestanden habe, Aufträge abzulehnen und für andere Auftraggeber tätig zu sein. Es sei auch keine Lohnfortzahlung im Krankheits- und Urlaubsfall geleistet worden, und sie hätten eigenes Kletterzeug und Werkzeug eingesetzt. Dies sei aber im Ergebnis nicht relevant. Bei einer Abwägung sprächen die Weisungsbindung, die Tätigkeit innerhalb einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation und das fehlende Unternehmerrisiko für eine Beschäftigung.
Den dagegen eingelegten Widerspruch der GmbH wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2019 zurück. Die Vergütung der freien Mitarbeiter sei nach Stunden erfolgt bzw. stellenweise pauschal. Ort und Datum der Leistung seien durch die GmbH ebenso wie die Zusammenarbeit mit anderen Auftragnehmern – soweit erforderlich – vorgegeben gewesen. Die Arbeiten seien nach Fertigstellung abgenommen bzw. kontrolliert worden. Die Auftragnehmer seien zwar für mehrere Auftraggeber tätig gewesen, hätten ein Gewerbe angemeldet, eigene Berufshaftpflicht- und Unfallversicherungen unterhalten, keinen Ersatz für Reisekosten erhalten und keine Vergütung bei Urlaub oder Krankheit. Sie seien aber abhängig beschäftigt gewesen: Die Weisungsgebundenheit folge aus dem äußeren Rahmen der zu erledigenden Aufgaben: Die Auftragnehmer hätten keinen unmittelbaren Weisungen hinsichtlich der Einteilung und Gestaltung ihrer Arbeiten unterlegen, jedoch sei durch die GmbH der äußere Rahmen gesetzt worden, innerhalb dessen sie sich hätten bewegen können; es genüge insbesondere bereits die Möglichkeit, das Weisungsrecht wahrzunehmen. Ein unternehmerisches Risiko habe nicht bestanden: Die Vergütung sei nach Abnahme der Arbeit und somit erfolgsabhängig erfolgt. Die Chance, länger oder mehr zu arbeiten, habe auch jeder Arbeitnehmer. Es sei kein Kapital mit der Gefahr eines Verlusts eingesetzt worden.
Mit ihrer am 11. Juli 2019 beim Sozialgericht (SG) Frankfurt (Oder) erhobenen Klage hat die GmbH ihr Begehren weiterverfolgt. Das Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz (Az. S 43 BA 9/19 ER) vor dem SG Frankfurt (Oder) wurde am 4. Juni 2019 durch angenommenes Anerkenntnis beendet.
Das Amtsgericht Frankfurt (Oder) hat am 27. Januar 2020 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet und die Insolvenzgläubiger aufgefordert, ihre Forderungen bis zum 9. März 2020 anzumelden. Alle Einzugsstellen – bis auf die DRV Knappschaft Bahn-See – haben Forderungen zur Tabelle angemeldet. Alle gemeldeten Forderungen sind vom Insolvenzverwalter bestritten worden (vgl. ua Verzeichnis nach § 152 InsO, Bl. 115 ff. der beigezogenen Insolvenzakte des AG Frankfurt (Oder), Az. 3 IN 436/19).
Mit Schreiben vom 15. Mai 2020 hat die Beklagte die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG), § 240 Zivilprozessordnung (ZPO) iVm § 180 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) beantragt.
Das SG Frankfurt (Oder) hat sich mit Beschluss vom 26. Oktober 2020 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Berlin verwiesen. Mit Beschluss vom 22. März 2021 hat das SG eine Beiladung nach § 75 Abs. 2a SGG vorgenommen.
Zur Begründung der Klage ist vorgetragen worden, dass die von der GmbH eingesetzten Industriekletterer nicht abhängig beschäftigt gewesen seien. Eine Eingliederung habe nicht vorgelegen. Industriekletterer seien im Allgemeinen überwiegend selbstständig tätig. Die Beklagte habe konkrete Vertragsinhalte nicht festgestellt. Das Unternehmerrisiko sei nicht von entscheidendem Gewicht. Die Auftragnehmer hätten auch sämtliche Betriebsmittel gestellt. Wegen des weiteren stichpunktartigen Vorbringens zu einzelnen Auftragnehmern wird auf den Schriftsatz vom 28. August 2020 verwiesen.
Das SG Berlin hat in der mündlichen Verhandlung am 5. März 2024 den Insolvenzverwalter beigeladen und I V (Schaufensterdekorateurin), L B(Industriekletterer) sowie S T (Industriekletterer) als Zeugen vernommen. Wegen deren Aussagen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem SG verwiesen.
Mit Urteil vom 5. März 2024 hat das SG Berlin der Klage stattgegeben und den Bescheid vom 18. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juni 2019 aufgehoben. Zur Begründung ist ausgeführt: Das Verfahren sei nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH nach § 202 SGG iVm § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen worden (Verweis auf Landessozialgericht <LSG> Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2022 – L 14 BA 46/21 B – nicht veröffentlicht). Die von der GmbH eingesetzten Auftragnehmer unterlägen in ihrer Tätigkeit für die GmbH nicht aufgrund der Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung. Die Auftragnehmer seien nicht in den Betrieb der GmbH eingegliedert gewesen. Sämtliche Absprachen zwischen ihnen und der GmbH seien nach den übereinstimmenden und überzeugenden Bekundungen der Zeugen und der Geschäftsführer der GmbH mündlich getroffen worden. Die Vereinbarungen seien zudem nicht für einen längeren Zeitraum – etwa in Gestalt einer Rahmenvereinbarung – getroffen worden, sondern für jeden einzelnen Auftrag gesondert. Vor Ort seien die Auftragnehmer weisungsfrei und unabhängig tätig gewesen, insbesondere sei es nur selten zu einer Kontrolle durch die GmbH und einer Endabnahme gekommen. Die Auftragnehmer hätten zwar mit anderen Kletterern zusammengearbeitet, wie es den Vorschriften zur Arbeitssicherheit entsprochen habe und auch üblich gewesen sei, seien aber von Vertretern der GmbH nicht angeleitet oder überwacht worden. Sie hätten sich die anderen Kletterer zudem – wie von den Zeugen übereinstimmend bekundet – selbst ausgesucht; es habe sich bei den Industriekletterern insgesamt um einen kleinen Kreis von sehr spezialisierten Fachkräften gehandelt, die nach Angaben der Zeugen locker miteinander bekannt seien und sich regelmäßig gegenseitig bei Aufträgen unterstützten. Auch insoweit habe es an Vorgaben seitens der GmbH gefehlt; diese habe vielmehr – wie ihr Geschäftsführer F bekundet habe – auf entsprechende Bitten eines Auftragnehmers andere Kletterer für den fraglichen Auftrag mit beauftragt oder alternativ – wie im Fall der Schachtarbeiten in dem Einkaufszentrum „M B" – eine Pauschale an das gesamte Team gezahlt und den einzelnen Kletterern die Aufteilung sowohl des Entgelts wie auch der Tätigkeiten überlassen. Wann die Aufträge erledigt worden seien, hätten die Auftragnehmer auch selbst vorgeben können, wenn es sich um kleinere Aufträge gehandelt habe. Sie seien in keiner Weise etwa in einen Dienstplan der GmbH eingeordnet gewesen. Nach außen seien sie auch nicht als Mitarbeiter der GmbH aufgetreten; sie hätten insbesondere keine einheitliche Arbeitskleidung getragen. Vielmehr dürfe es in der Branche allgemein bekannt sein, dass Industriekletterer – wie vom Kläger mit Presseveröffentlichungen belegt – selbstständig tätig seien. Die Kletterer seien auch selbst werbend am Markt aufgetreten. Sie hätten auch alle über eine eigene Betriebsstätte, zumindest ein Arbeitszimmer oder einen Büroarbeitsplatz zu Hause verfügt, von wo aus sie ihre selbstständige Tätigkeit organisiert hätten. Die Auftragnehmer hätten auch ein Unternehmerrisiko getragen. Die GmbH habe mit ihren Auftragnehmern entgegen der Annahme der Beklagten keine Stundensätze vereinbart, sondern eine Entlohnung nach Pauschalen. Dies hätten ihr Geschäftsführer F sowie die Zeugen übereinstimmend bekundet. Dem stehe nicht entgegen, dass für die Kalkulation dieser Pauschalen zunächst der Zeitaufwand grob herangezogen worden sei. Denn die Pauschale sei auch dann in voller Höhe gezahlt worden, wenn der Auftrag schneller als geplant erledigt worden sei. Dies habe es den Auftragnehmern ermöglicht, durch schnelleres Arbeiten höhere Einnahmen zu erzielen. Die Kehrseite davon sei aber, dass auch nur die Pauschale gezahlt worden sei, selbst wenn der Auftragnehmer für eine Tätigkeit längere Zeit als von ihm vorab kalkuliert benötigt habe. Parallelen zu einem Arbeitsverhältnis fänden sich nur insoweit, als die GmbH den Auftragnehmern auch dann ein Entgelt gezahlt habe, wenn sie ein Poster wegen zu starken Windes nicht hätten aufhängen können. Dies falle aber einerseits (gemessen am Gesamtvolumen der Aufträge) finanziell nicht erheblich ins Gewicht und andererseits handele es sich nicht um eine typische Arbeitnehmerleistung wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bei Urlaub, sondern nur um eine Teilübernahme des Betriebsrisikos aus einer Gefälligkeit den Auftragnehmern gegenüber. Sie sei insbesondere der starken Marktmacht der Auftragnehmer geschuldet, die sich als spezialisierte Gruppe ihre Auftraggeber habe aussuchen können, und habe deren Bindung an die GmbH für zukünftige Aufträge gedient. Bei Abwägung aller dieser Indizien überwögen diejenigen, die für eine selbstständige Tätigkeit sprächen, erheblich. Die Kammer habe auf die Vernehmung weiterer Zeugen verzichten können, weil die Geschäftsführer der GmbH angegeben hätten, mit allen Auftragnehmern die gleichen Vereinbarungen getroffen zu haben, was sich aus den Angaben in den Verwaltungsvorgängen erhärtet habe.
Mit ihrer Berufung hält die Beklagte an ihrer Auffassung fest. Es sei hinsichtlich aller 40 Mitarbeiter von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen auszugehen. Auf die Frage, ob ein Angestelltenverhältnis gewollt sei oder nicht, komme es nicht an. Das SG habe übersehen, dass die zu beurteilenden Personen weisungsgebunden tätig gewesen seien, sobald sie den einzelnen Auftrag angenommen hätten. Die GmbH habe in ihren Auftragsangeboten den Ort, die Zeit und den Inhalt des Auftrages vorgegeben. Die Zeugen hätten in der Vernehmung am 5. März 2024 einheitlich angegeben, dass am Beginn der Tätigkeiten eine konkrete Auftragserteilung und eine Einweisung erfolgt sei. Nehme der Industriekletterer bzw. der Hilfsarbeiter des Industriekletterers das einzelne Angebot an, habe er sich an die Vorgaben der GmbH zu halten. Eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb des Dienstherrn trete nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurück, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet sei (Bezugnahme auf Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 11. März 2009 – B 12 KR 21/07 R –, juris). Die beurteilten Personen hätten ihre Aufträge von der GmbH erhalten und kein Vertragsverhältnis mit den einzelnen Auftraggebern der GmbH geschlossen. Sie hätten dadurch die primäre Verpflichtung der Verträge erfüllt, die die GmbH mit ihren Auftraggebern geschlossen habe. Nach außen hin seien die beurteilten Personen nicht als Selbstständige aufgetreten. Dabei seien sie in ihrer Tätigkeit fremdbestimmt gewesen, da die Vertragserfüllung mit den Auftraggebern im Interesse der GmbH gestanden habe und nicht primär in ihrem eigenen Interesse. Fehlerhaft sei auch die Schlussfolgerung des SG, dass das Vorhalten eines Arbeitszimmers oder eines Büroarbeitsplatzes für die Selbstständigkeit der beurteilten Personen spreche. Ein häusliches Arbeitszimmer werde von Arbeitnehmern und Privathaushalten vielfach vorgehalten. Schließlich überzeuge auch das Indiz für eine Selbstständigkeit nicht, dass die beurteilten Personen werbend am Markt aufgetreten seien (Bezugnahme auf LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 1. November 2017 – L 2 R 227/17 –, juris Rn. 41). Falls ein Auftragnehmer/ Arbeitnehmer für mehrere Auftraggeber/ Arbeitgeber tätig sei, schließe diese Tatsache das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht aus. Für die Beklagte sei weiterhin ein unternehmerisches Risiko nicht erkennbar. Deutliches Indiz für das Vorliegen sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse sei die Tatsache, dass die Auftragnehmer die pauschale Vergütung auch in Zeiten, in denen witterungsbedingt der Auftrag nicht habe durchgeführt werden können, erhalten hätten (dh ohne Erbringung einer Arbeitsleistung).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. März 2024 mit folgender Maßgabe zu ändern: Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2019 rechtmäßig ist.
Der Kläger, dessen Beiladung der Senat im Verhandlungstermin aufgehoben hat, beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. März 2024 mit folgender Maßgabe zurückzuweisen: Es wird festgestellt, dass der Bescheid vom 18. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2019 rechtswidrig ist.
Er hält die angegriffene Entscheidung hinsichtlich der Feststellung, dass die Industriekletterer bezogen auf ihre Tätigkeiten für die GmbH selbstständig waren, für zutreffend.
Der Beigeladene beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. März 2024 mit folgender Maßgabe zurückzuweisen: Es wird festgestellt, dass der Bescheid vom 18. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2019 rechtswidrig ist.
Auch er hält die Beurteilung des Status der Industriekletterer durch das SG für zutreffend und verweist auf sein Vorbringen im Verfahren zum Az. S 36 BA 181/19. Dort hat er ua vorgetragen: Die Bezahlung nach Stunden sei kein taugliches Abgrenzungsargument, weil auch Selbstständige – wie zB Rechtsanwälte – sich teilweise nach Stunden bezahlen ließen. Eine Teamarbeit sei nicht erfolgt. Die Arbeiten seien durch die GmbH auch nicht kontrolliert, sondern abgenommen worden, wie dies bei einem Werkvertrag üblich sei. Es habe auch keine Weisungsgebundenheit bestanden, vielmehr sei eine konkrete Auftragserteilung erfolgt. Eine Eingliederung in den Betrieb der GmbH sei nicht erfolgt. Er habe nur einen Bruchteil seiner Aufträge für die GmbH erbracht. Er habe auch seine Arbeitszeit selbst bestimmt.
Mit Beschluss vom 26. September 2024 hat das SG Berlin das von dem Beigeladenen angestrengte Verfahren zum Az. S 36 BA 181/19 bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens (L 16 BA 21/24) ausgesetzt.
Die Gerichtsakte – auch die beigezogene Akte des SG Berlin zum Az. S 36 BA 181/19 sowie die Insolvenzakte des AG Frankfurt (Oder), Az. 3 IN 436/19 – und die Verwaltungsakte der Beklagten, auf die wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen wird, sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Hinsichtlich der weiteren Ausführungen der Geschäftsführer der GmbH wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte in zulässiger Weise über die Berufung entscheiden. Zwar war das Verfahren aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Beschluss vom 27. Januar 2020) zunächst nach § 202 SGG iVm § 240 ZPO unterbrochen, es wurde aber zulässig durch eine Insolvenzfeststellungsklage nach § 180 Abs. 2 InsO fortgeführt.
Nach § 240 Satz 1 ZPO wird im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Die Frage der Unterbrechung im Fall der Klage gegen einen Betriebsprüfungsbescheid nach § 28p Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV), der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlassen wurde, ist umstritten. Der 4. Senat des LSG Berlin-Brandenburg geht davon aus, dass keine Unterbrechung eintritt, da der Rentenversicherungsträger nur einen Grundlagenbescheid erlässt, der nicht die Insolvenzmasse betrifft (Beschluss vom 7. Mai 2024 – L 4 BA 92/23 B –, juris). Das Sächsische LSG setzt dagegen in seinem Beschluss vom 29. Juni 2018 die Unterbrechung des Verfahrens voraus (Az. L 1 KR 167/18 B –, juris Rn. 22).
Das BSG hat nunmehr klargestellt, dass die Beklagte nicht befugt ist, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Rahmen der Betriebsprüfung Nachforderungen durch Bescheid festzusetzen. Das als Gesamtvollstreckungsverfahren konzipierte Insolvenzrecht soll eine rechtsgebietsübergreifende gleichmäßige Behandlung der Insolvenzforderungen sicherstellen (so BSG, Urteil vom 13. Mai 2025 – B 12 BA 12/23 – Terminbericht Nr. 13/25). Damit können die bislang üblichen auf § 28p Abs. 1 Satz 3 SGB IV beruhenden sog. "Ad-hoc"-Betriebsprüfungen im Fall einer Insolvenz zwar noch durchgeführt werden (vgl. zu diesen Prüfungen BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 R –, juris), sie dürfen jedoch nicht mehr mit einem feststellenden Bescheid beendet werden. Das BSG hat zudem deutlich gemacht, dass die Entscheidung aus dem Jahr 2015 (BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 R –, juris) nur sog. Masseverbindlichkeiten und keine Insolvenzforderungen betraf. Richtig ist zwar, dass die Entscheidung des BSG vom 13. Mai 2025 die Konstellation betrifft, in der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Betriebsprüfung durchgeführt wird. Kann die Beklagte jedoch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Nachforderungen für frühere Zeiträume mehr festsetzen, erscheint es vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BSG wenig nachvollziehbar, wenn die Klage gegen einen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlassenen Betriebsprüfungsbescheid vollständig außerhalb der Vorschriften des Insolvenzrechts „weiterläuft“ (auch von der Unterbrechung des Verfahrens ausgehend vgl. Sächsisches LSG aaO).
Dass das Betriebsprüfungsverfahren seit dem 1. Januar 1999 zweigeteilt ist, also die Überprüfung der Arbeitgeber nicht mehr – wie bis dahin – den Krankenkassen als Einzugsstellen, sondern den Rentenversicherungsträgern obliegt (vgl. hierzu auch BT-Drucks. 13/1205 S. 6) und „nur“ die laufende Überwachung des Meldeverfahrens (vgl. § 28a SGB IV) und – in diesem Zusammenhang – der Einreichung der Beitragsnachweise und der Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags sowie der Beitragseinzug, hier die Geltendmachung von (rückständigen) Beiträgen, weiterhin den Einzugsstellen übertragen ist (vgl. § 28h Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB IV), gilt immer noch. Diese Zweiteilung hätte ein Argument für die Befugnis der Beklagten zur Festsetzung von Nachforderungsbeiträgen auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens darstellen können (so ua LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Oktober 2023 – L 14 BA 47/21 –, juris Rn. 37 ff., in Hinblick auf das Verfahren B 12 BA 12/23 R erledigte sich die anhängige Revision durch angenommenes Anerkenntnis). Das BSG geht aber trotz der Qualifikation des Betriebsprüfungsbescheides als Grundlagenbescheid davon aus, dass der Festsetzung von Beiträgen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die insolvenzrechtlichen Regelungen entgegenstehen. Dies zeigt, dass das BSG die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch für das Betriebsprüfungsverfahren als Zäsur ansieht. Sind in diesem Zusammenhang schon Festsetzungsbescheide erlassen, kann die entsprechende Befugnis nicht rückwirkend entfallen. Dafür greifen dann aber die entsprechenden prozessrechtlichen Instrumentarien, hier § 240 ZPO. Die Vorschrift des § 240 ZPO korrespondiert prozessrechtlich mit der des § 80 Abs. 1 InsO (vgl. ua Dirk Diehm in: Kern/Diehm, ZPO, 2. Aufl, § 240 , Rn. 1).
Die Beklagte hat schon mit Schreiben vom 15. Mai 2020 das Verfahren wirksam aufgenommen. Im sozialgerichtlichen Verfahren gilt § 180 Abs. 2 InsO gemäß § 185 Satz 2 InsO entsprechend. Danach ist die Feststellung einer zur Insolvenztabelle angemeldeten und bestrittenen Forderung durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben, wenn zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig ist. Auch wenn in § 185 Satz 2 InsO nicht ausdrücklich erwähnt, sind auch die Regelungen des § 179 InsO analog anzuwenden. Grundsätzlich obliegt es zwar nach § 179 Abs. 2 InsO dem Kläger als Bestreitendem, seinen Widerspruch durch Aufnahme des Prozesses zu verfolgen, dennoch ist auch der Gläubiger, und damit hier in entsprechender Anwendung der genannten Vorschriften die Beklagte, die in ihrem Grundlagenbescheid mit feststellender Wirkung Bestand und Höhe der jeweiligen Beitragsforderungen geregelt hat, nach § 179 Abs. 1 InsO befugt, die Feststellung gegen den Kläger zu betreiben (vgl. BFH Beschluss vom 5.11.2013 – IV B 108/13 –, juris Rn. 25; vgl auch BSG, Urteil vom 3. Februar 2022 – B 5 R 34/21 R -, juris Rn. 13).
Die Beklagte ist zwar nicht Gläubigerin der zur Insolvenztabelle gemeldeten Forderungen und damit auch nicht Insolvenzgläubigerin. Gläubiger sind die jeweiligen Einzugsstellen, die die Forderungen hier auch zur Insolvenztabelle gemeldet haben. Hier ist jedoch nach Auffassung des Senats eine analoge Anwendung geboten. Die Konstellation, dass eine Behörde einerseits befugt ist, einen Nachforderungsbetrag verbindlich festzusetzen, selbst jedoch nicht Gläubigerin der jeweiligen Forderungen ist, ist im Insolvenzrecht nicht geregelt. Bislang wurde daher mit Blick auf das Urteil des BSG vom 28. Mai 2015 (aaO) die Auffassung vertreten, dass – aufgrund der erfolgten Qualifizierung des Betriebsprüfungsbescheids als Grundlagenbescheid – keine Unterbrechung nach § 240 ZPO eingetreten sei. Vor dem Hintergrund der neuesten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 13. Mai 2025 aaO), die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, ist diese Auffassung indes nicht mehr haltbar. Dafür, dass es sich um eine absichtliche Regelungslücke in der InsO handelt, liegen keine Anhaltpunkte vor. § 179 InsO gilt heute weiterhin in der Fassung vom 5. Oktober 1994 (Inkrafttreten 1. Januar 1999). Zu dem Zeitpunkt, als § 179 InsO erlassen wurde, waren die Einzugsstellen noch für die Festsetzung der Nachforderungsbeträge zuständig. Die Interessenlage der Beklagten ist insoweit auch vergleichbar mit der der Insolvenzgläubiger. Diesen soll die Möglichkeit eingeräumt werden, den Rechtsstreit, an dem sie auch beteiligt waren, nach § 180 Abs. 2 InsO weiter zu betreiben (die Aufnahmebefugnis voraussetzend vgl. auch Sächsisches LSG aaO, aA LSG Berlin-Brandenburg, aaO).
Das aufgenommene Verfahren ist daher als Insolvenzfeststellungsklage weiter zu führen (vgl. auch BSG, Urteil vom 3. Februar 2022 – B 5 R 34/21 R –, juris mwN). Es handelt sich um eine zulässige Antragsanpassung an die insoweit maßgebenden Vorschriften der InsO „wegen einer später eingetretenen Veränderung" (BSG, Urteil vom 22. März 2021 – B 13 R 20/19 R –, juris Rn. 17). Die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit ist nach § 185 Satz 1 InsO gegeben. Aktiv prozessführungsbefugt ist nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur noch der Insolvenzverwalter (§ 80 Abs. 1 InsO), hier also der Kläger. Nach Aufnahme tritt ein Parteiwechsel kraft Gesetzes ein (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, § 240 Rn. 1). Die durch das SG erfolgte Beiladung des Insolvenzverwalters war deshalb aufzuheben. Er führt den Prozess im eigenen Namen für fremdes Vermögen, nicht in Vertretung der Schuldnerin bzw. Versicherten (Kayser/Thole, in: Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 8. Aufl. 2016, § 80 Rdnr. 38; Hessisches LSG, Urteil vom 27. Januar 2017 – L 5 R 270/15 –, Rn. 27, juris).
Der Bescheid vom 18. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2019 ist – wie vom SG zutreffend festgestellt – rechtswidrig. Die Einzugsstellen können deshalb ihre zur Insolvenztabelle gemeldeten Forderungen nicht auf den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2018 stützen.
Nach § 28p Abs. 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftig sind, unterliegen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V, § 20 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – SGB XI) und der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI und § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – SGB III) der Versicherungspflicht.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl. ua BSG, Urteil vom 1. Februar 2022 – B 12 KR 37/19 R –, juris Rn. 12 mwN).
Bei Vertragsgestaltungen, in denen – wie hier – die Übernahme einzelner Einsätze individuell vereinbart wird und insbesondere kein Dauerschuldverhältnis mit Leistungen auf Abruf vorliegt, ist für die Frage der Versicherungspflicht allein auf die Verhältnisse abzustellen, die während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge bestehen (stRspr; vgl. ua BSG Urteil vom 19. Oktober 2021 - B 12 R 17/19 R –, juris Rn. 19 mwN).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass nach dem Gesamtbild der Tätigkeit der Industriekletterer die Indizien für eine abhängige Beschäftigung bei der GmbH überwiegen. Die objektive Beweislast für das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung obliegt hier der Beklagten. Eine gesetzliche Regel, dass im Zweifel eine versicherungspflichtige Beschäftigung anzunehmen ist, existiert nicht (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Januar 2018 – L 7 R 850/17 –, juris Rn. 80, mwN). Die Gesichtspunkte, die nach weit mehr als zehn Jahren – es geht um Tätigkeiten aus den Jahren 2012 bis 2015 – ermittelt werden konnten, sprechen letztlich mehr gegen als für eine abhängige Beschäftigung. Dabei ist zu beachten, dass von einigen der Industriekletterer ausschließlich Rechnungen vorliegen, andere wiederum die Fragebögen nur sehr lückenhaft ausfüllten.
Wie auch das SG geht der Senat davon aus, dass die GmbH hinsichtlich aller Industriekletterer vergleichbare Vereinbarungen getroffen hat. Abzustellen ist dabei bei der sozialversicherungsrechtlichen Statusbeurteilung auf den Zeitpunkt, zu dem der jeweilige Auftrag angenommen wurde. Nach Auffassung des Senats waren die Industriekletterer in ihrer Tätigkeit hinsichtlich Ort, Zeit und Art der Ausführungen keinen Weisungen der GmbH unterworfen. Der Ort der Tätigkeit ergab sich jeweils aus der Natur der Sache. Die Industriekletterer wurden dafür eingesetzt, bestimmte Tätigkeiten vorzunehmen bzw. an bestimmten Orten Plakate etc. anzubringen. Dies ergab sich wiederum aus den Aufträgen, die die GmbH von ihren Kunden angenommen hatte. Dabei ist der Beklagten zwar dahingehend zuzustimmen, dass im Rahmen der Eingliederung grundsätzlich auch Rahmenvereinbarungen, regulatorische Rahmenbedingungen oder "in der Natur der Sache" liegende Umstände zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für vertraglichen Rahmenbedingungen, die zu einer geminderten Autonomie des Mitarbeiters führen und den vorgegebenen organisatorischen Ablauf bestimmen (BSG, Urteil vom 23. April 2024 – B 12 BA 9/22 R –, juris Rn. 26). Solchen Bedingungen ist jedoch nicht zwingend eine entscheidende Indizwirkung für eine abhängige Beschäftigung beizumessen; umgekehrt ist eine abhängige Beschäftigung aber auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich bestimmte Vorgaben aus der Eigenart der Tätigkeit ergeben oder ihr innewohnen. Denn für das nicht an der Privatautonomie ausgerichtete Sozialversicherungsrecht kommt es weniger darauf an, woraus Abhängigkeiten und Bindungen resultieren, sondern darauf, ob und inwieweit im Einzelfall noch Raum für unternehmerische Freiheit zur Gestaltung der Tätigkeit mit entsprechenden Chancen und Risiken verbleibt (BSG, Urteil vom 23. April 2024 – B 12 BA 9/22 R –, juris Rn. 25 mwN). Je enger der übertragene Tätigkeitsbereich abgesteckt ist, weil die Auftrag- oder Arbeitgeberin nicht auf eigene Gestaltungsmöglichkeiten verzichtet, desto weniger Spielraum kann der übertragenen Tätigkeit noch immanent sein (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 R 16/19 R –, juris Rn. 16). Vorliegend ergaben sich die örtlichen Vorgaben bereits aus dem Auftrag, den die GmbH angenommen hatte. Insoweit kam auch der GmbH keine Gestaltungsmöglichkeit zu, weil auch sie nach Auftragsannahme nicht selbst bestimmen konnte, wo beispielsweise das Plakat aufzuhängen war bzw. wo die konkreten Schachtarbeiten durchzuführen waren. Diese einschränkte Gestaltungsmöglichkeit ist zB auch für handwerkliche Aufträge typisch. Vor diesem Hintergrund kann nach Auffassung des Senats gerade bei Aufträgen wie den hier streitgegenständlichen aus den örtlichen Vorgaben nicht auf eine abhängige Beschäftigung geschlossen werden.
Es bestand auch kein Weisungsrecht hinsichtlich Zeit und Dauer der jeweiligen Tätigkeit. Wie den Fragebögen und auch den Zeugenaussagen zu entnehmen ist, gab es teilweise Zeitfenster, bis zu denen die Tätigkeiten erfolgt sein mussten (ua TÜV-Termine). Solche zeitlichen Vorgaben sind jedoch auch bei Gewerken, die zB auf dem Bau koordiniert zusammen arbeiten müssen, oftmals gegeben, ohne dass deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgegangen werden kann. Dass Vorgaben gemacht wurden, wann zB mit dem Aufhängen der Plakate begonnen werden musste, damit der jeweilige Termin eingehalten werden konnte, wurde nicht vorgetragen. Wie auch von einem Geschäftsführer der GmbH in der mündlichen Verhandlung nochmals betont wurde, oblag die zeitliche Kalkulation insoweit den Industriekletterern.
Auch ein inhaltliches Weisungsrecht von Seiten der GmbH lag nicht vor. Zwar wurde in den Fragebögen vereinzelt angegeben, dass es zu eine Abnahme der Aufträge durch die GmbH kam. Diese Abnahme kann aber nicht mit einem inhaltlichen Weisungsrecht gleichgesetzt werden. Sie ist vielmehr auch im Rahmen von Werk- und Dienstverträgen üblich.
Letztlich stellt die Beklagte insbesondere darauf ab, dass sich die Weisungsgebundenheit aus der Eingliederung der Industriekletterer in den Betrieb der GmbH ergeben hat. Dabei ist der Beklagten zuzugestehen, dass die hier streitgegenständliche Tätigkeit der Industriekletterer ausschließlich darin bestand, Aufträge, die die GmbH ihrerseits angenommen hatte, zu erfüllen. Außerdem lässt sich der – nicht mehr existenten und nur noch über „wayback“ im Archiv des Internets recherchierbaren – Homepage der GmbH kein Hinweis entnehmen, dass sie Subunternehmer einsetzte. Umgekehrt liegen jedoch auch keine Unterlagen vor, aus denen sich ergibt, dass die GmbH ausschließlich eigene Mitarbeiter einsetzte. Die Fotos, die sich damals auf dem Internetauftritt der GmbH befanden, zeigen zwar zahlreiche Industriekletterer. Diese tragen jedoch keine einheitliche oder mit dem Logo der GmbH versehene Kleidung. Zudem wurde von Seiten der GmbH auch dargelegt, dass in der Branche bekannt ist, dass die Industriekletterer sich als selbstständig ansehen. Dies ist zwar für die Statusbeurteilung nicht entscheidend, legt aber den Schluss nahe, dass die Auftraggeber der GmbH nicht zwingend davon ausgingen, dass ihre Aufträge ausschließlich von Mitarbeitern der GmbH ausgeführt wurden.
Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass für eine Eingliederung in den Betrieb auch die Teamarbeit sprechen kann. Den Fragebögen in der Verwaltungsakte und den Aussagen der Zeugen in der mündlichen Verhandlung des SG ist zu entnehmen, dass die Aufträge in der Regel zumindest zu zweit durchgeführt wurden. Die Feststellung der Beklagten, dass die Zusammenstellung der Teams durch die GmbH erfolgte, kann den Unterlagen und den Zeugenaussagen jedoch nicht entnommen werden. Der Zeuge B hatte angegeben, entweder selbst einen Kompagnon mitgebracht zu haben, oder es sei ihm einer durch die GmbH gestellt worden. Dies wurde auch so vom Zeugen T bestätigt. Dieser erläuterte, dass sich die Industriekletterer auch gegenseitig anrufen, wenn sie Unterstützung brauchen. Entsprechendes haben die Geschäftsführer auch in der mündlichen Verhandlung des Senats vorgetragen. Dagegen, dass die nur teilweise durch die GmbH erfolgte Teambildung als gewichtiges Indiz für eine Eingliederung in den Betrieb der GmbH zu sehen ist, spricht auch, dass der Geschäftsführer der GmbH T in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, zB bei den Schachtarbeiten an der „M B“ eine Pauschale an das gesamte Team pro Schacht gezahlt zu haben. Die Industriekletterer hätten sich selbst die Kompagnons gesucht und eigenständig Zeit und Arbeit sowie das Geld aufgeteilt. Bei einen Team wisse er auch, dass die anderen Mitarbeiter ihre Rechnungen an den „Level-3-Auftragnehmer“ gestellt hätten und die GmbH die gesamte Pauschale nur an diesen gezahlt habe. Der Geschäftsführer F bestätigte das in der mündlichen Verhandlung durch den Senat. Dies spricht dagegen, dass die Kletterer jeweils bei der GmbH abhängig beschäftigt waren.
Auch die Art der Bezahlung spricht mehr gegen als für eine abhängige Beschäftigung. Die Beklagte war im Betriebsprüfungsbescheid davon ausgegangen, dass die Arbeiten überwiegend nach Stunden bezahlt wurden. Dies ist – wie sich aus den Zeugenvernehmungen und auch überwiegend aus den Fragebögen ergibt – nicht der Fall. Vielmehr wurden primär Pauschalen gezahlt, denen ggf. eine vorab geschätzte Stundenzahl zugrunde lag. Der Zeuge T führte zB aus, dass er mit Blick auf die Pauschalen immer bestrebt war, möglichst schnell zu arbeiten, damit er mehr Freizeit oder die Möglichkeit hatte, noch andere Aufträge anzunehmen.
Die Beklagte führt zudem an, dass die Industriekletterer keinem nennenswerten Unternehmerrisiko ausgesetzt gewesen seien, was ebenfalls für eine abhängige Beschäftigung spreche. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass in Fallkonstellationen, bei denen es um reine Dienstleistungen geht, die grundsätzlich nicht mit größeren Investitionen in Werkzeuge, Arbeitsgeräte oder Arbeitsmaterialien verbunden sind, das Fehlen des klassischen Unternehmerrisikos (Einsatz eigenen Kapitals etc.) nicht ausschlaggebend sein kann (vgl. ua BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 3/17 R –, juris Rn. 18) Andernfalls wäre in diesen Dienstleistungsbereichen keine Selbstständigkeit möglich. Den Industriekletterern war es aber möglich, durch unternehmerische Entscheidungen ihre Gewinne in gewissem Umfang zu steigern. Dies ergab sich insbesondere durch die Zahlung von Pauschalen pro Einsatz. Durch gutes Verhandeln und zügiges Arbeiten war es möglich, die Aufträge schneller abzuarbeiten und damit Zeit für weitere Aufträge zur Verfügung zu haben. Umgekehrt erhielten sie keine Bezahlung, wenn die Aufträge bis zu fünf Werktage vorher durch die Auftraggeber der GmbH storniert wurden.
Gegen eine abhängige Beschäftigung spricht auch, dass die Industriekletterer die Ausrüstung für die Ausführung der Aufträge nicht von der GmbH gestellt bekamen. Übereinstimmend wird in den Fragebögen und von den Zeugen beim SG angegeben, dass jeder Kletterer seine eigenen Gurte und Seile sowie die eigene Schutzausrüstung nutzte. Weitere Materialien (abgesehen zB von den Postern, die vom jeweiligen Auftraggeber der GmbH gestellt wurden) waren nicht erforderlich. Dafür, dass die Ausrüstung gewartet war und den Sicherheitserfordernissen entsprach, trugen die einzelnen Industriekletterer die Verantwortung. Auch waren die Industriekletterer den Angaben in den Fragebögen nach selbst versichert. Es bestand kein Urlaubsanspruch oder ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Mehrere Industriekletterer gaben in den Fragebögen gegenüber der Beklagten an, im Fall der Verhinderung selbst für einen Vertreter gesorgt zu haben.
Die Industriekletterer sind auch überwiegend eigenständig werbend am Markt aufgetreten. Viele verfügen über einen entsprechenden Internetauftritt. Dies trifft zwar teilweise auch auf Arbeitnehmer zu, worauf die Beklagte zutreffend hinweist (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 1. November 2017 – L 2 R 227/17 –, juris Rn. 41). Angesichts dessen, dass viele der Industriekletterer jedoch auch für andere Auftraggeber tätig waren, kommt diesem Indiz in der Zusammenschau mit den weiteren og gegen die abhängige Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkten durchaus Gewicht zu (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, juris Rn. 28).
Der Beklagten ist zuzugestehen, dass auch einige Gesichtspunkte für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Neben dem Punkt, dass teilweise die Teams auch durch die GmbH zusammengestellt wurden, hatte zumindest der Zeuge B vor dem SG auch angegeben, dass er „sozusagen eingearbeitet“ wurde. Zutreffend ist auch, dass die Tatsache, dass teilweise trotz wetterbedingter Absage trotzdem gezahlt wurde, für eine abhängige Beschäftigung sprechen kann. Die Wertung des SG und der GmbH, dass damit sichergestellt werden sollte, dass die Industriekletterer auch weiter für diese arbeiten wollten, muss nicht die einzige Deutung sein. Den für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkten kommt jedoch nicht ein derart starkes Gewicht zu, dass insgesamt hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Tätigkeiten im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung von abhängigen Beschäftigungen ausgegangen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe hierfür (§ 160 Absatz 2 SGG) nicht vorliegen.