Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 4 KR 45/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 10 KR 42/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Beitragspflicht; GKV; einstweilige Anordnung
Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 23. Juli 2009 wird aufgehoben. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den Bescheid der An-tragsgegnerin vom 9. September 2008 in der Fassung des Wider-spruchsbescheides vom 22. April 2009 über die Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller und Beschwerdegegner (im Weiteren: Antragsteller) begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Feststellung seiner Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin (im Weiteren: Antragsgegnerin) und der Beigeladenen (gesetzliche Kranken- und sozialen Pflegeversicherung). Allein streitig ist, ob die Mitgliedschaft über den 31. August 2008 bis zum 31. Juli 2009 fortbestand.
Der Antragsteller ist seit 2004 hauptberuflich selbständig und war Mitglied bei der Antragsgegnerin und der Beigeladenen. Mit einem am 19. Juni 2008 bei der Antrags-gegnerin eingegangenen Schreiben kündigte er seine freiwillige Krankenversicherung und die soziale Pflegeversicherung "zum 1. September 2008". Am 9. September 2008 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller darauf hin, man habe in der Kündigungs-bestätigung darauf hingewiesen, dass eine Mitgliedsbescheinigung der neu gewählten gesetzlichen Krankenkasse oder ein Nachweis über das Bestehen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall innerhalb der Kündigungsfrist vorzulegen sei. Eine solche Bescheinigung sei bis heute nicht eingereicht worden; die Mitgliedschaft bestehe daher über den 31. August 2008 hinaus.
Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit einem am 29. September 2008 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Schreiben und legte dar, von der neuen Krankenversicherung - der U. Versicherung N. - sei mit Tagespost vom 10. August 2008 eine neue Mitgliedsbescheinigung an die Antragsgegnerin übersandt worden. Äußerst vorsorglich sei diese Mitgliedsbescheinigung außerdem am 18. August 2008 bei der Antragsgegnerin in der L. Straße 4 in M. abgegeben worden. Daher sei nicht nachvollziehbar, warum keine Mitgliedsbescheinigung der neuen Krankenversicherung vorliegen solle.
Nach einem Aktenvermerk in der Verwaltungsakte der Antragstellerin hat der Antragsteller am 18. September 2008 vorgesprochen, ohne einen Nachweis vorzulegen. Für den 18. August 2008 gibt es keinen Eintrag im Datenerfassungssystem der Antragsgegnerin. Hierauf wies die Antragsgegnerin den Antragsteller unter dem 6. Oktober 2008 hin.
Nach Ansicht des Antragstellers hätte die neue Krankenversicherung ihn nach § 175 SGB V ohne Vorlage eines Nachweises nicht aufnehmen dürfen. Anderenfalls läge bei Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung eine Doppelversicherung vor, wobei die Rechtsfolgen der §§ 178a Abs. 2, 58 ff. VVG greifen würden. Diese Rechtsunsicherheit könne nicht zu seinen Lasten gehen. Zudem habe er eindeutig an der Kündigung festgehalten. Da nunmehr der Nachweis für die Neuversicherung vorliege, könne die Versicherung auch keinesfalls über den 30. November 2008 hinaus bestehen.
Unter dem 3. Februar 2009 beantragte der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin die "Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Versicherungsbeiträge" und wiederholte seinen bisherigen Vortrag. Da eine anderweitige Versicherung bestehe, stelle die sofortige Vollziehung eine unbillige Härte dar. Auf Nachfrage führte der Antragsteller aus, ihm sei nicht mehr bekannt, wem er einen Nachweis über eine anderweitige Krankenversicherung vorgelegt habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2009 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers zurück und führte zur Begründung u. a. aus, dass bis heute ein entsprechender Nachweis über einen anderweitigen Krankenversicherungsschutz nicht erbracht worden sei.
Mit einem am Sozialgericht Dessau-Roßlau am 18. Mai 2009 eingegangenen Schreiben hat der Antragsteller Klage erhoben und zugleich die "Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Versicherungsbeiträge" ab dem 1. September 2008 beantragt. Zur Begründung hat er behauptet, in der 25. Kalenderwoche 2008 einen Nachweis über seine Neuversicherung bei der AOK Sachsen-Anhalt im Kundencenter W. , D. Allee 50 in W. vorgelegt zu haben. Zudem hat er Beweis angeboten für die Tatsache, dass die U. Lebensversicherung AG den Nachweis über eine Neuversicherung an die Antragsgegnerin abgesandt habe. Am 18. September 2008 habe er selbst diesen Nachweis bei der Beklagten vorgelegt. Außerdem habe sein Versicherungsmakler diesen Nachweis per Fax an die Antragsgegnerin übersandt. Dies könne ein konkret benannter Versicherungsvertreter bezeugen. Im Klageverfahren hat der Antragsteller unter dem 17. Juli 2009 eine Versicherungsbescheinigung der U. Krankenversicherung vom 18. Juni 2008 (Bl. 69 Gerichtsakte) übersandt.
Mit Beschluss vom 23. Juli 2009 hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau "die sofortige Vollziehung der Versicherungsbeiträge ab 1. September 2008" ausgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der erfolgten Feststellung des Fortbestehens der Mitgliedschaft des Antragstellers bei der Antragsgegnerin über den 31. August 2008 hinaus. Das Vorbringen des Antragstellers sei schlüssig und glaubhaft; es sei kein Grund ersichtlich, warum dieser falsche Angaben machen sollte, so dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Feststel-lung des Fortbestehens der Mitgliedschaft beständen. Darüber hinaus stelle es eine unbillige Härte dar, ihn mit der Erhebung von Beiträgen zu belasten, auf deren Gegen-leistung – den Versicherungsschutz – er verzichtet habe. Ein öffentliches Interesse sei insoweit nicht erkennbar.
Gegen den ihr am 4. August 2009 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 24. August 2009 Beschwerde eingelegt. Sie legt dar, der Antragsteller mache ständig unterschiedliche Angaben dazu, wann der Nachweis über das Bestehen einer ander-weitigen Absicherung im Krankheitsfall bei der Antragsgegnerin vorgelegt worden sei. Der 10. August 2008 sei ein Sonntag gewesen; es sei unverständlich, dass an einem Sonntag in einem privaten Krankenversicherungsunternehmen gearbeitet würde und eine Versicherungsbestätigung versandt worden sei.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 23. Juli 2009 aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Versicherungsbeiträge zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Weiter erklärt er, nicht am 18. August 2008 bei der Antragsgegnerin vorgesprochen zu haben. Dieses Datum sei nur auf ein Missverständnis zwischen ihm und seinem Prozessbevollmächtigten zurückzuführen; es handele sich um den 18. September 2008. Die Vorsprache sei auch in D. erfolgt und nicht in Magdeburg, wie die Antragsgegnerin richtig vortrage. Weiter behauptet der Antragsteller, im Rahmen einer Vollstreckungsmaßnahme den Versicherungsschein vorgelegt und diesen sogar in Kopie überreicht zu haben.
Am 12. Mai 2009 hat der Antragsteller erneut bei der Antragsgegnerin vorgesprochen, seine Versicherung gekündigt und einen Nachweis über eine anderweitige Krankenversicherung vorgelegt. Daraufhin hat die Antragsgegnerin - auch handelnd für die Beigeladene - das Ende der Mitgliedschaft des Antragstellers in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung zum 31. Juli 2009 festgestellt.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Streitig sind hier rückständige Beiträge von weit über 750,00 EUR, so dass gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Beschwer-de nicht ausgeschlossen ist.
Die Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgeg-nerin vom 9. September 2008 zu Unrecht angeordnet.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Versicherungspflichten. Zwar besteht ein Streit über eine Versicherungspflicht nur gegenüber der Beigeladenen; bei der Antragsgegnerin war der Antragsteller freiwillig versichert. Jedoch ist § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG hier entsprechend anwendbar; ein Auseinanderfallen der Vollziehbarkeit von Statusentscheidungen in der Kranken- und Pflegeversicherung wäre nicht verständlich. Zudem folgt aus der Mitgliedschaft jeweils die Beitragspflicht; in der Sache will der Antragsteller aber "nur" die Zwangsvollstreckung dieser Beiträge verhindern. Dies wäre ebenfalls ein Fall des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Die Existenz von Beitragsbescheiden aus dem streitigen Zeitraum hat der Kläger allerdings nicht behauptet; solche sind auch nicht erkennbar. Daher sind auch der erstinstanzliche Antrag und der Beschluss des Sozialgerichts über die Aussetzung der "sofortigen Vollziehung der Versicherungsbeiträge ab 1. September 2008" als die Feststellung der Mitgliedschaft betreffend zu verstehen.
Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage ausnahmsweise dennoch angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des privaten Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rn. 12b) zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (dazu unter 1.) oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (dazu unter 2.).
1. Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko in Fällen wie dem vorliegenden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können im Regelfall nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs (Widerspruch oder Klage) überwiegend wahr-scheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbe-helfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen erforderlich sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung im Eilverfahren mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochte-nen Bescheides spricht (vgl. LSG NRW, 24.06.2009 - L 8 B 4/09 R ER - JURIS).
Nach diesen Grundsätzen durfte das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. September 2008 nicht anordnen. Denn nach dem gegenwärtigen Sachstand spricht wenig dafür, dass sich dieser Bescheid als rechtswidrig erweisen wird.
Der Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin unstreitig seit dem Jahre 2004 freiwillig versichert. Nach § 191 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) endet eine freiwillige Mitgliedschaft mit dem Wirksamwerden der Kündigung nach § 175 Abs. 4 SGB V. Eine Kündigung wird gemäß § 175 Abs. 4 Satz 4 SGB V nur wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedsbescheinigung oder das Bestehen einer anderweiti-gen Absicherung im Krankheitsfall nachweist. Da nach § 175 Abs. 4 Satz 2 SGB V eine Kündigung erst zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats möglich ist, hat die Antragsgegnerin das Ende der Mitgliedschaft des Antragstellers in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung (bei vorläufiger Würdigung und vorbehaltlich einer weiteren Beweiserhebung) wahrscheinlich rechtmäßig ausgehend von der Vorlage eines solchen Nachweise am 12. Mai 2009 zum 31. Juli 2009 festgestellt. Der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung folgt nach § 20 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) die Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung.
Nach vorläufiger Prüfung bestehen große Zweifel, ob der Antragsteller einen Nachweis vor dem 12. Mai 2009 vorgelegt hat.
Der Antragsteller hat im laufenden Verfahren eine Vielzahl von Vorsprachen und sonstigen Kontaktaufnahmen mit der Antragsgegnerin behauptet: a) Persönliche Vorsprache in der 25. Kalenderwoche 2008 (16. bis 22. Juni 2008), b) Schreiben der Universa Versicherung Nürnberg vom 10. August 2008 (Sonntag), c) Persönliche Vorsprache am 18. August 2008 (später verneint), d) Persönliche Vorsprache 18. September 2008, e) Telefonate und Fax des Versicherungsmaklers am 21. September 2008 (Sonntag), f) Übergabe einer Kopie des Versicherungsscheins bei der Zwangsvollstreckung.
Unklar ist, warum nur wenige Tage nach der Vorsprache und angeblicher persönlicher Vorlage der Bescheinigung am 18. September 2008 erneut der Versicherungsmakler am 21. September 2008 - einem Sonntag - mit Mitarbeitern der Antragsgegnerin telefoniert haben sollte.
Der Vortrag des Antragstellers ist teilweise wechselhaft. So hat sein Prozessvertreter zunächst eine Vorsprache "in der L. Straße 4, M. im Empfangsbereich am 18.08.2008 gegen 10.00 Uhr" behauptet. Im Beschwerdeverfahren heißt es nun, dies würde auf einem Missverständnis beruhen; tatsächlich sei eine Vorsprache knapp einen Monat später in einer anderen Geschäftsstelle gemeint gewesen (Bl. 66 Gerichtsakte). Dieser "irrtümliche" Vortrag erfolgte damals mit Schreiben vom 24. September 2008 zeitnah und substantiiert; es ist unklar, wie ein solcher Irrtum zustande gekommen ist.
Eine Vorsprache in der 25. Kalenderwoche wurde erstmals mit der Klageerhebung behauptet. Es ist nicht erkennbar, warum dies "mangels erweiterter Sachverhaltserforschung" (so der Antragsteller Bl. 67 Gerichtsakte) nicht früher geschehen konnte. Der Vortrag, dieses Schreiben sei schon zu einem früheren Termin übergeben worden, drängt sich nahezu auf.
Nach eigenen Angaben des Antragstellers im Beschwerdeverfahren wurde der Nachweis über einen anderweitigen Krankenversicherungsschutz insgesamt fünfmal der Antragsgegnerin vorgelegt (persönliche Vorlage in der 25. Kalenderwoche; Schreiben der U. Versicherung; persönliche Vorsprache am 18. September 2008, Fax des Versicherungsmaklers; Übergabe im Rahmen der Zwangsvollstreckung). In seinem letzten Schreiben vom 9. Dezember 2009 deutet er sogar eine weitere Vorlage dieses Nachweises an (ein zweites Mal während der Zwangsvollstreckung). Der Senat hält es für äußerst unwahrscheinlich, dass diese Urkunde fünfmal bei der Antragsgegnerin verloren gegangen sein sollte (vgl. zu einem ähnlichen Fall BSG, 1.10.2009, B 3 P 13/09 B, veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erschwerend kommt hinzu, dass über die Vorsprache am 18. September 2008 zeitnah ein Aktenvermerk angelegt wurde (Bl. 9 Verwaltungsakte). Aus diesem ergibt sich nicht, dass ein Nachweis einer anderweitigen Versicherung vorgelegt wurde. Der Senat hält es für unwahrscheinlich, dass dies in dem Aktenvermerk vergessen wurde und diese Bescheinigung außerdem verloren gegangen ist. Gegebenenfalls müsste dies durch Vernehmung der aus diesem Aktenvermerk ersichtlichen Frau B. geklärt werden.
Es ist problematisch, dass als Beleg für die Übersendung des Nachweises am 21. September 2008 (drei Tage später) lediglich das Zeugnis des Versicherungsmaklers angeboten wird. Üblicherweise existiert ein Faxprotokoll, mit dem zumindest indiziell die Übersendung des Fax belegt werden kann (näher BSG, 20.10.2009 - B 5 R 84/09 B - JURIS). Bei einem Versicherungsmakler sollten solche Faxnachweise im beruflichen Verkehr regelmäßig aufbewahrt werden; dies gilt um so mehr als hier wenig später ein Widerspruch gegen den Bescheid vom 9. September 2009 eingelegt wurde. Warum dies "bei digitaler Speicherung natürlich" "nach so langer Zeit" nicht mehr vorgelegt werden kann, ist nicht nachvollziehbar. Ein Ausdruck einer digitalen Speiche-rung ist regelmäßig auch nach Jahren möglich; die Beweislast für solche nachweislosen Übersendungen trägt der Antragsteller. Es ist auch schwierig, ohne ein solches Faxprotokoll die ordnungsgemäße und störungsfreie Übersendung zu belegen (vgl. BSG a.a.O.). Der Versicherungsmakler kann unter Umständen nur bezeugen, dass er meint, die richtige Faxnummer gewählt und keine Störung bemerkt zu haben.
Der Umstand, dass der Antragsteller unter Beweisantritt vorträgt, jener Nachweis sei von der U. Versicherung mit einfachem Brief an die Antragsgegnerin übersandt worden, ist nicht geeignet, einen Erfolg der Klage herbeizuführen. Denn es ist ohne Weiteres möglich, dass dieses Schreiben auf dem Postwege verloren gegangen ist. Das Risiko hierfür trägt der Antragsteller. Es ist zudem unglaubhaft, dass dieses Schreiben an einem Sonntag versandt wurde.
Für die Übergabe im Rahmen der Zwangsvollstreckung wurde kein Beweismittel benannt; ein solches ist auch nicht ersichtlich. Der Senat hat nicht darüber zu spekulieren, ob und warum die Zwangsvollstreckung ergebnislos verlief. Sollte im Rahmen der Zwangsvollstreckung jener Nachweis vorgelegt worden sein, wäre die Vollstreckung der rückständigen Beiträge dadurch nicht rechtswidrig geworden.
Eine Beweiserleichterung ist dem Antragsteller nicht einzuräumen. Er hätte es in der Hand gehabt, sich den Empfang eines Nachweises über einen anderweitigen Krankenversicherungsschutz im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Antragsgegnerin schriftlich bestätigen zu lassen; er hätte auch diesen Nachweis per Einschreiben mit Rückschein übersenden können. Ein solches Vorgehen hätte sich aufgedrängt, nachdem die Antragsgegnerin unter dem 9. September 2008 den Eingang eines Nachweises in Abrede gestellt hat. Eine negative Tatsache (keinen Zugang eines Nachweises) kann die Beklagte niemals beweisen.
Angesichts dieser Widersprüche, Ungereimtheiten und zumindest teilweise ungeeigneten Beweisangebote bleiben die Angaben des Antragstellers vorerst sehr zweifelhaft. Es kann auch nicht verkannt werden, dass er im Gegensatz zu den Mitarbeitern der Antragsgegnerin ein ganz erhebliches Eigeninteresse an dem Rechtsstreit hat. Im Beschwerdeverfahren hat er eingehend dargelegt, dass die doppelte Beitragszahlung für ihn eine besondere Härte darstellen würde, da er das Geld kaum aufbringen könne. Vor diesem Hintergrund sind seine Behauptungen kritisch zu bewerten.
2. Eine besondere Härte liegt nicht vor. Eine unbillige Härte i. S. v. § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG liegt vor, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinaus gehen und nur schwer wieder gut gemacht werden können (Keller a.a.O., § 86a Rn. 27b m.w.N.).
a) Dabei darf die Ausnahmebestimmung für Fälle der besonderen Härte nach § 86a SGG nicht dazu führen, dass die Vollziehung bei notleidenden Schuldnern auch dann ausgesetzt wird, wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache wie hier überaus zweifelhaft sind. Insoweit sind die beiden Kriterien des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG (Erfolgsausichten und Härte) nicht völlig getrennt zu bewerten. Andernfalls müsste der Antrag auf Aussetzung selbst in wahrscheinlich unbegründeten Verfahren wie hier schon dann Erfolg haben, wenn der Schuldner finanziell fast insolvent ist (vgl. BFH, 27.02.2009 - VII B 186/08 - BFH/NV 2009, 942-943; weiter Bayerischer VGH, 25.01.1988 - 6 CS 87.03857 - JURIS). Dies kann nach der Grundentscheidung des § 86a Abs. 2 Satz 1 SGG nicht richtig sein.
b) Auch unabhängig von dem unter a) soeben Ausgeführten ist keine besondere Härte ersichtlich, da der Antragsteller die streitigen Beiträge - nach seinen Angaben rund 4.500,00 EUR - kurzfristig aufbringen kann. Das Girokonto des Antragstellers wies am 6. September 2009 einen Kontostand von rund 4.000,00 EUR und am 13.9.2009 sogar über 10.000,00 EUR auf (Bl. 105 GA). Am 15. November 2009 betrug der Kontostand rund 6.200,00 EUR und am 3. Dezember 2009 rund 9.000,00 EUR. Hinzu kommt ein Sparbuch mit rund 1.900,00 EUR und ein weiteres Girokonto mit ca. 1.500,00 EUR Guthaben (Stand 3. Dezember 2009). Zwar schwanken diese Beträge. Zu keinem Zeitpunkt hätte der Kläger aber die geforderten Beiträge nicht aus einem Guthaben bezahlen können.
Zudem hat der Antragsteller im monatlichen Durchschnitt im ersten Halbjahr 2009 einen Gewinn von rund 1300,00 Euro erzielt. Davon können nach § 76 Sozialgesetzbuch Viertes Buch Sozialgesetzbuch Beiträge zumindest in Raten gezahlt werden. Zudem sind die im Rahmen der Vollstreckung bestehenden umfangreichen und differenzierenden Schutzvorkehrungen nach den §§ 850 ff Zivilprozessordnung zu berücksichtigen.
Sollte der Antragsteller in der Hauptsache obsiegen, so wäre die Antragsgegnerin zur Rückzahlung der Beiträge nebst Zinsen verpflichtet; an ihrer Zahlungsfähigkeit bestehen keine Zweifel. Auf der anderen Seite legt aber der Antragsteller im Beschwerde-verfahren ausführlich dar, dass seine eigene finanzielle Lage kritisch ist. Seine Einkünf-te schwankten und er erwirtschaftete teilweise auch Verluste. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG soll den Finanzbedarf und damit die Funktionsfähigkeit der Leistungsträger sichern (Adolf in Hennig, SGG-Kommentar, § 86a Rn. 15; Keller a.a.O., § 86a Rn. 13). Die gesetzlich angeordnete sofortige Vollziehbarkeit von Beitragsbescheiden soll vermeiden, dass durch Widersprüche und Klagen die tatsächliche Beitragszahlung bis zu einer stets denkbaren Insolvenz hinausgezögert werden kann mit der Folge, dass dann die Beiträge nur noch teilweise oder überhaupt nicht entrichtet werden. Damit sprechen die noch liquiden Verhältnisse des Antragstellers gerade für eine sofortige Vollziehung der Beitragsforderungen zum jetzigen Zeitpunkt.
Soweit der Antragsteller auf die doppelte Beitragszahlung verweist, so ist diese laufend nicht mehr zu befürchten. Für die Vergangenheit handelt es sich um einen überschaubaren Betrag. Sollte der Antragsteller im Übrigen seinen Vortrag über die rechtzeitige Vorlage eines Nachweises über einen anderweitigen Krankenversicherungsschutz nicht belegen können, so wäre diese doppelte Beitragszahlung die im Gesetz angelegte Folge von Fehlern des Antragstellers; dies gilt auch für den Umstand, dass der Antragsteller nur einen eingeschränkten Versicherungsschutz aufgrund seiner Beitragsrückstände hat (vgl. § 16 Abs. 3a Satz 2 SGB V). Dies alles mag den Antragsteller zwar hart treffen; darin liegt jedoch kein Grund, ihn entgegen dem Gesetz vorzeitig von einer Mitgliedschaft zu befreien. Ob die U. -Versicherung ihrerseits den Antragsteller nicht hätte aufnehmen dürfen, hat der Senat nicht zu klären. Gegenstand des Verfahrens ist nur die Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin und der Beigelade-nen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
gez. Quecke gez. Dr. Ulmer gez. Dr. Waßer
Gründe:
I.
Der Antragsteller und Beschwerdegegner (im Weiteren: Antragsteller) begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Feststellung seiner Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin (im Weiteren: Antragsgegnerin) und der Beigeladenen (gesetzliche Kranken- und sozialen Pflegeversicherung). Allein streitig ist, ob die Mitgliedschaft über den 31. August 2008 bis zum 31. Juli 2009 fortbestand.
Der Antragsteller ist seit 2004 hauptberuflich selbständig und war Mitglied bei der Antragsgegnerin und der Beigeladenen. Mit einem am 19. Juni 2008 bei der Antrags-gegnerin eingegangenen Schreiben kündigte er seine freiwillige Krankenversicherung und die soziale Pflegeversicherung "zum 1. September 2008". Am 9. September 2008 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller darauf hin, man habe in der Kündigungs-bestätigung darauf hingewiesen, dass eine Mitgliedsbescheinigung der neu gewählten gesetzlichen Krankenkasse oder ein Nachweis über das Bestehen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall innerhalb der Kündigungsfrist vorzulegen sei. Eine solche Bescheinigung sei bis heute nicht eingereicht worden; die Mitgliedschaft bestehe daher über den 31. August 2008 hinaus.
Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit einem am 29. September 2008 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Schreiben und legte dar, von der neuen Krankenversicherung - der U. Versicherung N. - sei mit Tagespost vom 10. August 2008 eine neue Mitgliedsbescheinigung an die Antragsgegnerin übersandt worden. Äußerst vorsorglich sei diese Mitgliedsbescheinigung außerdem am 18. August 2008 bei der Antragsgegnerin in der L. Straße 4 in M. abgegeben worden. Daher sei nicht nachvollziehbar, warum keine Mitgliedsbescheinigung der neuen Krankenversicherung vorliegen solle.
Nach einem Aktenvermerk in der Verwaltungsakte der Antragstellerin hat der Antragsteller am 18. September 2008 vorgesprochen, ohne einen Nachweis vorzulegen. Für den 18. August 2008 gibt es keinen Eintrag im Datenerfassungssystem der Antragsgegnerin. Hierauf wies die Antragsgegnerin den Antragsteller unter dem 6. Oktober 2008 hin.
Nach Ansicht des Antragstellers hätte die neue Krankenversicherung ihn nach § 175 SGB V ohne Vorlage eines Nachweises nicht aufnehmen dürfen. Anderenfalls läge bei Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung eine Doppelversicherung vor, wobei die Rechtsfolgen der §§ 178a Abs. 2, 58 ff. VVG greifen würden. Diese Rechtsunsicherheit könne nicht zu seinen Lasten gehen. Zudem habe er eindeutig an der Kündigung festgehalten. Da nunmehr der Nachweis für die Neuversicherung vorliege, könne die Versicherung auch keinesfalls über den 30. November 2008 hinaus bestehen.
Unter dem 3. Februar 2009 beantragte der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin die "Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Versicherungsbeiträge" und wiederholte seinen bisherigen Vortrag. Da eine anderweitige Versicherung bestehe, stelle die sofortige Vollziehung eine unbillige Härte dar. Auf Nachfrage führte der Antragsteller aus, ihm sei nicht mehr bekannt, wem er einen Nachweis über eine anderweitige Krankenversicherung vorgelegt habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2009 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers zurück und führte zur Begründung u. a. aus, dass bis heute ein entsprechender Nachweis über einen anderweitigen Krankenversicherungsschutz nicht erbracht worden sei.
Mit einem am Sozialgericht Dessau-Roßlau am 18. Mai 2009 eingegangenen Schreiben hat der Antragsteller Klage erhoben und zugleich die "Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Versicherungsbeiträge" ab dem 1. September 2008 beantragt. Zur Begründung hat er behauptet, in der 25. Kalenderwoche 2008 einen Nachweis über seine Neuversicherung bei der AOK Sachsen-Anhalt im Kundencenter W. , D. Allee 50 in W. vorgelegt zu haben. Zudem hat er Beweis angeboten für die Tatsache, dass die U. Lebensversicherung AG den Nachweis über eine Neuversicherung an die Antragsgegnerin abgesandt habe. Am 18. September 2008 habe er selbst diesen Nachweis bei der Beklagten vorgelegt. Außerdem habe sein Versicherungsmakler diesen Nachweis per Fax an die Antragsgegnerin übersandt. Dies könne ein konkret benannter Versicherungsvertreter bezeugen. Im Klageverfahren hat der Antragsteller unter dem 17. Juli 2009 eine Versicherungsbescheinigung der U. Krankenversicherung vom 18. Juni 2008 (Bl. 69 Gerichtsakte) übersandt.
Mit Beschluss vom 23. Juli 2009 hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau "die sofortige Vollziehung der Versicherungsbeiträge ab 1. September 2008" ausgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der erfolgten Feststellung des Fortbestehens der Mitgliedschaft des Antragstellers bei der Antragsgegnerin über den 31. August 2008 hinaus. Das Vorbringen des Antragstellers sei schlüssig und glaubhaft; es sei kein Grund ersichtlich, warum dieser falsche Angaben machen sollte, so dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Feststel-lung des Fortbestehens der Mitgliedschaft beständen. Darüber hinaus stelle es eine unbillige Härte dar, ihn mit der Erhebung von Beiträgen zu belasten, auf deren Gegen-leistung – den Versicherungsschutz – er verzichtet habe. Ein öffentliches Interesse sei insoweit nicht erkennbar.
Gegen den ihr am 4. August 2009 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 24. August 2009 Beschwerde eingelegt. Sie legt dar, der Antragsteller mache ständig unterschiedliche Angaben dazu, wann der Nachweis über das Bestehen einer ander-weitigen Absicherung im Krankheitsfall bei der Antragsgegnerin vorgelegt worden sei. Der 10. August 2008 sei ein Sonntag gewesen; es sei unverständlich, dass an einem Sonntag in einem privaten Krankenversicherungsunternehmen gearbeitet würde und eine Versicherungsbestätigung versandt worden sei.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 23. Juli 2009 aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Versicherungsbeiträge zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Weiter erklärt er, nicht am 18. August 2008 bei der Antragsgegnerin vorgesprochen zu haben. Dieses Datum sei nur auf ein Missverständnis zwischen ihm und seinem Prozessbevollmächtigten zurückzuführen; es handele sich um den 18. September 2008. Die Vorsprache sei auch in D. erfolgt und nicht in Magdeburg, wie die Antragsgegnerin richtig vortrage. Weiter behauptet der Antragsteller, im Rahmen einer Vollstreckungsmaßnahme den Versicherungsschein vorgelegt und diesen sogar in Kopie überreicht zu haben.
Am 12. Mai 2009 hat der Antragsteller erneut bei der Antragsgegnerin vorgesprochen, seine Versicherung gekündigt und einen Nachweis über eine anderweitige Krankenversicherung vorgelegt. Daraufhin hat die Antragsgegnerin - auch handelnd für die Beigeladene - das Ende der Mitgliedschaft des Antragstellers in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung zum 31. Juli 2009 festgestellt.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Streitig sind hier rückständige Beiträge von weit über 750,00 EUR, so dass gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Beschwer-de nicht ausgeschlossen ist.
Die Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgeg-nerin vom 9. September 2008 zu Unrecht angeordnet.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Versicherungspflichten. Zwar besteht ein Streit über eine Versicherungspflicht nur gegenüber der Beigeladenen; bei der Antragsgegnerin war der Antragsteller freiwillig versichert. Jedoch ist § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG hier entsprechend anwendbar; ein Auseinanderfallen der Vollziehbarkeit von Statusentscheidungen in der Kranken- und Pflegeversicherung wäre nicht verständlich. Zudem folgt aus der Mitgliedschaft jeweils die Beitragspflicht; in der Sache will der Antragsteller aber "nur" die Zwangsvollstreckung dieser Beiträge verhindern. Dies wäre ebenfalls ein Fall des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Die Existenz von Beitragsbescheiden aus dem streitigen Zeitraum hat der Kläger allerdings nicht behauptet; solche sind auch nicht erkennbar. Daher sind auch der erstinstanzliche Antrag und der Beschluss des Sozialgerichts über die Aussetzung der "sofortigen Vollziehung der Versicherungsbeiträge ab 1. September 2008" als die Feststellung der Mitgliedschaft betreffend zu verstehen.
Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage ausnahmsweise dennoch angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des privaten Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rn. 12b) zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (dazu unter 1.) oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (dazu unter 2.).
1. Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko in Fällen wie dem vorliegenden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können im Regelfall nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs (Widerspruch oder Klage) überwiegend wahr-scheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbe-helfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen erforderlich sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung im Eilverfahren mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochte-nen Bescheides spricht (vgl. LSG NRW, 24.06.2009 - L 8 B 4/09 R ER - JURIS).
Nach diesen Grundsätzen durfte das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. September 2008 nicht anordnen. Denn nach dem gegenwärtigen Sachstand spricht wenig dafür, dass sich dieser Bescheid als rechtswidrig erweisen wird.
Der Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin unstreitig seit dem Jahre 2004 freiwillig versichert. Nach § 191 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) endet eine freiwillige Mitgliedschaft mit dem Wirksamwerden der Kündigung nach § 175 Abs. 4 SGB V. Eine Kündigung wird gemäß § 175 Abs. 4 Satz 4 SGB V nur wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedsbescheinigung oder das Bestehen einer anderweiti-gen Absicherung im Krankheitsfall nachweist. Da nach § 175 Abs. 4 Satz 2 SGB V eine Kündigung erst zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats möglich ist, hat die Antragsgegnerin das Ende der Mitgliedschaft des Antragstellers in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung (bei vorläufiger Würdigung und vorbehaltlich einer weiteren Beweiserhebung) wahrscheinlich rechtmäßig ausgehend von der Vorlage eines solchen Nachweise am 12. Mai 2009 zum 31. Juli 2009 festgestellt. Der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung folgt nach § 20 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) die Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung.
Nach vorläufiger Prüfung bestehen große Zweifel, ob der Antragsteller einen Nachweis vor dem 12. Mai 2009 vorgelegt hat.
Der Antragsteller hat im laufenden Verfahren eine Vielzahl von Vorsprachen und sonstigen Kontaktaufnahmen mit der Antragsgegnerin behauptet: a) Persönliche Vorsprache in der 25. Kalenderwoche 2008 (16. bis 22. Juni 2008), b) Schreiben der Universa Versicherung Nürnberg vom 10. August 2008 (Sonntag), c) Persönliche Vorsprache am 18. August 2008 (später verneint), d) Persönliche Vorsprache 18. September 2008, e) Telefonate und Fax des Versicherungsmaklers am 21. September 2008 (Sonntag), f) Übergabe einer Kopie des Versicherungsscheins bei der Zwangsvollstreckung.
Unklar ist, warum nur wenige Tage nach der Vorsprache und angeblicher persönlicher Vorlage der Bescheinigung am 18. September 2008 erneut der Versicherungsmakler am 21. September 2008 - einem Sonntag - mit Mitarbeitern der Antragsgegnerin telefoniert haben sollte.
Der Vortrag des Antragstellers ist teilweise wechselhaft. So hat sein Prozessvertreter zunächst eine Vorsprache "in der L. Straße 4, M. im Empfangsbereich am 18.08.2008 gegen 10.00 Uhr" behauptet. Im Beschwerdeverfahren heißt es nun, dies würde auf einem Missverständnis beruhen; tatsächlich sei eine Vorsprache knapp einen Monat später in einer anderen Geschäftsstelle gemeint gewesen (Bl. 66 Gerichtsakte). Dieser "irrtümliche" Vortrag erfolgte damals mit Schreiben vom 24. September 2008 zeitnah und substantiiert; es ist unklar, wie ein solcher Irrtum zustande gekommen ist.
Eine Vorsprache in der 25. Kalenderwoche wurde erstmals mit der Klageerhebung behauptet. Es ist nicht erkennbar, warum dies "mangels erweiterter Sachverhaltserforschung" (so der Antragsteller Bl. 67 Gerichtsakte) nicht früher geschehen konnte. Der Vortrag, dieses Schreiben sei schon zu einem früheren Termin übergeben worden, drängt sich nahezu auf.
Nach eigenen Angaben des Antragstellers im Beschwerdeverfahren wurde der Nachweis über einen anderweitigen Krankenversicherungsschutz insgesamt fünfmal der Antragsgegnerin vorgelegt (persönliche Vorlage in der 25. Kalenderwoche; Schreiben der U. Versicherung; persönliche Vorsprache am 18. September 2008, Fax des Versicherungsmaklers; Übergabe im Rahmen der Zwangsvollstreckung). In seinem letzten Schreiben vom 9. Dezember 2009 deutet er sogar eine weitere Vorlage dieses Nachweises an (ein zweites Mal während der Zwangsvollstreckung). Der Senat hält es für äußerst unwahrscheinlich, dass diese Urkunde fünfmal bei der Antragsgegnerin verloren gegangen sein sollte (vgl. zu einem ähnlichen Fall BSG, 1.10.2009, B 3 P 13/09 B, veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erschwerend kommt hinzu, dass über die Vorsprache am 18. September 2008 zeitnah ein Aktenvermerk angelegt wurde (Bl. 9 Verwaltungsakte). Aus diesem ergibt sich nicht, dass ein Nachweis einer anderweitigen Versicherung vorgelegt wurde. Der Senat hält es für unwahrscheinlich, dass dies in dem Aktenvermerk vergessen wurde und diese Bescheinigung außerdem verloren gegangen ist. Gegebenenfalls müsste dies durch Vernehmung der aus diesem Aktenvermerk ersichtlichen Frau B. geklärt werden.
Es ist problematisch, dass als Beleg für die Übersendung des Nachweises am 21. September 2008 (drei Tage später) lediglich das Zeugnis des Versicherungsmaklers angeboten wird. Üblicherweise existiert ein Faxprotokoll, mit dem zumindest indiziell die Übersendung des Fax belegt werden kann (näher BSG, 20.10.2009 - B 5 R 84/09 B - JURIS). Bei einem Versicherungsmakler sollten solche Faxnachweise im beruflichen Verkehr regelmäßig aufbewahrt werden; dies gilt um so mehr als hier wenig später ein Widerspruch gegen den Bescheid vom 9. September 2009 eingelegt wurde. Warum dies "bei digitaler Speicherung natürlich" "nach so langer Zeit" nicht mehr vorgelegt werden kann, ist nicht nachvollziehbar. Ein Ausdruck einer digitalen Speiche-rung ist regelmäßig auch nach Jahren möglich; die Beweislast für solche nachweislosen Übersendungen trägt der Antragsteller. Es ist auch schwierig, ohne ein solches Faxprotokoll die ordnungsgemäße und störungsfreie Übersendung zu belegen (vgl. BSG a.a.O.). Der Versicherungsmakler kann unter Umständen nur bezeugen, dass er meint, die richtige Faxnummer gewählt und keine Störung bemerkt zu haben.
Der Umstand, dass der Antragsteller unter Beweisantritt vorträgt, jener Nachweis sei von der U. Versicherung mit einfachem Brief an die Antragsgegnerin übersandt worden, ist nicht geeignet, einen Erfolg der Klage herbeizuführen. Denn es ist ohne Weiteres möglich, dass dieses Schreiben auf dem Postwege verloren gegangen ist. Das Risiko hierfür trägt der Antragsteller. Es ist zudem unglaubhaft, dass dieses Schreiben an einem Sonntag versandt wurde.
Für die Übergabe im Rahmen der Zwangsvollstreckung wurde kein Beweismittel benannt; ein solches ist auch nicht ersichtlich. Der Senat hat nicht darüber zu spekulieren, ob und warum die Zwangsvollstreckung ergebnislos verlief. Sollte im Rahmen der Zwangsvollstreckung jener Nachweis vorgelegt worden sein, wäre die Vollstreckung der rückständigen Beiträge dadurch nicht rechtswidrig geworden.
Eine Beweiserleichterung ist dem Antragsteller nicht einzuräumen. Er hätte es in der Hand gehabt, sich den Empfang eines Nachweises über einen anderweitigen Krankenversicherungsschutz im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Antragsgegnerin schriftlich bestätigen zu lassen; er hätte auch diesen Nachweis per Einschreiben mit Rückschein übersenden können. Ein solches Vorgehen hätte sich aufgedrängt, nachdem die Antragsgegnerin unter dem 9. September 2008 den Eingang eines Nachweises in Abrede gestellt hat. Eine negative Tatsache (keinen Zugang eines Nachweises) kann die Beklagte niemals beweisen.
Angesichts dieser Widersprüche, Ungereimtheiten und zumindest teilweise ungeeigneten Beweisangebote bleiben die Angaben des Antragstellers vorerst sehr zweifelhaft. Es kann auch nicht verkannt werden, dass er im Gegensatz zu den Mitarbeitern der Antragsgegnerin ein ganz erhebliches Eigeninteresse an dem Rechtsstreit hat. Im Beschwerdeverfahren hat er eingehend dargelegt, dass die doppelte Beitragszahlung für ihn eine besondere Härte darstellen würde, da er das Geld kaum aufbringen könne. Vor diesem Hintergrund sind seine Behauptungen kritisch zu bewerten.
2. Eine besondere Härte liegt nicht vor. Eine unbillige Härte i. S. v. § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG liegt vor, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinaus gehen und nur schwer wieder gut gemacht werden können (Keller a.a.O., § 86a Rn. 27b m.w.N.).
a) Dabei darf die Ausnahmebestimmung für Fälle der besonderen Härte nach § 86a SGG nicht dazu führen, dass die Vollziehung bei notleidenden Schuldnern auch dann ausgesetzt wird, wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache wie hier überaus zweifelhaft sind. Insoweit sind die beiden Kriterien des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG (Erfolgsausichten und Härte) nicht völlig getrennt zu bewerten. Andernfalls müsste der Antrag auf Aussetzung selbst in wahrscheinlich unbegründeten Verfahren wie hier schon dann Erfolg haben, wenn der Schuldner finanziell fast insolvent ist (vgl. BFH, 27.02.2009 - VII B 186/08 - BFH/NV 2009, 942-943; weiter Bayerischer VGH, 25.01.1988 - 6 CS 87.03857 - JURIS). Dies kann nach der Grundentscheidung des § 86a Abs. 2 Satz 1 SGG nicht richtig sein.
b) Auch unabhängig von dem unter a) soeben Ausgeführten ist keine besondere Härte ersichtlich, da der Antragsteller die streitigen Beiträge - nach seinen Angaben rund 4.500,00 EUR - kurzfristig aufbringen kann. Das Girokonto des Antragstellers wies am 6. September 2009 einen Kontostand von rund 4.000,00 EUR und am 13.9.2009 sogar über 10.000,00 EUR auf (Bl. 105 GA). Am 15. November 2009 betrug der Kontostand rund 6.200,00 EUR und am 3. Dezember 2009 rund 9.000,00 EUR. Hinzu kommt ein Sparbuch mit rund 1.900,00 EUR und ein weiteres Girokonto mit ca. 1.500,00 EUR Guthaben (Stand 3. Dezember 2009). Zwar schwanken diese Beträge. Zu keinem Zeitpunkt hätte der Kläger aber die geforderten Beiträge nicht aus einem Guthaben bezahlen können.
Zudem hat der Antragsteller im monatlichen Durchschnitt im ersten Halbjahr 2009 einen Gewinn von rund 1300,00 Euro erzielt. Davon können nach § 76 Sozialgesetzbuch Viertes Buch Sozialgesetzbuch Beiträge zumindest in Raten gezahlt werden. Zudem sind die im Rahmen der Vollstreckung bestehenden umfangreichen und differenzierenden Schutzvorkehrungen nach den §§ 850 ff Zivilprozessordnung zu berücksichtigen.
Sollte der Antragsteller in der Hauptsache obsiegen, so wäre die Antragsgegnerin zur Rückzahlung der Beiträge nebst Zinsen verpflichtet; an ihrer Zahlungsfähigkeit bestehen keine Zweifel. Auf der anderen Seite legt aber der Antragsteller im Beschwerde-verfahren ausführlich dar, dass seine eigene finanzielle Lage kritisch ist. Seine Einkünf-te schwankten und er erwirtschaftete teilweise auch Verluste. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG soll den Finanzbedarf und damit die Funktionsfähigkeit der Leistungsträger sichern (Adolf in Hennig, SGG-Kommentar, § 86a Rn. 15; Keller a.a.O., § 86a Rn. 13). Die gesetzlich angeordnete sofortige Vollziehbarkeit von Beitragsbescheiden soll vermeiden, dass durch Widersprüche und Klagen die tatsächliche Beitragszahlung bis zu einer stets denkbaren Insolvenz hinausgezögert werden kann mit der Folge, dass dann die Beiträge nur noch teilweise oder überhaupt nicht entrichtet werden. Damit sprechen die noch liquiden Verhältnisse des Antragstellers gerade für eine sofortige Vollziehung der Beitragsforderungen zum jetzigen Zeitpunkt.
Soweit der Antragsteller auf die doppelte Beitragszahlung verweist, so ist diese laufend nicht mehr zu befürchten. Für die Vergangenheit handelt es sich um einen überschaubaren Betrag. Sollte der Antragsteller im Übrigen seinen Vortrag über die rechtzeitige Vorlage eines Nachweises über einen anderweitigen Krankenversicherungsschutz nicht belegen können, so wäre diese doppelte Beitragszahlung die im Gesetz angelegte Folge von Fehlern des Antragstellers; dies gilt auch für den Umstand, dass der Antragsteller nur einen eingeschränkten Versicherungsschutz aufgrund seiner Beitragsrückstände hat (vgl. § 16 Abs. 3a Satz 2 SGB V). Dies alles mag den Antragsteller zwar hart treffen; darin liegt jedoch kein Grund, ihn entgegen dem Gesetz vorzeitig von einer Mitgliedschaft zu befreien. Ob die U. -Versicherung ihrerseits den Antragsteller nicht hätte aufnehmen dürfen, hat der Senat nicht zu klären. Gegenstand des Verfahrens ist nur die Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin und der Beigelade-nen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
gez. Quecke gez. Dr. Ulmer gez. Dr. Waßer
Rechtskraft
Aus
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SAN
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