L 7 SO 78/06

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 7 SO 1/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 SO 78/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 19/10 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zur Verwertbarkeit des Rückkaufswertes einer Lebensversicherung im Rahmen des SGB 12

2. Eine Lebensversicherung ist nicht nach § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB 12 als Schonvermögen zur zusätzlichen Altersversorgung unberücksichtigt zu lassen, wenn es sich dabei nicht um Kapital iS des § 10a EStG oder des 11. Abschnitts EStG (sog. Riester-Rente) handelt.

3. Allein die behauptete Zweckbestimmung der Alterssicherung vermag im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB 12 keine allgemeine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB 12 zu begründen.

4. Bleibt bei der Verwertung einer Lebensversicherung der Rückkaufswert um ca. 11 % hinter den eingezahlten Beiträgen zurück, liegt keine Härte iS des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB 12 vor.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 4. September 2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII).

Der 1947 geborene, seit 2001 geschiedene Kläger stellte am 5. August 2005, nach Abmeldung seines Maler- und Lackiererhandwerkbetriebes, bei dem Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Dabei gab er als monatliche Gesamtkosten für seine 58,93 qm große Mietwohnung inklusive Heizungspauschale mit Warmwasser und 33,00 Euro für eine Garage einen Betrag in Höhe von 423,46 Euro an. Hinsichtlich seines Einkommens verwies er auf seine Erwerbsminderungsrente in Höhe von 636,48 Euro monatlich und als Vermögen gab er eine Lebensversicherung und ein Kraftfahrzeug (VW Kombi, Erstzulassung 18. Dezember 1991) an. Eingereicht wurde zudem ein Schreiben der C. AG vom 1. September 2005, nach dem der Rückkaufswert seiner Lebensversicherung (Lebensversicherungs-Nr. xxx; Beginn: 1. August 1992; Ablauf: 1. August 2012) zum 1. Oktober 2005 insgesamt 7.938,60 Euro betrage. In einem weiteren Schreiben vom 12. September 2005 bestätigte die C. AG dem Kläger, dass eine Verwertung der Ansprüche aus dem Vertrag vor dem Ruhestand in Höhe von
- zurzeit 11.600,00 Euro,
- maximal 200,00 Euro je vollendetem Lebensjahr des Versicherungsnehmers und seines Partners,
- höchstens 13.000,00 Euro pro Person vertraglich ausgeschlossen sei. Dieser Verwertungsausschluss gelte ab dem 12. September 2005 und könne nicht widerrufen werden.

Mit Bescheid vom 20. September 2005 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen nach Kapitel 4 des SGB XII an den Kläger ab. Dies wurde damit begründet, dass der Kläger nicht bedürftig sei, da er seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten könne, da er über eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 7.938,60 Euro verfüge.

Mit Schreiben vom 4. Oktober 2005 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass der Rückkauf seiner Lebensversicherung vertraglich ausgeschlossen sei. Zudem stehe ihm ein Freibetrag von 11.600,00 Euro zu; dieser werde durch den Rückkaufswert nicht überschritten. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2005 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger verfüge über eine Lebensversicherung mit einem Wert von 7.938,60 Euro. Davon müsse ein Freibetrag in Höhe von 2.600,00 Euro abgezogen werden. Der im Rahmen der Widerspruchsbegründung angeführte Freibetrag in Höhe von 11.600,00 Euro errechne sich demgegenüber nur bei Anwendung des SGB II. Vorliegend sei jedoch das SGB XII anwendbar. Von dem verbleibenden Teil der Lebensversicherung mit einem Wert von 5.338,60 Euro könne der Kläger seinen Lebensunterhalt bestreiten. Er habe lediglich einen nicht gedeckten Bedarf von 28,02 Euro monatlich. Dieser ergebe sich aus dem Regelsatzbedarf von 345,00 Euro und den Unterkunftskosten in Höhe von 423,46 Euro. Davon müssten die Erwerbsminderungsrente in Höhe von 636,48 Euro und das Tabellenwohngeld in Höhe von 59,00 Euro abgezogen werden. Außerdem könnten die Garagenmiete in Höhe von 33,00 Euro und ein Anteil der Nebenkosten von 11,96 Euro für Warmwasser nicht berücksichtigt werden. In der Verwertung der Lebensversicherung läge schließlich auch keine besondere Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII.

Hiergegen hat der Kläger am 3. Januar 2006 bei dem Sozialgericht Fulda (SG) Klage erhoben, mit der geltend gemacht wird, dass für die Lebensversicherung ein Verwertungsausschluss vereinbart sei und zudem auch ein höherer Bedarf, als von dem Beklagten anerkannt, zugrunde zu legen sei. Bei dem Bedarf des Klägers seien zusätzlich Heizkosten, Garagenmiete, Kraftfahrzeugversicherung, Kraftfahrzeugsteuer, Unfallversicherung, Hausrat- und Haftpflichtversicherung, Krankenzusatzversicherung, Telefon-, Handy- und Stromkosten, ein Mehrbedarf wegen Gesundheitsaufwandes sowie Sonderbedarfe wegen der Kranken- und Pflegeversicherung zu berücksichtigen.

Mit Schriftsatz vom 28. August 2006 erklärte der Beklagte seine Bereitschaft, Leistungen in Höhe von 55,75 Euro monatlich als Darlehen gegen Abtretung des Anspruchs aus der Lebensversicherung in entsprechender Höhe zu gewähren. Mit Schriftsatz vom 31. August 2006 lehnte der Kläger die Gewährung von Leistungen als Darlehen ab und wies darauf hin, dass er das Fehlen einer mit § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II vergleichbaren Regelung im SGB XII für verfassungswidrig halte.

Mit Urteil vom 4. September 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Danach könnten dem Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wegen des von ihm einzusetzenden Vermögens nur im Wege eines Darlehens gewährt werden. Eine solche Darlehensgewährung unter Sicherung des Rückzahlungsanspruchs habe der Kläger jedoch abgelehnt. Ein Anspruch auf Leistungen als Zuschuss stehe dem Kläger jedoch nicht zu. Nach § 90 Abs. 1 SGB XII sei das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Die dem Kläger gehörende Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 7.938,60 Euro zähle zu dem verwertbaren Vermögen. Der Kläger habe zwar mit Wirkung zum 12. September 2005 eine Verwertung der Lebensversicherung vor Eintritt in den Ruhestand vertraglich ausgeschlossen. Dieser Verwertungsausschluss sei auch nach § 165 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz zivilrechtlich wirksam. Dies führe jedoch nicht dazu, dass die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung dieser Lebensversicherung abhängig gemacht werden könne. Nach § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII dürfe die Sozialhilfe lediglich nicht vom Einsatz oder von der Verwertung von Kapital einschließlich seiner Erträge, das der zusätzlichen Altersvorsorge im Sinne des § 10a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes dient und dessen Ansammlung staatlich gefördert wurde, abhängig gemacht werden. Ein solcher Fall liege jedoch bei der vom Kläger bei der C. AG abgeschlossenen Lebensversicherung nicht vor. Eine mit § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II vergleichbare Regelung enthalte das SGB XII nicht. Dies sei auch nicht verfassungswidrig, weil dem Gesetzgeber die Bestimmung obliege, in welchem Maße bei unterschiedlichen Sozialleistungen vorhandenes Vermögen einzusetzen ist. Für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung spreche beispielsweise, dass beim Kreis der Arbeitsuchenden, denen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II gewährt werden, aufgrund ihrer Arbeitsfähigkeit eher davon ausgegangen werden könne, dass bei ihnen nur vorübergehend eine Notlage vorliegt, als bei dem Kreis von Empfängern von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. In dieser Situation könnten jedoch sachliche Gründe dafür vorliegen, das Vermögen derjenigen, bei denen nur eine kurzfristige wirtschaftliche Notlage vorliegt, vor einer möglicherweise auch unwirtschaftlichen Verwertung mehr zu schützen als das Vermögen derjenigen, die ohnehin auf längerfristige staatliche Hilfe angewiesen seien. Die Lebensversicherung des Klägers stelle daher grundsätzlich verwertbares Vermögen dar. Die Gewährung von Sozialhilfe dürfe jedoch nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 (richtig wohl: Nr. 9) SGB XII nicht vom Einsatz oder von der Verwertung kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte abhängig gemacht werden. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII sei deshalb vom Wert der Lebensversicherung des Klägers ein Betrag von 2.600,00 Euro nicht einzusetzen. Im Übrigen stelle die Lebensversicherung jedoch verwertbares Vermögen dar. Nach § 90 Abs. 3 SGB XII dürfe die Sozialhilfe zwar auch nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Die Verwertung der Lebensversicherung des Klägers stelle jedoch keine Härte dar. Besondere Gründe, warum die Verwertung der Lebensversicherung eine Härte darstellen solle, seien nicht vorgetragen worden. Auch soweit sich der Kläger darauf berufe, dass die Lebensversicherung Teil seiner Altersversorgung darstellen solle, liege keine Härte vor. Vielmehr habe der Gesetzgeber hinsichtlich des Schutzes der Altersvorsorge offensichtlich bewusst zwischen dem Kreis der Leistungsempfänger nach dem SGB II und dem SGB XII differenziert, so dass die Möglichkeit der Verwendung der Lebensversicherung für die Altersvorsorge für sich allein eine Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII nicht begründen könne. Mit dem verwertbaren Vermögen in Höhe von 5.338,60 Euro sei der Kläger auch in der Lage, seinen, den von dem Beklagten im Grundsatz zutreffend berechneten Bedarf für längere Zeit aus eigenen Mitteln zu bestreiten, so dass der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen in Form eines Zuschusses habe. Der Kläger könne zwar seine Lebensversicherung aufgrund des vertraglich vereinbarten und zivilrechtlich wirksamen Verwertungsausschlusses nicht vor dem Eintritt in den Ruhestand verwerten. Dies könne jedoch nach § 91 SGB XII nur dazu führen, dass dem Kläger Leistungen, weil die sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich sei, als Darlehen zu gewähren seien. Ein solches Darlehen beanspruche er jedoch ausdrücklich nicht.

Gegen das dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers am 14. September 2006 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger durch seinen neuen Bevollmächtigten am 16. Oktober 2006 (= Montag) Berufung eingelegt. Bei der Lebensversicherung handele es sich zwar unstreitig um Vermögen; dieses sei vorliegend jedoch nicht verwertbar. Dies ergebe sich zum einen aus dem Umstand, dass der Rückkauf der Lebensversicherung vertraglich ausgeschlossen sei und somit rechtliche Gesichtspunkte einer Verwertung entgegenstünden. Zum anderen sei die Lebensversicherung für die Altersversorgung abgeschlossen worden und müsse auch deshalb außer acht bleiben.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 4. September 2006 sowie den Bescheid des Beklagten vom 20. September 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 5. August 2005 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in gesetzlichem Umfang als Zuschuss zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Auf Anforderung des Gerichts hat der Kläger noch die Stellungnahme der D. AG vom 12. Januar 2010 vorgelegt. Danach stehen dem Rückkaufswert der Lebensversicherung (Nr. xxx) in Höhe von 7.938,60 Euro zum 1. Oktober 2005 eingezahlte Beiträge in Höhe von 8.911,23 Euro gegenüber.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten (Nr. xx), die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) ist zulässig; sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung als Zuschuss nicht zu. Der Bescheid des Beklagten vom 20. September 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2005 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Kläger wird dadurch nicht in seinen Rechten verletzt.

Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten ältere und dauerhaft voll erwerbsgeminderte Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland auf Antrag nur, soweit sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 beschaffen können (§ 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Vorliegend bezieht der Kläger nicht nur eine – zwischen den Beteiligten unstreitig – als Einkommen im Sinne des § 82 Abs. 1 SGB XII zu berücksichtigende Erwerbsminderungsrente, sondern er verfügt auch mit der Lebensversicherung Nr. xxx, für die ein Rückkaufswert in Höhe von 7.938,60 Euro ermittelt wurde, über einzusetzendes Vermögen nach § 90 Abs. 1 SGB XII.

Der Verwertung des Rückkaufswertes aus dieser Lebensversicherung steht auch nicht § 90 Abs. 2 SGB XII entgegen. Nach dieser Regelung darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder der Verwertung der dort genannten Vermögen oder Vermögensgegenstände abhängig gemacht werden.

Die Lebensversicherung des Klägers fällt unter keine der in § 90 Abs. 2 SGB XII aufgeführten Fallgruppen. Insbesondere sind die Voraussetzungen von § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII nicht erfüllt. Danach darf die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung eines Kapitals einschließlich seiner Erträge, dass der zusätzlichen Altersvorsorge im Sinne des § 10a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes dient und dessen Ansammlung staatlich gefördert wurde (vgl. hierzu: Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII (2. Aufl., 2008), § 90 SGB XII Rdnr. 18; Zeitler, in: Mergler/Zink, SGB XII (Stand: 12. Erg.-Lfg., September 2008), § 90 Rdnr. 30 f.; Brühl/Geiger, in: LPK-SGB XII (8. Aufl., 2008), § 90 Rdnr. 29 zu § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II: Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II (2. Aufl., 2008), § 12 Rdnr. 44). In der Begründung des Gesetzentwurfes zu der entsprechenden Vorschrift nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II wird insoweit ausdrücklich auf die "Riester-Anlageformen" (BT-Drucks. 15/1516 S. 53) hingewiesen. Ob auch andere Vorsorgeformen von der Regelung erfasst werden (vgl. hierzu: Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II (Stand: 23. Erg.-Lfg., September 2008), § 12 Rdnr. 143; Radüge, in: JURIS PK-SGB II (2. Aufl., 2007), § 12 Rdnr. 6), kann hier dahinstehen. Denn bei der von dem Kläger abgeschlossenen Lebensversicherung handelt es sich jedenfalls nicht um nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge gefördertes Vermögen. Erforderlich ist insoweit nach geltendem Recht zumindest, dass der Sicherung ein nach § 5 des Gesetzes über die Zertifizierung von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen (Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz – AltZertG) vom 26. Juni 2001 (BGBl. I 1310, 1322; zuletzt geändert durch Artikel 23 des Gesetzes vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2794)) durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zertifizierter Altersvorsorgevertrag zu Grunde liegt. Das ist hier nicht der Fall.

Der Kläger ist auch nicht aus Gründen der Gleichbehandlung im Hinblick auf die Lebensversicherung denjenigen Personen gleichzustellen, die über eine den Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII entsprechende Altersvorsorge verfügen. Die Privilegierung des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens gegenüber anderen Anlageformen wie der hier vereinbarten Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall stellt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Sinne von Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) dar. Artikel 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dieses Grundrecht ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Verhältnis zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG, Urteil vom 7. Juli 1992 – 1 BvL 51/86, 1 BvL 50/87, 1 BvR 873/90, 1 BvR 761/91BVerfGE 87, 1 (36) = SozR 3-5761 Allg Nr. 1; BVerfG, Beschluss vom 8. April 1998 – 1 BvL 16/90BVerfGE 98, 1 = SozR 3-5755 Art. 2 § 27 Nr. 1; Jarrass/Pieroth, GG (9. Aufl., 2007), Art. 3 Rdnr. 4 ff.). Derartige Unterschiede zwischen den aufgezeigten Gruppen von Normadressaten sind hier im Hinblick auf die gewählte Versicherungsform gegeben. Durch § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII soll das in die Altersvorsorge investierte Vermögen geschützt werden. In gewissen Grenzen soll daher weder ausdrücklich für die Altersvorsorge zweckgebundenes Vermögen zur Sicherung des Lebensunterhalts herangezogen werden noch die Chance zum weiteren Aufbau einer bereits vorhandenen Alterssicherung verwehrt werden. Zur Wahrung dieses Gesetzeszwecks erfolgt die Anknüpfung des Schutzes des entsprechenden Vermögens an die gesetzlich vorgegebenen Fördervorschriften. Während der Abschluss dieser privaten Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall des Klägers insoweit an keinerlei zwingende Voraussetzungen geknüpft war, erfolgt die staatliche Förderung der Sicherungsformen des § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII nur dann, wenn sie zertifiziert sind und ihre Zweckbestimmung zur Altersvorsorge öffentlich überwacht wird. Dadurch wird sichergestellt, dass die Versicherung auch tatsächlich der Altersvorsorge dient und nicht, wie bei "einfachen" Kapitalversicherungen möglich, das "angesparte" Kapital grundsätzlich jederzeit zur Deckung eines auftretenden Bedarfs – wenn auch mit Verlust – herangezogen werden kann.

Der Forderung nach der Verwertung der Lebensversicherung steht auch nicht § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII entgegen, wonach kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte nicht eingesetzt oder verwertet werden müssen. Kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte in diesem Sinn sind, wenn die Sozialhilfe vom Vermögen der nachfragenden Person abhängig ist, bei nachfragenden Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, sowie bei voll Erwerbsgeminderten im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung und den diesem Personenkreis vergleichbaren Invalidenrentnern 2.600,00 Euro (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 11. Februar 1988 (BGBl. I S. 150; zuletzt geändert durch Art. 15 Nr. 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022); vorhergehende Bezeichnung: Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 des Bundessozialhilfegesetzes). Dieser Wert ist vorliegend überschritten.

Die Lebensversicherung des Klägers war auch nicht nach § 90 Abs. 3 SGB XII berücksichtigungsfrei. Danach darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies insbesondere für den, der das Vermögen einzusetzen hat, eine Härte bedeuten würde. Nach Satz 2 dieses Absatzes ist dies bei Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel SGB XII insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Diese Sonderregelung greift hier bereits deshalb nicht ein, weil vorliegend Leistungen nach dem Vierten Kapitel und nicht nach dem Fünften bis Neunten Kapitel SGB XII in Streit stehen (so auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. August 2009, L 8 B 4/07 SO, Juris-Rdnr. 24).

Es liegt aber auch keine allgemeine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII vor. Bereits aus dem systematischen Zusammenhang zwischen den beiden Sätzen des § 90 Abs. 3 SGB XII ist zu entnehmen, dass allein die von dem Kläger behauptete Zweckbestimmung der Alterssicherung im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung keine Härte zu begründen vermag. Von einer Härte kann insoweit nicht schon dann ausgegangen werden, wenn eine angemessene Lebensführung oder eine angemessene Alterssicherung gefährdet ist, sondern erst, wenn nach Lage des Einzelfalls der Vermögenseinsatz unzumutbar erscheint, wobei auf den aktuellen und künftigen sozialhilferechtlichen Bedarf und nicht auf die bisherige Lebensführung abzustellen ist (Brühl/Geiger in LPKH-SGB XII, 8. Aufl., § 90 Rdnr. 69). Zusammenfassend gesagt muss es sich um einen atypischen Lebenssachverhalt handeln, dem der Gesetzgeber mit den Regelvorschriften des § 90 Abs. 1 und 2 SGB XII nicht gerecht zu werden vermochte (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1966 – V C 88.64BVerwGE 23, 149, 158 f.). Ein solcher atypischer Lebenssachverhalt ist auch nach dem Klägervorbringen im Berufungsverfahren vorliegend nicht erkennbar. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII gerade für Personen vorgesehen sind, die keinen Anspruch mehr auf vorrangige Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld haben und – in Abgrenzung zum Kreis der Leistungsberechtigten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) – auch nicht erwerbsfähig sind.

Deshalb folgt der Senat nicht der zivilrechtlichen Rechtsprechung, die im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung für das PKH-Bewilligungsverfahren eine allgemeine Härte unter weiteren Voraussetzungen annimmt, wenn allein die zu erwartende Altersversorgung Bedürftigkeit im Alter auszuschließen vermag (LAG NRW, 27. Oktober 2009 – 3 TA 638/09 m.w.N.).

Eine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII liegt auch nicht deshalb vor, weil die Verwertung der Lebensversicherung unwirtschaftlich gewesen wäre, da der Rückkaufwert von 7.938,60 Euro zum 1. Oktober 2005 hinter den bis zu diesem Zeitpunkt eingezahlten Beiträgen in Höhe von 8.911,23 Euro zurückblieb. Denn selbst nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit der Verwertung von Kapitallebensversicherungen im Rahmen der Arbeitslosenhilfe und seit 2005 im Rahmen des SGB II wäre der wirtschaftliche Verlust nicht geeignet gewesen, den Verwertungszwang auszuschließen. So liegt nach dieser Rechtsprechung eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II erst dann vor, wenn der mit der Verwertung zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des Vermögensgegenstandes steht (BSG, Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7b AS 66/06 R – BSGE 99, 77 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr. 5). Dabei hat es das Bundessozialgericht bisher vermieden, eine absolute Grenze für die offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung einer Lebensversicherung festzulegen. Allerdings ist den bisherigen Entscheidungen einerseits zu entnehmen, dass diese Grenze jedenfalls dann noch nicht erreicht ist, wenn der Rückkaufwert um 12,9 % hinter den eingezahlten Beiträgen zurückbleibt, und dass andererseits bei einem Verlust von 18,5 % Zweifel an der Wirtschaftlichkeit bestehen können (BSG, a.a.O., Juris-Rdnr. 23 m.w.N.; Urteil vom 15. April 2008 – B 14/7b AS 68/06 R – Juris-Rdnr. 34). Da vorliegend der Rückkaufwert zum 1. Oktober 2005 um knapp 11 % hinter der Summe der eingezahlten Beiträge zurück blieb, dürfte auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Grenze der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit i.S. des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB II noch nicht erreicht sein. Aber selbst wenn dies der Fall sein sollte, kann diese Rechtsprechung nicht eins zu eins auf die Auslegung des Merkmals der Härte im Rahmen des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII übertragen werden (so auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 14. Juni 2005 – L 11 B 206/05 SO ER – FEVS 57, 69 ff; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Februar 2008 – L 2 SO 233/08 ER-B – FEVS 59, 572 ff., jeweils m.w.N.; offengelassen BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 9/06 R – SozR 4-3500 § 90 Nr. 3). Denn zum einen fehlt in § 90 Abs. 3 SGB XII das als Anknüpfungspunkt der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB II dienende Merkmal der "offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit". Zum anderen sollte bei Einführung des SGB XII die bisherige Regelung des § 88 BSHG im Wesentlichen inhaltsgleich in § 90 SGB XII übertragen werden (BT-Drucks. 15/1514 S. 66 zu § 85 des Entwurfs), was auch als Anknüpfung an die bisherige Rechtsprechung verstanden werden kann. Der Senat kann dabei offen lassen, ob die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Verwertbarkeit von Kapitallebensversicherungen, wonach eine Härte i.S. des § 88 Abs. 3 BSHG auch für den Fall abgelehnt wird, dass der Rückkaufwert um mehr als die Hälfte hinter den eingezahlten Beiträgen zurück bleibt (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1997 – 5 C 7/96BVerwGE 106, 105 ff m.w.N.), uneingeschränkt auch für den Bereich des SGB XII zu übernehmen ist. Jedoch legen die aufgezeigten Gesichtspunkte eine vom SGB II abweichende, im SGB XII weitergehende Verwertungsobliegenheit nahe. Dies begründet in Anbetracht des dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Sozialleistungen zustehenden Gestaltungsspielraums auch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz mit der Folge, dass die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Schonung von Vermögen nach dem SGB II uneingeschränkt übertragen werden müsste (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Mai 2004 – 5 C 3/03BVerwGE 121, 34 ff.), zumal sich der Kreis der Leistungsberechtigten nach dem SGB II und nach dem Vierten Kapitel SGB XII im Hinblick auf das das SGB II prägende (vgl. § 1 Abs. 1 SGB II; BT-Drucks. 15/1516 S. 2, 44) Ziel der kurzfristigen Reintegration in den Arbeitsmarkt wesentlich unterscheidet.

Der Kläger verfügte somit - nach Abzug des o.a. kleinen Barbetrags in Höhe von 2.600,00 Euro - über ein einzusetzendes Vermögen in Höhe von 5.338,60 Euro, das seinen Leistungsanspruch grundsätzlich ausgeschlossen hat. Zwar kann der Kläger aufgrund des vertraglich vereinbarten und zivilrechtlich wirksamen Verwertungsausschlusses die Lebensversicherung nicht vor dem Eintritt in den Ruhestand verwerten. In diesem Fall sind Leistungen jedoch regelmäßig nicht als Zuschuss, sondern als Darlehen zu gewähren (§ 91 Satz 1 SGB XII). Ein solches Darlehen wird jedoch von dem Kläger ausdrücklich nicht begehrt.

Somit stehen einem Leistungsanspruch als Zuschuss während des gesamten Zeitraums seit Antragstellung nicht verwertete Vermögenswerte in Form der Lebensversicherung des Klägers entgegen. Denn einsetzbares Vermögen, das tatsächlich für den Lebensunterhalt nicht verbraucht wird, kann der Hilfebedürftigkeit Monat für Monat aufs Neue entgegengehalten werden. So muss ein Hilfebedürftiger vor einer Hilfebewilligung seinen sozialhilferechtlichen Bedarf durch Verwertung des - jeweils noch vorhandenen - Vermögens decken. Die Annahme eines fiktiven Vermögensverbrauchs ist mit der Rechtsnatur der Sozialhilfe, die nur bei einem tatsächlichen Bedarf erforderlich ist, nicht vereinbar. Diese Grundsätze zu § 88 BSHG gelten auch unter der Regelung des § 90 SGB XII fort (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1997 – 5 C 7/96BVerwGE 106,105; Senat, Beschluss vom 18. September 2006, L 7 SO 49/06 ER).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Der Senat hat im Hinblick auf die höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfrage, ob in Fällen vorliegender Art eine besondere Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII anzunehmen ist, gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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