L 9 R 5246/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2376/99
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5246/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage gegen den Bescheid vom 5. Februar 2002 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob dem Kläger höhere Altersrente ohne Kürzung von Entgeltpunkten (EPen) nach § 22 Abs. 4 Fremdrentengesetz (FRG) zusteht.

Der 1939 geborene Kläger nahm nach seiner Übersiedlung aus Rumänien am 29. Dezember 1983 seinen ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist Inhaber des Vertriebenenausweises A. In Rumänien hat er im Zeitraum vom 28. März 1955 bis zum 17. Oktober 1983 rentenversicherungsrechtliche Zeiten zurückgelegt, die nach dem FRG anerkannt sind.

In einem Verfahren zur Herstellung von Versicherungsunterlagen merkte die damalige Landesversicherungsanstalt (LVA) Württemberg (später LVA Baden-Württemberg, inzwischen Deutsche Rentenversicherung [DRV] Baden-Württemberg) mit Bescheid vom 21. September 1998 und Widerspruchsbescheid vom 26. April 1999 u. a. die nach dem FRG anerkannten rentenrechtlichen Zeiten in Rumänien vor und entschied weiter, die EPe für Beitragszeiten seien um ein Sechstel zu kürzen, da sie nur glaubhaft gemacht seien, die gerügte Qualifikationsgruppen(QGr)-Einstufung sei rechtmäßig und die EPe für die in Rumänien zurückgelegten versicherungsrechtlichen Zeiten seien gemäß § 22 Abs. 4 FRG (i. d. F. des Art. 3 Nr. 4 b des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung [Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG -] vom 25. September 1996 [BGBl I Seite 1461], in Kraft getreten am 7. Mai 1996) mit dem Faktor 0,6 zu vervielfältigen.

Deswegen hat der Kläger am 3. Mai 1999 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben (S 8 RJ 2376/99).

Hinsichtlich der Kürzung der EPe für Beitragszeiten um ein Sechstel und der QGr-Einstufung hat das SG das Verfahren mit Beschluss vom 22. September 1999, berichtigt durch Beschluss vom 10. Januar 2000, abgetrennt (und unter dem Aktenzeichen S 8 RJ 6073/99 geführt) und mit Beschluss vom 18. Oktober 1999 das Ruhen des abgetrennten Verfahrensteils angeordnet. Auf dessen Wiederanrufung am 29. März 2001 hat die Beklagte in dem fortgesetzten Verfahren (S 8 RJ 1683/01) am 19. April 2001 ein Anerkenntnis abgegeben (Anrechnung der Versicherungszeiten zu sechs Sechstel, QGr 4 bereits ab 29. März 1964), das der Kläger zur Erledigung des Rechtsstreits angenommen hat. Die geltend gemachten Kosten sind ihm erstatten worden. Die Beklagte hat dann den Ausführungsbescheid vom 2. Juli 2001 erlassen.

Hinsichtlich der Kürzung der EPe nach § 22 Abs. 4 FRG (i. d. F. des WFG) hat das SG die Klage mit Urteil vom 22. September 1999 abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht die Kürzung der EPe vorgenommen. Die Regelung verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil verwiesen.

Gegen das am 22. Oktober 1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. November 1999 Berufung eingelegt, mit welcher er weiterhin eine Anrechnung seiner EPe ohne Kürzung nach § 22 Abs. 4 FRG begehrt hat. Der Senat hat dieses Berufungsverfahren L 9 RJ 4560/99 im Hinblick auf Vorlagebeschlüsse des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Klärung der Frage, ob § 22 Abs. 4 FRG (i. d. F. des WFG) in Verbindung mit Art. 6 § 4 c des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) in der Fassung des Art. 4 Nr. 4 WFG verfassungsgemäß ist, mit Beschluss vom 17. April 2000 ausgesetzt.

Mit Bescheid vom 5. Februar 2002 hat die DRV Baden-Württemberg dem Kläger auf Antrag vom 10. Dezember 2001 Altersrente für langjährig Versicherte ab 1. Mai 2002 unter Berücksichtigung der bis dahin anerkannten versicherungsrechtlichen Zeiten bewilligt.

Mit Bescheid vom 17. August 2006 hat die DRV Unterfranken, jetzt DRV Nordbayern, die Zahlung der Rente übernommen, da sie auf Grund des deutsch-rumänischen Sozialversicherungsabkommens inzwischen zum zuständigen Rentenversicherungsträger bestimmt worden war.

Nachdem das BVerfG auf die Vorlagebeschlüsse mit Beschlüssen vom 13. Juni 2006 (BvL 9/00 u. a.) den Gesetzgeber aufgefordert hat, bis 31. Dezember 2007 eine Übergangsregelung für die Absenkung der EPe nach dem FRG zu schaffen, hat dieser durch das am 30. April 2007 verkündete RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz Art. 6 § 4 c FANG um Abs. 2 mit Wirkung vom 1. Oktober 1996 ergänzt (Gewährung eines Zuschlags bei Rentenbeginn vor dem 1. Juli 2000).

Am 5. November 2009 hat der Kläger beantragt, das ausgesetzte Verfahren wieder aufzunehmen. Er wendet sich weiter gegen die Kürzung der EPe nach § 22 Abs. 4 FRG und hält auch die vom Gesetzgeber geschaffene Übergangsregelung für verfassungswidrig. Die verabschiedete gesetzliche Regelung entspreche immer noch nicht dem gebotenen Vertrauensschutz, sowohl bzgl. der Höhe der Prozentsätze, insbesondere also bzgl. ihrem zu schnellen Abschmelzen, wie auch bzgl. der kurzen Dauer der Übergangsfrist.

Im Hinblick darauf, dass die DRV Nordbayern als für die Zahlung der Rente zuständiger Rentenversicherungsträger an die Stelle der bisher verklagten DRV Baden-Württemberg getreten ist, wobei es sich um eine Funktionsnachfolge handelt, hat der Senat die DRV Baden-Württemberg aus dem Verfahren entlassen und die DRV Nordbayern, gegen die der Kläger sinngemäß seine Klage nun auch gerichtet hat, als Beklagte aufgenommen.

Der Kläger beantragt - wie zum Teil ausdrücklich erklärt -,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. September 1999 aufzuheben und den Bescheid vom 21. September 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. April 1999 sowie den Bescheid vom 5. Februar 2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Altersrente ohne Kürzung von Entgeltpunkten nach § 22 Abs. 4 FRG zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, sachdienlich gefasst,

die Klage gegen den Bescheid vom 5. Februar 2002 abzuweisen.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung höherer Rente. Die EPe seien nach § 22 Abs. 4 FRG zu kürzen. Der Kläger falle auch nicht unter die vom Gesetzgeber auf die Entscheidung des BVerfG geschaffene Übergangsregelung im am 30. April 2007 verkündeten RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG, nach dem einmalig am Rentenbeginn ein Zuschlag an persönlichen EPen zu ermitteln sei, da die Rente des Klägers erst nach dem 30. Juni 2000 begonnen habe. In diesem Fall sei ein Zuschlag nicht zu ermitteln.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die vorgelegten Verwaltungsakten sowie die Akten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet über das Begehren im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Kläger hat die Berufung gegen das Urteil vom 22. September 1999 form- und fristgerecht eingelegt. Durch den Bescheid vom 5. Februar 2002, mit dem dem Kläger eine Altersrente bewilligt worden ist, ist allerdings das Urteil gegenstandslos geworden, da der Bescheid vom 21. September 1998 und der Widerspruchsbescheid vom 26. April 1999 sowie der Ausführungsbescheid vom 2. Juli 2001 gemäß §§ 153, 96 SGG ersetzt wurden. Damit gehen die Berufung und das Begehren auf Aufhebung des Bescheids vom 21. September 1998 sowie des Widerspruchsbescheids vom 26. April 1999 insoweit ins Leere. Es besteht insofern auch kein Rechtsschutzbedürfnis. Über den Bescheid vom 5. Februar 2002 entscheidet das Landessozialgericht auf Klage (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar 9. Auflage § 96 Rdnr. 7). Der Bescheid vom 17. August 2006 hat hinsichtlich der Berechnung der Rente und der Rentenhöhe keine neue Regelung getroffen und insoweit den Bescheid vom 5. Februar 2002 auch nicht ersetzt. Er wird vom Kläger auch nicht angefochten.

Die Klage gegen den Bescheid vom 5. Februar 2002 ist unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Altersrente ohne Kürzung gemäß § 22 Abs. 4 FRG hat. Die Beklagte hat die Rente des Klägers auch richtig berechnet.

Gemäß § 22 Abs. 4 FRG in der ab dem 7. Mai 1996 geltenden Fassung sind die nach § 22 Abs. 1 und 3 FRG maßgeblichen EPe mit dem Faktor 0,6 zu multiplizieren. Die Bestimmung in dieser Fassung ist auch auf den Kläger anzuwenden und er hat keinen Anspruch auf einen Zuschlag bei den EPen, da für ihn kein Rentenanspruch vor dem 1. Januar 1990 (Art. 6 § 4 Abs. 2 FANG) bzw. 1. Oktober 1996 (Art. 6 § 4 c Abs. 1 FANG) besteht. Das BVerfG hat § 22 Abs. 4 FRG (i. d. F. des WFG) nicht für grundsätzlich verfassungswidrig erachtet, sondern nur eine Übergangsregelung für rentennahe Jahrgänge gefordert.

Der Kläger hat über die zuerkannte Rente hinaus keinen Anspruch auf einen Zuschlag an EPen gemäß Art. 6 § 4 c Abs. 2 FANG. Danach wird für Berechtigte, die vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben, deren Rente nach dem 30. September 1996 beginnt und über deren Rentenantrag oder über deren bis 31. Dezember 2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheids am 30. Juni 2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, für diese Rente einmalig zum Rentenbeginn ein Zuschlag an persönlichen EPen ermittelt. Der Zuschlag an persönlichen EPen ergibt sich aus der Differenz zwischen der mit und ohne Anwendung des § 22 Abs. 4 des FRG ermittelten Summe aller persönlichen EPe. Dieser Zuschlag wird monatlich für die Zeit des Rentenbezugs vom 1. Oktober 1996 bis 30. Juni 1997 voll, vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 zu drei Vierteln, vom 1. Juli 1998 bis 30. Juni 1999 zur Hälfte und vom 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2000 zu einem Viertel gezahlt. Für die Zeit des Rentenbezugs ab 1. Juli 2000 wird der Zuschlag nicht gezahlt (Art. 6 § 4c Abs. 2 Satz 4 FANG). § 88 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) findet keine Anwendung, § 44 Abs. 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) findet Anwendung (Art. 6 § 4c Abs. 5 und 6 FANG).

Verfassungsrechtliche Bedenken im Bezug auf die Höhe und die zeitliche Begrenzung des Anspruchs auf einen Zuschlag an EPen für Rentenbezugszeiten bis Juni 2000 bestehen beim Senat nicht. Durch die Regelung des Art. 6 § 4 c Abs. 2 FANG hat der Gesetzgeber die Vorgaben des BVerfG umgesetzt, die ihm mit den Beschlüssen vom 13. Juni 2006 (1 BvL 9/00 u. a.) gemacht worden sind. Das BVerfG hat mit diesen Beschlüssen festgestellt, dass die Absenkung der EPe auf 60 % durch § 22 Abs. 4 FRG verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Der Gesetzgeber sei jedoch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes gehalten, auf Interessen der zum damaligen Zeitpunkt rentennahen Jahrgänge durch Erlass einer Übergangsregelung Rücksicht zu nehmen, die eine auf Rentenzugänge ab 1. Oktober 1996 ohne Einschränkung auf sofort wirksame Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG verhindere. Das BVerfG hat dabei ausdrücklich die nähere Ausgestaltung der übergangsrechtlichen Regelung in das Ermessen des Gesetzgebers gestellt. Dieser könne rentennahe Jahrgänge in größerem Umfang als bisher aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung von der Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG 1996 ausnehmen. Entschließe er sich zu einer gestuften Übergangsregelung sei es seine Sache zu regeln, in welchem Zeitraum und in welchen Zeitstufen die Anpassung erfolgen solle. Dies ist durch Art. 6 § 4 c Abs. 2 FANG in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise geschehen.

Wie das BSG (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009, B 5 R 38/08 R = SozR. 4-5050 § 22 Nr. 9 und Urteil vom 25. Februar 2010, B 13 R 61/09 R in SozR. 4-5050 § 22 Nr. 10) entschieden hat, erfüllt die Stufenregelung des Art. 6 § 4 c Abs. 2 FANG die Vorgaben des BVerfG im Beschluss vom 13. Juni 2006 für eine vertrauensschützende Übergangsregelung zu Gunsten rentennaher Jahrgänge anlässlich der Kürzung der EPe im Fremdrentenrecht um 40 %. Die Rentenkürzung nach § 22 Abs. 4 FRG verstößt weder gegen Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) noch gegen Art. 3 GG (BSG a.a.O. m.w.N.). Dem schließt sich der Senat an.

Da die Rente des Klägers erst ab 1. Mai 2002 begonnen hat, verbleibt es bei der Kürzung der EPe nach § 22 Abs. 4 FRG und hat er auch keinen Anspruch auf Zuschlag zu den EPen.

Aus den vorstehenden Gründen weist der Senat die Klage ab. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor, da die Anwendbarkeit der Übergangsregelung und deren Verfassungsmäßigkeit sowie des § 22 Abs. 4 FRG bereits höchstrichterlich geklärt ist (Urteile des BSG vom 20. Oktober 2009, B 5 R 38/08 R und 25. Februar 2010 B 13 R 61/09 R jeweils a.a.O.).
Rechtskraft
Aus
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