Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 814/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3812/10 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Antrags- und Beschwerdeverfahren wird auf je 42.167,19 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Herstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen eine Beitragsnachforderung für den Zeitraum vom 8. März 1999 bis 23. Juni 2003 in Höhe von 45.756,51 EUR zzgl Säumniszuschlägen in Höhe weiterer 38.577,86 EUR, dh insgesamt 84.334,37 EUR.
Die Antragstellerin betreibt mit Sitz in K. das Entladen, Lagern und Beladen von Waren aller Art sowie die Kommissionierung von Aufträgen. Sie hat neben H. B. auch Z. C. O./K., als Geschäftsführer berufen (vgl Handelsregisterauszug Amtsgericht M., Bl 117 V-Akte).
Wegen Betruges und des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen wurde H. B. mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts B. vom 18. Mai 2000 (3 Cs 55 Js 43712/98) zu einer Geldstrafe verurteilt. Im sich daran anschließenden Verfahren wurden von der Beklagten Beiträge für die Zeit vom 1. Mai 1998 bis 31. März 1999 in Höhe von 15.632,92 EUR nachgefordert (Bescheid vom 21. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2001). Die dagegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage blieb ebenso erfolgslos (Gerichtbescheid vom 10. September 2002, S 3 KR 195/02) wie die dagegen angestrengte Berufung (Urteil vom 20. August 2004, L 4 KR 3958/02).
Die Kriminalpolizei B. führte am 11. Dezember 2003 erneut aufgrund des Verdachts der illegalen Beschäftigung von Arbeitnehmern eine Betriebsprüfung bei der Antragstellerin durch. Dabei stellte sie in Auswertung von Lohn- und Aushilfsunterlagen, Stechkarten und Tachoscheiben, die beschlagnahmt wurden, fest, dass für mehrere, zum Teil namentlich nicht mehr feststellbare, gegen Entgelt beschäftigte Arbeitnehmer keine ordnungsgemäßen Meldungen erstattet und demzufolge auch keine oder zu wenig Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden waren. Über die aktuell beschäftigten Mitarbeiter fertigte die Bürokraft eine Liste an. N. M. erledige die Transportfahrten für die Firma B. Umwelttechnik. Weiter fanden sich im Tresor der Antragstellerin drei Lohnabrechnungen, die sich mit den jeweils passenden Geldbeträgen in verschlossenen Briefumschlägen befanden und sich auf die Personen G. S., A. und S. G. bezogen. Die beschlagnahmten Tachoscheiben wurden zu den Beweismitteln der Staatsanwaltschaft K. genommen, die übrigen Geschäftsunterlagen wieder ausgehändigt.
Das deswegen eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen H. B. wegen Verstoßes gegen die Abgabenordnung (550 Js 34850/03) wurde durch die Staatsanwaltschaft K. zunächst mit Beschluss vom 28. Juli 2004 wegen unbekannten Aufenthalts des Beschuldigten vorläufig eingestellt, was der Antragsgegenerin auf Anfrage mit Schreiben vom 19. Juli 2007 bestätigt wurde. Mit Verfügung vom 19. November 2008 wurde das Verfahren endgültig nach § 170 Abs 2 Strafprozessordnung eingestellt, da zwischenzeitlich Verfolgungsverjährung eingetreten war (Bl 304 V-Akte); die Asservate wurden vernichtet, nachdem sie der Beschuldigte nicht abgeholt hatte.
In Auswertung der Ermittlungsergebnisse der Kriminalpolizei B. stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 20. März 2008 fest, dass die Antragstellerin Arbeitnehmer versicherungspflichtig beschäftigt habe, ohne die Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. In Fällen, in denen eine personenbezogene Zuordnung nicht möglich gewesen sei, da der Name und/oder das Geburtsdatum unbekannt gewesen sei, habe man die Sozialversicherungsbeiträge in Form eines Summenbeitragsbescheides festgesetzt. Die Sozialversicherungsbeiträge seien auf der Grundlage der Ermittlungen der Kriminalpolizei B. unter Zugrundelegung eines Bruttostundenlohns von 18 DM bis 31. Dezember 2001 und 9 EUR ab 1. Januar 2002 nachberechnet und auch Säumniszuschläge festgesetzt worden. Die Nachforderung zur Sozialversicherung betrage insgesamt 84.334,37 EUR. Dem Beitragsbescheid waren die Beitragsnachweise und die Berechnung der Säumniszuschläge in Anlagen beigefügt, er wurde öffentlich zugestellt.
Mit ihrem dagegen am 16. Juni 2008 eingelegten Widerspruch, mit dem zugleich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wurde, machte die Antragstellerin geltend, die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung seien zu keiner Zeit gegeben gewesen, da die Zustellung an zwei Geschäftsführer hätte erfolgen können. Auch sei sie vor Erlass des Bescheides nicht angehört worden. Schließlich seien die Beitragsansprüche verjährt, denn ein vorsätzliches Handeln liege nicht vor.
Am 20. Juni 2008 beantragte die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs beim SG. Nachdem die Antragsgegnerin sich mit Schreiben vom 26. Juni 2008 bereit erklärte, der Aussetzung der Vollziehung der Beitragsforderung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens von Amts wegen zuzustimmen, erklärten beide Beteiligte den Rechtsstreit S 2 KR 2647/08 ER für erledigt.
Die Antragstellerin machte geltend, dass sie ihre Arbeitnehmer ordentlich gemeldet habe. Offenbar habe man Arbeitsbeginn und -ende verwechselt. Dies betreffe zB U ... Nachweise hierfür wurden trotz ausdrücklicher Aufforderung nicht vorgelegt. Die Antragsgegnerin gewährte der Antragstellerin Akteneinsicht - auch in die Akte der Staatsanwaltschaft K. - und verwies darauf, dass die tatsächlichen Arbeitszeiten aufgrund der Auswertung der beschlagnahmten Tachoscheiben festgestellt worden seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2010 wies die Beklagte, nachdem der Widerspruch nicht weiter begründet worden war, diesen als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, dass der Angabe, ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren in dieser Sache sei unbekannt, der Durchsuchungsbericht vom 11. Dezember 203 widerspreche. Die Beitragsforderung sei auch nicht verjährt, weil die Beiträge vorsätzlich vorenthalten worden seien. Deswegen greife die Einrede der Verjährung nicht. Ihr Vorbringen habe die Antragstellerin nicht nachweisen können. Sie habe keinerlei beweiskräftige Unterlagen eingereicht. Maßgebend für die Beitragsnacherhebung seien die Ermittlungsergebnisse der Kriminalpolizei B. gewesen. Dass das Verfahren der Staatsanwaltschaft K. wegen zwischenzeitlicher Verfolgungsverjährung eingestellt worden sei, befreie nicht von der Verpflichtung zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge.
Die Antragstellerin hat deswegen am 20. Januar 2010 beim SG Klage (S 3 KR 290/10) erhoben und am 1. März 2010 erneut den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es sei unklar, wie die Ermittlungsbehörde zu den Ergebnissen gekommen sei. Sämtliche Arbeitnehmer seien ordnungsgemäß angemeldet und die Sozialversicherungsbeiträge auch abgeführt worden. Die Ermittlungsbehörde habe die Tachoscheiben falsch ausgewertet und käme somit zu längeren Arbeitszeiten. Sie betreibe eine Pack- und Auslesestation. Die Ware werde überprüft, ausgelesen und dann neu verpackt und wieder an Kunden bzw Fruchthöfe angeliefert. Die Anlieferung erfolge grundsätzlich in den Morgenstunden. Nach Auswertung der Ermittlungsakte sei es nicht möglich, substantiiert auf die Behauptungen einzugehen. Die Antragsgegnerin trage die Beweislast für die Richtigkeit der geltend gemachten Sozialversicherungsbeiträge. Auch würde die Vollziehung der geltend gemachten Forderung eine unbillige Härte bedeuten.
Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, dass im Rahmen der Betriebsprüfung die Tachoscheiben der Fahrtenschreiber nicht vorgelegt worden seien, so dass sie sich auf die Ermittlungsergebnisse der Kriminalpolizei B. habe stützen müssen. Aus steuerrechtlicher Sicht bestehe eine Aufbewahrungsfrist für diese Unterlagen von mindestens sechs Jahren. Diese Frist verlängere sich, wenn wie vorliegend eine Außenprüfung durchgeführt worden sei oder die Unterlagen für anhängige steuerstraf- oder bußgeldrechtliche Ermittlungen von Bedeutung seien. Bei der vorläufigen Einstellung des Strafverfahrens im Jahre 2004 sei der damals Verantwortliche unbekannten Aufenthalts gewesen. Die beschlagnahmten Unterlagen hätten von der Antragstellerin bei der Staatsanwaltschaft abgeholt werden müssen. Aufgrund des Nichtabholens der Beweismittel sei schließlich deren (amtliche) Vernichtung erfolgt. Durch die "Beweisvereitelung" sei eine Beweislastumkehr eingetreten, da die Vernichtung letztlich auf einem Verschulden der Antragstellerin beruhe und die Aufbewahrungspflichten damit nicht erfüllt worden seien. Etwaige Ungereimtheiten der Arbeitszeiten in Auswertung der Tachoscheiben habe die Antragstellerin durch geeignete Beweismittel (zB Quittungen von Kunden oder Tankrechnungen) nicht belegt. Das pauschale Bestreiten einzelner Arbeitszeiten begründe keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides. Auch inhaltlich könnten die angeblichen Fehler nicht nachvollzogen werden. Bei der Beitragsnachforderung seien nicht die Arbeitszeiten laut Tachoscheibe, sondern die Lenkzeiten inklusive Pausen zugrunde gelegt worden.
Mit Beschluss vom 30. Juni 2010, der Antragstellerin zugestellt am 6. Juli 2010, hat das SG die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 20. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2010 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 70.150,27 EUR angeordnet. Im Übrigen hat das SG den Antrag abgelehnt, da es allenfalls fraglich sein könne, ob teilweise hinsichtlich der mit Beitragsbescheid erfassten Personen Meldungen und Beitragsnachweise erfolgt seien. Dies betreffe die Personen B., D., M., N. und U ... Insoweit bestünden erhebliche Differenzen zwischen den Entgelten, die für die benannten Personen abgeführt worden seien und denjenigen, die im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt worden seien. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit ließe sich daraus jedoch nicht entnehmen. Die Antragsgegnerin habe für die Festsetzung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages lediglich die Lenkzeiten inklusive Pausen der Beitragsberechnung zugrunde gelegt. Die Beitragsforderung sei auch nicht verjährt, da die Antragstellerin ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen sei und somit die Nichtabführung der möglichen Gesamtsozialversicherungsbeiträge billigend in Kauf genommen habe. Nachdem die Antragsgegnerin angeboten habe, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung auszusetzen, sei nur eine solche Vollstreckungsaussetzung geboten gewesen. Nach dem Vortrag der Antragstellerin spreche nichts dafür, dass ein Erfolg der Klage zumindestens sehr wahrscheinlich sei. Es müsse auch das Sicherungsinteresse der Antragsgegnerin berücksichtigt werden.
Mit ihrer dagegen am 6. August 2010 beim SG eingelegten Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, dem Geschäftsführer seien die Arbeitnehmer teilweise noch bekannt. Er sei sich sicher, dass er diese angemeldet und auch die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge abgeführt habe. Er habe zwischenzeitlich noch seinen Speicher durchsuchen lassen und hierbei Akten aus den Jahren 1999 bis 2003 gefunden. In diesen Ordnern befänden sich jedoch nur unwichtige Unterlagen. Es sei ihm deswegen nur sehr schwer möglich, die Richtigkeit seines Vortrages nachzuweisen. Er müsse daher nochmals Akteneinsicht nehmen.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Juni 2010 aufzuheben und die Vollziehung des Bescheides vom 20. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2010 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass die Unterlagen für den ehemaligen Arbeitnehmer N. M. keinerlei Beweisrelevanz hätten. Es handele sich um Meldebescheinigungen verschiedener Art (Stornierungen, Jahresmeldungen), die neben der Antragstellerin zum Teil eine andere Firma (B. A. & R. GmbH) beträfen. Der Nachweis, dass für diesen Arbeitnehmer für alle Beitragszeiten tatsächlich Beiträge in zutreffender Höhe entrichtet worden seien, könne damit nicht geführt werden. Die von den Einzugsstellen anlässlich der Betriebsprüfung zur Verfügung gestellten Meldungen zur Sozialversicherung seien Beitragsnachweisen oder Zahlungsnachweisen nicht gleichzustellen. Ersichtlich nicht für alle Beschäftigten oder Beschäftigungszeiträume seien Meldungen zur Sozialversicherung erfasst.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Antragsgegnerin vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist nicht nach § 172 Abs 3 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen, unter Beachtung der Vorschrift des § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden und daher insgesamt zulässig; sie ist aber unbegründet.
Die Klage der Antragstellerin hat nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Nach Abs 1 des mit Wirkung ab 2. Januar 2002 durch Art 1 Nr 35 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17. August 2001 (BGBl I S 2144) eingefügten § 86a SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Bis zu diesem Zeitpunkt galt der umgekehrte Grundsatz, wonach Rechtsmittel im sozialgerichtlichen Verfahren nur aufschiebende Wirkung hatten, wenn dies im Gesetz ausdrücklich angeordnet war (Timme NZS 2004, 292, 293). Nach Abs 2 Nr 1 des § 86a SGG entfällt jedoch die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Die Regelung dient der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Leistungsträger der Sozialversicherung (vgl BT-Drs 14/5943, S 25). Zu den Entscheidungen, die unter § 86a Abs 2 Nr 1 SGG fallen, gehören auch Bescheide der Rentenversicherungsträger, die - wie hier - auf der Grundlage von § 28p SGB IV nach einer Prüfung beim Arbeitgeber ergehen (ebenso BayLSG, Beschluss vom 16. März 2010, L 5 R 21/10 B ER, veröffentlicht in juris). Dieser Auslegung steht die Vorschrift des § 7a Abs 7 SGB IV, die als speziellere Regelung für ihren Anwendungsbereich der Bestimmung in § 86a Abs 2 Nr 1 SGG vorgeht, nicht entgegen. Nach der genannten Vorschrift haben Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen, dass eine Beschäftigung vorliegt, aufschiebende Wirkung. Diese Regelung betrifft nur Statusentscheidungen, die nach § 7a Abs 1 Satz 1, Abs 6 Satz 1 SGB IV ergangen sind (Beschluss des Senat vom 6. Mai 2010, L 11 R 1806/10 ER-B; Pietrek in: jurisPK-SGB IV, § 7a RdNr 129 f; BayLSG, Beschluss vom 16. März 2010, aaO).
Die Antragsgegnerin hat die nach § 86a Abs 3 SGG mögliche Aussetzung der sofortigen Vollziehung mit Schreiben vom 3. März 2010 abgelehnt. In einem solchen Fall kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ganz oder teilweise anordnen (§ 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG).
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs aufgrund von § 86b Abs 1 Nr 2 SGG ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber auch im Einzelfall zugunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsachverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (so auch Beschluss des Senats vom 6. Mai 2010, L 11 R 1806/10 ER-B).
Ausgehend hiervon dürften begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des hier maßgeblichen Beitragsbescheides vom 20. März 2008, wie es das SG bereits ausführlich dargelegt hat, nicht bestehen. Die Antragsgegnerin dürfte zu Recht davon ausgegangen sein, dass für die einzeln aufgeführten Beschäftigten in der Zeit vom 8. März 1999 bis 23. Juni 2003 Beiträge in der benannten Höhe nachzuentrichten sind. Soweit die Einzugsstellen der Antragsgegnerin die Meldungen zur Sozialversicherung (Bl 70 bzw 102 V-Akte) anlässlich der Betriebsprüfung zur Verfügung gestellt haben, so belegen diese (Melde)Daten nicht, dass für die gemeldeten Zeiträume und Entgelte auch tatsächlich Beiträge gezahlt worden sind. Denn der Beitragseinzug und die Beitragsüberwachung erfolgt, worauf die Antragsgegnerin zu Recht hingewiesen hat, nicht auf der Grundlage der Meldungen zur Sozialversicherung, sondern anhand von Beitragsnachweisen, die der Arbeitgeber (monatlich) an die Einzugsstellen zu übermitteln hat. Solche Beitragsnachweise oder Zahlungsnachweise hat die Antragstellerin aber nicht vorgelegt, sie hat auch nicht für alle Beschäftigten bzw für alle Beschäftigungszeiträume Meldungen zur Sozialversicherung erstellt. Nach den Ermittlungen der Kriminalpolizei B. waren die Arbeitnehmer nämlich nicht korrekt gemeldet. Insoweit ist die Antragstellerin, nachdem sie ihrer Aufbewahrungspflicht für die Unterlagen nicht nachgekommen ist bzw die teilweise Vernichtung der Asservate ihr zuzurechnen ist, beweispflichtig. Der Antragstellerin hätte es auch in zwei Jahren möglich sein müssen, konkrete Nachweise für die von ihr behauptete korrekte Abführung der Sozialversicherungsbeiträge vorzulegen, zumal lediglich die Tachoscheiben vernichtet, die übrigen Ordner mit Betriebsunterlagen aber wieder ausgehändigt wurden. Die Antragsgegnerin hat auch konkrete Möglichkeiten aufgezeigt, wie im Nachhinein noch die Arbeitszeiten belegt werden können. Dem genügen die vorgelegten Unterlagen über den ehemaligen Arbeitnehmer N. M. nach der gebotenen summarischen Prüfung nicht. Zum einen handelt es sich lediglich um Meldebescheinigungen verschiedener Art (Stornierung, Jahresmeldung), zum anderen betreffen sie auch zT eine andere Firma, nämlich die B. A. & R. GmbH. Sie können daher keinen Nachweis tatsächlicher Beitragsentrichtung in zutreffender Höhe erbringen.
Soweit bei einzelnen Beschäftigten eine Deckungsgleichheit der Meldungen mit den zu Grunde gelegten Entgelten nicht besteht, so hat dem das SG bereits ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass es die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Erbringung der Sicherheitsleistung angeordnet hat.
Dessen ungeachtet sind im Hauptsacheverfahren die Einzelheiten der Beitragsberechnung zu klären, dies ist nicht Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes.
Dass die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härte zur Folge haben würde, hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.
Danach war die Beschwerde zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf einer entsprechenden Anwendung des § 197 a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO folgt.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird nach § 197 a SGG iVm §§ 63 Abs 1, 52 Abs 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG) auf die Hälfte der streitigen Beitragsnachforderung und der Säumniszuschläge (zu letzterem vgl Urteil des Senats vom 20. April 2010, L 11 R 5269/08) festgesetzt. Gleichzeitig wird die Streitwertfestsetzung erster Instanz von Amts wegen geändert (§ 63 Abs 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Antrags- und Beschwerdeverfahren wird auf je 42.167,19 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Herstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen eine Beitragsnachforderung für den Zeitraum vom 8. März 1999 bis 23. Juni 2003 in Höhe von 45.756,51 EUR zzgl Säumniszuschlägen in Höhe weiterer 38.577,86 EUR, dh insgesamt 84.334,37 EUR.
Die Antragstellerin betreibt mit Sitz in K. das Entladen, Lagern und Beladen von Waren aller Art sowie die Kommissionierung von Aufträgen. Sie hat neben H. B. auch Z. C. O./K., als Geschäftsführer berufen (vgl Handelsregisterauszug Amtsgericht M., Bl 117 V-Akte).
Wegen Betruges und des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen wurde H. B. mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts B. vom 18. Mai 2000 (3 Cs 55 Js 43712/98) zu einer Geldstrafe verurteilt. Im sich daran anschließenden Verfahren wurden von der Beklagten Beiträge für die Zeit vom 1. Mai 1998 bis 31. März 1999 in Höhe von 15.632,92 EUR nachgefordert (Bescheid vom 21. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2001). Die dagegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage blieb ebenso erfolgslos (Gerichtbescheid vom 10. September 2002, S 3 KR 195/02) wie die dagegen angestrengte Berufung (Urteil vom 20. August 2004, L 4 KR 3958/02).
Die Kriminalpolizei B. führte am 11. Dezember 2003 erneut aufgrund des Verdachts der illegalen Beschäftigung von Arbeitnehmern eine Betriebsprüfung bei der Antragstellerin durch. Dabei stellte sie in Auswertung von Lohn- und Aushilfsunterlagen, Stechkarten und Tachoscheiben, die beschlagnahmt wurden, fest, dass für mehrere, zum Teil namentlich nicht mehr feststellbare, gegen Entgelt beschäftigte Arbeitnehmer keine ordnungsgemäßen Meldungen erstattet und demzufolge auch keine oder zu wenig Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden waren. Über die aktuell beschäftigten Mitarbeiter fertigte die Bürokraft eine Liste an. N. M. erledige die Transportfahrten für die Firma B. Umwelttechnik. Weiter fanden sich im Tresor der Antragstellerin drei Lohnabrechnungen, die sich mit den jeweils passenden Geldbeträgen in verschlossenen Briefumschlägen befanden und sich auf die Personen G. S., A. und S. G. bezogen. Die beschlagnahmten Tachoscheiben wurden zu den Beweismitteln der Staatsanwaltschaft K. genommen, die übrigen Geschäftsunterlagen wieder ausgehändigt.
Das deswegen eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen H. B. wegen Verstoßes gegen die Abgabenordnung (550 Js 34850/03) wurde durch die Staatsanwaltschaft K. zunächst mit Beschluss vom 28. Juli 2004 wegen unbekannten Aufenthalts des Beschuldigten vorläufig eingestellt, was der Antragsgegenerin auf Anfrage mit Schreiben vom 19. Juli 2007 bestätigt wurde. Mit Verfügung vom 19. November 2008 wurde das Verfahren endgültig nach § 170 Abs 2 Strafprozessordnung eingestellt, da zwischenzeitlich Verfolgungsverjährung eingetreten war (Bl 304 V-Akte); die Asservate wurden vernichtet, nachdem sie der Beschuldigte nicht abgeholt hatte.
In Auswertung der Ermittlungsergebnisse der Kriminalpolizei B. stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 20. März 2008 fest, dass die Antragstellerin Arbeitnehmer versicherungspflichtig beschäftigt habe, ohne die Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. In Fällen, in denen eine personenbezogene Zuordnung nicht möglich gewesen sei, da der Name und/oder das Geburtsdatum unbekannt gewesen sei, habe man die Sozialversicherungsbeiträge in Form eines Summenbeitragsbescheides festgesetzt. Die Sozialversicherungsbeiträge seien auf der Grundlage der Ermittlungen der Kriminalpolizei B. unter Zugrundelegung eines Bruttostundenlohns von 18 DM bis 31. Dezember 2001 und 9 EUR ab 1. Januar 2002 nachberechnet und auch Säumniszuschläge festgesetzt worden. Die Nachforderung zur Sozialversicherung betrage insgesamt 84.334,37 EUR. Dem Beitragsbescheid waren die Beitragsnachweise und die Berechnung der Säumniszuschläge in Anlagen beigefügt, er wurde öffentlich zugestellt.
Mit ihrem dagegen am 16. Juni 2008 eingelegten Widerspruch, mit dem zugleich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wurde, machte die Antragstellerin geltend, die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung seien zu keiner Zeit gegeben gewesen, da die Zustellung an zwei Geschäftsführer hätte erfolgen können. Auch sei sie vor Erlass des Bescheides nicht angehört worden. Schließlich seien die Beitragsansprüche verjährt, denn ein vorsätzliches Handeln liege nicht vor.
Am 20. Juni 2008 beantragte die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs beim SG. Nachdem die Antragsgegnerin sich mit Schreiben vom 26. Juni 2008 bereit erklärte, der Aussetzung der Vollziehung der Beitragsforderung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens von Amts wegen zuzustimmen, erklärten beide Beteiligte den Rechtsstreit S 2 KR 2647/08 ER für erledigt.
Die Antragstellerin machte geltend, dass sie ihre Arbeitnehmer ordentlich gemeldet habe. Offenbar habe man Arbeitsbeginn und -ende verwechselt. Dies betreffe zB U ... Nachweise hierfür wurden trotz ausdrücklicher Aufforderung nicht vorgelegt. Die Antragsgegnerin gewährte der Antragstellerin Akteneinsicht - auch in die Akte der Staatsanwaltschaft K. - und verwies darauf, dass die tatsächlichen Arbeitszeiten aufgrund der Auswertung der beschlagnahmten Tachoscheiben festgestellt worden seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2010 wies die Beklagte, nachdem der Widerspruch nicht weiter begründet worden war, diesen als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, dass der Angabe, ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren in dieser Sache sei unbekannt, der Durchsuchungsbericht vom 11. Dezember 203 widerspreche. Die Beitragsforderung sei auch nicht verjährt, weil die Beiträge vorsätzlich vorenthalten worden seien. Deswegen greife die Einrede der Verjährung nicht. Ihr Vorbringen habe die Antragstellerin nicht nachweisen können. Sie habe keinerlei beweiskräftige Unterlagen eingereicht. Maßgebend für die Beitragsnacherhebung seien die Ermittlungsergebnisse der Kriminalpolizei B. gewesen. Dass das Verfahren der Staatsanwaltschaft K. wegen zwischenzeitlicher Verfolgungsverjährung eingestellt worden sei, befreie nicht von der Verpflichtung zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge.
Die Antragstellerin hat deswegen am 20. Januar 2010 beim SG Klage (S 3 KR 290/10) erhoben und am 1. März 2010 erneut den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es sei unklar, wie die Ermittlungsbehörde zu den Ergebnissen gekommen sei. Sämtliche Arbeitnehmer seien ordnungsgemäß angemeldet und die Sozialversicherungsbeiträge auch abgeführt worden. Die Ermittlungsbehörde habe die Tachoscheiben falsch ausgewertet und käme somit zu längeren Arbeitszeiten. Sie betreibe eine Pack- und Auslesestation. Die Ware werde überprüft, ausgelesen und dann neu verpackt und wieder an Kunden bzw Fruchthöfe angeliefert. Die Anlieferung erfolge grundsätzlich in den Morgenstunden. Nach Auswertung der Ermittlungsakte sei es nicht möglich, substantiiert auf die Behauptungen einzugehen. Die Antragsgegnerin trage die Beweislast für die Richtigkeit der geltend gemachten Sozialversicherungsbeiträge. Auch würde die Vollziehung der geltend gemachten Forderung eine unbillige Härte bedeuten.
Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, dass im Rahmen der Betriebsprüfung die Tachoscheiben der Fahrtenschreiber nicht vorgelegt worden seien, so dass sie sich auf die Ermittlungsergebnisse der Kriminalpolizei B. habe stützen müssen. Aus steuerrechtlicher Sicht bestehe eine Aufbewahrungsfrist für diese Unterlagen von mindestens sechs Jahren. Diese Frist verlängere sich, wenn wie vorliegend eine Außenprüfung durchgeführt worden sei oder die Unterlagen für anhängige steuerstraf- oder bußgeldrechtliche Ermittlungen von Bedeutung seien. Bei der vorläufigen Einstellung des Strafverfahrens im Jahre 2004 sei der damals Verantwortliche unbekannten Aufenthalts gewesen. Die beschlagnahmten Unterlagen hätten von der Antragstellerin bei der Staatsanwaltschaft abgeholt werden müssen. Aufgrund des Nichtabholens der Beweismittel sei schließlich deren (amtliche) Vernichtung erfolgt. Durch die "Beweisvereitelung" sei eine Beweislastumkehr eingetreten, da die Vernichtung letztlich auf einem Verschulden der Antragstellerin beruhe und die Aufbewahrungspflichten damit nicht erfüllt worden seien. Etwaige Ungereimtheiten der Arbeitszeiten in Auswertung der Tachoscheiben habe die Antragstellerin durch geeignete Beweismittel (zB Quittungen von Kunden oder Tankrechnungen) nicht belegt. Das pauschale Bestreiten einzelner Arbeitszeiten begründe keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides. Auch inhaltlich könnten die angeblichen Fehler nicht nachvollzogen werden. Bei der Beitragsnachforderung seien nicht die Arbeitszeiten laut Tachoscheibe, sondern die Lenkzeiten inklusive Pausen zugrunde gelegt worden.
Mit Beschluss vom 30. Juni 2010, der Antragstellerin zugestellt am 6. Juli 2010, hat das SG die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 20. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2010 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 70.150,27 EUR angeordnet. Im Übrigen hat das SG den Antrag abgelehnt, da es allenfalls fraglich sein könne, ob teilweise hinsichtlich der mit Beitragsbescheid erfassten Personen Meldungen und Beitragsnachweise erfolgt seien. Dies betreffe die Personen B., D., M., N. und U ... Insoweit bestünden erhebliche Differenzen zwischen den Entgelten, die für die benannten Personen abgeführt worden seien und denjenigen, die im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt worden seien. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit ließe sich daraus jedoch nicht entnehmen. Die Antragsgegnerin habe für die Festsetzung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages lediglich die Lenkzeiten inklusive Pausen der Beitragsberechnung zugrunde gelegt. Die Beitragsforderung sei auch nicht verjährt, da die Antragstellerin ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen sei und somit die Nichtabführung der möglichen Gesamtsozialversicherungsbeiträge billigend in Kauf genommen habe. Nachdem die Antragsgegnerin angeboten habe, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung auszusetzen, sei nur eine solche Vollstreckungsaussetzung geboten gewesen. Nach dem Vortrag der Antragstellerin spreche nichts dafür, dass ein Erfolg der Klage zumindestens sehr wahrscheinlich sei. Es müsse auch das Sicherungsinteresse der Antragsgegnerin berücksichtigt werden.
Mit ihrer dagegen am 6. August 2010 beim SG eingelegten Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, dem Geschäftsführer seien die Arbeitnehmer teilweise noch bekannt. Er sei sich sicher, dass er diese angemeldet und auch die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge abgeführt habe. Er habe zwischenzeitlich noch seinen Speicher durchsuchen lassen und hierbei Akten aus den Jahren 1999 bis 2003 gefunden. In diesen Ordnern befänden sich jedoch nur unwichtige Unterlagen. Es sei ihm deswegen nur sehr schwer möglich, die Richtigkeit seines Vortrages nachzuweisen. Er müsse daher nochmals Akteneinsicht nehmen.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Juni 2010 aufzuheben und die Vollziehung des Bescheides vom 20. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2010 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass die Unterlagen für den ehemaligen Arbeitnehmer N. M. keinerlei Beweisrelevanz hätten. Es handele sich um Meldebescheinigungen verschiedener Art (Stornierungen, Jahresmeldungen), die neben der Antragstellerin zum Teil eine andere Firma (B. A. & R. GmbH) beträfen. Der Nachweis, dass für diesen Arbeitnehmer für alle Beitragszeiten tatsächlich Beiträge in zutreffender Höhe entrichtet worden seien, könne damit nicht geführt werden. Die von den Einzugsstellen anlässlich der Betriebsprüfung zur Verfügung gestellten Meldungen zur Sozialversicherung seien Beitragsnachweisen oder Zahlungsnachweisen nicht gleichzustellen. Ersichtlich nicht für alle Beschäftigten oder Beschäftigungszeiträume seien Meldungen zur Sozialversicherung erfasst.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Antragsgegnerin vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist nicht nach § 172 Abs 3 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen, unter Beachtung der Vorschrift des § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden und daher insgesamt zulässig; sie ist aber unbegründet.
Die Klage der Antragstellerin hat nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Nach Abs 1 des mit Wirkung ab 2. Januar 2002 durch Art 1 Nr 35 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17. August 2001 (BGBl I S 2144) eingefügten § 86a SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Bis zu diesem Zeitpunkt galt der umgekehrte Grundsatz, wonach Rechtsmittel im sozialgerichtlichen Verfahren nur aufschiebende Wirkung hatten, wenn dies im Gesetz ausdrücklich angeordnet war (Timme NZS 2004, 292, 293). Nach Abs 2 Nr 1 des § 86a SGG entfällt jedoch die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Die Regelung dient der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Leistungsträger der Sozialversicherung (vgl BT-Drs 14/5943, S 25). Zu den Entscheidungen, die unter § 86a Abs 2 Nr 1 SGG fallen, gehören auch Bescheide der Rentenversicherungsträger, die - wie hier - auf der Grundlage von § 28p SGB IV nach einer Prüfung beim Arbeitgeber ergehen (ebenso BayLSG, Beschluss vom 16. März 2010, L 5 R 21/10 B ER, veröffentlicht in juris). Dieser Auslegung steht die Vorschrift des § 7a Abs 7 SGB IV, die als speziellere Regelung für ihren Anwendungsbereich der Bestimmung in § 86a Abs 2 Nr 1 SGG vorgeht, nicht entgegen. Nach der genannten Vorschrift haben Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen, dass eine Beschäftigung vorliegt, aufschiebende Wirkung. Diese Regelung betrifft nur Statusentscheidungen, die nach § 7a Abs 1 Satz 1, Abs 6 Satz 1 SGB IV ergangen sind (Beschluss des Senat vom 6. Mai 2010, L 11 R 1806/10 ER-B; Pietrek in: jurisPK-SGB IV, § 7a RdNr 129 f; BayLSG, Beschluss vom 16. März 2010, aaO).
Die Antragsgegnerin hat die nach § 86a Abs 3 SGG mögliche Aussetzung der sofortigen Vollziehung mit Schreiben vom 3. März 2010 abgelehnt. In einem solchen Fall kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ganz oder teilweise anordnen (§ 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG).
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs aufgrund von § 86b Abs 1 Nr 2 SGG ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber auch im Einzelfall zugunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsachverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (so auch Beschluss des Senats vom 6. Mai 2010, L 11 R 1806/10 ER-B).
Ausgehend hiervon dürften begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des hier maßgeblichen Beitragsbescheides vom 20. März 2008, wie es das SG bereits ausführlich dargelegt hat, nicht bestehen. Die Antragsgegnerin dürfte zu Recht davon ausgegangen sein, dass für die einzeln aufgeführten Beschäftigten in der Zeit vom 8. März 1999 bis 23. Juni 2003 Beiträge in der benannten Höhe nachzuentrichten sind. Soweit die Einzugsstellen der Antragsgegnerin die Meldungen zur Sozialversicherung (Bl 70 bzw 102 V-Akte) anlässlich der Betriebsprüfung zur Verfügung gestellt haben, so belegen diese (Melde)Daten nicht, dass für die gemeldeten Zeiträume und Entgelte auch tatsächlich Beiträge gezahlt worden sind. Denn der Beitragseinzug und die Beitragsüberwachung erfolgt, worauf die Antragsgegnerin zu Recht hingewiesen hat, nicht auf der Grundlage der Meldungen zur Sozialversicherung, sondern anhand von Beitragsnachweisen, die der Arbeitgeber (monatlich) an die Einzugsstellen zu übermitteln hat. Solche Beitragsnachweise oder Zahlungsnachweise hat die Antragstellerin aber nicht vorgelegt, sie hat auch nicht für alle Beschäftigten bzw für alle Beschäftigungszeiträume Meldungen zur Sozialversicherung erstellt. Nach den Ermittlungen der Kriminalpolizei B. waren die Arbeitnehmer nämlich nicht korrekt gemeldet. Insoweit ist die Antragstellerin, nachdem sie ihrer Aufbewahrungspflicht für die Unterlagen nicht nachgekommen ist bzw die teilweise Vernichtung der Asservate ihr zuzurechnen ist, beweispflichtig. Der Antragstellerin hätte es auch in zwei Jahren möglich sein müssen, konkrete Nachweise für die von ihr behauptete korrekte Abführung der Sozialversicherungsbeiträge vorzulegen, zumal lediglich die Tachoscheiben vernichtet, die übrigen Ordner mit Betriebsunterlagen aber wieder ausgehändigt wurden. Die Antragsgegnerin hat auch konkrete Möglichkeiten aufgezeigt, wie im Nachhinein noch die Arbeitszeiten belegt werden können. Dem genügen die vorgelegten Unterlagen über den ehemaligen Arbeitnehmer N. M. nach der gebotenen summarischen Prüfung nicht. Zum einen handelt es sich lediglich um Meldebescheinigungen verschiedener Art (Stornierung, Jahresmeldung), zum anderen betreffen sie auch zT eine andere Firma, nämlich die B. A. & R. GmbH. Sie können daher keinen Nachweis tatsächlicher Beitragsentrichtung in zutreffender Höhe erbringen.
Soweit bei einzelnen Beschäftigten eine Deckungsgleichheit der Meldungen mit den zu Grunde gelegten Entgelten nicht besteht, so hat dem das SG bereits ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass es die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Erbringung der Sicherheitsleistung angeordnet hat.
Dessen ungeachtet sind im Hauptsacheverfahren die Einzelheiten der Beitragsberechnung zu klären, dies ist nicht Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes.
Dass die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härte zur Folge haben würde, hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.
Danach war die Beschwerde zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf einer entsprechenden Anwendung des § 197 a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO folgt.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird nach § 197 a SGG iVm §§ 63 Abs 1, 52 Abs 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG) auf die Hälfte der streitigen Beitragsnachforderung und der Säumniszuschläge (zu letzterem vgl Urteil des Senats vom 20. April 2010, L 11 R 5269/08) festgesetzt. Gleichzeitig wird die Streitwertfestsetzung erster Instanz von Amts wegen geändert (§ 63 Abs 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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