L 5 R 334/09

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 19 R 448/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 334/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 36/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Soweit die Regelungen des SGB VI (§§ 256a, 259a) dazu führen, dass seit dem 1. Januar 1992 für Flüchtlinge aus der DDR, die ab 1937 geboren sind, keine Entgeltpunkte nach den Anlagen 1 bis 16 nach dem FRG ermittelt werden, verstößt dies nicht gegen das GG.
Anwartschaften nach dem FRG genießen auch für Zeiten im Beitrittsgebiet keinen Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG.
Der Gesetzgeber durfte im Rahmen der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums auch die rentenrechtliche Gesamtrechtsposition aus FRG-Zeiten und im Bundesgebiet erworbenen Rentenanwartschaften zu Lasten der nach dem FRG Berechtigten zum Zwecke der Vereinheitlichung der Sozialversicherungssysteme verändern, ohne hierdurch den Vertrauensschutz der nach dem FRG berechtigt gewesenen Übersiedler zu verletzen.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet keine über §§ 11 ff. BerRehaG hinausgehende Besserstellung der DDR-Flüchtlinge gegenüber dem im Beitrittsgebiet verbliebenen Personenkreis.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 18. September 2009 wird zurückgewiesen. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung einer höheren Altersrente, wobei der Kläger die Bewertung der in der ehemaligen DDR zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) und die Berücksichtigung eines höheren Nachteilsausgleichs in der Rentenversicherung nach § 13 Berufliches Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG) anstrebt.

Der 1947 geborene Kläger ist Inhaber eines Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge "C" und wurde mit Bescheid des Freistaates Thüringen vom 6. Juli 2005 als Verfolgter im Sinne des § 1 Abs. 1 BerRehaG mit einer Verfolgungszeit vom 25. November 1986 bis 25. Mai 1989 anerkannt.

In der ehemaligen DDR befand er sich vom 24. August 1963 bis 25. Juli 1969 in Ausbildung und war danach ab September 1969, mit einer Unterbrechung von November 1970 bis April 1972 wegen Wehrdienstes, als Ingenieur und schließlich als Niederlassungs- und Betriebsleiter bis November 1986 beschäftigt. Wegen seines Ausreiseantrags wurde er ab 27. November 1986 von der Tätigkeit als Betriebsleiter beurlaubt und war danach bis zu seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 1989 in der DDR nur noch mit Hilfsarbeitertätigkeiten beschäftigt. Er war kein Mitglied der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) und gehörte auch keinem Zusatz- und Sonderversorgungssystem im Sinne des § 1 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) - auch nicht dem der technischen Intelligenz – an bzw. hatte keine Versorgungszusage erhalten. In der Bundesrepublik Deutschland war der Kläger vom 4. September 1989 bis zum 31. Dezember 2009 rentenversicherungspflichtig beschäftigt.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 17. Januar 1991 hatte die Beklagte die rentenrechtlichen Zeiten bis zum 31. Dezember 1984 ohne Entscheidung über eine Zuordnung zum FRG festgestellt. Mit dem in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2004 bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 23. September 2003 hatte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme die Anerkennung von Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG abgelehnt, weil der Kläger in der ehemaligen DDR nicht in ein Versorgungssystem einbezogen war.

Mit Bescheid vom 24. Oktober 2005 stellte die Beklagte gemäß § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) die vom Kläger bis zum 31. Dezember 1998 zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten fest, wobei sie die Zeiten im Beitrittsgebiet mit "SVA" kennzeichnete. Mit weiterem Bescheid vom 24. Oktober 2005 führte die Beklagte für die Verfolgungszeiten vom 27. November 1986 bis 25. Mai 1989 eine Vergleichsberechnung nach § 13 Abs. 1 und 1a BerRehaG durch, die zu keinem höheren Rentenbetrag führte als die ansonsten zugrunde zu legenden Pflichtbeitragszeiten gemäß § 11 BerRehaG in Verbindung mit § 13 Abs. 2 S. 1 BerRehaG. Hierbei wies die Beklagte auf die Unverbindlichkeit der vorläufigen Berechnungen hin. Die gegen beide Bescheide eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. August 2006 zurück.

Die dagegen am 25. August 2006 beim Sozialgericht in Fulda erhobene und zuständigkeitshalber an das Sozialgericht Gießen verwiesene Klage auf Bewertung der im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach dem FRG und rentensteigernde Berücksichtigung eines Nachteilsausgleichs nach dem BerRehaG hat das Sozialgericht Gießen mit Urteil vom 18. September 2009 hinsichtlich des angestrebten Nachteilsausgleichs nach dem BerRehaG als unzulässig und die hinsichtlich der Bewertung der Zeiten im Beitrittsgebiet nach dem FRG als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der Berechnungsweise der Verfolgungszeiten fehle es bereits an der Klagebefugnis. Ein Anspruch auf verbindliche Durchführung der Berechnung nach § 13 BerRehaG könne erst mit dem Eintreten des Leistungsfalls entstehen. Einen Anspruch auf Kennzeichnung der Zeiten im Beitrittsgebiet mit "FRG" habe der Kläger nicht. Das FRG finde gemäß §§ 14, 15 FRG seit dem 1. Januar 1992 nur noch auf Zeiten Anwendung, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt wurden. Die Voraussetzungen einer Ausnahme nach § 259a SGB VI lägen nicht vor, weil der Kläger nicht vor 1937 geboren sei. Auch Ausnahmeregelungen des Fremdrenten- und Auslandsrentenneuregelungsgesetzes (FANG) seien nicht einschlägig. Ebenso könne sich der Kläger insoweit nicht auf den Bescheid vom 17. Januar 1991 stützen, der keine Entscheidung über die Zuordnung der Zeiten im Beitrittsgebiet zum FRG getroffen habe. Die Herausnahme der Sowjetzonenflüchtlinge aus dem Anwendungsbereich des FRG sei auch nicht verfassungswidrig. Ein grundgesetzlich geschütztes Vertrauen auf das Fortbestehen der bei seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bestehenden Zuordnung zum FRG habe der Kläger schon wegen der kurzen Geltungsdauer nicht erwerben können. Auch eine verbotene Rückwirkung sei nicht zu erkennen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz werde nicht verletzt. Dem bestehenden Unterschied zu in der ehemaligen DDR verbliebenen Leistungsberechtigten werde durch das BerRehaG hinreichend Rechnung getragen.

Gegen das ihm am 20. Oktober 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. November 2009 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Inzwischen hat die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 6. November 2009 Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1. Januar 2010 mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 1.342,40 EUR bewilligt, wobei sie die Zeiten im Beitrittsgebiet weiterhin nicht nach dem FRG und die Verfolgungszeit als beitragsgeminderte Zeit nach § 11 BerRehaG bewertet hat. Mit Bescheid vom 18. Januar 2010 hat die Beklagte die Rente des Klägers mit Wirkung ab 1. Januar 2010 mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von nunmehr 1.373,95 EUR neu festgestellt, wobei sie hinsichtlich der Bewertung der Verfolgungszeit in der Vergleichsberechnung nach § 13 Abs. 1a BerRehaG das höchste Ergebnis aller Vergleichsberechnungen mit beitragsgeminderten Beitragszeiten erzielt und dies der Rentenberechnung zu Grunde gelegt hat.

Der Kläger begehrt nunmehr die Zahlung einer höheren Rente unter Bewertung der im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach dem FRG. Außerdem ist er der Auffassung, auch nach dem BerRehaG seien für die Verfolgungszeiten die Leistungsgruppen des FRG anzuwenden, woraus sich ein höherer Rentenzahlbetrag ergeben würde. Die Beklagte habe das BerRehaG zu seinem Nachteil so angewandt, dass sie die Rentenanwartschaften während der Rehabilitierungszeit auf die Maximalwerte nach dem Übergangsrecht für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets (RÜG) begrenzt habe. Er ist der Auffassung, die Anwendung der Vorschriften des SGB VI in seinem Fall verstoße gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) und sei grob willkürlich. Für die Zeit seiner Beschäftigung im Beitrittsgebiet bis 25. Mai 1989 seien ihm Entgeltpunkte unterhalb des Sozialhilfeniveaus zugeordnet worden, obgleich er ab 1969 als Diplom-Ingenieur und später als Niederlassungsleiter bzw. Betriebsleiter gearbeitet habe. Damit werde sein beruflicher Werdegang diskriminiert, wie dies vom Gesetzgeber so nicht gewollt sein könne. Habe er bereits bis 1991 einen Rentenanspruch erworben, bestünden keine Zweifel, dass in seinem Fall die Arbeitszeiten im Beitrittsgebiet nach dem FRG hätten bewertet werden müssen. Somit habe er bereits Anwartschaften (nach dem FRG) erworben, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 14 GG eigentumsgeschützt seien. Auch werde er gegenüber Arbeitskollegen mit ähnlichem Lebenslauf, die bis zum Jahre 1991 im Beitrittsgebiet verblieben seien, willkürlich ungleich behandelt. Eine verbliebene Vergleichsperson erhalte bei gleicher Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung des SGB VI i.V.m. dem AAÜG eine höhere Rente. Leistungen nach dem AAÜG könne er nicht in Anspruch nehmen, weil es auf einen Stichtag im Jahre 1991 ankomme. Hierin sieht er eine Verletzung des Art. 3 GG und des Sozialstaatsprinzips.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 18. September 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 18. Januar 2010 zu verurteilen, ihm ab 1. Januar 2010 höhere Altersrente - insbesondere
a) unter Bewertung der im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten vom 24. August 1963 bis 25. Mai 1989 nach dem FRG,
b) unter rentensteigernder Berücksichtigung eines Nachteilsausgleichs nach § 13 BerRehaG mit Bewertung der Verfolgungszeit nach den Leistungsgruppen des FRG zu zahlen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit gemäß Artikel 100 Grundgesetz (GG) auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vorzulegen, ob die der Rentenberechnung zu Grunde liegenden Bestimmungen des SGB VI gegen Art. 3 GG in Verbindung mit Art. 14 GG und mit dem Sozialstaatsprinzip verstoßen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Sie hält die gesetzlichen Regelungen, mit denen die Flüchtlinge aus der ehemaligen DDR rentenrechtlich den dort verbliebenen Personen gleichgestellt werden, soweit sie nicht unter den Anwendungsbereich des § 259a SGB VI fallen, für verfassungsgemäß. Sie ist der Auffassung, die durch das FRG begründeten Rentenanwartschaften unterlägen nicht dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, wenn ihnen ausschließlich Beitrags- und Beschäftigungszeiten zu Grunde lägen, die im Herkunftsgebiet erbracht oder zurückgelegt worden seien und er bezieht sich insoweit auf den Beschluss des BVerfG vom 13. Juni 2006 (1 BvL 9/00 e.a.). Nach dem Urteil des BVerfG vom 28. April 1999 (1 BvL 32/95 e.a.) seien in der DDR erworbene Ansprüche und Anwartschaften nur nach Maßgabe des Einigungsvertrags durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützt. Da sich der Bundesgesetzgeber entschieden habe, die Rechtsposition des vom Kläger repräsentierten Personenkreises nicht nach Maßgabe des FRG auszugestalten, könne von einer Grundrechtsverletzung nicht die Rede sein. Im Übrigen könne sich die Anwendung des FRG bei unterschiedlichen Fallgestaltungen nicht nur rentenerhöhend sondern auch rentenmindernd auswirken. Eine vergleichende Probeberechnung übersteige die Kapazitäten der Beklagten.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Berücksichtigung bestimmter Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG, weil er zu keinem Zeitpunkt dem Versorgungssystem der technischen Intelligenz angehört und das Beitrittsgebiet bereits im Mai 1989 verlassen habe. Dies sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur "fiktiven Einbeziehung" von Ingenieuren in das AAÜG, die auf den Stichtag des 30. Juni 1990 abstelle, eindeutig (BSG, Urteile vom 15. Juni 2010, B 5 RS 6/09 R und vom 19. Oktober 2010, B 5 RS 4/09 R e.a.).

Nach den Probeberechnungen gemäß § 13 BerRehaG stehe dem Kläger überhaupt kein Nachteilsausgleich zu. Der im Bescheid vom 18. Januar 2010 ermittelte Nachteilsausgleich erweise sich als rechtswidrig begünstigend. Die Beklagte sehe aber davon ab, den Bescheid gemäß § 45 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) zu korrigieren.

Hinsichtlich der Höhe des für das Jahr 2009 zugrunde zulegenden sozialversicherungspflichtigen Bruttoentgelts hat die Beklagte ein Anerkenntnis erklärt, das der Kläger angenommen hat.

Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Rentenakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist ebenso wie die gegen den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2010 gerichtete Klage sachlich unbegründet.

Streitgegenstand ist nunmehr der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2010 geworden (§ 96 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG), der die ursprünglich angefochtenen Bescheide der Beklagten über die Feststellung rentenrechtlicher Zeiten und den Rentenbescheid vom 6. November 2009 vollständig ersetzt hat. Damit ist unzweifelhaft auch die Klage hinsichtlich der Berücksichtigung eines rentenrechtlichen Nachteilsausgleichs nach dem BerRehaG zulässig.

Allerdings steht dem Kläger weder nach dem BerRehaG noch aufgrund einer fehlerhaften Berücksichtigung eines zu niedrigen Bruttoentgelts für das Jahr 2009 ein höherer Rentenanspruch zu.

Soweit der Kläger die Berücksichtigung eines zusätzlichen rentenrechtlichen Nachteilsausgleichs nach dem BerRehaG unter Berücksichtigung der Leistungsgruppen des FRG begehrt, stehen dem die Vorschriften des BerRehaG entgegen. Der rentenrechtliche Nachteilsausgleich für Verfolgungszeiten erfolgt nach §§ 11 ff. BerRehaG. Gemäß § 11 BerRehaG gelten für Verfolgungszeiten, in denen der Verfolgte eine die Versicherungs- und Beitragspflicht begründende Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit wegen Verfolgungsmaßnahmen nicht ausgeübt hat, Pflichtbeiträge für eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit im Beitrittsgebiet als gezahlt, Pflichtbeitragszeiten während einer Verfolgungszeit gelten nur insoweit als beitragsgeminderte Zeiten, als sich für die Summe aller Entgeltpunkte ein höherer Wert ergibt, sofern nicht die Werte nach § 13 Abs. 2 S. 1 BerRehaG zugrunde zu legen sind. Diese Vorschriften einschließlich der Vergleichsberechnungen nach § 13 BerRehaG hat die Beklagte angewandt, woraus sich kein zusätzlicher rentenrechtlicher Nachteilsausgleich für den Kläger ergibt, wie die Beklagte zuletzt mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2010 dargelegt hat. Insoweit wird auf die mit diesem Schriftsatz vorgelegten Probeberechnungen nach § 13 BerRehaG Bezug genommen (Bl. 245-292 Gerichtsakte). Eine Verletzung der Rechte des Klägers, der nach Einlassung der Beklagten aufgrund der letzten Neufeststellung seines Rentenanspruchs sogar eine höhere Leistung erhält als ihm nach dem BerRehaG zustehen würde, ist hieraus nicht herzuleiten.

Die vom Kläger begehrte Anwendung der Leistungsgruppen nach dem FRG ist nach dem BerRehaG zur Berechnung des rentenrechtlichen Nachteilsausgleichs für Verfolgungszeiten nicht vorgesehen. Ebenso wenig sind die übrigen rentenrechtlichen Zeiten des Klägers im Beitrittsgebiet gemäß SGB VI nach dem FRG zu bewerten. Dies hat das Sozialgericht u.a. unter Hinweis auf § 259a SGB VI in den Gründen des angegriffenen Urteils bereits zutreffend ausgeführt und diese Ausführungen werden mit der Berufungsbegründung auch nicht angegriffen, weshalb der erkennende Senat hierauf ergänzend Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Der Rechtsstreit ist auch nicht gemäß Art. 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, denn der erkennende Senat ist nicht davon überzeugt, dass die auf den vorliegenden Fall anzuwendenden einfachgesetzlichen Vorschriften des SGB VI und des BerRehaG gegen das GG verstoßen und hierdurch Grundrechte des Klägers verletzt sind. Wie das BVerfG bereits mit seiner Entscheidung vom 13. Juni 2006 (a.a.O.) zum FRG festgestellt hat, unterliegen FRG-Zeiten, für die keine Eigenleistungen an einen Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland erbracht wurden, nicht dem Eigentumsschutz gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Zwar hat das BVerfG offen gelassen, ob Eigentumsschutz für eine rentenrechtliche Gesamtrechtsposition besteht, wenn – wie im Falle des Klägers – in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland erworbene Rentenanwartschaften hinzukommen. Hier ist der erkennende Senat allerdings der Überzeugung, dass ein solcher Eigentumsschutz für eine rentenrechtliche Gesamtrechtsposition nicht besteht, weil die nach dem FRG erworbenen und die später hinzugekommenen Rentenanwartschaften bei einem Rentenversicherungsträger der Bundesrepublik Deutschland sich auch zu einem späteren Zeitpunkt teilen lassen und durchaus einem unterschiedlichen rechtlichen Schicksal zugänglich sind. Eine Verschmelzung der beiden unterschiedlichen Anwartschaften findet nicht soweit statt, dass hieraus ein unteilbarer Anspruch entstehen würde. Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben, denn selbst wenn diese rentenrechtliche Gesamtposition dem Schutze des Art. 14 Abs. 1 GG unterstünde, hat der Gesetzgeber im Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889) im Rahmen des ihm zustehenden besonders weiten Gestaltungsspielraums von seiner Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums verfassungsgemäß Gebrauch gemacht, ohne den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zu vernachlässigen. Die in der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften in der Rentenversicherung genießen nur nach Maßgabe dessen, was im Einigungsvertrag als Rechtspositionen der gesamtdeutschen Rechtsordnung anerkannt wurde, den Schutz des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Die rentenrechtlichen Rechtspositionen, die in der DDR begründet wurden, gelangten mit dem Beitritt und mit der Anerkennung durch den Einigungsvertrag wie andere vermögenswerte Rechtspositionen in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Die BRD ist in die in der DDR entstandenen leistungsrechtlichen Beziehungen grundsätzlich eingetreten. An einem solchen eigentumsbegründenden besonderen Transformationsakt fehlt es im Fremdrentenrecht. Folgerichtig wurden auch die Rechtsansprüche der Übersiedler der DDR vor deren Beitritt zur BRD originär durch das FRG begründet. Eine Anerkennung der in der DDR erworbenen Rechtspositionen erfolgte erst durch Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. B des Einigungsvertrages (so: BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006, a.a.O., Juris Rdnr. 82). Die von den Übersiedlern aufgrund des FRG erworbenen Rechtspositionen gehören nicht dazu und genießen demgemäß auch keinen Eigentumsschutz.

Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Überführung der Rentenansprüche und Rentenanwartschaften aus dem Beitrittsgebiet war bei der Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Rentenversicherung besonders weit (so zutreffend: BVerfG, Urteil vom 28. April 1999, a.a.O.). Mit der Herstellung der Einheit der Sozialversicherung hatte der Gesetzgeber bereits hohe finanzielle Belastungen infolge des Eintritts in die Leistungspflichten der ehemaligen Sozialversicherung der DDR zu bewältigen. Insoweit stand die Finanzierbarkeit einer einheitlichen Rentenversicherung für ganz Deutschland auf dem Spiel, die als wichtiger Gemeinwohlbelang anzuerkennen ist (so: BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006, a.a.O.). Die Eingliederung der bereits vor dem 19. Mai 1990 übergesiedelten Personen in ein einheitliches Rentenversicherungssystem, soweit diese nicht vor dem 1. Januar 1937 geboren sind (§ 259a SGB VI), diente sowohl dem Ziel der Einheit als auch der Finanzierbarkeit der Rentenversicherung auch insoweit und sofern hierdurch Besserstellungen, die mit dem FRG verbunden gewesen sein mögen, für diesen Personenkreis nicht mehr aufrecht erhalten wurden. Der in der gesetzlichen Regelung liegende Eingriff in die Rechtsposition des nach dem FRG berechtigten Personenkreises ist durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt und genügt den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Auch wenn angenommen wird, dass die Rentenanwartschaften der nach dem FRG Berechtigten bei Zusammentreffen mit in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Rentenanwartschaften als Gesamtrechtsposition insgesamt der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG unterfallen, durfte der Gesetzgeber berücksichtigen, dass die Anwartschaften zum Teil nicht auf Beitragsleistungen zu Gunsten der versicherungsrechtlichen Solidargemeinschaft beruhen, die die Rente finanziert. Ist es zur Sicherung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung geboten, rentenrechtliche Positionen zu verändern, so kann der soziale Bezug, der dem Gesetzgeber größere Gestaltungsfreiheit bei Eingriffen gibt, den Gesetzgeber berechtigen, in Abwägung zwischen Leistungen an Versicherte und Belastungen der Solidargemeinschaft vor allem jene Positionen zu verkürzen, die Ausdruck besonderer Vergünstigungen sind (so zutreffend: BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006, a.a.O., Juris Rdnr. 92).

Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 GG liegt ebenfalls nicht vor. Soweit die Klägerseite die rentenrechtliche Gleichbehandlung mit den Personen rügt, die im Beitrittsgebiet verblieben sind und keinen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt waren, trägt der Gesetzgeber der besonderen Situation der Sowjetzonenflüchtlinge und sonstigen Verfolgten des DDR-Regimes bereits durch die Vorschriften des BerRehaG auch im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung hinreichend Rechnung. Eine darüber hinausgehende Besserstellung – insbesondere unter Anwendung der Leistungsgruppen nach dem FRG – kann der Kläger auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht beanspruchen. Dass er keine Ansprüche nach dem AAÜG erworben hat, beruht wesentlich auf dem Umstand, dass er nicht verfolgungsbedingt keine Versorgungszusage in der DDR erhalten und damit nicht dem dortigen System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz angehört hatte. Für einen verfolgungsbedingten Verlust der Versorgung bildet im Übrigen § 13 Abs. 3 BerRehaG einen hinreichenden Ausgleich. Nur hinsichtlich einer "fiktiven Einbeziehung" kommt es auf den Stichtag 30. Juni 1990 an, zu dem die tatsächlichen Umstände (persönlichen, sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen) erfüllt sein müssen, die einen fiktiven bundesrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage erfüllen (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, a.a.O., Juris Rdnr. 31). Die Flucht selbst ist damit aber nicht die wesentliche Ursache für die Nichtanwendbarkeit des AAÜG auf den Kläger. Dem ist aber nicht weiter nachzugehen, denn das Bestehen von Ansprüchen nach dem AAÜG ist nicht Streitgegenstand des hier anhängigen Rechtsstreits. Im Übrigen nimmt der Senat auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils des Sozialgerichts ergänzend Bezug, die er sich zu Eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).

Nach allem konnte der Berufung kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Rechtskraft
Aus
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