L 15 SF 11/09 B

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 SF 91/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SF 11/09 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Anwendung des reduzierten Gebührenrahmens der Nr. 3103 VV RVG ist durch den Umstand ausgeschlossen, dass die Geschäftsgebühr, die im Rahmen der von der Beratungshilfe umfassten Tätigkeit entstanden ist, auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist (vgl. Beschluss des Bayer. LSG vom 04.11.2010, L 15 B 617/08 SB KO).
2. Bei der fiktiven Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 Satz 2 Nr. 2 VV RVG hat für die konkrete Bemessung der Gebühr eine fiktive Prüfung zu erfolgen. Maßgeblich sind die Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG, wobei hypothetisch zu beurteilen ist, welche Schwierigkeiten und welchen Aufwand die mündliche Verhandlung mit sich gebracht hätte, wenn sie durchgeführt worden wäre.
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 9. Dezember 2008 wird
aufgehoben.

II. Unter Abänderung der Kostenfestsetzung vom 1. August 2008 wird die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung des Beschwerdeführers auf 517,65 Euro festgesetzt.



Gründe:


I.

Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus der Staatskasse zusteht. Streitig sind die Höhe der Verfahrensgebühr und die Höhe der fiktiven Terminsgebühr.

Im Klageverfahren am Sozialgericht Bayreuth S 12 (3) R 775/06 ging es um die Höhe der Witwenrente der Klägerin und dabei um die Begrenzung der Entgeltpunkte nach § 22b Fremdrentengesetz (FRG). Das Sozialgericht Bayreuth wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16.02.2007 ab. Mit Beschluss vom 27.12.2008 (L 19 B 229/08 R PKH) bewilligte das Bayer. Landessozialgericht der Klägerin für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth Prozesskostenhilfe und ordnete ihr den Beschwerdeführer bei.

Mit Schriftsatz vom 13.06.2008 stellte der Beschwerdeführer, der die Klägerin schon im Widerspruchsverfahren vertreten hatte, Antrag auf Festsetzung folgender Gebühren und Auslagen: Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG (Mittelgebühr): 250 Euro, Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG (Mittelgebühr): 200 Euro (außerdem Pauschale 20 Euro, abzüglich Anrechnung Beratungshilfe 35 Euro, ergibt netto 435 Euro, zzgl. Mehrwertsteuer 82,65 Euro). Insgesamt verlangte er einen Betrag von 517,65 Euro.

Die Kostenbeamtin setzte die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren am 01.08.2008 wie folgt fest:

Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG 60,00 Euro
abzüglich Beratungshilfe, Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG 35,00 Euro

ergibt 25,00 Euro
Terminsgebühr, Nr. 3106 Nr. 2 VV RVG 100,00 Euro
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
19% Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG 27,55 Euro

insgesamt 172,55 Euro

Zur Begründung führte sie aus, dass für die Verfahrensgebühr bei Vertretung bereits im Widerspruchsverfahren der Gebührenrahmen nach Nr. 3103 VV RVG maßgeblich sei und die Gebühr unter Berücksichtigung aller Tätigkeiten des Rechtsanwalts ab dem 15.01.2007 (Prozesskostenhilfe-Antragstellung) auf 60 Euro festgesetzt werde. Die Terminsgebühr sei auf 100 Euro festzusetzen, da das Verfahren durch Gerichtsbescheid entschieden worden sei.

Der Beschwerdeführer hat am 06.08.2008 Erinnerung eingelegt. Er hat vorgetragen, dass bei Vertretung im Vorverfahren auf Basis von Beratungshilfe eine Rahmengebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG unter Anrechnung der hälftigen Beratungshilfegebühr gemäß Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG entstehe. Der Gebührentatbestand der Nr. 3103 VV RVG sei eine Abwandlung zu der Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG und berücksichtige, dass der mit der Sache bereits vorbefasste Rechtsanwalt bereits eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG erhalten habe. Vertrete der Rechtsanwalt den Mandanten im behördlichen Verfahren auf Beratungshilfebasis, habe er die Gebühr des Nr. 2400 VV RVG gerade nicht erhalten. Eine Anrechnung der hälftigen Beratungshilfe-Geschäftsgebühr auf Nr. 3103 VV RVG scheide jedenfalls völlig aus, da es sich bei Nr. 3103 VV RVG bereits um eine Anrechnungsvorschrift handele. Die Folge der bei der Kostenfestsetzung vertretenen Auffassung sei, dass der auf Basis von Beratungshilfe vorbefasste Rechtsanwalt weniger erhalte (279,76 Euro) als der erst im gerichtlichen Verfahren tätige Rechtsanwalt (321,30 Euro). Darüber hinaus trete er den Absetzungen in Höhe von 290 Euro entgegen. Der Rechtsstreit sei insgesamt als durchschnittlich zu bewerten, der Ansatz von Mittelgebühren sei daher nicht zu beanstanden. Die Kostenbeamtin half der Erinnerung nicht ab.

Das Sozialgericht Bayreuth hat mit Beschluss vom 09.12.2008 die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 01.08.2008 als unbegründet zurückgewiesen. Für die Verfahrensgebühr sei der Gebührenrahmen der Nr. 3103 VV RVG und nicht der Nr. 3102 VV RVG maßgeblich, weil der Erinnerungsführer seine Mandantin bereits im Widerspruchsverfahren vertreten habe. Die Überlegungen des Beschwerdeführers zur doppelten Kürzung der Verfahrensgebühr durch Anwendung des reduzierten Gebührenrahmens und Anrechnung der Beratungshilfe hält das Sozialgericht für nicht überzeugend. Die vom Erinnerungsführer verlangte Mittelgebühr sei, so das Sozialgericht weiter, nicht gerechtfertigt. Angemessen sei eine Gebühr von 60 Euro. Es handele sich bei der Erhöhung der Witwenrente um ein übliches Verfahren ohne besondere Schwierigkeiten, was allenfalls für einen normalen Durchschnittsfall spreche. Allerdings sei das Ausmaß der für die Bemessung der Verfahrensgebühr relevanten anwaltlichen Tätigkeit minimal gewesen. Bei Berücksichtigung des fiktiven "Eintritts" des Erinnerungsführers ins Verfahren am 15.01.2007 sei die Klage bereits anhängig und begründet gewesen. Nach der Beiordnung hätte der Erinnerungsführer nur noch einen einzigen kurzen Schriftsatz eingereicht und den Gerichtsbescheid in Empfang genommen. Das Verfahren habe ab der Beiordnung bis zum Erlass des Gerichtsbescheids gerade einmal einen Kalendermonat gedauert. Zur Höhe der Terminsgebühr hat das Sozialgericht ausgeführt, nach dem Gesetz sei erkennbar, dass der Normgeber dem bloßen Umstand, dass eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat, keine gebührenmindernde Bedeutung beigemessen habe. Die Auffassung, dass der Ansatz der Terminsgebühr eins zu eins von der Verfahrensgebühr zu übernehmen sei (SG Berlin, Beschluss vom 11.10.2006, S 48 SB 789/05), werde allerdings ebenso wenig geteilt wie die Auffassung, dass bei einer Terminsgebühr, die ohne tatsächliche Terminswahrnehmung angefallen sei, immer die Mindestgebühr anzusetzen sei (SG Aachen, Beschluss vom 18.02.2005, S 3 SB 178/04). Vielmehr sei jede Gebühr anhand der Kriterien des § 14 RVG zu bemessen. Es sei zu prüfen, in welcher Höhe eine Gebührenfestsetzung erfolgt wäre, wenn eine mündliche Verhandlung zwar stattgefunden, die Beteiligten aber weder eine Einführung in den Sach- und Streitstand durch den Vorsitzenden noch ein Rechtsgespräch gewünscht hätten, wenn also im wesentlichen lediglich eine Entscheidungsverkündung in der mündlichen Verhandlung ohne Anwesenheit der Parteien stattgefunden hätte. Die Bedeutung für die Klagepartei (Höhe der Witwenrente) sowie deren Einkommensverhältnisse dürften denen entsprechen, von denen auch bei der Bemessung der Verfahrensgebühr ausgegangen worden sei. Vorliegend seien dies unterdurchschnittliche Verhältnisse. Ein Haftungsrisiko des Erinnerungsführers sei nicht zu erkennen. Daraus ergebe sich, dass im vorliegenden Verfahren sicherlich nicht insgesamt von durchschnittlichen Verhältnissen einer mündlichen Verhandlung ausgegangen werden könne, sondern nur von deutlich unterdurchschnittlichen Verhältnissen. Gleichwohl handele es sich aber schon im Hinblick auf die begehrte höhere Witwenrente auch nicht um eine Angelegenheit, die insgesamt nur an der untersten Gebührengrenze läge und nur die Mindestgebühr rechtfertigen würde. Vielmehr werde der Bemessung der Kostenbeamtin mit der Hälfte der Mittelgebühr (hier 100 Euro) als der im Einzelfall angemessenen, aber auch ausreichenden Gebühr in vollem Umfang beigetreten.

Gegen den am 11.12.2008 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 18.12.2008 wegen aller Punkte Beschwerde eingelegt. Er hat sich weiterhin gegen die Auffassung einer quasi doppelten Anrechnung bei der Verfahrensgebühr (Nr. 3103 und Nr. 2503 VV RVG) gewendet, die dazu führe, dass der Rechtsanwalt den rechtsuchenden und mittellosen Mandanten aus Kostengesichtspunkten nicht mehr im Vorverfahren auf Basis von Beratungshilfe vertreten würde. Weiter hat er darauf hingewiesen, dass zur im Hauptsacheverfahren streitigen Frage der Erhöhung der Witwenrente (SGB VI/ FRG) zwischenzeitlich vier verschiedene Senate des Bundessozialgerichts zu divergierenden Rechtsauffassungen gelangt seien und der 13. Senat die Angelegenheit dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt habe. Auch wenn bezweifelt werden könne, ob bei einem solchen Verfahrensgang noch von einem "vor den Sozialgerichten üblichen Verfahren ohne besondere Schwierigkeiten" gesprochen werden könne, solle es bei der Bestimmung eines Durchschnittsfalles bleiben. Hinsichtlich der Bedeutung der Angelegenheit verkenne die Kammer, dass die Angelegenheit für die Klägerin überaus große Bedeutung habe. Im Fall des Obsiegens erhalte sie eine Rentennachzahlung im fünfstelligen Bereich, ihr monatlicher Rentenbezug würde deutlich ansteigen. Was mit dem "fiktiven" Verfahrenseintritt gemeint sei, könne nicht nachvollzogen werden. Die fiktive Terminsgebühr sei in den Fällen, in denen es nicht zu einem Anerkenntnis gekommen sei, sondern es einer gerichtlichen Entscheidung bedurft hätte, in Anlehnung an die Verfahrensgebühr festzulegen. Im Übrigen begegne der Hinweis der Kammer, ein Haftungsrisiko des Erinnerungsführers sei nicht zu erkennen, großem Unverständnis. Der Rechtsanwalt sei stets einem Haftungsrisiko ausgesetzt.

Der Beschwerdegegner hat sich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akte des Sozialgerichts Bayreuth S 10 SF 91/08 sowie die Prozessakte S 12 (3) 775/06 (mit Prozesskostenhilfe-Beiakte) Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere auch statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG).

Die Beschwerde ist in vollem Umfang begründet.

Für die Tätigkeit im Rahmen der Prozesskostenhilfe im Rechtsstreit S 12 (3) R 775/06 hat der Beschwerdeführer Anspruch gegen die Staatskasse auf Zahlung der beantragten 517,65 Euro. Dieser Anspruch beruht auf § 45 Abs. 1, § 48 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis (VV), § 14 Abs. 1 RVG. Über den von der Kostenbeamtin am 01.08.2008 festgesetzten Zahlbetrag von 172,55 Euro hinaus kann der Beschwerdeführer die Zahlung von weiteren 345,10 Euro verlangen.

Höhe der Verfahrensgebühr

Der Anspruch des Beschwerdeführers gegen die Staatskasse auf Vergütung der Verfahrensgebühr ergibt sich aus Nr. 3102 VV RVG, § 14 Abs. 1 RVG. Ihm steht die Mittelgebühr in Höhe von 250 Euro zu.

Maßgeblich ist der Rahmen der Nr. 3102 VV RVG (40 Euro bis 460 Euro). Die Anwendung des reduzierten Gebührenrahmens der Nr. 3103 VV RVG wegen der Tätigkeit des Beschwerdeführers im vorausgegangenen Widerspruchsverfahren ist durch den Umstand ausgeschlossen, dass die Geschäftsgebühr, die im Rahmen der von der Beratungshilfe umfassten Tätigkeit entstanden ist, auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist. Die vermutlich auf einem gesetzgeberischen Versehen beruhende doppelte Kürzung wegen Vorbefassung des Rechtsanwalts mit der Angelegenheit ist nach Auffassung des Senats in der Weise zu korrigieren, dass Nr. 2503 Abs. 2 Satz 1 VV RVG als lex specialis angesehen wird und es im Übrigen beim allgemeinen Gebührenrahmen der Nr. 3102 VV RVG bleibt (so Bayer. LSG, Senatsbeschluss vom 04.11.2010, L 15 B 617/08 SB KO, mit ausführlicher Begründung).

Der Beschwerdeführer kann die Gebühren und Auslagen verlangen, die sich aus seiner Tätigkeit im Klageverfahren ergeben. Die Kürzung der Verfahrensgebühr auf 60 Euro mit der Begründung, dass nur Tätigkeiten ab dem 15.01.2007 (Prozesskostenhilfe-Antrag) berücksichtigungsfähig seien, ist generell nicht zulässig (vgl. Bayer. LSG, Beschluss des Senats vom 22.07.2010, L 15 SF 303/09 B E m.w.N.). Hinzu kommt hier, dass die Prozesskostenhilfebewilligung ohne Benennung eines (einschränkenden) Zeitpunkts erfolgt ist. Mit Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 27.12.2008 ist Prozesskostenhilfe "für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth" bewilligt und entsprechend der Beschwerdeführer beigeordnet worden ist. Eine Kürzung der Verfahrensgebühr wegen eines späteren fiktiven Eintritts des Beschwerdeführers ins Verfahren ist schon deswegen nicht möglich.

Die vom Beschwerdeführer beantragte Mittelgebühr in Höhe von 250 Euro ist verbindlich. Es ist nicht unbillig, dass er den Rechtsstreit als insgesamt durchschnittlich bewertet hat. Bei Betragsrahmengebühren im Sinn des § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (§ 14 Abs. 1 Sätze 1 und 3 RVG). Um Streit über die billige Gebühr nach Möglichkeit zu vermeiden, hat der Gesetzgeber dem Rechtsanwalt ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht eingeräumt, das mit der Pflicht zur Berücksichtigung der in § 14 RVG genannten Kriterien verbunden ist. Nach überwiegender Auffassung wird ihm bei der Bestimmung der billigen Gebühr ein gewisser Spielraum zugestanden, wobei Abweichungen von bis zu 20 % im Allgemeinen noch als verbindlich angesehen werden. Für "Normalfälle" bzw. "Durchschnittsfälle", in denen sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt abhebt, ist die Mittelgebühr zugrunde zu legen (zum Ganzen Gerold/ Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 19. Auflage 2010, § 14 Rn. 4 ff., 10 ff.; Hartmann, Kostengesetze, 40. Auflage 2010, § 14 RVG, Rn. 14 ff., 23 f.; BSG vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R; vgl. auch Strassfeld, NZS 2010, S. 253, 254 f.).

In Reaktion auf die Ausführungen des Sozialgerichts hat der Beschwerdeführer zu Recht auf die große Bedeutung der (Renten-) Angelegenheit für die Klägerin und auf sein Haftungsrisiko hingewiesen. Außerdem hat er darauf aufmerksam gemacht, dass bezüglich der streitigen Frage der Erhöhung der Witwenrente (SGB VI/ FRG) zwischenzeitlich mehrere Senate des Bundessozialgerichts zu divergierenden Rechtsauffassungen gelangt seien. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit wird bei diesen Gegebenheiten als mindestens durchschnittlich zu bewerten sein.

Höhe der Terminsgebühr

Der Beschwerdeführer hat Anspruch auf Erstattung einer (fiktiven) Terminsgebühr in Höhe der Mittelgebühr von 200 Euro.

Dieser Anspruch ergibt sich aus Nr. 3106 Satz 2 Nr. 2 VV RVG. Danach entsteht diese Gebühr auch ohne Termin, "wenn nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird". Das ist hier der Fall.

Die vom Beschwerdeführer beantragte Gebühr in Höhe von 200 Euro ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts billig und angemessen. Bei einem Gebührenrahmen von 20 Euro bis 380 Euro gemäß Nr. 3106 VV RVG entspricht dies der Mittelgebühr.

Wie das Sozialgericht zutreffend angenommen hat, soll sich nach den gesetzlichen Regelungen der Verzicht auf die Anberaumung und Durchführung eines Termins gebührenrechtlich nicht zum Nachteil des Rechtsanwalts auswirken. Dies ist aus der Regelung der Nr. 3104 VV RVG zu schließen. Für streitwertgebundene Verfahren ist hier ein Gebührensatz von 1,2 vorgesehen, gleichviel ob es um die Terminsgebühr nach Durchführung eines Gerichtstermins geht oder um die fiktive Terminsgebühr ohne Durchführung einer mündliche Verhandlung (ausführlich Bayer. LSG, Senatsbeschluss vom 20.08.2010, L 15 B 1007/08 SF).

Für die konkrete Bemessung der Terminsgebühr hat eine fiktive Prüfung zu erfolgen. Maßgeblich sind die Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG, wobei hypothetisch zu beurteilen ist, welche Schwierigkeiten und welchen Aufwand die mündliche Verhandlung mit sich gebracht hätte, wenn sie durchgeführt worden wäre. Die vom Sozialgericht vertretene restriktive Auffassung, bei der hypothetischen Betrachtung sei auf eine mündliche Verhandlung ohne Einführung in den Sach- und Streitstand durch den Vorsitzenden und ohne Rechtsgespräch abzustellen, trägt der in Nr. 3106 VV RVG angelegten Gleichstellung von mündlicher Verhandlung und Erlass eines Gerichtsbescheids nicht ausreichend Rechnung (vgl. Bayer. LSG, Senatsbeschluss vom 20.08.2010, L 15 B 1007/08 SF). Unter Berücksichtigung der keineswegs einfachen rechtlichen Problematik, um die es hier ging, und der Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin (nennenswert höhere Rente samt Rentennachzahlung) wäre zu erwarten gewesen, dass die mündliche Verhandlung mindestens von durchschnittlicher Intensität und Schwierigkeit und auch von durchschnittlicher Länge gewesen wäre.

Diese Entscheidung trifft der Einzelrichter im Sinn des § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG.

Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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