Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 530/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 933/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 20/11 BH
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Hat bereits ein Gericht über die Frage, ob ein Arbeitsunfall vorliegt oder nicht, rechtskräftig entschieden, so hat das Gericht bei der Klärung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 53 Abs 1 SGB VI, hier die vorzeitige Wartezeiterfüllung durch einen erlittenen Arbeitsunfall, von dieser rechtskräftigen Entscheidung auszugehen.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 21.11.2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 29.08.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.02.2001, mit dem die Beklagte einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt hat.
Der 1965 geborene Kläger hielt sich bis zur Abschiebung am 16.02.1996 in der Bundesrepublik Deutschland auf und war zuletzt als Lagerarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Am 31.08.1995 erlitt der Kläger einen Bandscheibenvorfall im Bereich des Wirbelsegments L5/S1. Infolgedessen war der Kläger ab 01.09.1995 arbeitsunfähig und bezog ab dem 13.10.1995 Krankengeld. Dem Kläger wurde nach entsprechender Antragstellung durch die Landesversicherungsanstalt Baden eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme bewilligt, die er am 20.02.1996 hätte antreten sollen. Infolge der am 16.02.1996 durchgeführten Abschiebung konnte diese Maßnahme aber nicht angetreten werden. Der Kläger hielt sich nach eigenen Angaben dann vom 17.02.1996 bis 20.06.2000 in der Türkei auf ohne eine versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt zu haben.
Am 25.05.2000 beantragte der Kläger beim türkischen Sozialversicherungsträger die Gewährung von Erwerbsminderungsrente. Dieser Antrag wurde am 15.06.2000 an die Beklagte weitergeleitet. Nach Einholung einer medizinischen Stellungnahme von Frau Dr.P. vom 05.08.2000 lehnte die Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 29.08.2000 den Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass weder die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben seien noch die erforderliche Wartezeit erfüllt sei und auch keine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit des Klägers vorliege. Der hiergegen eingelegte Widerspruch vom 19.10.2000 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2001 abgelehnt, nachdem nochmals eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dr.L. vom 18.12.2000 eingeholt worden war.
Die hiergegen am 10.04.2001 zum Sozialgericht (SG) Bayreuth erhobene Klage hat das SG nach Einholung eines Sachverständigengutachtens von Dr.Z. Ö. sowie eines neuro-chirurgischen Gutachtens von Frau Dr.F. K. und einer ergänzenden Stellungnahme von Dr.Ö. vom 09.08.2007 durch Gerichtsbescheid vom 21.11.2007 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG unter Bezugnahme auf die eingeholten Gutachten ausgeführt, dass aufgrund des im August 1995 erlittenen Bandscheibenvorfalls wohl von einem geminderten Leistungsvermögen auszugehen sei, nachdem Dr.Ö. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 09.08.2007 ein Leistungsbild des Klägers von weniger als 8, aber mindestens 4 Stunden unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen für den allgemeinen Arbeitsmarkt konstatiert habe. Eine Tätigkeit als Lagerarbeiter sei nicht mehr möglich gewesen. Die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente scheitere jedoch daran, dass der Kläger weder die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren für einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente (§ 50 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -) noch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 44 Abs 4 SGB VI idF bis 31.12.2000 erfülle. Der Kläger könne ausgehend von einem Leistungsfall am 31.08.1995 keine 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nachweisen. Ursache hierfür sei, dass der Versicherungsverlauf des Klägers in der Zeit von Dezember 1992 bis Mai 1995 eine Lücke aufweise. Auch eine vorzeitige Wartezeiterfüllung nach § 53 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI sei nicht gegeben, weil ein Arbeitsunfall nicht vorliege. Dies sei rechtskräftig in einem sozialgerichtlichen Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltung in Hamburg geklärt worden. Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger ausweislich des Rückscheins am 14.12.2007 zugestellt.
Zur Begründung der am 18.12.2007 zum Bayer. Landessozialgericht erhobenen Berufung trägt der Kläger vor, dass er am 31.08.1995 einen Arbeitsunfall erlitten habe, weil er beim Heben einer Palette verletzt worden sei. Außerdem sei es unzutreffend, dass er erst am 25.06.2000 einen Rentenantrag gestellt habe. Er habe über den türkischen Sozialversicherungsträger bereits im Jahr 1996 einen Rentenantrag gestellt und ein Gutachten selbst bezahlt. Der Rentenantrag sei am 22.05.1996 an die Beklagte geschickt worden. Er habe jedoch von der Beklagten keine Antwort bekommen. Außerdem liege eine Erwerbsminderung vor. In dem Gutachten vom 16.05.2000 werde geschrieben, dass er seinen Beruf nicht mehr ausüben könne. Die vom SG Bayreuth in Auftrag gegebene Begutachtung sei im Übrigen nicht korrekt, da verschiedene Untersuchungen wie CT, MRT und EMG nicht gemacht worden seien. Auf das ausführliche Schreiben des Klägers vom 24.11.2009 sowie auf das Schreiben vom 26.01.2011 wird ergänzend verwiesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 21.11.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29.08.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.02.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 21.11.2007 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 21.11.2007 ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), jedoch unbegründet. Das SG Bayreuth hat im Ergebnis zu Recht mit dem Gerichtsbescheid vom 21.11.2007 einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit abgelehnt, da die notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit noch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gegen die Beklagte.
Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob der Rentenantrag des Klägers erst im Mai 2000 beim türkischen Sozialversicherungsträger gestellt wurde, der am 15.06.2000 an die Beklagte weitergeleitet worden war oder ob der Antrag bereits im Jahr 1996 nach erfolgter Abschiebung des Klägers in die Türkei beim türkischen Sozialversicherungsträger gestellt und dieser schon eher an die Beklagte weitergeleitet worden war. Selbst bei Annahme eines Leistungsfalles am 31.08.1995, als der Kläger sich bei dem Anheben einer Palette verhoben hatte und akute Schmerzen in der Wirbelsäule erlitt, und der Annahme eines Rentenantrags bereits im Jahr 1996 kann dem Kläger keine Rente wegen Erwerbsminderung gewährt werden, da die notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Das SG Bayreuth hat zutreffend festgestellt, dass zum einen die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren mit Beitragszeiten iS des § 50 Abs 1 SGB VI nicht erfüllt ist, da der Kläger ausgehend von einem Leistungsfall 31.08.1995 lediglich 4 Jahre und 11 Monate an Vorversicherungszeiten nachweisen kann. Zum anderen ist auch die notwendige 3/5-Belegung mit Pflichtbeiträgen ausgehend von einem Leistungsfall 31.08.1995 nicht erfüllt, weil lt. dem vorliegenden Versicherungsverlauf zwischen dem 25.10.1992 und dem 21.06.1995 eine Versicherungslücke vorliegt. Hierzu liegen keine weiteren Angaben des Klägers vor. Ausgehend von dem Leistungsfall 31.08.1995 sind in der Rahmenfrist von 5 Jahren lediglich 9 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt.
Eine vorzeitige Wartezeiterfüllung und Fiktion der notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen über § 53 SGB VI kommt ebenfalls nicht in Betracht. Gemäß § 53 Abs 1 Nr 1 SGB VI gilt die allgemeine Wartezeit im Sinne des § 50 SGB VI vorzeitig als erfüllt, wenn der Versicherte wegen eines erlittenen Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit vermindert erwerbsfähig geworden ist. Ebenso würde die 3/5-Belegung mit Pflichtbeitragszeiten in diesem Falle fingiert (§ 43 Abs 5 SGB VI). Eine Fiktion der vorzeitigen Wartezeiterfüllung nach § 53 SGB VI kommt vorliegend jedoch nicht in Betracht, weil die Erwerbsminderung des Klägers nicht durch einen Arbeitsunfall im Sinne des § 7 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII - verursacht wurde. Insoweit hat das SG Hamburg in dem Verfahren S 25 U 253/01 mit Gerichtsbescheid vom 24.02.2004 entschieden, dass es an der relevanten Kausalität des Unfallereignisses für den erlittenen Bandscheibenschaden des Klägers fehlt. Es habe sich nur gelegentlich dieses Unfalls eine bereits vorhandene Vorschädigung der Wirbelsäule entscheidend ausgewirkt. Die hiergegen vom Kläger zum Landessozialgericht Hamburg erhobene Berufung wurde in der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2007 nach Hinweis des Senates auf die fehlende Erfolgsaussicht zurückgenommen (LSG Hamburg - L 3 U 19/04), so dass die Entscheidung des SG Hamburg vom 24.02.2004 rechtskräftig geworden ist. Das SG Hamburg hat in diesem Verfahren festgestellt, dass aus dem Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers sowie aus den erhobenen Befunden hervorgeht, dass die Lendenwirbelsäule des Klägers bereits vor dem Ereignis vom 31.08.1995 degenerativ verändert gewesen sei. Der Kläger habe bei den ihn unmittelbar nach dem Unfall behandelnden Ärzten selbst angegeben, beim Heben einer Palette mit ca. 150 kg Schokolade einen plötzlich einschießenden Schmerz und ein Wärmegefühl in der Lendenwirbelsäule verspürt zu haben, so dass sich keine äußere, in ihrer Art unersetzliche Einwirkung auf den Körper realisiert hätte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu etwa derselben Zeit die Erkrankung hätte auslösen können. Die hier für einen Anspruch auf Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente maßgebliche Vorfrage des Vorliegens eines Arbeitsunfalles war somit Streitgegenstand des Verfahrens zwischen dem Kläger und dem Unfallversicherungsträger. Über dieses Verfahren ist rechtskräftig entschieden, so dass bei der Klärung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, hier die vorzeitige Wartezeiterfüllung durch einen erlittenen Arbeitsunfall, von dieser rechtskräftigen Entscheidung des SG Hamburg auszugehen ist (vgl. BSG vom 08.04.1992 - 10 RAr 4/91, veröffentl. bei juris; Keller in Meyer-Ladewig/Kel-ler/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 141, Rdnr 3 ff., insbesondere 6 d, 12, 12 a m.w.N.; a.A. BayLSG vom 28.02.2007 - L 16 R 593/06 unter Bezugnahme auf Niesel, in: KassKomm, § 53 SGB VI Rdnr 7). Der Senat sieht auch keine Anhaltspunkte, die diese Entscheidung des SG Hamburg als offensichtlich fehlerhaft erscheinen ließen und die zu eigenen Ermittlungen des Senates insoweit Anlass gäben. Ein solcher Anlass ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der vom SG Bayreuth im hiesigen Verfahren eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten von Dr. Ö. und Dr. G ... Eine nochmalige Überprüfung der Entscheidung des Unfallversicherungsträgers im Rahmen des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist - soweit ersichtlich - bislang nicht erfolgt.
Nachdem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente iS der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung nicht vorliegen, erübrigt sich eine weitere medizinische Sachverhaltsaufklärung. Auch die Annahme eines späteren Leistungsfalles würde nicht zu einem Rentenanspruch führen, da der Kläger spätere Versicherungspflichtzeiten in der Türkei nicht zurückgelegt hat. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger infolge des erlittenen Bandscheibenvorfalles vom 31.08.1995 tatsächlich in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist, dass dies jedoch mangels Erfüllung der allgemeinen Wartezeit im Sinne des § 50 SGB VI sowie der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der 3/5-Belegung mit Pflichtbeitragszeiten keinen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeits- bzw. Berufsunfähigkeitsrente begründen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 29.08.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.02.2001, mit dem die Beklagte einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt hat.
Der 1965 geborene Kläger hielt sich bis zur Abschiebung am 16.02.1996 in der Bundesrepublik Deutschland auf und war zuletzt als Lagerarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Am 31.08.1995 erlitt der Kläger einen Bandscheibenvorfall im Bereich des Wirbelsegments L5/S1. Infolgedessen war der Kläger ab 01.09.1995 arbeitsunfähig und bezog ab dem 13.10.1995 Krankengeld. Dem Kläger wurde nach entsprechender Antragstellung durch die Landesversicherungsanstalt Baden eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme bewilligt, die er am 20.02.1996 hätte antreten sollen. Infolge der am 16.02.1996 durchgeführten Abschiebung konnte diese Maßnahme aber nicht angetreten werden. Der Kläger hielt sich nach eigenen Angaben dann vom 17.02.1996 bis 20.06.2000 in der Türkei auf ohne eine versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt zu haben.
Am 25.05.2000 beantragte der Kläger beim türkischen Sozialversicherungsträger die Gewährung von Erwerbsminderungsrente. Dieser Antrag wurde am 15.06.2000 an die Beklagte weitergeleitet. Nach Einholung einer medizinischen Stellungnahme von Frau Dr.P. vom 05.08.2000 lehnte die Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 29.08.2000 den Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass weder die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben seien noch die erforderliche Wartezeit erfüllt sei und auch keine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit des Klägers vorliege. Der hiergegen eingelegte Widerspruch vom 19.10.2000 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2001 abgelehnt, nachdem nochmals eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dr.L. vom 18.12.2000 eingeholt worden war.
Die hiergegen am 10.04.2001 zum Sozialgericht (SG) Bayreuth erhobene Klage hat das SG nach Einholung eines Sachverständigengutachtens von Dr.Z. Ö. sowie eines neuro-chirurgischen Gutachtens von Frau Dr.F. K. und einer ergänzenden Stellungnahme von Dr.Ö. vom 09.08.2007 durch Gerichtsbescheid vom 21.11.2007 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG unter Bezugnahme auf die eingeholten Gutachten ausgeführt, dass aufgrund des im August 1995 erlittenen Bandscheibenvorfalls wohl von einem geminderten Leistungsvermögen auszugehen sei, nachdem Dr.Ö. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 09.08.2007 ein Leistungsbild des Klägers von weniger als 8, aber mindestens 4 Stunden unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen für den allgemeinen Arbeitsmarkt konstatiert habe. Eine Tätigkeit als Lagerarbeiter sei nicht mehr möglich gewesen. Die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente scheitere jedoch daran, dass der Kläger weder die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren für einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente (§ 50 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -) noch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 44 Abs 4 SGB VI idF bis 31.12.2000 erfülle. Der Kläger könne ausgehend von einem Leistungsfall am 31.08.1995 keine 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nachweisen. Ursache hierfür sei, dass der Versicherungsverlauf des Klägers in der Zeit von Dezember 1992 bis Mai 1995 eine Lücke aufweise. Auch eine vorzeitige Wartezeiterfüllung nach § 53 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI sei nicht gegeben, weil ein Arbeitsunfall nicht vorliege. Dies sei rechtskräftig in einem sozialgerichtlichen Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltung in Hamburg geklärt worden. Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger ausweislich des Rückscheins am 14.12.2007 zugestellt.
Zur Begründung der am 18.12.2007 zum Bayer. Landessozialgericht erhobenen Berufung trägt der Kläger vor, dass er am 31.08.1995 einen Arbeitsunfall erlitten habe, weil er beim Heben einer Palette verletzt worden sei. Außerdem sei es unzutreffend, dass er erst am 25.06.2000 einen Rentenantrag gestellt habe. Er habe über den türkischen Sozialversicherungsträger bereits im Jahr 1996 einen Rentenantrag gestellt und ein Gutachten selbst bezahlt. Der Rentenantrag sei am 22.05.1996 an die Beklagte geschickt worden. Er habe jedoch von der Beklagten keine Antwort bekommen. Außerdem liege eine Erwerbsminderung vor. In dem Gutachten vom 16.05.2000 werde geschrieben, dass er seinen Beruf nicht mehr ausüben könne. Die vom SG Bayreuth in Auftrag gegebene Begutachtung sei im Übrigen nicht korrekt, da verschiedene Untersuchungen wie CT, MRT und EMG nicht gemacht worden seien. Auf das ausführliche Schreiben des Klägers vom 24.11.2009 sowie auf das Schreiben vom 26.01.2011 wird ergänzend verwiesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 21.11.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29.08.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.02.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 21.11.2007 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 21.11.2007 ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), jedoch unbegründet. Das SG Bayreuth hat im Ergebnis zu Recht mit dem Gerichtsbescheid vom 21.11.2007 einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit abgelehnt, da die notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit noch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gegen die Beklagte.
Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob der Rentenantrag des Klägers erst im Mai 2000 beim türkischen Sozialversicherungsträger gestellt wurde, der am 15.06.2000 an die Beklagte weitergeleitet worden war oder ob der Antrag bereits im Jahr 1996 nach erfolgter Abschiebung des Klägers in die Türkei beim türkischen Sozialversicherungsträger gestellt und dieser schon eher an die Beklagte weitergeleitet worden war. Selbst bei Annahme eines Leistungsfalles am 31.08.1995, als der Kläger sich bei dem Anheben einer Palette verhoben hatte und akute Schmerzen in der Wirbelsäule erlitt, und der Annahme eines Rentenantrags bereits im Jahr 1996 kann dem Kläger keine Rente wegen Erwerbsminderung gewährt werden, da die notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Das SG Bayreuth hat zutreffend festgestellt, dass zum einen die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren mit Beitragszeiten iS des § 50 Abs 1 SGB VI nicht erfüllt ist, da der Kläger ausgehend von einem Leistungsfall 31.08.1995 lediglich 4 Jahre und 11 Monate an Vorversicherungszeiten nachweisen kann. Zum anderen ist auch die notwendige 3/5-Belegung mit Pflichtbeiträgen ausgehend von einem Leistungsfall 31.08.1995 nicht erfüllt, weil lt. dem vorliegenden Versicherungsverlauf zwischen dem 25.10.1992 und dem 21.06.1995 eine Versicherungslücke vorliegt. Hierzu liegen keine weiteren Angaben des Klägers vor. Ausgehend von dem Leistungsfall 31.08.1995 sind in der Rahmenfrist von 5 Jahren lediglich 9 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt.
Eine vorzeitige Wartezeiterfüllung und Fiktion der notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen über § 53 SGB VI kommt ebenfalls nicht in Betracht. Gemäß § 53 Abs 1 Nr 1 SGB VI gilt die allgemeine Wartezeit im Sinne des § 50 SGB VI vorzeitig als erfüllt, wenn der Versicherte wegen eines erlittenen Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit vermindert erwerbsfähig geworden ist. Ebenso würde die 3/5-Belegung mit Pflichtbeitragszeiten in diesem Falle fingiert (§ 43 Abs 5 SGB VI). Eine Fiktion der vorzeitigen Wartezeiterfüllung nach § 53 SGB VI kommt vorliegend jedoch nicht in Betracht, weil die Erwerbsminderung des Klägers nicht durch einen Arbeitsunfall im Sinne des § 7 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII - verursacht wurde. Insoweit hat das SG Hamburg in dem Verfahren S 25 U 253/01 mit Gerichtsbescheid vom 24.02.2004 entschieden, dass es an der relevanten Kausalität des Unfallereignisses für den erlittenen Bandscheibenschaden des Klägers fehlt. Es habe sich nur gelegentlich dieses Unfalls eine bereits vorhandene Vorschädigung der Wirbelsäule entscheidend ausgewirkt. Die hiergegen vom Kläger zum Landessozialgericht Hamburg erhobene Berufung wurde in der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2007 nach Hinweis des Senates auf die fehlende Erfolgsaussicht zurückgenommen (LSG Hamburg - L 3 U 19/04), so dass die Entscheidung des SG Hamburg vom 24.02.2004 rechtskräftig geworden ist. Das SG Hamburg hat in diesem Verfahren festgestellt, dass aus dem Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers sowie aus den erhobenen Befunden hervorgeht, dass die Lendenwirbelsäule des Klägers bereits vor dem Ereignis vom 31.08.1995 degenerativ verändert gewesen sei. Der Kläger habe bei den ihn unmittelbar nach dem Unfall behandelnden Ärzten selbst angegeben, beim Heben einer Palette mit ca. 150 kg Schokolade einen plötzlich einschießenden Schmerz und ein Wärmegefühl in der Lendenwirbelsäule verspürt zu haben, so dass sich keine äußere, in ihrer Art unersetzliche Einwirkung auf den Körper realisiert hätte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu etwa derselben Zeit die Erkrankung hätte auslösen können. Die hier für einen Anspruch auf Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente maßgebliche Vorfrage des Vorliegens eines Arbeitsunfalles war somit Streitgegenstand des Verfahrens zwischen dem Kläger und dem Unfallversicherungsträger. Über dieses Verfahren ist rechtskräftig entschieden, so dass bei der Klärung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, hier die vorzeitige Wartezeiterfüllung durch einen erlittenen Arbeitsunfall, von dieser rechtskräftigen Entscheidung des SG Hamburg auszugehen ist (vgl. BSG vom 08.04.1992 - 10 RAr 4/91, veröffentl. bei juris; Keller in Meyer-Ladewig/Kel-ler/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 141, Rdnr 3 ff., insbesondere 6 d, 12, 12 a m.w.N.; a.A. BayLSG vom 28.02.2007 - L 16 R 593/06 unter Bezugnahme auf Niesel, in: KassKomm, § 53 SGB VI Rdnr 7). Der Senat sieht auch keine Anhaltspunkte, die diese Entscheidung des SG Hamburg als offensichtlich fehlerhaft erscheinen ließen und die zu eigenen Ermittlungen des Senates insoweit Anlass gäben. Ein solcher Anlass ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der vom SG Bayreuth im hiesigen Verfahren eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten von Dr. Ö. und Dr. G ... Eine nochmalige Überprüfung der Entscheidung des Unfallversicherungsträgers im Rahmen des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist - soweit ersichtlich - bislang nicht erfolgt.
Nachdem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente iS der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung nicht vorliegen, erübrigt sich eine weitere medizinische Sachverhaltsaufklärung. Auch die Annahme eines späteren Leistungsfalles würde nicht zu einem Rentenanspruch führen, da der Kläger spätere Versicherungspflichtzeiten in der Türkei nicht zurückgelegt hat. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger infolge des erlittenen Bandscheibenvorfalles vom 31.08.1995 tatsächlich in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist, dass dies jedoch mangels Erfüllung der allgemeinen Wartezeit im Sinne des § 50 SGB VI sowie der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der 3/5-Belegung mit Pflichtbeitragszeiten keinen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeits- bzw. Berufsunfähigkeitsrente begründen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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