Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 20 R 2608/05
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 151/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 7. Juni 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die im März 1948 geborene Klägerin hat zuletzt als Reinigungskraft gearbeitet. Aus einer im Frühjahr 2004 durchgeführten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme war sie als vollschichtig leistungsfähig für leichte Tätigkeiten entlassen worden. Ihren Rentenantrag vom April 2005 lehnte die Beklagte nach Begutachtung durch den Chirurgen Dr. S. mit Bescheid vom 12. Mai 2005 und Widerspruchsbescheid vom 19. September 2005 ab. Die Klägerin sei in der Lage, mittelschwere Arbeiten ohne häufiges Bücken und häufige Zwangshaltungen im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Während des nachfolgenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen und die Klägerin durch die Nervenärztin Dr. L. begutachten lassen. Diese ist in ihrem Gutachten vom 3. Mai 2007 und anlässlich ihrer Anhörung im Termin am 7. Juni 2007 zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin leide an einer leichten depressiven Verstimmung und sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Auf der Grundlage dieser Beurteilung hat das Sozialgericht die Klage durch Urteil vom 7. Juni 2007 abgewiesen.
Gegen das am 19. Juli 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. August 2007 Berufung eingelegt. Sie sei mit der Beurteilung durch Dr. L. nicht einverstanden. Sie könne allein das Haus nicht verlassen und habe Angst vor Angriffen auf ihr Leben. Schon deshalb sei für sie die Einschätzung der Sachverständigen nicht nachvollziehbar.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 7. Juni 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 7. Juni 2007 zurückzuweisen. Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe die Klage zu Recht und mit zutreffenden Gründen abgewiesen.
Das Gericht hat den Befundbericht der Psychiaterin Dr. W. vom 30. Juni 2008 beigezogen, in welchem als Diagnosen eine depressive Entwicklung F 32, eine Halluzinose unklarer Genese F 28, eine generalisierte Angststörung F 41.1, chronische Spannungskopfschmerzen G 44.2 und ein LWS-Syndrom aufgeführt sind. In ihrem auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachten vom 24. Juni 2009 ist Dr. W. unter Zugrundelegung der gleichen Diagnosen zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin könne insbesondere aufgrund der depressiven Entwicklung nur noch weniger als 3 Stunden pro Tag arbeiten und sei nicht in der Lage, Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung aus eigener Kraft zu überwinden. Das eingeschränkte Leistungsvermögen bestehe mit Sicherheit ab November 2007. Nachdem die Beklagte dieser Beurteilung durch Einreichung der Stellungnahme des Nervenarztes A. vom 29. Juli 2009 widersprochen und die Beteiligten sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter einverstanden erklärt hatten, ist ein für den 22. Juni 2010 vorgesehener Termin gescheitert, weil sich die Klägerin von Mai bis Oktober 2010 urlaubsbedingt in der Türkei aufgehalten hat. Zum Termin am 1. Februar 2011 ist der Nervenarzt Dr. H. als weiterer Sachverständiger geladen worden, der die Klägerin am 21. Dezember 2010 untersucht und das Gutachten vom 12. Januar 2011 eingereicht hat. Darin diagnostiziert er eine leichte depressive Episode, eine degeneratives Wirbelsäulensyndrom sowie einen Tremor der rechten oberen Extremität unklarer Genese. Die Klägerin könne noch leichte Arbeiten vollschichtig verrichten und auch Hemmungen gegenüber einer Arbeitsaufnahme überwinden. Im Termin hat die Klägerin auf konkrete Nachfrage des Gerichts angegeben, dass sie die Sommermonate mit Ausnahme von einigen Jahren regelmäßig in der Türkei bei ihrer Familie verbringe. Während sie früher sich dort so lange aufgehalten habe, wie es ihr Urlaub zugelassen habe, sei sie im Jahre 2009 für drei Monate und im Jahre 2010 für vier Monate in der Türkei gewesen. Sie werde von ihren Kindern zum Flughafen gebracht, dort einem anderen – unbekannten – Mitreisenden anvertraut und in der Türkei von einer Nichte abgeholt. Auch während des Urlaubs habe sie die gleichen Ängste wie sie hier in Hamburg bestünden.
Der medizinische Sachverständige Dr. H. hat im Termin am 1. Februar 2011 sein schriftliches Gutachten erläutert und darauf hingewiesen, dass die Tatsache, dass die Klägerin regelmäßig mehrmonatige Urlaube in der Türkei verbringt, für eine relativ intakte Leistungs- und Genussfähigkeit spreche. Mit einer schweren depressiven oder anderen seelischen Störung sei dieser Tatbestand nicht vereinbar. Es sei auch nicht wahrscheinlich, dass der Zustand der Klägerin in der Vergangenheit so schlecht gewesen sei, dass die Klägerin Veranstaltungen nicht habe aufsuchen oder ihr Haus nicht habe verlassen können. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin werde durch den nicht zuzuordnenden Tremor der rechten oberen Extremität dahingehend beeinträchtigt, dass Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die manuelle Geschicklichkeit nicht mehr gefordert werden könnten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der in der Niederschrift über den Verkündungstermin am 23. Februar 2011 aufgeführten Akten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Berichterstatter kann als Einzelrichter an Stelle des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten einvernehmlich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 155 Abs. 3 u. 4 SGG).
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung (§§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG) der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, da die Bescheide der Beklagten betreffend die Ablehnung der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung rechtmäßig sind. Zur Begründung wird vollen Umfangs auf die zutreffenden Gründe des sozialgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 153 Abs.2 SGG). Die während des Berufungsverfahrens durchgeführte Beweisaufnahme hat zur Überzeugung des Senats die Entscheidung bestätigt, wonach die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Sinne von § 43 Sechstes Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung nicht vorliegen.
Soweit die die Klägerin behandelnde Psychiaterin Dr. W. in ihrem auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG erstellten Gutachten vom 24. Juni 2009 ihr ein aufgehobenes Leistungsvermögen bescheinigt, vermag diese Beurteilung nicht zu überzeugen. Dies gilt insbesondere insoweit, als Dr. W. die derartige Leistungseinschränkung mit der von ihr diagnostizierten depressiven Entwicklung nach ICD-10 F 32 begründet. Völlig zu Recht weist Dr. H. in seinem schriftlichen Gutachten vom 12. Januar 2011 darauf hin, dass es sich bei der Störung F 32 nach dem ICD-10 definitionsgemäß um eine leichte depressive Episode handelt, die die betroffene Person zwar beeinträchtigt, aber in aller Regel nicht daran hindert, ihre alltäglichen Aktivitäten fortzusetzen. Die Leistungsbeurteilung der Dr. W. erklärt sich dementsprechend allein durch die von ihr übernommene Beschwerdeschilderung der Klägerin, nicht aber durch die von ihr selbst gestellte Diagnose. Entsprechendes gilt für die weitere Diagnose einer Halluzinose unklarer Genese (ICD-10: F28), bei der definitionsgemäß wahnhafte oder halluzinatorische Störungen vorliegen, die nicht die Kriterien für Schizophrenie und anhaltende wahnhafte Störungen, vorübergehende akute psychotische Störungen oder psychotische Formen der manischen oder schweren depressiven Episode erfüllen. Die von den behandelnden und begutachtenden Ärzten bei der Klägerin erhobenen Befunde, die sich auch bei Dr. W. insoweit in der Wiedergabe des Vorbringens der Klägerin erschöpfen, sie sehe Schatten von irgend welchen Gestalten oder fühle die Anwesenheit von jemanden in der Wohnung, reichen nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. H. – denen der erkennende Senat folgt – insbesondere deshalb nicht für eine derartige Diagnose aus, weil nach der Fremdanamnese in Form der Angaben des Sohnes der Klägerin diese in derartigen Situationen durch die Versicherung der Kinder, dass da niemand sei, ohne weiteres zu beruhigen ist. Die unproblematische Ablenkbarkeit von gelegentlichen Fehldeutungen der Realität belegt die fehlende Bedeutung dieser Phänomene für die Klägerin und insbesondere deren Leistungsvermögen. Darüber hinaus fehlt es an den mit einer Wahnkrankheit in der Regel verbundenen psychopathologischen Basisstörungen, für die sich bei allen während des Verfahrens durchgeführten Untersuchungen keine Anhaltspunkte ergeben haben. Letztlich lässt sich die von Dr. W. vorgenommene Leistungsbeurteilung nicht in Einklang bringen mit der Tatsache, dass die Klägerin regelmäßig mehrmonatige Urlaube in der Türkei verbringt. Zutreffend hat Dr. H. anlässlich seiner Anhörung im Termin am 1. Februar 2011 darauf hingewiesen, dass ein derartiges Urlaubsverhalten für eine relativ intakte Leistungs- und Genussfähigkeit spricht und mit einer schweren depressiven oder anderweitigen seelischen Störung nicht vereinbar ist. Etwas anderes gilt auch nicht unter Berücksichtigung der Angabe der Klägerin, sie leide in der Türkei unter den gleichen Ängsten wie in Hamburg. Angesichts ihrer Fähigkeit, den Flug in die Türkei allein beziehungsweise – wie von ihr geschildert – unter der Aufsicht einer ihr völlig fremden, nur zufällig am Flughafen getroffenen mitreisenden Person durchzustehen, können die von ihr beschriebenen und von Dr. W. in ihrem Gutachten bestätigten Ängste zur Überzeugung des Gerichts nicht ein derartiges Ausmaß erreichen, dass sie einer Arbeitsleistung entgegenstehen. Auch belegen diese Urlaubsreisen, dass die Klägerin entgegen der Auffassung von Dr. W. sehr wohl in der Lage ist, Willenskräfte aufzubringen, die ausreichen, bestehende Hemmungen gegenüber der mit derartigen Reisen zwangsläufig zu erbringenden Leistung zu überwinden. Die dafür erforderliche Willensanspannung ist ihr aber ebenso wie bei den Urlaubsreisen auch bei einer Arbeitsaufnahme zumutbar.
Unter Berücksichtigung aller Umstände ist das Leistungsvermögen der Klägerin zwar durch eine leichte depressive Episode mit somatischem Syndrom, ein degeneratives Hals- und Lendenwirbelsäulenleiden sowie jetzt zusätzlich durch einen Tremor der rechten oberen Extremität dahingehend eingeschränkt, dass sie schwere und auch nur mittelschwere Tätigkeiten oder solche mit besonderen Anforderungen an das manuelle Geschick nicht mehr verrichten kann. Andererseits kann sie aber zumindest leichte körperliche Arbeiten und geistige Arbeiten einfacher Art sechs Stunden und mehr täglich ausüben, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI nicht erfüllt sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht im Ergebnis dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil weder die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG noch die des § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG vorliegen.
Tatbestand:
Die im März 1948 geborene Klägerin hat zuletzt als Reinigungskraft gearbeitet. Aus einer im Frühjahr 2004 durchgeführten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme war sie als vollschichtig leistungsfähig für leichte Tätigkeiten entlassen worden. Ihren Rentenantrag vom April 2005 lehnte die Beklagte nach Begutachtung durch den Chirurgen Dr. S. mit Bescheid vom 12. Mai 2005 und Widerspruchsbescheid vom 19. September 2005 ab. Die Klägerin sei in der Lage, mittelschwere Arbeiten ohne häufiges Bücken und häufige Zwangshaltungen im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Während des nachfolgenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen und die Klägerin durch die Nervenärztin Dr. L. begutachten lassen. Diese ist in ihrem Gutachten vom 3. Mai 2007 und anlässlich ihrer Anhörung im Termin am 7. Juni 2007 zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin leide an einer leichten depressiven Verstimmung und sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Auf der Grundlage dieser Beurteilung hat das Sozialgericht die Klage durch Urteil vom 7. Juni 2007 abgewiesen.
Gegen das am 19. Juli 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. August 2007 Berufung eingelegt. Sie sei mit der Beurteilung durch Dr. L. nicht einverstanden. Sie könne allein das Haus nicht verlassen und habe Angst vor Angriffen auf ihr Leben. Schon deshalb sei für sie die Einschätzung der Sachverständigen nicht nachvollziehbar.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 7. Juni 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 7. Juni 2007 zurückzuweisen. Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe die Klage zu Recht und mit zutreffenden Gründen abgewiesen.
Das Gericht hat den Befundbericht der Psychiaterin Dr. W. vom 30. Juni 2008 beigezogen, in welchem als Diagnosen eine depressive Entwicklung F 32, eine Halluzinose unklarer Genese F 28, eine generalisierte Angststörung F 41.1, chronische Spannungskopfschmerzen G 44.2 und ein LWS-Syndrom aufgeführt sind. In ihrem auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachten vom 24. Juni 2009 ist Dr. W. unter Zugrundelegung der gleichen Diagnosen zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin könne insbesondere aufgrund der depressiven Entwicklung nur noch weniger als 3 Stunden pro Tag arbeiten und sei nicht in der Lage, Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung aus eigener Kraft zu überwinden. Das eingeschränkte Leistungsvermögen bestehe mit Sicherheit ab November 2007. Nachdem die Beklagte dieser Beurteilung durch Einreichung der Stellungnahme des Nervenarztes A. vom 29. Juli 2009 widersprochen und die Beteiligten sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter einverstanden erklärt hatten, ist ein für den 22. Juni 2010 vorgesehener Termin gescheitert, weil sich die Klägerin von Mai bis Oktober 2010 urlaubsbedingt in der Türkei aufgehalten hat. Zum Termin am 1. Februar 2011 ist der Nervenarzt Dr. H. als weiterer Sachverständiger geladen worden, der die Klägerin am 21. Dezember 2010 untersucht und das Gutachten vom 12. Januar 2011 eingereicht hat. Darin diagnostiziert er eine leichte depressive Episode, eine degeneratives Wirbelsäulensyndrom sowie einen Tremor der rechten oberen Extremität unklarer Genese. Die Klägerin könne noch leichte Arbeiten vollschichtig verrichten und auch Hemmungen gegenüber einer Arbeitsaufnahme überwinden. Im Termin hat die Klägerin auf konkrete Nachfrage des Gerichts angegeben, dass sie die Sommermonate mit Ausnahme von einigen Jahren regelmäßig in der Türkei bei ihrer Familie verbringe. Während sie früher sich dort so lange aufgehalten habe, wie es ihr Urlaub zugelassen habe, sei sie im Jahre 2009 für drei Monate und im Jahre 2010 für vier Monate in der Türkei gewesen. Sie werde von ihren Kindern zum Flughafen gebracht, dort einem anderen – unbekannten – Mitreisenden anvertraut und in der Türkei von einer Nichte abgeholt. Auch während des Urlaubs habe sie die gleichen Ängste wie sie hier in Hamburg bestünden.
Der medizinische Sachverständige Dr. H. hat im Termin am 1. Februar 2011 sein schriftliches Gutachten erläutert und darauf hingewiesen, dass die Tatsache, dass die Klägerin regelmäßig mehrmonatige Urlaube in der Türkei verbringt, für eine relativ intakte Leistungs- und Genussfähigkeit spreche. Mit einer schweren depressiven oder anderen seelischen Störung sei dieser Tatbestand nicht vereinbar. Es sei auch nicht wahrscheinlich, dass der Zustand der Klägerin in der Vergangenheit so schlecht gewesen sei, dass die Klägerin Veranstaltungen nicht habe aufsuchen oder ihr Haus nicht habe verlassen können. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin werde durch den nicht zuzuordnenden Tremor der rechten oberen Extremität dahingehend beeinträchtigt, dass Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die manuelle Geschicklichkeit nicht mehr gefordert werden könnten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der in der Niederschrift über den Verkündungstermin am 23. Februar 2011 aufgeführten Akten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Berichterstatter kann als Einzelrichter an Stelle des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten einvernehmlich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 155 Abs. 3 u. 4 SGG).
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung (§§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG) der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, da die Bescheide der Beklagten betreffend die Ablehnung der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung rechtmäßig sind. Zur Begründung wird vollen Umfangs auf die zutreffenden Gründe des sozialgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 153 Abs.2 SGG). Die während des Berufungsverfahrens durchgeführte Beweisaufnahme hat zur Überzeugung des Senats die Entscheidung bestätigt, wonach die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Sinne von § 43 Sechstes Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung nicht vorliegen.
Soweit die die Klägerin behandelnde Psychiaterin Dr. W. in ihrem auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG erstellten Gutachten vom 24. Juni 2009 ihr ein aufgehobenes Leistungsvermögen bescheinigt, vermag diese Beurteilung nicht zu überzeugen. Dies gilt insbesondere insoweit, als Dr. W. die derartige Leistungseinschränkung mit der von ihr diagnostizierten depressiven Entwicklung nach ICD-10 F 32 begründet. Völlig zu Recht weist Dr. H. in seinem schriftlichen Gutachten vom 12. Januar 2011 darauf hin, dass es sich bei der Störung F 32 nach dem ICD-10 definitionsgemäß um eine leichte depressive Episode handelt, die die betroffene Person zwar beeinträchtigt, aber in aller Regel nicht daran hindert, ihre alltäglichen Aktivitäten fortzusetzen. Die Leistungsbeurteilung der Dr. W. erklärt sich dementsprechend allein durch die von ihr übernommene Beschwerdeschilderung der Klägerin, nicht aber durch die von ihr selbst gestellte Diagnose. Entsprechendes gilt für die weitere Diagnose einer Halluzinose unklarer Genese (ICD-10: F28), bei der definitionsgemäß wahnhafte oder halluzinatorische Störungen vorliegen, die nicht die Kriterien für Schizophrenie und anhaltende wahnhafte Störungen, vorübergehende akute psychotische Störungen oder psychotische Formen der manischen oder schweren depressiven Episode erfüllen. Die von den behandelnden und begutachtenden Ärzten bei der Klägerin erhobenen Befunde, die sich auch bei Dr. W. insoweit in der Wiedergabe des Vorbringens der Klägerin erschöpfen, sie sehe Schatten von irgend welchen Gestalten oder fühle die Anwesenheit von jemanden in der Wohnung, reichen nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. H. – denen der erkennende Senat folgt – insbesondere deshalb nicht für eine derartige Diagnose aus, weil nach der Fremdanamnese in Form der Angaben des Sohnes der Klägerin diese in derartigen Situationen durch die Versicherung der Kinder, dass da niemand sei, ohne weiteres zu beruhigen ist. Die unproblematische Ablenkbarkeit von gelegentlichen Fehldeutungen der Realität belegt die fehlende Bedeutung dieser Phänomene für die Klägerin und insbesondere deren Leistungsvermögen. Darüber hinaus fehlt es an den mit einer Wahnkrankheit in der Regel verbundenen psychopathologischen Basisstörungen, für die sich bei allen während des Verfahrens durchgeführten Untersuchungen keine Anhaltspunkte ergeben haben. Letztlich lässt sich die von Dr. W. vorgenommene Leistungsbeurteilung nicht in Einklang bringen mit der Tatsache, dass die Klägerin regelmäßig mehrmonatige Urlaube in der Türkei verbringt. Zutreffend hat Dr. H. anlässlich seiner Anhörung im Termin am 1. Februar 2011 darauf hingewiesen, dass ein derartiges Urlaubsverhalten für eine relativ intakte Leistungs- und Genussfähigkeit spricht und mit einer schweren depressiven oder anderweitigen seelischen Störung nicht vereinbar ist. Etwas anderes gilt auch nicht unter Berücksichtigung der Angabe der Klägerin, sie leide in der Türkei unter den gleichen Ängsten wie in Hamburg. Angesichts ihrer Fähigkeit, den Flug in die Türkei allein beziehungsweise – wie von ihr geschildert – unter der Aufsicht einer ihr völlig fremden, nur zufällig am Flughafen getroffenen mitreisenden Person durchzustehen, können die von ihr beschriebenen und von Dr. W. in ihrem Gutachten bestätigten Ängste zur Überzeugung des Gerichts nicht ein derartiges Ausmaß erreichen, dass sie einer Arbeitsleistung entgegenstehen. Auch belegen diese Urlaubsreisen, dass die Klägerin entgegen der Auffassung von Dr. W. sehr wohl in der Lage ist, Willenskräfte aufzubringen, die ausreichen, bestehende Hemmungen gegenüber der mit derartigen Reisen zwangsläufig zu erbringenden Leistung zu überwinden. Die dafür erforderliche Willensanspannung ist ihr aber ebenso wie bei den Urlaubsreisen auch bei einer Arbeitsaufnahme zumutbar.
Unter Berücksichtigung aller Umstände ist das Leistungsvermögen der Klägerin zwar durch eine leichte depressive Episode mit somatischem Syndrom, ein degeneratives Hals- und Lendenwirbelsäulenleiden sowie jetzt zusätzlich durch einen Tremor der rechten oberen Extremität dahingehend eingeschränkt, dass sie schwere und auch nur mittelschwere Tätigkeiten oder solche mit besonderen Anforderungen an das manuelle Geschick nicht mehr verrichten kann. Andererseits kann sie aber zumindest leichte körperliche Arbeiten und geistige Arbeiten einfacher Art sechs Stunden und mehr täglich ausüben, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI nicht erfüllt sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht im Ergebnis dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil weder die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG noch die des § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG vorliegen.
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