L 19 R 558/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 11 R 1006/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 558/06
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Verweisbarkeit eines Facharbeiters auf die Tätigkeit einer angelernten Registraturkraft in einem größeren Betrieb oder in einer Behörde.
I.
II.
III.



Tatbestand:


Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1959 geborene Kläger ist gelernter Maurer mit abgeschlossener Berufsausbildung. In diesem Beruf war er bis 02.01.1970 tätig. Danach war er bis 30.11.1991 als Fernmeldehandwerker/Fernmeldemonteur beschäftigt (Fa. B.). Er war durch betriebsinterne Lehrgänge in die Nachrichtentechnik eingearbeitet worden. Eine Umschulung zum Kommunikationselektroniker ab 18.02.1992 brach der Kläger im September 1992 ab. Ab 01.11.1992 durchlief der Kläger eine Umschulung als Stark- und Schwachstromelektriker. Der Kläger übte diese Tätigkeit bis zu einem von ihm am 03.11.1995 erlittenen Arbeitsunfall aus, bei dem sich beim Bohren in ein Betonfundament die Bohrmaschine verkantete und dem Kläger gegen die linke Hand schlug. Seit diesem Arbeitsunfall war der Kläger tatsächlich nicht mehr beschäftigt.

Der Kläger beantragte am 16.03.1999 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.04.1999 und Widerspruchsbescheid vom 24.10.2000 ab, weil weder Berufsunfähigkeit noch Erwerbsunfähigkeit vorliege. Nach den Befundunterlagen und durchgeführten chirurgischen und nervenärztlichen Untersuchungen sei die Erwerbsfähigkeit durch folgende Gesundheitsstörungen beeinträchtigt:
- Geringe Funktionsbeeinträchtigung des linken Handgelenkes bei Zustand nach Verdrehunfall mit mäßiger Dehnung des scapholunären Bandes ohne Diskus-triangularis-Schaden; Kraftminderung der linken Hand,
- unklare Schulterschmerzen links; Verdacht auf sympathisch unterhaltene Schulterschmerzen links, ohne wesentliche Funktionseinbuße zum Untersuchungszeitpunkt,
- beginnende Epicondylopathie am linken Ellbogen,
- Abnutzung der Halswirbelsäule mit allenfalls geringfügiger Funktionseinschränkung und endgradiger Schmerzangabe bei den Drehbewegungen; zum Untersuchungszeitpunkt nur geringe Verspannung, jedoch Druckschmerzhaftigkeit am Oberrand des Musculus trapezius beidseits, links mehr als rechts,
- geringe bis mäßige Funktionsbeeinträchtigung im Brust-/Lendenwirbelsäulen-Bereich bei Verschleiß und leichter Fehlstellung mit leichtem sensiblen S1-Syndrom links,
- schwere somatoforme Störung bei labiler Persönlichkeitsstruktur nach Handgelenks-Distorsionstrauma und Zerrung des linken Armes, ohne Nachweis einer Plexus brachialis- oder zervikalen Wurzelschädigung.
Der Kläger sei noch in der Lage, im Wechselrhythmus sowohl die zuletzt ausgeübte Beschäftigung als auch anderweitige leichte und mittelschwere Arbeiten ohne Nachtschicht, besonderen Zeitdruck, Eigen- und Fremdgefährdung, häufigem Bücken sowie häufigen Überkopfarbeiten vollschichtig zu verrichten.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Bayreuth erhoben. Zur Begründung hat er insbesondere auf eine Gebrauchsunfähigkeit der linken oberen Extremität infolge des 1995 erlittenen Arbeitsunfalls und auf Beschwerden an der Wirbelsäule hingewiesen.

Das SG hat die Akten der Beklagten, der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft München, des Amtes für Versorgung und Familienförderung B-Stadt und der Arbeitsagentur C. (einschl. ärztlicher Unterlagen) beigezogen. Es hat Auskünfte der Allgemeinen Ortskrankenkasse Bayern, Direktion C. und des letzten Arbeitgebers vom 05.03.2002 eingeholt. Der Kläger hat ärztliche Unterlagen dem SG übergeben. Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte und Krankenhaus-Krankenblätter beigezogen.

Als Sachverständigen hat das SG den Chirurgen Dr. K. gehört (Gutachten vom 22.10.2002). Er hat beim Kläger insbesondere eine schwere somatoforme Störung bei labiler Persönlichkeitsstruktur festgestellt und substantielle Gesundheitsstörungen im Bereich der Halswirbelsäule oder der linken oberen Extremität ausgeschlossen. Dem Kläger seien leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten vollschichtig zumutbar.

Im Auftrag des SG hat der Neurologe und Psychiater Dr. K. das Gutachten vom 11.08.2004 erstellt. Der Kläger leide unter einer ausgeprägten dissoziativen Störung im Bereich der linken Körperhälfte iS einer funktionellen Störung, wobei tendenziöse Elemente unverkennbar seien. Weiter bestehe ein leicht depressives Syndrom ohne Hinweis auf eine tiefgreifende depressive Verstimmung. Nach Arbeitsunfall 1995 bestehe der Verdacht auf eine abgelaufene leichte Zerrung des Plexus brachialis links ohne derzeit nachweisbare funktionell relevante Ausfallsmuster am linken Arm. Von einer vollschichtigen Einsatzfähigkeit für körperlich leichte und teilweise mittelschwere Arbeiten sei auszugehen.

Auf Antrag des Klägers hat das SG den Chirurgen Dr. Dr. E. mit Gutachten vom 23.03.2005 gehört. Er hat beim Kläger insbesondere festgestellt:
- Schwere somatoforme Störung bei labiler Persönlichkeitsstruktur,
- leichtes sensibles S1-Syndrom links bei geringen degenerativen Umformungserscheinungen der Lendenwirbelsäule,
- degenerative Veränderungen an der Halswirbelsäule mit erheblicher Bewegungseinschränkung nach links,
- subakromiales Impingement linke Schulter mit erheblichen Schmerzen und ausgeprägter Bewegungsstörung (operationswürdig),
- Handfunktionsstörung links bei Handgelenksarthrose links mit deutlicher Bewegungseinschränkung und Minderung der groben Kraft.
Das Leistungsvermögen sei "vorläufig" dahingehend zu beurteilen, dass der Kläger seit 30.04.2002 (Untersuchung Dr. K.) nur zwei bis drei Stunden täglich Erwerbstätigkeiten verrichten könne.

Die Beklagte hat zum Gutachten des Dr. Dr. E. Stellung genommen (Schreiben vom 12.05.2005). Der Kläger könne die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr verrichten. Er sei aber auf die Tätigkeiten eines Fachberaters für funkelektronische Geräte, Anlagen und Systeme, auf Tätigkeiten in der Schrankmontage sowie auf die Tätigkeit eines Registrators im öffentlichen Dienst (BAT VIII) oder eines Telefonisten verweisbar.

Das SG hat den Internisten und Sozialmediziner Dr. T. beauftragt (Gutachten vom 08.11.2005). Dieser hat als Gesundheitsstörungen insbesondere festgestellt:
- Somatoforme Störung bei labiler Persönlichkeitsstruktur,
- sensibles S1-Syndrom links bei geringen degenerativen Umformungserscheinungen der Lendenwirbelsäule,
- subakromiales Impingement linke Schulter bei Spornbildung im Bereich des Akromion und der clavicula,
- Handfunktionsstörung nach scapholunärer Bandzerrung.
Der Kläger könne körperlich leichte Arbeiten vollschichtig verrichten. Der Einsatz des linken Armes bestehe in nur einer einfachen leichten Beihandfunktion.

Mit Urteil vom 26.07.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich den von Amts wegen gehörten Sachverständigen angeschlossen. Der Kläger sei in der Lage, körperlich leichte bis zeitweilig mittelschwere Arbeiten im Wechselrhythmus ohne schweres Heben und Tragen, ohne Lärm- und besondere Staubbelastung, ohne Absturzgefahr, nicht auf Leitern und Gerüsten und ohne besondere Anforderungen an die Feinmotorik und grobe Kraft der linken Hand und ohne Arbeiten über der Schulterhöhe vollschichtig zu verrichten. Weiter seien die Arbeiten nur in geschlossenen Räumen mit Schutz vor Nässe und Zugluft und ohne Lärmeinwirkung möglich. Ausgeschlossen seien ferner Akkord- und Fließbandarbeit sowie Nachtschicht.

Den Ausführungen des Dr. Dr. E. ist das SG nicht gefolgt, weil dieser aus einem Schulter-Arm-Syndrom (Impingement) unzutreffend eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit hergeleitet habe. Insbesondere habe dieser keinen entsprechenden klinischen Befund erhoben, der objektivierbar sei, und sich letztlich auf die Angaben des Klägers zur Gebrauchsfähigkeit des Armes sowie auf dessen Bereitschaft zur Mitwirkung bei der Untersuchung gestützt. Der objektivierbare körperliche Befund spreche gegen eine schwerwiegende Beeinträchtigung der körperlichen Funktionen des linken Armes. Im Ergebnis könne auch Dr. T., der der linken oberen Extremität nur eine Beihandfunktion beigemessen habe, teilweise nicht gefolgt werden, da den insoweit bestehenden Funktionsdefiziten durch qualitative Einschränkungen ausreichend Rechnung getragen werde.

Gravierende Funktionsausfälle oder Funktionseinschränkungen am Achsenskelett im Sinne einer Störung der Motorik oder Sensibilität seien nicht vorhanden; die Beweglichkeit und die Neurologie seien weitestgehend intakt, so dass die Funktion der Wirbelsäule allenfalls mittelgradig eingeschränkt sei. Die Ermittlung der Bewegungsmaße der Wirbelsäule sei durch die mangelhafte Mitwirkung des Klägers und dessen teilweises muskuläres Gegenspannen nur beschränkt möglich gewesen. Es sei denkbar, dass der Kläger infolge des Arbeitsunfalls eine leichte Zerrung des Plexus brachialis links erlitten habe. Pathologische Befunde in der Neurologie seien aber nie nachweisbar und funktionell relevante Störmuster seien nicht objektivierbar gewesen. An der linken Hand habe der Kläger eine Dehnung des scapholunären Bandes erlitten. Eine Funktionsaufhebung der linken Hand ergebe sich daraus nicht. Zwar sei auch hier mangels Mitwirkung nicht sicher feststellbar, welche Funktionen der Hand eingeschränkt seien. Es fehle aber ein gravierender neurologischer Befund im Sinne einer Plexusverletzung oder in Form einer ausgeprägten Arthrose im Handwurzelbereich, die auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Handfunktion schließen lasse. Auf psychischem Gebiet bestehe bei dem Kläger eine deutlich ausgeprägte dissoziative Störung im Bereich der linken Körperhälfte iS einer funktionellen Störung und mit tendenziösen Elementen sowie ein leicht depressives Syndrom ohne Hinweis auf eine tiefgreifende depressive Verstimmung. Die depressive Symptomatik sei leichtgradig ohne Beeinträchtigung zentraler Anteile der Persönlichkeit. Die Willens- und Motivationsstruktur, die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sowie die Stressresistenz seien nicht wesentlich beeinträchtigt.

Der Kläger könne zumutbare Verweisungstätigkeiten verrichten, so dass es dahinstehen könne, ob der Kläger eine Facharbeitertätigkeit ausgeübt habe. Er sei verweisbar auf die Tätigkeit eines Fachberaters für funkelektronische Geräte, Anlagen und Systeme, auf die Tätigkeit eines Registrators oder Telefonisten. Diese Tätigkelten entsprächen dem Restleistungsvermögen des Klägers, weil es sich insbesondere um körperlich leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus und unter Ausschluss witterungsbedingter Einflüsse und atemreizender Stoffe handele. Die Tätigkeiten überforderten den Kläger auch nicht in sonstiger Weise wissens- und könnensmäßig. Die Vorbildung hierzu besitze der Kläger auf Grund seiner früheren Tätigkeit. Die notwendige geistige Umstellungsfähigkeit sei nach dem Gutachten des Dr. K. ebenfalls gegeben.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Unter Hinweis auf Stellungnahmen des Dr. Dr. E. vom 08.11.2006 und 19.12.2006 und auf weitere Befundberichte hat er vorgetragen, dass den Ausführungen des SG nicht gefolgt werden könne (Schriftsatz vom 08.03.2007).

Der Senat hat ärztliche Befundberichte eingeholt und den Internisten und Arbeits- sowie Sozialmediziner Dr. E. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat mit Gutachten vom 11.11.2009 festgestellt, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers vorrangig durch eine seelische Störung eingeschränkt werde. Des Weiteren leide der Kläger unter einer Fehlhaltung und Verschleiß der Wirbelsäule, Verschleißveränderungen an Hüft- und Kniegelenken und Schwerhörigkeit. Im Vordergrund des subjektiven Beschwerdebildes stünden insbesondere Schmerzen und eine nahezu vollständige Funktionslosigkeit der linken oberen Extremität. Diese linksseitigen Schulter- Armbeschwerden fänden keine hinreichende Erklärung durch eine organische Erkrankung. Der klinische Untersuchungsbefund und die Beobachtung des Klägers im Laufe der Untersuchung hätten gezeigt, dass der Kläger entgegen der demonstrierten praktischen Funktionsunfähigkeit des linken Armes denselben im täglichen Leben weitgehend normal verwende. Insoweit sei von einer psychogenen Überlagerung der linksseitigen Schulter-Arm-Symptomatik auszugehen, die als somatoforme Schmerzstörung einzuordnen sei. Diese schränke das zeitliche Leistungsvermögen nicht ein, da die Beschwerdesymptomatik bereits viele Jahre bestehe und bisher keine Chronifizierung und Fixierung der bei der Untersuchung gesteigerten Schmerzwahrnehmung und der gezeigten Funktionseinbuße des linken Armes eingetreten sei. Die tägliche Arbeitszeit bedürfe keiner Beschränkung. Der Kläger könne körperlich leichte Tätigkeit im Sitzen oder im Wechsel von Sitzen, Stehen und Umhergehen verrichten. Besondere nervliche Belastungen oder Arbeiten mit erheblichen kommunikativen Anteilen seien für den Kläger ungeeignet.

Des Weiteren hat der Senat auf Antrag des Klägers den Neurologen und Psychiater Dr. C. mit Gutachten vom 11.03.2011 und ergänzender Stellungnahme vom 21.03.2011 gehört. Aus nervenärztlicher Sicht sei eine organ-pathologische Schädigung an den Strukturen des Nervensystems auszuschließen. Beim Kläger bestehe eine somatoforme Störung, verbunden mit "pseudoneurologischen Störungen". Die geklagten Beeinträchtigungen der linken Körperseite seien durchaus der willentlichen Korrektur zugänglich. Entsprechend sei dem Kläger auch eine Willensanspannung zur Überwindung dieser Störung zumutbar. Unter Berücksichtigung von qualitativen Einschränkungen könnten leichte bis teilweise mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig verrichtet werden.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 26.07.2006 und den Bescheid vom 09.04.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm auf den Antrag vom 16.03.1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Recht, hilfsweise Rente wegen Erwerbsminderung nach dem ab 01.01.2001 geltenden Recht zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 26.07.2006 zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Ergänzend wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Akten des Bayer. Landessozialgerichts in dem Verfahren und den Inhalt der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz dieses Verfahrens Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sie erweist sich jedoch als nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 09.04.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2000 abgewiesen. Denn dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit noch wegen Erwerbsminderung zu.

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gem. § 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) idF bis 31.12.2000 (aF) oder wegen Berufsunfähigkeit gem. § 43 SGB VI aF oder wegen Erwerbsminderung gem. § 43 SGB VI idF ab 01.01.2001 (nF) liegen nicht vor, denn der Kläger ist weder erwerbs- bzw. berufsunfähig iS der §§ 44 Abs 2, 43 Abs 2 SGB VI aF noch erwerbsgemindert iS der §§ 43 Abs 1 Satz 2, Abs 2 Satz 2, 240 SGB VI nF.

Versicherte haben gemäß § 43 Abs 1 SGB VI aF Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie u.a. berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeit gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs 2 Satz 1, 2 SGB VI aF).

Berufsunfähig ist demnach, wer weder seine bisherige Tätigkeit noch eine ihm sozial zumutbare Verweisungstätigkeit im vorgenannten Umfang ausüben kann. Zur Beurteilung der verschiedenen beruflichen Tätigkeiten und der Zumutbarkeit der Verweisung auf andere Tätigkeiten hat das Bundessozialgericht ein Mehrstufenschema entwickelt. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass der Kläger nicht berufsunfähig ist. Selbst bei Einordnung des Klägers auf der Facharbeiterebene ist der Kläger auf die Tätigkeiten der nächst niedrigeren Stufe, dh. der Gruppe der angelernten Tätigkeiten sozial verweisbar ist. Das SG hat es dahinstehen lassen, ob die vom Kläger bei der Fa. B. ausgeübte Tätigkeit als Facharbeitertätigkeit einzuordnen ist und der Kläger sich von dieser Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen gelöst hat. Der Kläger hat nur eine betriebsinterne Ausbildung durchlaufen, so dass Facharbeiterschutz nur über die bezogene Vergütung denkbar ist. Eine Auskunft von der Fa. B. konnte vom SG nicht eingeholt werden, da diese nicht mehr existiert. Aber unterstellt, die Tätigkeiten des Klägers bei der Fa. B. sind als Facharbeitertätigkeiten einzuordnen, ist der Kläger subjektiv zumutbar auf die Tätigkeit einer angelernten Registraturkraft in einem größeren Betrieb oder in einer Behörde verweisbar.

Dass der Kläger trotz seiner Gesundheitsstörungen in der Lage ist, zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig (8-stündig) einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, hat Dr. E. überzeugend und in Übereinstimmung mit den Vorgutachtern Dr. K., Dr. K. und Dr. T. festgestellt. Nach Dr. E. wird die Erwerbsfähigkeit des Klägers im Wesentlichen durch eine seelische Störung beeinträchtigt. Daneben liegen weitere Gesundheitsstörungen vor, deren leistungseinschränkende Auswirkungen von untergeordneter Bedeutung sind (Fehlhaltung und Verschleiß der Wirbelsäule, Verschleißveränderungen an Hüft- und Kniegelenken, Schwerhörigkeit). Im Vordergrund stehen die vom Kläger geklagten linksseitigen Schulter-Armbeschwerden, die dieser auf den Arbeitsunfall 1995 zurückführt. Die Beschwerden lassen sich nach Dr. E. nicht hinreichend durch eine organische Erkrankung erklären. Es ist auch davon auszugehen, dass der Kläger - entgegen der von diesem demonstrierten praktischen Funktionsunfähigkeit des linken Armes - diesen linken Arm im täglichen Leben weitgehend normal verwendet und die Gebrauchsfähigkeit nicht beeinträchtigt ist. Dies ergibt sich aus dem klinischen Untersuchungsbefund. Die schulterumgreifende Muskulatur ist seitengleich und vollkommen normal ausgebildet. Auch die Armmuskulatur ist seitengleich ausgebildet. Eine Schonatrophie des linken Armes liegt nicht vor. Weiter weist die an den Greifflächen von Händen und Fingern vorhandene ausgesprochen kräftige Beschwielung auf den normalen Gebrauch des linken Armes bei den alltäglichen Verrichtungen, aber auch auf die Durchführung relativ schwerer, beidhändig ausgeführter manueller Arbeiten hin. Bei der Untersuchung konnte Dr. E. auch beobachten, dass die vom Kläger verdeutlichte praktische Funktionsunfähigkeit und weitgehende Kraftlosigkeit des linken Armes nicht den tatsächlichen Bewegungsabläufen entsprach. Soweit hier Dr. Dr. E. aus der Feststellung einer subakromialen lmpingement-Symptomatik im Bereich der linken Schulter eine zeitliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit gefolgert hat, kann dem nicht gefolgt werden. Ergänzend zu den Ausführungen des SG ist hervorzuheben, dass dieser Befund den Gebrauch des linken Armes im täglichen Leben nicht wesentlich einschränkt, wie das Fehlen einer Schonatrophie und die Schwielenbildung an den Greifflächen der linken Hand eindeutig belegen.

Auch der nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf Antrag des Klägers gehörte Dr. C. hat im nervenärztlichen Gutachten vom 11.03.2011 ausgeführt, dass - in Übereinstimmung mit den vorhergehenden neurologischen Voruntersuchungen - eine organ-pathologische Schädigung an den Strukturen des Nervensystems für die Versorgung der linken Körperhälfte insgesamt nicht festgestellt werden konnte. Weder das Vorliegen einer Störung am Halsmark selbst, noch an den daraus austretenden Nervenwurzeln, noch am Armnervengeflecht oder eine periphere Nervenstörung am N. ulnaris (im Bereich der Ellenrinne) oder des N. medianus (am Handgelenk im Sinne des Carpaltunnelsyn-droms) konnte nachvollzogen werden. Auffallend war aber, dass auch im Rahmen der jetzigen neurologischen Untersuchung - so wie schon bei den früheren Untersuchungsterminen andernorts - motorische und sensible Einschränkungen der gesamten linken Körperhälfte mit Betonung an der oberen Gliedmaße vom Kläger vorgeführt wurden, wobei sich wiederum klinisch-neurologisch bei all denjenigen Untersuchungsschritten Normalbefunde ergaben, die weitgehend unabhängig von einer Mitarbeit des Probanden zu erheben sind, die weiteren Befunde zur Motorik und Sensibilität aber ausgesprochen widersprüchlich waren und nicht den aus topisch-anatomischen Gründen hinlänglich bekannten Verteilungsmustern einer radikulären oder peripher-neurogenen Schädigung entsprachen.

Die Diskrepanz zwischen der objektiven Befundlage und den subjektiv geklagten Beschwerden ist mit Dr. E. und in Übereinstimmung mit den Vorgutachten mit einer somatoformen Schmerzstörung zu erklären. Auch Dr. C. bestätigt eine somatoforme Störung, verbunden mit "pseudoneurologischen Störungen". Eine Leistungseinschränkung in zeitlicher Hinsicht kommt ihr aber nicht zu, da die Beschwerdesymptomatik bereits viele Jahre besteht und nach dem von Dr. E. erhobenen körperlichen Befund sowie nach dessen Beobachtungen bei der Untersuchung eine Chronifizierung und Fixierung der gezeigten gesteigerten Schmerzwahrnehmung und der gezeigten Funktionseinbuße des linken Armes nicht eingetreten ist. Mit zumutbarer Willensanstrengung kann vom Kläger eine vollschichtige Erwerbstätigkeit verlangt werden. Nach Dr. E. kommen leichte Tätigkeiten vollschichtig in Betracht, die nicht mit besonderen nervlichen Belastungen verbunden sind. Der Neurologe und Psychiater Dr. C. sieht in ausdrücklicher Übereinstimmung mit Dr. K. ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten.

Des Weiteren bestehen beim Kläger eine Fehlhaltung der Wirbelsäule und Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule. Sie stehen einer körperlich leichten Arbeit im Sitzen oder im Wechsel von Sitzen, Stehen und Umhergehen nicht entgegen. Dies schließt definitionsgemäß länger andauernde Tätigkeiten in körperlichen Zwangshaltungen wie Bücken, Knien, Hocken und über Augenhöhe aus. Diese Einschränkungen berücksichtigen auch die vom Kläger geklagten Knieschmerzen. Dr. E. hat ausgeführt, dass Verschleißerscheinungen an Hüft- und Kniegelenken vom behandelnden Orthopäden bestätigt wurden. Allerdings hat der Kläger in vergleichbarer Weise wie bei der Untersuchung des linken Armes auch bei dem Versuch einer Funktionsuntersuchung des linken Beines mit Äußerungen heftigster Schmerzen reagiert, so dass Dr. E. von einer solchen Untersuchung Abstand nehmen musste. Aus der seitengleichen muskulären Ausstattung der Beine und seitengleichen Beschwielung der Fußsohlen sowie aus dem identischen Abnutzungsgrad der an dem Untersuchungstag getragenen Konfektionsschuhe lässt sich auf eine überwiegend bzw. weitgehend normale Gangart außerhalb der Untersuchungssituation schließen. Keineswegs bedingen die geklagten Knieschmerzen eine Einschränkung der täglichen Arbeitszeit.

Dr. E. hat darauf hingewiesen, dass die beim Kläger bestehende Schwerhörigkeit zu berücksichtigen ist. Die Schwerhörigkeit ist zwar durch Hörgeräte weitgehend kompensiert, jedoch ist es nach Dr. E. unzweckmäßig, den Kläger mit kommunikativen Aufgaben zu betrauen. Ungeeignet ist daher eine Tätigkeit als Kundenberater oder Telefonist.

Die Tätigkeit einer angelernten Registraturkraft in einem größeren Betrieb oder in einer Behörde kann auch vom Kläger objektiv verrichtet werden, denn sie entspricht seinem Leistungsvermögen. Nach den Ausführungen der erstinstanzlich von Amts wegen gehörten Sachverständigen und den im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr. E. und Dr. C. ist der Kläger in der Lage, vollschichtig zumindest körperlich leichte Arbeiten im Sitzen oder im Wechsel von Sitzen, Stehen im Umhergehen zu verrichten. Zu vermeiden sind Tätigkeiten unter Absturzgefahr, auf Leitern und Gerüsten sowie mit besonderen Anforderungen an die Feinmotorik und grobe Kraft der linken Hand. Die Arbeiten sollten nur in geschlossenen und temperierten Räumen ohne schädigende Umwelteinflüsse erfolgen. Ausgeschlossen sind Tätigkeiten mit besonderen nervlichen Belastungen und mit erheblichen kommunikativen Anteilen. Die Umstellungsfähigkeit liegt beim Kläger vor.

Die Tätigkeit einer angelernten Registraturkraft in einem größeren Betrieb oder in einer Behörde ist als körperlich leichte Tätigkeit zu qualifizieren, welche bereits aus arbeitsorganisatorischen Gründen im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen verrichtet wird. Schweres Heben und Tragen wird nicht gefordert. In den Registraturen sind die erforderlichen Hilfsmittel (Registraturwagen, Ablagemöglichkeiten etc.) in der Regel vorhanden. Dem steht nicht entgegen, dass in Einzelfällen Heben und Tragen von Lasten bis zu 5 kg (Stehordner, gebündelte Akten), Zwangshaltungen wie Überkopfarbeiten und je nach Registratur auch Arbeiten auf Stehleitern erforderlich sein könnten. Die körperlichen Belastungen hängen aber weitgehend von der jeweiligen Arbeitsplatzgestaltung und der Arbeitsorganisation ab. Folglich sind das Handhaben schwerer Aktenvorgänge, Zwangshaltungen und das Arbeiten auf Leitern nicht generell mit der Tätigkeit einer Registraturkraft verbunden. Besondere Anforderungen an die Feinmotorik der Hände, wie reine PC-Arbeiten, werden nicht gestellt. An die geistigen Anforderungen einer Tätigkeit als Registraturkraft werden keine über das normal übliche Maß hinaus gehenden Ansprüche gestellt. Soweit der Arbeitsplatz mit einem vernetzten PC ausge-stattet ist, können die für alle Beschäftigten und somit auch für die Registraturkräfte erforderlichen grundlegenden Kenntnisse innerhalb der Einarbeitungszeit auch von Beschäftigten ohne Vorkenntnisse bzw. bisher nicht in der Bedienung einer Tastatur geübten Beschäftigung angeeignet werden. Diese Tätigkeiten werden im Öffentlichen Dienst nach der ehem. Vergütungsgruppe VIII BAT entlohnt (vgl. Urteil des BayLSG vom 19.12.2007 - L 19 R 904/05 - veröffentlicht in juris). Die Verweisung auf eine Tätigkeit in der Vergütungsgruppe VIII ist nach der Rechtsprechung einem Facharbeiter zumutbar (Urteil des BSG vom 27.11.1991 - 5 RJ 91/89 - veröffentlicht in juris; Urteil des BayLSG vom 06.10.2010 - L 13 R 596/09). Nach Überzeugung des Senats ist der Kläger auch in der Lage, sich innerhalb von höchstens drei Monaten in die Tätigkeit eines Registrators einzuarbeiten.

Dies zugrunde gelegt, ist der Kläger nicht berufsunfähig iS des § 43 Abs 2 Satz 1
SGB VI aF. Er ist auch nicht erwerbsunfähig iS des § 44 Abs 2 Satz 1 SGB VI aF, denn der Kläger ist - wie ausgeführt - unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig (8-stündig) einsatzfähig.

Aufgrund des vollschichtigen Einsatzvermögens erfüllt der Klägerin auch nicht die Voraussetzungen des § 43 SGB VI nF. Die nach dessen Abs 2 vorausgesetzte zeitliche Einschränkung der Arbeitszeit von täglich sechs Stunden liegt beim Kläger nicht vor. Aus dem Gesagten ergibt sich auch, dass Berufsunfähigkeit iSd § 240 SGB VI nF nicht besteht.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved