Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 8 KN 245/02
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 10 KN 5/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 6. Dezember 2005 – S 8 KN 245/02 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI.
Der am ... 1961 geborene Kläger war nach dem Besuch der Sonderschule von Oktober 1977 bis Februar 1980 als Hilfsarbeiter im Straßenbau tätig. Vom 1. März 1980 bis zum 31. August 1997 arbeitete er als Packer bzw. Verladearbeiter in einem Kali- und Salzbetrieb in U. /Niedersachsen. Seine Arbeit bestand im Wesentlichen darin, von einem Band Salzsäcke von 25 bis 50 kg Gewicht abzunehmen und auf Paletten abzulegen. Seit dem 1. September 1997 ist er arbeitslos.
Seit dem Jahr 1987 befindet sich der Kläger wegen Rückenbeschwerden (zunächst an der Halswirbelsäule, seit 1994 zusätzlich an der Lendenwirbelsäule und nachfolgend auch an der Brustwirbelsäule) in ärztlicher Behandlung. Seit dem 8. Januar 2002 ist er arbeitsunfähig.
Am 5. Februar 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab er "Bandscheibenerkrankung, schlechte Augen, kann nicht lesen und schreiben" an. Ein Entlassungsbericht der Klinik für Neurologie der Landesklinik B. vom 15. Juli 2002 über einen Aufenthalt des Klägers vom 15. April bis 8. Mai 2002 enthält die Diagnosen
chronifiziertes Schmerzsyndrom mit pseudoradikulärer Symptomatik der HWS, BWS und LWS bei Fehlbelastung des Achsorgans und
unklare Strukturveränderung bis III. pulmonalen Oberlappensegment rechts.
Der Entlassungsbericht der Klinik für Innere Medizin des J. Krankenhauses G. vom 27. Mai 2002 über einen Aufenthalt des Klägers vom 13. bis 22. Mai 2002 gibt folgende Diagnosen wieder:
akuter linksseitiger Oberbauchschmerz bei Verdacht auf Nephrolithiasis mit stattgehabtem Steinabgang
degenerative Wirbelsäulenveränderung
Harnwegsinfekt
In einem Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) vom 20. Juni 2002 gelangte die Fachärztin für Innere Medizin/Betriebsmedizin Dr. H. – ohne Kenntnis des Entlassungsberichts der Landesklinik B. – zu folgenden Diagnosen:
Minderbelastbarkeit und Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei Fehlhaltung und Rumpfmuskelschwäche mit wechselseitiger pseudoradikulärer Symptomatik (M 54.5)
rezidivierendes HWS-, Schulter- und Nackensyndrom bei muskulärer Insuffizienz (M 54.0)
Nierenstein rechts und Harnstauung ersten Grades links (M 20.0),
Übergewichtigkeit Grad I mit einem BMI von 29,7 kg/m² (E 66)
Zustand nach arthroskopischer Entfernung einer hypertrophen Plica des rechten Kniegelenkes 1997
Dem Kläger seien noch körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen, ohne Heben, Tragen und Bewegen von mehr als mittelschweren Lasten ohne häufige Zwangshaltungen der Wirbelsäule und mit in geistiger Hinsicht einfachen Anforderungen vollschichtig und regelmäßig zuzumuten. Der Beruf des Packers im Steinsalz entspreche dem nicht.
Mit Bescheid vom 1. Juli 2002 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau ab 1. Februar 2002. Mit weiterem Bescheid vom 8. Juli 2002 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab.
Hiergegen legte der Kläger am 13. August 2002 Widerspruch ein und führte zur Begründung an, er habe acht Jahre lang die Sonderschule besucht und verfüge über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Er habe die Schule als Analphabet verlassen. Bei der seit 1980 im Kaliwerk ausgeübten Tätigkeit als Packer seien eigentlich Lese- und Schreibkenntnisse zur Ausfüllung der Karteikarten bzw. Lieferscheine für die zu packenden und zu verladenden Säcke erforderlich gewesen. Weil sein Analphabetismus im Betrieb bekannt gewesen sei, seien diese Arbeiten regelmäßig von Kollegen oder dem Meister selbst übernommen worden. Sein Analphabetismus stelle eine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar, der Arbeitsmarkt sei verschlossen. Ferner werde sein Leistungsvermögen durch die Asthmaerkrankung zusätzlich eingeschränkt.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der Kläger sei trotz seiner Lese- und Schreibschwäche in der Lage, leichte angelernte Arbeiten vollschichtig auszuüben, so zB Abpackarbeiten in der Ernährungsindustrie oder Montieren und Verpacken von Kunststoffkleinteilen in der Auto-, Brillen- und Glasindustrie. Bei einem noch vollschichtigen Leistungsvermögen sei daher für die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung kein Raum.
Mit seiner am 13. November 2002 beim Sozialgericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er hat sich auf eine Einschränkung seines Sehvermögens (40 bzw. 60 %) berufen, die nicht mittels Brille ausgeglichen werden könne. Ein Versuch, ihm innerhalb einer zweijährigen Maßnahme Lesen und Schreiben beizubringen, sei im Jahre 1991 gescheitert. Ausweislich des Grundschulzeugnisses der Klasse 8 habe er nicht einmal Grundkenntnisse im muttersprachlichen und rechnerischen Bereich erwerben können. Das Abgangszeugnis der Klasse 9 vom 13. Juli 1978 weise aus, dass er die Sonderschule als Analphabet verlassen habe, desgleichen ein Schreiben der Bezirksregierung H., wonach er auf Antrag seines Vaters bereits im März 1978 wegen schwacher Leistungen vom Unterricht beurlaubt worden sei. Ferner hat der Kläger hierzu eine Bescheinigung seines Hausarztes L. vom 21. Oktober 2005 vorgelegt und mitgeteilt, dass auch sein Sohn an einer nachgewiesenen Lese- und Rechtschreibschwäche leide und deshalb eine Lernbehindertenschule besuche.
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, dass die beim Kläger bestehende Schreib- und Leseschwäche nicht den Ausschlag für eine Rentenentscheidung geben könne. Vorsorglich hat sie auf Arbeitsplätze in der Kunststoff- und Metallindustrie sowie auf die Tätigkeit eines Versandfertigmachers verwiesen.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung dreier Befundberichte. Die Fachärztin für Innere Medizin Dr. W. hat unter dem 24. Februar 2003 mitgeteilt, dass beim Kläger eine "COPD" bestehe. Ihrer Auffassung nach könne er nur noch körperlich leichte Arbeiten mit zusätzlichen qualitativen Leistungseinschränkungen sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Die Fachärztin für Orthopädie K. hat mit Schreiben vom 25. Februar 2003 über ein chronisches Lumbalsyndrom berichtet und den Kläger ebenfalls für sechsstündig einsatzfähig gehalten. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. H. hat unter dem 6. April 2003 darüber hinaus die Diagnosen einer somatoformen Schmerzstörung sowie einer depressiven Verstimmung mitgeteilt. Ein in der Anlage zum Befundbericht beigefügter Entlassungsbericht der Klinik für Rheumatologie/Innere Medizin des J.krankenhauses im F. vom 6. März 2003 über einen Aufenthalt des Klägers vom 6. bis 15. Februar 2003 enthielt die Diagnosen
anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei verlängerter depressiver Reaktion mit kognitiver Beeinträchtigung,
beginnendes Glaukom und
Hyperurikämie.
Die zunächst bestehende Verdachtsdiagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sei durch den beratenden Psychiater bestätigt worden. Angesichts der beeinträchtigten kognitiven Fähigkeiten des Klägers mit fehlender Introspektionsfähigkeit sei eine psychotherapeutische Intervention nicht möglich.
Außerdem hat das Sozialgericht ein von der zuständigen Bergbauberufsgenossenschaft in Auftrag gegebenes Gutachten des Arztes für Chirurgie Dr. B. vom 24. Juli 2003 beigezogen. Danach ist im Falle des Klägers eine berufsbedingte Wirbelsäulenschädigung (Berufskrankheit 2108 des Verzeichnisses der Berufskrankheiten) aus medizinischen Gründen ausgeschlossen.
Sodann hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens von Dr. S. vom 11. Februar 2004 sowie eines neurologischen Gutachtens der Ärztin für Psychiatrie und Neurologie G. vom 20. September 2004. Dr. S. hat ein "lokales Lumbalsyndrom, diffuses mittleres und unteres Zervikalsyndrom beidseits, beginnende Chondropatea patellae beidseits, chronische Bronchitis, Analphabetismus, Nephrolithiasis mit Harnstauung rechts ersten Grades" diagnostiziert. Der Kläger könne damit leichte bis mittelschwere Arbeiten wechselseitig im Gehen, Stehen und Sitzen unter Vermeidung von Zwangshaltungen und einseitigen körperlichen Belastungen und Gerüst- und Leiterarbeiten in Wechselschicht mindestens sechs Stunden täglich ausüben.
Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie G. hat folgende Diagnosen gestellt: "Geistige Minderbegabung vom Grade der Debilität, ausgeprägte Legasthenie (Analphabet), Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen (Rentenbegehren), Zervikokranialsyndrom bei Bandscheibenprotrusion C5/C6, diskretes lumbales Wurzelreizsyndrom bei Bandscheibenvorwölbungen L3/L4, L4/L5, L5/S1 ohne neurologische Ausfälle". Es ergäben sich mehrfach Hinweise für eine Aggravation, wenn nicht sogar Simulation. Der Kläger sei körperlich noch für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig einsetzbar. Auf Grund seiner Debilität und der damit verbunden verminderten Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, seines Analphabetismus und der jahrelang ausgebildeten Somatisierungsstörung und neurotischen Fehlentwicklung könne er jedoch seit Antragstellung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr tätig sein (Leistungsfähigkeit unter drei Stunden). Wegen seiner Debilität sei er nicht therapiefähig. Der Kläger könne nur einfache körperliche Tätigkeiten in einer geschützten Werkstatt unter direkter Anleitung ausüben.
Auf berufskundliche Anfrage des Sozialgerichts hat die Bundesagentur für Arbeit mit Schreiben vom 14. Februar 2005 mitgeteilt, dass das Leistungsvermögen des Klägers sei "weitgehend eingeschränkt, um Pack- und Abpackarbeiten, Etikettierarbeiten, Kommissionsarbeiten auf der Ebene ungelernter bzw. kurzfristig angelernter Arbeitnehmer zu verrichten". Der Kläger dürfte die notwendigen Anforderungen an Arbeitsgeschwindigkeit, Konzentration und Genauigkeit nicht erfüllen. Die Tätigkeiten erforderten Teamarbeit; es seien Arbeitsplätze, auf denen durch akustische Signale auf Gefahren hingewiesen werde und solche, auf denen Arbeiten auf ständig wechselnde Anweisungen durchzuführen seien. In der Regel werde im Akkord oder unter akkordähnlichen Bedingungen bzw. am Fließband gearbeitet. Der Kläger sei lediglich in der Lage, ein Mindestmaß an verwertbarer Arbeit zu erbringen, was ihm die Aufnahme in einer Werkstatt für Behinderte ermögliche.
Mit Urteil vom 6. Dezember 2005 hat das Sozialgericht antragsgemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2002 idF des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2002 aufgehoben und
die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Februar 2002 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger zwar noch leichte bis mittelschwere Arbeiten sechs und mehr Stunden unter Beachtung weiterer Einschränkungen ausüben könne. Sein Leistungsvermögen sei jedoch durch die Gesundheitsstörungen unter Berücksichtigung des hinzutretenden Analphabetismus so sehr eingeschränkt, dass ein Einsatz unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr möglich sei. Es liege mit dem Analphabetismus, der Somatisierungsstörung und neurotischen Fehlentwicklung im Zusammenspiel mit den orthopädischen und internistischen Einschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Der Arbeitsmarkt sei daher verschlossen, obwohl der Kläger noch leichte bis mittelschwere Arbeiten verrichten könne. Die von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeiten seien nicht hinreichend konkretisiert worden (Arbeitsplätze in der Kunststoff- und Metallindustrie sowie Pack-, Montier-, Produktions-, Etikettier-, Muster- und Kommissionsarbeiten) und setzten im Übrigen eine Umstellungsfähigkeit bzw. Arbeitsgeschwindigkeit und Konzentrationsfähigkeit voraus, wie sie beim Kläger nicht vorhanden seien. Die Tätigkeit als Versandfertigmacher sei dem Kläger nicht zumutbar, da sie ihn trotz seiner Asthmaerkrankung einer Staubbelastung aussetze und auch zweifelhaft sei, ob der Kläger über eine für diese Tätigkeit ausreichende Umstellungsfähigkeit und Flexibilität verfüge. Für die Kammer seien weitere zumutbare Tätigkeiten darüber hinaus nicht ersichtlich.
Gegen das ihr am 2. Januar 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1. Februar 2006 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, dass die Schlussfolgerungen der Gutachterin G., wonach beim Kläger auf Grund der Debilität, des Analphabetismus und einer Somatisierungsstörung ein aufgehobenes Leistungsvermögen bestehe, nicht nachvollziehbar sei. Insbesondere könne die Intelligenzminderung nicht als allzu schwerwiegend eingeschätzt werden, zumal der Kläger über 17 Jahre die Tätigkeit als Packer ausgeübt habe und im Besitz eines Führerscheins sei. Ferner ist die Beklagte der Auffassung, dass der Kläger noch verschiedene Verweisungstätigkeiten verrichten könne. Neben der Tätigkeit eines Verpackungshelfers, eines Verpackungsmittelherstellerhelfers, eines Montierhelfers und eines Tierpflegehelfers benennt die Beklagte insbesondere die Tätigkeiten Bürobote, Museumsaufsicht, Verpacker von Kleinteilen, Helfer in der Papierverarbeitung und Pförtner an der Nebenpforte. Hierzu legt die Beklagte verschiedene Tätigkeitsbeschreibungen sowie die Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes vom 18. März 2008 vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat eine schriftliche Stellungnahme des Vorarbeiters des Klägers im Kali und Salz-Betrieb eingeholt (Bl. 295). Ferner hat der Kläger vom 3. bis 14. November 2008 eine von der Beklagten gewährte Maßnahme zur Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk Sachsen-Anhalt gGmbH in St. absolviert, nachdem eine erste Maßnahme im August 2008 wegen eines Hexenschusses des Klägers am ersten Tag abgebrochen werden musste. Wegen des Ergebnisses der Maßnahme wird auf die arbeitsmedizinische Stellungnahme des Dipl.-Med. H. vom 25. November 2008 (Bl. 349 bis 350 GA) und den Ergebnisbericht der Diplompsychologin G. vom 27. Januar 2009 (Bl. 351 bis 354 GA) verwiesen. Sodann hat das Gericht ein psychiatrisch-neurologisches Gutachten des PD Dr. G. vom 11. Dezember 2009 auf der Grundlage einer gutachterlichen Exploration am 5. Dezember 2009 eingeholt. Danach bestehen beim Kläger folgende gesundheitliche Einschränkungen:
leichte Intelligenzminderung F70.0
hirnorganisches Syndrom in Verbindung mit einer kombinierten schwersten Lese-Rechtschreib-Schwäche und weitgehenden Akalkulie (F06.9)
Parkinsonsyndrom (G21.9) mit linksseitig betontem Tremor und diskretem Rigor
abhängige Persönlichkeitsstörung (F60.7)
Schmerzsyndrom in der linken Halbseite im Bauchbereich und bis ins Bein hinabziehend; chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41)
Eine Simulation hat der Gutachter ausgeschlossen. Die vorhandenen seelischen Störungen seien massiv verfestigt bzw. angeboren und könnten nicht überwunden werden. In seiner Fähigkeit zur Bewältigung neuer Anforderungen und intellektueller Leistungen sei der Kläger hochgradig reduziert, in der intellektuellen Bearbeitungsgeschwindigkeit deutlich beeinträchtigt (dreifacher Zeitbedarf). Der Kläger könne nicht lesen, nur seinen Namen schreiben und nur im einstelligen Bereich sicher rechnen. Sein Denkvermögen sei ausgesprochen verlangsamt, das – im Wesentlichen angeborene – abstrakt logische Denkvermögen sei deutlich reduziert. Die daraus resultierende Verlangsamung werde durch das psychoorganische Abhängigkeitssyndrom noch verstärkt. Die Reaktionsfähigkeit sei auf das Doppelte bis Dreifache verlängert. Eine Übersicht bestehe nicht, der Kläger könne nur einfache Handreichungen ausführen. Für häufigen Publikumsverkehr sei er wegen seiner Akalkulie und seiner Lese- und Rechtschreib-Schwäche sowie seiner ungelenken Ausdrucksweise nicht geeignet. Körperliche Anstrengungen seien ihm nur unter großen glaubhaften Schmerzen möglich, Belastungen im Wirbelsäulenbereich nicht zumutbar. Das Parkinsonsyndrom beeinträchtige den Kläger bei der Bewältigung einfacher und leichter körperlicher Tätigkeiten.
Zusammenfassend ist der Gutachter zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger auf Grund der Vielzahl der bestehenden Einschränkungen in einem extrem eng begrenzten Tätigkeitsprofil und auch dort nur unter großen glaubhaften Schmerzen arbeiten könne. Er könne nur noch körperlich leichte Arbeiten im Wechsel der drei Haltungsarten ohne einseitige körperliche Belastungen oder Zwangshaltungen, ohne Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe in geschlossenen Räumen ohne Einwirkung von Staub, Gas, Dampf oder Rauch, ohne Zeitdruck, Akkord oder Fließbandarbeit und mit eingeschränkter Gebrauchsfähigkeit der Hände verrichten. Der Kläger sei aus gutachterlicher Sicht innerhalb des so beschriebenen Tätigkeitsbereichs maximal an drei Stunden täglich einsetzbar. Dabei sei eine Tätigkeit, die dem genannten Profil entspreche, gutachterlich kaum vorstellbar; die Leistungsfähigkeit des Klägers entspreche einem Anforderungsprofil, das üblicherweise nur in einer geschützten Werkstatt abgefordert werde.
Zur Frage, seit wann die festgestellte Minderung der Leistungsfähigkeit bestehe, hat der Gutachter ausgeführt, dass die intellektuellen und kognitiven Leistungseinbußen zweifelsfrei bei Rentenantragstellung bereits bestanden hätten. Die Somatisierungsstörung finde sich bereits im fachpsychiatrischen Gutachten von Frau G. aus dem Jahre 2004 als Verdachtsdiagnose. In dem Gutachten fänden sich allerdings auch Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger noch körperliche Tätigkeiten ausgeübt habe. Den Beginn der Erwerbsminderung hat der Gutachter "vage extrapolierend mit hinlänglicher Sicherheit und Wahrscheinlichkeit" auf den Anfang des Jahres 2009 datiert. Insgesamt sei nicht von einer begründeten Aussicht oder auch nur überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer Besserung in der Zukunft auszugehen. Lediglich hinsichtlich der neurologischen Symptomatik (Parkinson) könne eine medikamentöse Besserung möglicherweise erreicht werden.
Der Senat hat den Beteiligten berufskundliche Unterlagen zu den Tätigkeiten Verpacker, Helfer in der Papierverarbeitung und Pförtner an der Nebenpforte zur Kenntnis gebracht.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie gem. § 151 Abs 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, weil der Kläger ab dem 1. Februar 2002 Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat. Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs 2 SGG).
I.
Der Kläger kann von der Beklagten ab dem 1. Februar 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI verlangen.
1.
Die allgemeinen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch liegen vor. Nach § 43 Abs 1, Abs 2 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet sowie vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Pflichtbeiträge vor Eintritt der Erwerbsminderung sind ua für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit mit Beitragszeiten oder Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit belegt ist (§ 241 Abs 2 Satz 1 Nr 1 und 5 SGB VI).
Der Kläger ist bei der Beklagten versichert und hatte zum 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren (60 Monaten) nach § 50 Abs 1 SGB VI erfüllt. Ausweislich des Versicherungsverlaufs (Anlage 2 zur Rentenauskunft vom 26. August 2010, Bl 512 f GA) lagen bis zu diesem Zeitpunkt 68 Monate mit Pflichtbeitragszeiten vor. Anschließend war bis zum 30. September 2006 jeder Monat mit Pflichtbeiträgen belegt. Zugleich bezieht der Kläger seit dem 1. Februar 2002 fortlaufend eine Rente für Bergleute wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß § 45 SGB VI und damit eine Rente iSv § 241 Abs 2 Satz 1 Nr 5 iVm § 33 Abs 2 SGB VI (vgl KassKomm/Niesel § 241 SGB VI Rn 16 sowie KassKomm/Gürtner § 43 SGB VI Rn 68).
2.
Nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die hierzu nicht mindestens sechs Stunden täglich in der Lage sind. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Danach ist der Kläger ist seit dem 1. Februar 2002 voll erwerbsgemindert. Bei ihm bestehen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seitdem erhebliche körperliche, seelische und geistige Gesundheitsbeeinträchtigungen (dazu a). Aufgrund von Art und Ausmaß der Beeinträchtigungen ist zu befürchten, dass der Kläger – unabhängig von einem etwaigen restlichen Leistungsvermögen von sechs und mehr Stunden täglich – unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht erwerbstätig sein kann (dazu b). Unter diesen Umständen ist die Beklagte nach der Rechtsprechung verpflichtet, eine zumutbare Verweisungstätigkeit konkret zu benennen, anderenfalls wegen Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes von fehlender Erwerbsfähigkeit des Klägers auszugehen ist; dies ist der Beklagten nicht gelungen (dazu c).
a.
Der Kläger ist seit dem 1. Februar 2002 körperlich allenfalls noch in der Lage, täglich mindestens sechs Stunden leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen, in geschlossenen Räumen, ohne Zwangshaltungen und einseitige körperliche Belastungen, Gerüst- und Leiterarbeiten und Tätigkeiten mit hohen Temperaturschwankungen, Nässe und Zugluft sowie Einwirkung von Staub, Gas, Dampf oder Rauch zu verrichten. In seelisch-geistiger Hinsicht ist der Kläger auf einfachste Arbeiten ohne Zeitdruck, Akkord oder Fließbandarbeit, ohne Publikumsverkehr und mit ganz geringen Anforderungen an Reaktionsvermögen, Aufmerksamkeit und Übersicht beschränkt. Spätestens seit Anfang 2009 ist der Kläger nur noch in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten bis zu maximal drei Stunden täglich zu verrichten.
Das seit 2002 bestehende Leistungsbild ergibt sich aufgrund der nachfolgenden bei dem Kläger seit Antragstellung bestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen:
leichte Intelligenzminderung F70.0
hirnorganisches Syndrom in Verbindung mit einer kombinierten schwersten Lese-Rechtschreib-Schwäche und weitgehenden Akalkulie (F06.9)
abhängige Persönlichkeitsstörung (F60.7)
Schmerzsyndrom in der linken Halbseite im Bauchbereich und bis ins Bein hinabziehend; chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41)
Chronische Bronchitis bzw Asthma
Nephrolithiasis mit Harnstauung rechts 1. Grades
Seit Anfang 2009 ist ein Parkinsonsyndrom (G21.9) mit linksseitig betontem Tremor und diskretem Rigor hinzugetreten.
(1) Die Intelligenzminderung des Klägers wird in allen ärztlichen Stellungnahmen beschrieben. Insbesondere die psychiatrischen Gutachter G. und Dr. G. bestätigen sie trotz der aufgrund des Analphabetismus bestehenden Schwierigkeiten ihrer Testung und schließen eine Simulation aus. Frau G. ermittelte einen IQ von 74 (leichte Debilität), Dr. G. bestätigte die Diagnose und berichtete über einen Test des abstraktlogischen Denkvermögens nach RAVEN, der einen IQ von 55 ergab und vom Kläger in etwa der dreifachen Zeit eines Durchschnittsprobanden absolviert wurde. Gegenteilige ärztliche Stellungnahmen finden sich trotz gelegentlich geäußerter Zweifel im Hinblick auf eine mögliche Simulation nicht. Das Verhalten des Klägers bei der Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk Sachsen-Anhalt in St. spricht gegen eine Simulation. Sowohl Dipl. Med. H. als auch Dipl. Psych. G. haben angegeben, dass der Kläger sich ernstlich bemüht habe, den Anforderungen der Maßnahme gerecht zu werden. Er habe auch Interesse an einer körperlichen Arbeit gezeigt, wobei er die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit überschätze.
Die Intelligenzminderung steht auch mit den sonstigen bekannten Lebensumständen des Klägers in Einklang. Dieser hat die Sonderschule mangels Aussicht auf weiteren Lernerfolg mit 15 Jahren praktisch ohne Lese-, Rechtschreib- und Rechenkenntnisse verlassen (ua Lesen und Mathematik mangelhaft sowie Rechtschreiben ungenügend), er benötigte vier Jahre zum Erwerb des Führerscheins, er hat in seinem gesamten Berufsleben nur einfachste Tätigkeiten verrichtet, sein sprachliches Ausdrucksvermögen ist stark reduziert. Seine Angelegenheiten regelten im Wesentlichen seine Mutter und nachfolgend bis heute seine Ehefrau.
(2) Beim Kläger besteht weiter ein seit der Schulzeit nachweisbares angeborenes oder frühkindlich erworbenes hirnorganisches Syndrom in Verbindung mit einer kombinierten schwersten Lese-Rechtschreib-Schwäche und weitgehenden Akalkulie. Es bestehen deutlich verlängerte Reaktionszeiten, eine Verlangsamung des Gedankengangs und eine Tendenz zu thematischer Inkohärenz. Der Kläger kann nur seinen Namen schreiben und ansonsten einzelne prägnante Buchstaben wie "A" oder "E". Rechnen kann er nur im einstelligen bis niedrigst zweistelligen Zahlenbereich. Diese Feststellungen des Gutachters Dr. G., die mit den Diagnosen der Gutachterin G. im Wesentlichen übereinstimmen, stehen in Einklang mit allen bekannten Lebensumständen des Klägers. So hat sein Vorarbeiter bei den Kaliwerken gegenüber dem Gericht schriftlich bestätigt, dass er gelegentlich erforderliche Lese- und Schreibtätigkeiten für den Kläger übernommen habe. Es sei im Betrieb bekannt gewesen, dass der Kläger das nicht könne. Dr. L., Hausarzt des Klägers von Kind an, bestätigt ebenfalls diesen Befund. Der Erwerb des Führerscheins steht diesen Feststellungen angesichts einer Dauer von vier Jahren und der vom Kläger geschilderten allseitigen Bemühungen, insbesondere seines Vaters, nicht entgegen. Der Kläger gibt glaubhaft an, nur in näherer Umgebung seines Wohnortes allein zu fahren, da er Ortsschilder nicht lesen könne. Tatsächlich nahm er im Verlaufe des Verfahrens sämtliche auswärtigen Termine nur in Begleitung seiner Ehefrau wahr. Anhaltspunkte für eine Simulation sind nicht ersichtlich. Gegenteilige ärztliche oder sonstige Beobachtungen liegen nicht vor.
(3) Ferner besteht eine abhängige Persönlichkeitsstörung. Der Kläger wird in allen schwierigeren, aber auch alltäglichen Aufgaben von anderen Personen unterstützt und damit letztlich in außergewöhnlichem Maße fremdbestimmt. Vorehelich waren dies die Eltern, vor allem die Mutter, sodann seine Ehefrau. Als Folge der Fremdbestimmtheit bildeten sich eine passive Erwartungshaltung sowie häufige Überforderungsreaktionen bei Belastungen. Der Senat folgt auch hier den Feststellungen des Gutachters Dr. G ... Entgegenstehende Stellungnahmen finden sich nicht. Die Persönlichkeitsstörung besteht jedenfalls seit Rentenantragstellung. Der Kläger hatte sich schon damals als erwachsener Mann in der passiven, fremdbestimmten Rolle eingerichtet, wie beispielsweise die durchweg von seiner ukrainischen Ehefrau ausgefüllten Rentenanträge und Stellungnahmen sowie die ausschließlich in ihrer Begleitung durchgeführten Arztbesuche – bis in die Untersuchung hinein – belegen.
(4) Auch das Schmerzsyndrom in der Lendenwirbelsäule sowie in der linken Halbseite im Bauchbereich und bis ins Bein hinabziehend sowie die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bestanden bereits seit Rentenantragstellung im Februar 2002. Der Kläger befindet sich bereits seit 1987 wegen Rückenbeschwerden in ärztlicher Behandlung, was bei der seit frühester Jugend durchgehend ausgeübten körperlich schwersten Berufstätigkeit nicht verwundert. Er klagte seit ca 1994 – insoweit gleichbleibend – über zunehmende Beschwerden in der Lendenwirbelsäule, zuletzt mit Ausstrahlung in den linken Unterbauch und das linke Bein. Die Schmerzstörung hat zweifelsfrei auch somatische Ursachen. Nach allen einschlägigen ärztlichen Feststellungen leidet der Kläger an einem lokalen Lumbalsyndrom mit zeitweiliger Wurzelirritationssymptomatik links sowie an einem diffusen mittleren und unteren Zervikalsyndrom beidseits (vgl. Diagnosen im Gutachten Dr. S. vom 11. Februar 2004, Bl. 87 GA). Hiermit im Wesentlichen übereinstimmende Feststellungen finden sich in nahezu allen weiteren ärztlichen Stellungnahmen. Entgegenstehende Äußerungen liegen nicht vor. Allerdings haben diese Erkrankungen nur zu leichten Funktionseinschränkungen geführt. Auch dies ergibt sich aus allen einschlägigen ärztlichen Stellungnahmen. Es fehlt damit ein Korrelat für die vom Kläger geklagten starken und zunehmenden Schmerzen. Vor diesem Hintergrund wurde bereits im Entlassungsbericht der Landesklinik B. vom 15. Juli 2002 und im Entlassungsbericht des Johanniter-Krankenhauses im F. vom 6. März 2003 ein chronifiziertes Schmerzsyndrom diagnostiziert. Dem schloss sich die behandelnde Fachärztin für Allgemeinmedizin H. in ihrem Befundbericht vom 6. April 2003 an. Ebenfalls damit übereinstimmend gelangten die psychiatrischen und neurologischen Gutachter G. und Dr. G. zu einer entsprechenden Feststellung. Der Senat legt sie daher auch seiner Entscheidung zugrunde. Allerdings haben die Sachverständigen Dr. H. (SMD) und Dr. S. in ihren Gutachten ein chronifiziertes Schmerzsyndrom nicht diagnostiziert. Dr. H. war die Diagnose der Landesklinik B. noch nicht bekannt. Insoweit konnte sie sich damit in ihrem Gutachten nicht auseinandersetzen. Dr. S. kannte die Diagnose zwar, hat sich aber dennoch nicht mit ihr auseinandergesetzt und über die rein objektiv und röntgenologisch feststellbaren funktionellen Störungen hinaus keinerlei Feststellungen getroffen. Sein Gutachten ist insoweit lückenhaft und vermag die gegenteiligen ärztlichen Feststellungen nicht zu erschüttern. Soweit auch die behandelnden Ärzte Dr. W. und die Orthopädin K. in ihren Befundberichten eine chronifizierte Schmerzstörung nicht erwähnen, begründen sich daraus ebenfalls keine Zweifel an der Diagnose. Diese ist naturgemäß nur schwer zu stellen und erfordert eine komplexe Auseinandersetzung und Übersicht über alle medizinischen Gesichtspunkte. Eine ärztliche Stellungnahme, die sich gegen die Diagnose eines chronifizierten Schmerzsyndroms ausspricht, existiert nicht.
Eine solche Diagnose steht auch mit den sonstigen bekannten Lebensumständen des Klägers in Einklang. Die geklagten Schmerzen des Klägers sind nicht ohne somatischen Ursprung, sondern nur ohne ein ausreichendes somatisches Korrelat. Die Ausbildung einer chronifizierten Schmerzstörung steht ferner in ursächlichem Zusammenhang mit dem beim Kläger bestehenden Gefühl permanenter Überforderung, wie Dr. G. festgestellt hat. Deutlich zutage trat das Schmerzsyndrom bei der Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk in St., wo der Kläger eine erste Maßnahme im August 2009 bereits kurz nach Beginn wegen Rückenbeschwerden abbrach und während der zweiten Maßnahme im November 2009 nachhaltig über wiederkehrende Rückenschmerzen klagte und seine Tätigkeit unterbrechen musste.
(5) Die chronische Bronchitis bzw. ein Asthma sowie die Nephrolithiasis mit Harnstauung rechts ersten Grades sind ärztlich ebenfalls festgestellt (vgl. Gutachten Dr. S.). Die zu (1) bis (4) oben angegeführten Gesundheitsbeeinträchtigungen bestehen ohne Aussicht auf Besserung. Dies stellen sämtliche Ärzte übereinstimmend fest, soweit sie die jeweilige Diagnose stellen.
(6) Schließlich ist der Diagnose des Neurologen und Psychiaters Dr. G. zu folgen, wonach beim Kläger klinisch zweifelsfreie Zeichen eines Parkinsonsyndroms gefunden wurden. Entsprechende Anzeichen waren bereits in dem Arztbrief des Facharztes des Orthopäden Dr. N. vom 1. September 2009 erwähnt worden. Der Senat folgt insoweit auch der Einschätzung von Dr. G., dass das Syndrom bereits zumindest seit Anfang 2009 vorgelegen hat. Dabei berücksichtigt der Senat, dass der Kläger in seiner Eigenanamnese angegeben hat, schon seit vier Jahren das Zittern im linken Arm und Bein zu verspüren (S 11 oben des Gutachtens, Bl 438 GA).
b.
Trotz eines danach möglicherweise zeitweilig bestehenden restlichen Leistungsvermögens bestehen ernste Zweifel daran, dass der Kläger seit dem 1. Februar 2002 mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar ist. Es liegt eine Mehrzahl ungewöhnlicher und schwerer Leistungseinschränkungen vor, so dass eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen ist.
aa.
Nach dem Beschluss des Großen Senat des BSG vom 19. Dezember 1996 (GS 4/95, BSGE 80, 24) braucht einem Versicherten, der aus gesundheitlichen Gründen seine bisherige Erwerbstätigkeit nicht mehr verrichten kann, bei Verweisung auf das übrige Arbeitsfeld regelmäßig keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt zu werden, wenn der Versicherte zwar nicht mehr zu körperlich schweren, aber doch vollschichtig zu mittelschweren oder leichten Arbeiten in der Lage ist und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ungelernter Tätigkeiten verweisbar ist.
Hiervon ist eine Ausnahme zu machen, wenn bei dem Versicherten eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt oder der Arbeitsmarkt trotz an sich mindestens sechsstündiger Erwerbsfähigkeit deshalb verschlossen ist, weil der Versicherte eine solche Leistung nicht unter betriebsüblichen Arbeitsbedingungen erbringen kann. In diesen Fällen kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für die an sich noch mögliche mindestens sechsstündige Tätigkeit eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen vorhanden ist. Es kommen vielmehr ernste Zweifel daran auf, ob der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar ist. Eine Verweisungstätigkeit ist daher in solchen Fällen zu benennen (vgl etwa BSG 23. August 2001 – B 13 RJ 13/01 R, Juris (Rn 21); BSG 10. Dezember 2003 - B 5 RJ 64/02 R, SozR 4-2600 § 44 Nr 1; st Rspr).
Eine "schwere spezifische Leistungsbehinderung" betrifft die Fälle, in denen bereits eine einzelne schwer wiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Das Merkmal der "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt dagegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Mehrzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen und Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen - ohne im Einzelnen oder auf den ersten Blick ungewöhnlich zu sein - das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. Gemeint sind nicht die "üblichen" Leistungseinschränkungen wie z.B. den Ausschluss von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder Sitzen erfordern, im Akkord oder Schichtdienst verrichtet werden oder besondere Anforderungen an das Seh-, Hör- und Konzentrationsvermögen erfordern. Anerkannt sind dagegen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zB besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz sowie in Verbindung mit anderen Einschränkungen etwa Beschränkungen der Arm- und Handbewegungen oder das Erfordernis, zwei zusätzliche Arbeitspausen von je 15 Minuten einzulegen oder halbstündig zwischen Sitzen und Gehen zu wechseln. Maßstab sind dabei die tatsächlichen Verhältnisse der Arbeitswelt, insbesondere die dort an Arbeitnehmer gestellten Anforderungen (BSG 10. Dezember 2003, aaO).
Eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes in diesem Sinne kann dabei je nach Anzahl, Ausmaß und Art der Leistungsbeschränkungen nach Auffassung des Senats nicht nur zu besorgen sein, wenn der Versicherte nur noch körperlich leichte Tätigkeiten zu verrichten in der Lage ist, sondern im Einzelfall auch bei verbliebener Leistungsfähigkeit etwa für körperlich mittelschwere Tätigkeit (aA SG Dresden 12. April 2010 – S 24 KN 289/09, Juris). Denn es geht um die Prüfung, ob der Arbeitsmarkt möglicherweise für einen überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten schlechthin keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diesen Versicherten eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen gibt oder "ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist" (BSG 23. Dezember 2003 aaO). Dies ist – abhängig von Art, Ausmaß und Anzahl der ungewöhnlichen Leistungsbeschränkungen – grundsätzlich in allen Fallkonstellationen und somit auch bei einer Leistungsfähigkeit für körperlich mittelschwere Tätigkeit denkbar. Insbesondere kommen hier geistige und psychische Defizite in Betracht. Eine strikte Begrenzung der (Verschlossenheits-)Prüfung ausschließlich auf Versicherte, die nur noch körperlich leichte Tätigkeiten verrichten können, würde diese Möglichkeit ohne zureichenden Grund ausblenden. Sie kann dem Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 (aaO) nicht entnommen werden (in diesem Sinne auch BSG 27. März 2007 – B 13 R 63/06 R, Juris).
bb.
Im vorliegenden Fall liegt trotz eines etwaigen Restleistungsvermögens des Klägers eine Summierung ungewöhnlicher und zugleich schwerer Leistungseinschränkungen vor. Sofern diese nicht ohnehin zu einem vollständigen Erlöschen seines Leistungsvermögens führt, bestehen jedenfalls ernste Zweifel, ob der Kläger mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb zu den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes einsetzbar ist.
Beim Kläger treten zu den körperlichen Einschränkungen die leichte Intelligenzminderung, das hirnorganische Syndrom in Verbindung mit einer kombinierten schwersten Lese-Rechtschreib-Schwäche und weitgehenden Akalkulie sowie die abhängige Persönlichkeitsstörung hinzu; sie bilden zusammen so ungewöhnliche und schwere Leistungshindernisse, dass nicht einmal ein Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für einfache Verrichtungen wie zB Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten ohne konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit anzunehmen ist (vgl. die Aufzählung in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 19. Dezember 1996, aaO).
Bereits der beim Kläger in schwerster Form bestehende Analphabetismus schließt zusammen mit der weitgehenden Akalkulie das gesamte Feld von Tätigkeiten aus, in denen Lesen, Schreiben oder Rechnen bzw Umgang mit Zahlen in irgendeiner Form gefordert werden. Selbst für das Lesen von kurzen Notizen oder Ortsschildern, für einfache Berechnungen oder Einordnung von Jahreszahlen, Telefonnummern oder Hausnummern fehlen dem Kläger, wie oben festgestellt, die Fähigkeiten (bei der Arbeitserprobung in St. hielt Dipl. Psych. G. fest: "Zählen von eins bis vier in Ordnung"). Die daraus folgenden Einschränkungen in seiner Leistungsfähigkeit kann der Kläger nicht anderweitig durch gesteigerte Aufmerksamkeit oder auf sonstigem Wege kompensieren. Er ist im Gegenteil durch seine leichte Debilität, die im Bereich des abstrakt logischen Denkens deutlich ausfällt (IQ 55), zusätzlich in vielfältiger Weise eingeschränkt. So ist der Kläger nach den Feststellungen von Dr. G., denen der Senat folgt, in seiner Fähigkeit zur Bewältigung neuer Anforderungen und intellektueller Leistungen hochgradig reduziert und in der intellektuellen Bearbeitungsgeschwindigkeit deutlich beeinträchtigt (dreifacher Zeitbedarf). Dies stimmt mit den Feststellungen aus der Arbeitserprobung überein. Die Verlangsamung wird durch das psychoorganische Abhängigkeitssyndrom noch verstärkt. In seinem Reaktionsvermögen, seiner Aufmerksamkeit und der Übersicht ist der Kläger in besonderer Weise beschränkt.
Die ca 18-jährige Tätigkeit des Klägers im Kali und Salz-Betrieb belegt seine Leistungsfähigkeit demgegenüber nicht. Diese geistig äußerst anspruchslose Tätigkeit kann er unstreitig sowie nach allen ärztlichen Stellungnahmen nicht mehr verrichten. Er erlangte sie seinerzeit mit etwa 18 Jahren nach Fürsprache seines ebenfalls dort beschäftigten Vaters und konnte sie nur mit Unterstützung seiner Kollegen bzw des Vorarbeiters ausüben. Nach Auffassung der Gutachter G. und Dr. G. sowie der Auskunft der Bundesanstalt für Arbeit vom 14. Februar 2005 (Bl 141f GA) ist eine Beschäftigung des Klägers nur in einer geschützten Werkstatt für behinderte Menschen möglich. Diese Einschätzung wird durch die Arbeitserprobung des Klägers im Berufsförderungswerk Sachsen-Anhalt in St. bestätigt. In seiner arbeitsmedizinischen Stellungnahme gelangt der Facharzt für Innere Medizin Dipl.-Med. H. zu der Feststellung, dass der Kläger "nicht rehafähig" sei. Die Befundkonstellation des Klägers lasse auch perspektivisch keine Rückkehr auf den ersten Arbeitsmarkt erwarten. Zu dem gleichen Ergebnis gelangt die Dipl. Psych. G ... Die Maßnahme habe gezeigt, dass der Kläger für einen beruflichen Einsatz auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht ausreichend belastbar sei. Dabei haben sowohl Dipl.-Med. H. als auch Frau G. angegeben, dass der Kläger sich ernstlich bemüht habe, den Anforderungen der Maßnahme gerecht zu werden. Zwar fand die Arbeitserprobung erst Ende 2008 statt, hinsichtlich der geistigen und psychischen Beeinträchtigungen ist jedoch nach allen medizinischen Unterlagen von einem im Wesentlichen gleichbleibenden Zustand auszugehen.
c.
Die Beklagte war daher verpflichtet, eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Sämtliche von der Beklagten benannten Tätigkeiten sind mit dem gesundheitlichen und intellektuellen Leistungsprofil des Klägers unvereinbar. Weitere in Betracht kommende Tätigkeiten sind für den Senat nicht ersichtlich.
Zu beachten ist dabei, dass der Kläger neben seinen körperlichen Einschränkungen sowie seiner Lese- und Rechtschreibschwäche nebst Akalkulie in seinen allgemeinen geistigen Fähigkeiten, insbesondere seiner Auffassungsgabe, Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit, Umsicht, Arbeitsgeschwindigkeit und sprachlichen Gewandtheit stark eingeschränkt ist. In seinem gesamten Berufsleben hat er lediglich im Wesentlichen gleichbleibende, intellektuell einfachste körperliche Tätigkeiten verrichtet. Hinzu tritt aufgrund des Abhängigkeitssyndroms eine besondere Schwäche, sich auf neue Anforderungen umzustellen. Danach scheiden sämtliche von der Beklagten benannten Tätigkeiten aus.
aa.
Bei der Tätigkeit eines Verpackungshelfers bzw Verpackers von Kleinteilen wird als wesentliche Anforderung Konzentrationsfähigkeit und Daueraufmerksamkeit gefordert; der Arbeitsrhythmus wird in der Regel durch Maschinen und Mindeststückzahl vorgegeben (vgl Gutachterliche Stellungnahme Metzger vom 7. Februar 2007, Bl 376 ff GA; Berufenet Bl 315ff GA). Diese Anforderungen kann der Kläger seit Februar 2002 nicht erfüllen.
Außerdem dürften, ohne dass es darauf allerdings noch ankommt, Lese- und Schreibkenntnisse und (etwa für Wiegevorgänge) der Umgang mit Zahlen gelegentlich gefordert sein. Bei der Verpackung von Kleinteilen bestehen außerdem Zweifel an der ausreichenden Fingerfertigkeit des Klägers; bei anderen Verpackungsarbeiten wird mitunter schwere körperliche Tätigkeit und oft Fließbandarbeit sowie gelegentlich das Ausstellen von Lieferscheinen gefordert (vgl Berufenet Bl 315 ff GA).
bb.
Für die weiter benannten Tätigkeiten eines Verpackungsmittelherstellungshelfers (Bl 282 ff, 367 ff GA) und Montierhelfers bzw für Arbeitsplätze in der Kunststoff- und Metallindustrie (Bl 194 ff GA) hat die Beklagte nur eine unzureichende Darstellung der körperlichen und geistigen Anforderungen gegeben, obwohl der Senat sie dazu aufgefordert hat (Bl 356, 375 GA). Ohne eine solche Spezifizierung verbleiben durchgreifende Bedenken, ob der Kläger die dort gestellten Anforderungen an Konzentration, Arbeitsgeschwindigkeit, Umstellungsfähigkeit und Genauigkeit erfüllen kann (vgl Stellungnahme der BA vom 14. Februar 2005, Bl 141f GA; vgl auch Urteil des Sozialgerichts S 9, Bl 215 sowie Gutachten Dipl. Ing. L. vom 30. Dezember 2004).
cc.
Ein Tierpflegehelfer verrichtet schwere körperliche Arbeit bei Wind und Wetter; es treten Emissionen wie Dämpfe auf, die mit Atemwegserkrankungen nicht vereinbar sind. Zudem ist große Sorgfalt gefordert (vgl Berufenet, Bl 312 ff GA). Alles dies steht einem Einsatz des Klägers seit 2002 entgegen.
dd.
Der Tätigkeit eines Versandfertigmacher (Bl 193 u 527 ff GA) steht, wie schon das Sozialgericht erkannt hat, entgegen, dass sie ganz überwiegend im Sitzen ausgeübt wird und Stäube auftreten können (beim Abstauben der Gegenstände). Auch dürfte hier bei dem zu erwartenden Wechsel der Verpackungsgegenstände eine Umstellungsfähigkeit gefordert sein, wie sie beim Kläger nicht vorliegt (vgl Urt SG Bl 216). Ungeachtet dessen stellt die Tätigkeit immerhin noch "geringe Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit" (Bl 531 BA); insbesondere wird eine "Normalleistung" bzw ein "mittleres" Arbeitsergebnis erwartet, das von jedem hinreichend geeigneten Arbeitnehmer nach ausreichender Einarbeitung und Übung auf Dauer ohne Gesundheitsbeeinträchtigungen erreicht werden kann (Bl 531 GA). Diesen Anforderungen ist der Kläger seit Februar 2002 nicht mehr gewachsen, wie nach den Feststellungen des Berufsförderungswerkes St. und der Gutachter G. und Dr. G. feststeht.
ee.
Für einen Einsatz als Bürobote kam der Kläger schon deshalb zu keiner Zeit in Betracht, weil er nicht lesen und schreiben sowie mit Zahlen umgehen kann.
ff.
Als Museumsaufsicht kann und konnte der Kläger ebenfalls noch nie arbeiten. Dabei kann dahinstehen, ob damit das Besteigen von Leitern, Verkaufstätigkeiten und der Transport und die Verwahrung von (mitunter schweren) Objekten einhergehen (so LSG Baden-Württemberg 26. März 2010 – L 4 R 3765/08, Juris und 31. Oktober 2008 – L KNR 3903/07). Ferner soll offenbleiben, ob eine Museumsaufsicht viel stehen und gelegentlich lesen muss. Denn jedenfalls ist der Kläger für diese Tätigkeit ungeeignet, weil sie – für den Kläger ausgeschlossen – Publikumsverkehr mit sich bringt und der Kläger für die damit verbundenen Aufsichts- und Ordnungsfunktionen zu einfach strukturiert ist (vgl von der Beklagten vorgelegtes Gutachten L. , Bl 528 f GA).
gg.
Helfer in der Papierverarbeitung müssen gelegentlich schwere, den Rücken belastende Arbeiten ausüben. Gefordert wird auch rasches und umsichtiges Reagieren. Es treten Dämpfe von Lösungsmitteln und Schmieröl auf, häufig besteht Zeitdruck (vgl Berufenet-Info, Bl 381 ff GA). Dies steht einem Einsatz des Klägers seit Februar 2002 entgegen. Zudem dürfte wohl auch Lesen und Schreiben in einfacher Form verlangt werden (etwa beim Palettieren, Wiegen etc).
hh.
Auch als Pförtner an der Nebenpforte kann und konnte der Kläger schließlich nicht arbeiten. Hier werden ua durchschnittliche Anforderungen an Aufmerksamkeit und Übersicht gestellt und Lesen und Schreiben zumindest in reduzierter Form verlangt (vgl Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Wach und Sicherheitsunternehmen vom 20. Dezember 2007, Bl 268 ff GA). Dies konnte der Kläger noch zu keinem Zeitpunkt leisten. Weitere, vom Kläger nicht erfüllbare Anforderungen sind – ohne dass es darauf noch ankommt – der Umgang mit Publikumsverkehr, Kommunikationsfähigkeit, Zuverlässigkeit, Lernverhalten, psychische und physische Belastbarkeit und ein gewisses sprachliches Ausdrucksvermögen (vgl BSG 23. August 2001 – B 13 RJ 13/01 R, Juris).
3.
Das Sozialgericht hat Rente wegen voller Erwerbsminderung zu Recht unbefristet zugesprochen. Da mangels Benennbarkeit einer Verweisungstätigkeit ein Rentenanspruch unabhängig von der Arbeitsmarktlage besteht, ist die Rente unbefristet zu leisten, weil unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung behoben werden kann (§ 102 Abs 2 Satz 5 SGB VI). Aus medizinischen Gründen ist eine wesentliche Besserung nicht zu erwarten. Eine etwaige Aussicht auf Besserung der Parkinsonerkrankung durch medikamentöse Behandlung ist für die festgestellte Erwerbsminderung nicht erheblich. Begründete Aussicht für den Wegfall der Rentenberechtigung besteht nicht. Berufsfördernde Maßnahmen kommen angesichts der Ergebnisse der Arbeitserprobung wohl nicht in Betracht und sind von der Beklagten auch nicht konkret angeboten worden (vgl hierzu BSG 21. April 1993 - 5 RJ 48/92 - in Juris).
Die Rente beginnt mit dem 1. Februar 2002, da sie in diesem Monat beantragt worden ist und die Anspruchsvoraussetzungen vorgelegen haben (vgl § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI.
Der am ... 1961 geborene Kläger war nach dem Besuch der Sonderschule von Oktober 1977 bis Februar 1980 als Hilfsarbeiter im Straßenbau tätig. Vom 1. März 1980 bis zum 31. August 1997 arbeitete er als Packer bzw. Verladearbeiter in einem Kali- und Salzbetrieb in U. /Niedersachsen. Seine Arbeit bestand im Wesentlichen darin, von einem Band Salzsäcke von 25 bis 50 kg Gewicht abzunehmen und auf Paletten abzulegen. Seit dem 1. September 1997 ist er arbeitslos.
Seit dem Jahr 1987 befindet sich der Kläger wegen Rückenbeschwerden (zunächst an der Halswirbelsäule, seit 1994 zusätzlich an der Lendenwirbelsäule und nachfolgend auch an der Brustwirbelsäule) in ärztlicher Behandlung. Seit dem 8. Januar 2002 ist er arbeitsunfähig.
Am 5. Februar 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab er "Bandscheibenerkrankung, schlechte Augen, kann nicht lesen und schreiben" an. Ein Entlassungsbericht der Klinik für Neurologie der Landesklinik B. vom 15. Juli 2002 über einen Aufenthalt des Klägers vom 15. April bis 8. Mai 2002 enthält die Diagnosen
chronifiziertes Schmerzsyndrom mit pseudoradikulärer Symptomatik der HWS, BWS und LWS bei Fehlbelastung des Achsorgans und
unklare Strukturveränderung bis III. pulmonalen Oberlappensegment rechts.
Der Entlassungsbericht der Klinik für Innere Medizin des J. Krankenhauses G. vom 27. Mai 2002 über einen Aufenthalt des Klägers vom 13. bis 22. Mai 2002 gibt folgende Diagnosen wieder:
akuter linksseitiger Oberbauchschmerz bei Verdacht auf Nephrolithiasis mit stattgehabtem Steinabgang
degenerative Wirbelsäulenveränderung
Harnwegsinfekt
In einem Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) vom 20. Juni 2002 gelangte die Fachärztin für Innere Medizin/Betriebsmedizin Dr. H. – ohne Kenntnis des Entlassungsberichts der Landesklinik B. – zu folgenden Diagnosen:
Minderbelastbarkeit und Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei Fehlhaltung und Rumpfmuskelschwäche mit wechselseitiger pseudoradikulärer Symptomatik (M 54.5)
rezidivierendes HWS-, Schulter- und Nackensyndrom bei muskulärer Insuffizienz (M 54.0)
Nierenstein rechts und Harnstauung ersten Grades links (M 20.0),
Übergewichtigkeit Grad I mit einem BMI von 29,7 kg/m² (E 66)
Zustand nach arthroskopischer Entfernung einer hypertrophen Plica des rechten Kniegelenkes 1997
Dem Kläger seien noch körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen, ohne Heben, Tragen und Bewegen von mehr als mittelschweren Lasten ohne häufige Zwangshaltungen der Wirbelsäule und mit in geistiger Hinsicht einfachen Anforderungen vollschichtig und regelmäßig zuzumuten. Der Beruf des Packers im Steinsalz entspreche dem nicht.
Mit Bescheid vom 1. Juli 2002 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau ab 1. Februar 2002. Mit weiterem Bescheid vom 8. Juli 2002 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab.
Hiergegen legte der Kläger am 13. August 2002 Widerspruch ein und führte zur Begründung an, er habe acht Jahre lang die Sonderschule besucht und verfüge über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Er habe die Schule als Analphabet verlassen. Bei der seit 1980 im Kaliwerk ausgeübten Tätigkeit als Packer seien eigentlich Lese- und Schreibkenntnisse zur Ausfüllung der Karteikarten bzw. Lieferscheine für die zu packenden und zu verladenden Säcke erforderlich gewesen. Weil sein Analphabetismus im Betrieb bekannt gewesen sei, seien diese Arbeiten regelmäßig von Kollegen oder dem Meister selbst übernommen worden. Sein Analphabetismus stelle eine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar, der Arbeitsmarkt sei verschlossen. Ferner werde sein Leistungsvermögen durch die Asthmaerkrankung zusätzlich eingeschränkt.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der Kläger sei trotz seiner Lese- und Schreibschwäche in der Lage, leichte angelernte Arbeiten vollschichtig auszuüben, so zB Abpackarbeiten in der Ernährungsindustrie oder Montieren und Verpacken von Kunststoffkleinteilen in der Auto-, Brillen- und Glasindustrie. Bei einem noch vollschichtigen Leistungsvermögen sei daher für die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung kein Raum.
Mit seiner am 13. November 2002 beim Sozialgericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er hat sich auf eine Einschränkung seines Sehvermögens (40 bzw. 60 %) berufen, die nicht mittels Brille ausgeglichen werden könne. Ein Versuch, ihm innerhalb einer zweijährigen Maßnahme Lesen und Schreiben beizubringen, sei im Jahre 1991 gescheitert. Ausweislich des Grundschulzeugnisses der Klasse 8 habe er nicht einmal Grundkenntnisse im muttersprachlichen und rechnerischen Bereich erwerben können. Das Abgangszeugnis der Klasse 9 vom 13. Juli 1978 weise aus, dass er die Sonderschule als Analphabet verlassen habe, desgleichen ein Schreiben der Bezirksregierung H., wonach er auf Antrag seines Vaters bereits im März 1978 wegen schwacher Leistungen vom Unterricht beurlaubt worden sei. Ferner hat der Kläger hierzu eine Bescheinigung seines Hausarztes L. vom 21. Oktober 2005 vorgelegt und mitgeteilt, dass auch sein Sohn an einer nachgewiesenen Lese- und Rechtschreibschwäche leide und deshalb eine Lernbehindertenschule besuche.
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, dass die beim Kläger bestehende Schreib- und Leseschwäche nicht den Ausschlag für eine Rentenentscheidung geben könne. Vorsorglich hat sie auf Arbeitsplätze in der Kunststoff- und Metallindustrie sowie auf die Tätigkeit eines Versandfertigmachers verwiesen.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung dreier Befundberichte. Die Fachärztin für Innere Medizin Dr. W. hat unter dem 24. Februar 2003 mitgeteilt, dass beim Kläger eine "COPD" bestehe. Ihrer Auffassung nach könne er nur noch körperlich leichte Arbeiten mit zusätzlichen qualitativen Leistungseinschränkungen sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Die Fachärztin für Orthopädie K. hat mit Schreiben vom 25. Februar 2003 über ein chronisches Lumbalsyndrom berichtet und den Kläger ebenfalls für sechsstündig einsatzfähig gehalten. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. H. hat unter dem 6. April 2003 darüber hinaus die Diagnosen einer somatoformen Schmerzstörung sowie einer depressiven Verstimmung mitgeteilt. Ein in der Anlage zum Befundbericht beigefügter Entlassungsbericht der Klinik für Rheumatologie/Innere Medizin des J.krankenhauses im F. vom 6. März 2003 über einen Aufenthalt des Klägers vom 6. bis 15. Februar 2003 enthielt die Diagnosen
anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei verlängerter depressiver Reaktion mit kognitiver Beeinträchtigung,
beginnendes Glaukom und
Hyperurikämie.
Die zunächst bestehende Verdachtsdiagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sei durch den beratenden Psychiater bestätigt worden. Angesichts der beeinträchtigten kognitiven Fähigkeiten des Klägers mit fehlender Introspektionsfähigkeit sei eine psychotherapeutische Intervention nicht möglich.
Außerdem hat das Sozialgericht ein von der zuständigen Bergbauberufsgenossenschaft in Auftrag gegebenes Gutachten des Arztes für Chirurgie Dr. B. vom 24. Juli 2003 beigezogen. Danach ist im Falle des Klägers eine berufsbedingte Wirbelsäulenschädigung (Berufskrankheit 2108 des Verzeichnisses der Berufskrankheiten) aus medizinischen Gründen ausgeschlossen.
Sodann hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens von Dr. S. vom 11. Februar 2004 sowie eines neurologischen Gutachtens der Ärztin für Psychiatrie und Neurologie G. vom 20. September 2004. Dr. S. hat ein "lokales Lumbalsyndrom, diffuses mittleres und unteres Zervikalsyndrom beidseits, beginnende Chondropatea patellae beidseits, chronische Bronchitis, Analphabetismus, Nephrolithiasis mit Harnstauung rechts ersten Grades" diagnostiziert. Der Kläger könne damit leichte bis mittelschwere Arbeiten wechselseitig im Gehen, Stehen und Sitzen unter Vermeidung von Zwangshaltungen und einseitigen körperlichen Belastungen und Gerüst- und Leiterarbeiten in Wechselschicht mindestens sechs Stunden täglich ausüben.
Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie G. hat folgende Diagnosen gestellt: "Geistige Minderbegabung vom Grade der Debilität, ausgeprägte Legasthenie (Analphabet), Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen (Rentenbegehren), Zervikokranialsyndrom bei Bandscheibenprotrusion C5/C6, diskretes lumbales Wurzelreizsyndrom bei Bandscheibenvorwölbungen L3/L4, L4/L5, L5/S1 ohne neurologische Ausfälle". Es ergäben sich mehrfach Hinweise für eine Aggravation, wenn nicht sogar Simulation. Der Kläger sei körperlich noch für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig einsetzbar. Auf Grund seiner Debilität und der damit verbunden verminderten Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, seines Analphabetismus und der jahrelang ausgebildeten Somatisierungsstörung und neurotischen Fehlentwicklung könne er jedoch seit Antragstellung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr tätig sein (Leistungsfähigkeit unter drei Stunden). Wegen seiner Debilität sei er nicht therapiefähig. Der Kläger könne nur einfache körperliche Tätigkeiten in einer geschützten Werkstatt unter direkter Anleitung ausüben.
Auf berufskundliche Anfrage des Sozialgerichts hat die Bundesagentur für Arbeit mit Schreiben vom 14. Februar 2005 mitgeteilt, dass das Leistungsvermögen des Klägers sei "weitgehend eingeschränkt, um Pack- und Abpackarbeiten, Etikettierarbeiten, Kommissionsarbeiten auf der Ebene ungelernter bzw. kurzfristig angelernter Arbeitnehmer zu verrichten". Der Kläger dürfte die notwendigen Anforderungen an Arbeitsgeschwindigkeit, Konzentration und Genauigkeit nicht erfüllen. Die Tätigkeiten erforderten Teamarbeit; es seien Arbeitsplätze, auf denen durch akustische Signale auf Gefahren hingewiesen werde und solche, auf denen Arbeiten auf ständig wechselnde Anweisungen durchzuführen seien. In der Regel werde im Akkord oder unter akkordähnlichen Bedingungen bzw. am Fließband gearbeitet. Der Kläger sei lediglich in der Lage, ein Mindestmaß an verwertbarer Arbeit zu erbringen, was ihm die Aufnahme in einer Werkstatt für Behinderte ermögliche.
Mit Urteil vom 6. Dezember 2005 hat das Sozialgericht antragsgemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2002 idF des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2002 aufgehoben und
die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Februar 2002 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger zwar noch leichte bis mittelschwere Arbeiten sechs und mehr Stunden unter Beachtung weiterer Einschränkungen ausüben könne. Sein Leistungsvermögen sei jedoch durch die Gesundheitsstörungen unter Berücksichtigung des hinzutretenden Analphabetismus so sehr eingeschränkt, dass ein Einsatz unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr möglich sei. Es liege mit dem Analphabetismus, der Somatisierungsstörung und neurotischen Fehlentwicklung im Zusammenspiel mit den orthopädischen und internistischen Einschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Der Arbeitsmarkt sei daher verschlossen, obwohl der Kläger noch leichte bis mittelschwere Arbeiten verrichten könne. Die von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeiten seien nicht hinreichend konkretisiert worden (Arbeitsplätze in der Kunststoff- und Metallindustrie sowie Pack-, Montier-, Produktions-, Etikettier-, Muster- und Kommissionsarbeiten) und setzten im Übrigen eine Umstellungsfähigkeit bzw. Arbeitsgeschwindigkeit und Konzentrationsfähigkeit voraus, wie sie beim Kläger nicht vorhanden seien. Die Tätigkeit als Versandfertigmacher sei dem Kläger nicht zumutbar, da sie ihn trotz seiner Asthmaerkrankung einer Staubbelastung aussetze und auch zweifelhaft sei, ob der Kläger über eine für diese Tätigkeit ausreichende Umstellungsfähigkeit und Flexibilität verfüge. Für die Kammer seien weitere zumutbare Tätigkeiten darüber hinaus nicht ersichtlich.
Gegen das ihr am 2. Januar 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1. Februar 2006 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, dass die Schlussfolgerungen der Gutachterin G., wonach beim Kläger auf Grund der Debilität, des Analphabetismus und einer Somatisierungsstörung ein aufgehobenes Leistungsvermögen bestehe, nicht nachvollziehbar sei. Insbesondere könne die Intelligenzminderung nicht als allzu schwerwiegend eingeschätzt werden, zumal der Kläger über 17 Jahre die Tätigkeit als Packer ausgeübt habe und im Besitz eines Führerscheins sei. Ferner ist die Beklagte der Auffassung, dass der Kläger noch verschiedene Verweisungstätigkeiten verrichten könne. Neben der Tätigkeit eines Verpackungshelfers, eines Verpackungsmittelherstellerhelfers, eines Montierhelfers und eines Tierpflegehelfers benennt die Beklagte insbesondere die Tätigkeiten Bürobote, Museumsaufsicht, Verpacker von Kleinteilen, Helfer in der Papierverarbeitung und Pförtner an der Nebenpforte. Hierzu legt die Beklagte verschiedene Tätigkeitsbeschreibungen sowie die Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes vom 18. März 2008 vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat eine schriftliche Stellungnahme des Vorarbeiters des Klägers im Kali und Salz-Betrieb eingeholt (Bl. 295). Ferner hat der Kläger vom 3. bis 14. November 2008 eine von der Beklagten gewährte Maßnahme zur Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk Sachsen-Anhalt gGmbH in St. absolviert, nachdem eine erste Maßnahme im August 2008 wegen eines Hexenschusses des Klägers am ersten Tag abgebrochen werden musste. Wegen des Ergebnisses der Maßnahme wird auf die arbeitsmedizinische Stellungnahme des Dipl.-Med. H. vom 25. November 2008 (Bl. 349 bis 350 GA) und den Ergebnisbericht der Diplompsychologin G. vom 27. Januar 2009 (Bl. 351 bis 354 GA) verwiesen. Sodann hat das Gericht ein psychiatrisch-neurologisches Gutachten des PD Dr. G. vom 11. Dezember 2009 auf der Grundlage einer gutachterlichen Exploration am 5. Dezember 2009 eingeholt. Danach bestehen beim Kläger folgende gesundheitliche Einschränkungen:
leichte Intelligenzminderung F70.0
hirnorganisches Syndrom in Verbindung mit einer kombinierten schwersten Lese-Rechtschreib-Schwäche und weitgehenden Akalkulie (F06.9)
Parkinsonsyndrom (G21.9) mit linksseitig betontem Tremor und diskretem Rigor
abhängige Persönlichkeitsstörung (F60.7)
Schmerzsyndrom in der linken Halbseite im Bauchbereich und bis ins Bein hinabziehend; chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41)
Eine Simulation hat der Gutachter ausgeschlossen. Die vorhandenen seelischen Störungen seien massiv verfestigt bzw. angeboren und könnten nicht überwunden werden. In seiner Fähigkeit zur Bewältigung neuer Anforderungen und intellektueller Leistungen sei der Kläger hochgradig reduziert, in der intellektuellen Bearbeitungsgeschwindigkeit deutlich beeinträchtigt (dreifacher Zeitbedarf). Der Kläger könne nicht lesen, nur seinen Namen schreiben und nur im einstelligen Bereich sicher rechnen. Sein Denkvermögen sei ausgesprochen verlangsamt, das – im Wesentlichen angeborene – abstrakt logische Denkvermögen sei deutlich reduziert. Die daraus resultierende Verlangsamung werde durch das psychoorganische Abhängigkeitssyndrom noch verstärkt. Die Reaktionsfähigkeit sei auf das Doppelte bis Dreifache verlängert. Eine Übersicht bestehe nicht, der Kläger könne nur einfache Handreichungen ausführen. Für häufigen Publikumsverkehr sei er wegen seiner Akalkulie und seiner Lese- und Rechtschreib-Schwäche sowie seiner ungelenken Ausdrucksweise nicht geeignet. Körperliche Anstrengungen seien ihm nur unter großen glaubhaften Schmerzen möglich, Belastungen im Wirbelsäulenbereich nicht zumutbar. Das Parkinsonsyndrom beeinträchtige den Kläger bei der Bewältigung einfacher und leichter körperlicher Tätigkeiten.
Zusammenfassend ist der Gutachter zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger auf Grund der Vielzahl der bestehenden Einschränkungen in einem extrem eng begrenzten Tätigkeitsprofil und auch dort nur unter großen glaubhaften Schmerzen arbeiten könne. Er könne nur noch körperlich leichte Arbeiten im Wechsel der drei Haltungsarten ohne einseitige körperliche Belastungen oder Zwangshaltungen, ohne Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe in geschlossenen Räumen ohne Einwirkung von Staub, Gas, Dampf oder Rauch, ohne Zeitdruck, Akkord oder Fließbandarbeit und mit eingeschränkter Gebrauchsfähigkeit der Hände verrichten. Der Kläger sei aus gutachterlicher Sicht innerhalb des so beschriebenen Tätigkeitsbereichs maximal an drei Stunden täglich einsetzbar. Dabei sei eine Tätigkeit, die dem genannten Profil entspreche, gutachterlich kaum vorstellbar; die Leistungsfähigkeit des Klägers entspreche einem Anforderungsprofil, das üblicherweise nur in einer geschützten Werkstatt abgefordert werde.
Zur Frage, seit wann die festgestellte Minderung der Leistungsfähigkeit bestehe, hat der Gutachter ausgeführt, dass die intellektuellen und kognitiven Leistungseinbußen zweifelsfrei bei Rentenantragstellung bereits bestanden hätten. Die Somatisierungsstörung finde sich bereits im fachpsychiatrischen Gutachten von Frau G. aus dem Jahre 2004 als Verdachtsdiagnose. In dem Gutachten fänden sich allerdings auch Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger noch körperliche Tätigkeiten ausgeübt habe. Den Beginn der Erwerbsminderung hat der Gutachter "vage extrapolierend mit hinlänglicher Sicherheit und Wahrscheinlichkeit" auf den Anfang des Jahres 2009 datiert. Insgesamt sei nicht von einer begründeten Aussicht oder auch nur überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer Besserung in der Zukunft auszugehen. Lediglich hinsichtlich der neurologischen Symptomatik (Parkinson) könne eine medikamentöse Besserung möglicherweise erreicht werden.
Der Senat hat den Beteiligten berufskundliche Unterlagen zu den Tätigkeiten Verpacker, Helfer in der Papierverarbeitung und Pförtner an der Nebenpforte zur Kenntnis gebracht.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie gem. § 151 Abs 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, weil der Kläger ab dem 1. Februar 2002 Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat. Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs 2 SGG).
I.
Der Kläger kann von der Beklagten ab dem 1. Februar 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI verlangen.
1.
Die allgemeinen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch liegen vor. Nach § 43 Abs 1, Abs 2 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet sowie vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Pflichtbeiträge vor Eintritt der Erwerbsminderung sind ua für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit mit Beitragszeiten oder Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit belegt ist (§ 241 Abs 2 Satz 1 Nr 1 und 5 SGB VI).
Der Kläger ist bei der Beklagten versichert und hatte zum 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren (60 Monaten) nach § 50 Abs 1 SGB VI erfüllt. Ausweislich des Versicherungsverlaufs (Anlage 2 zur Rentenauskunft vom 26. August 2010, Bl 512 f GA) lagen bis zu diesem Zeitpunkt 68 Monate mit Pflichtbeitragszeiten vor. Anschließend war bis zum 30. September 2006 jeder Monat mit Pflichtbeiträgen belegt. Zugleich bezieht der Kläger seit dem 1. Februar 2002 fortlaufend eine Rente für Bergleute wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß § 45 SGB VI und damit eine Rente iSv § 241 Abs 2 Satz 1 Nr 5 iVm § 33 Abs 2 SGB VI (vgl KassKomm/Niesel § 241 SGB VI Rn 16 sowie KassKomm/Gürtner § 43 SGB VI Rn 68).
2.
Nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die hierzu nicht mindestens sechs Stunden täglich in der Lage sind. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Danach ist der Kläger ist seit dem 1. Februar 2002 voll erwerbsgemindert. Bei ihm bestehen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seitdem erhebliche körperliche, seelische und geistige Gesundheitsbeeinträchtigungen (dazu a). Aufgrund von Art und Ausmaß der Beeinträchtigungen ist zu befürchten, dass der Kläger – unabhängig von einem etwaigen restlichen Leistungsvermögen von sechs und mehr Stunden täglich – unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht erwerbstätig sein kann (dazu b). Unter diesen Umständen ist die Beklagte nach der Rechtsprechung verpflichtet, eine zumutbare Verweisungstätigkeit konkret zu benennen, anderenfalls wegen Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes von fehlender Erwerbsfähigkeit des Klägers auszugehen ist; dies ist der Beklagten nicht gelungen (dazu c).
a.
Der Kläger ist seit dem 1. Februar 2002 körperlich allenfalls noch in der Lage, täglich mindestens sechs Stunden leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen, in geschlossenen Räumen, ohne Zwangshaltungen und einseitige körperliche Belastungen, Gerüst- und Leiterarbeiten und Tätigkeiten mit hohen Temperaturschwankungen, Nässe und Zugluft sowie Einwirkung von Staub, Gas, Dampf oder Rauch zu verrichten. In seelisch-geistiger Hinsicht ist der Kläger auf einfachste Arbeiten ohne Zeitdruck, Akkord oder Fließbandarbeit, ohne Publikumsverkehr und mit ganz geringen Anforderungen an Reaktionsvermögen, Aufmerksamkeit und Übersicht beschränkt. Spätestens seit Anfang 2009 ist der Kläger nur noch in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten bis zu maximal drei Stunden täglich zu verrichten.
Das seit 2002 bestehende Leistungsbild ergibt sich aufgrund der nachfolgenden bei dem Kläger seit Antragstellung bestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen:
leichte Intelligenzminderung F70.0
hirnorganisches Syndrom in Verbindung mit einer kombinierten schwersten Lese-Rechtschreib-Schwäche und weitgehenden Akalkulie (F06.9)
abhängige Persönlichkeitsstörung (F60.7)
Schmerzsyndrom in der linken Halbseite im Bauchbereich und bis ins Bein hinabziehend; chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41)
Chronische Bronchitis bzw Asthma
Nephrolithiasis mit Harnstauung rechts 1. Grades
Seit Anfang 2009 ist ein Parkinsonsyndrom (G21.9) mit linksseitig betontem Tremor und diskretem Rigor hinzugetreten.
(1) Die Intelligenzminderung des Klägers wird in allen ärztlichen Stellungnahmen beschrieben. Insbesondere die psychiatrischen Gutachter G. und Dr. G. bestätigen sie trotz der aufgrund des Analphabetismus bestehenden Schwierigkeiten ihrer Testung und schließen eine Simulation aus. Frau G. ermittelte einen IQ von 74 (leichte Debilität), Dr. G. bestätigte die Diagnose und berichtete über einen Test des abstraktlogischen Denkvermögens nach RAVEN, der einen IQ von 55 ergab und vom Kläger in etwa der dreifachen Zeit eines Durchschnittsprobanden absolviert wurde. Gegenteilige ärztliche Stellungnahmen finden sich trotz gelegentlich geäußerter Zweifel im Hinblick auf eine mögliche Simulation nicht. Das Verhalten des Klägers bei der Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk Sachsen-Anhalt in St. spricht gegen eine Simulation. Sowohl Dipl. Med. H. als auch Dipl. Psych. G. haben angegeben, dass der Kläger sich ernstlich bemüht habe, den Anforderungen der Maßnahme gerecht zu werden. Er habe auch Interesse an einer körperlichen Arbeit gezeigt, wobei er die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit überschätze.
Die Intelligenzminderung steht auch mit den sonstigen bekannten Lebensumständen des Klägers in Einklang. Dieser hat die Sonderschule mangels Aussicht auf weiteren Lernerfolg mit 15 Jahren praktisch ohne Lese-, Rechtschreib- und Rechenkenntnisse verlassen (ua Lesen und Mathematik mangelhaft sowie Rechtschreiben ungenügend), er benötigte vier Jahre zum Erwerb des Führerscheins, er hat in seinem gesamten Berufsleben nur einfachste Tätigkeiten verrichtet, sein sprachliches Ausdrucksvermögen ist stark reduziert. Seine Angelegenheiten regelten im Wesentlichen seine Mutter und nachfolgend bis heute seine Ehefrau.
(2) Beim Kläger besteht weiter ein seit der Schulzeit nachweisbares angeborenes oder frühkindlich erworbenes hirnorganisches Syndrom in Verbindung mit einer kombinierten schwersten Lese-Rechtschreib-Schwäche und weitgehenden Akalkulie. Es bestehen deutlich verlängerte Reaktionszeiten, eine Verlangsamung des Gedankengangs und eine Tendenz zu thematischer Inkohärenz. Der Kläger kann nur seinen Namen schreiben und ansonsten einzelne prägnante Buchstaben wie "A" oder "E". Rechnen kann er nur im einstelligen bis niedrigst zweistelligen Zahlenbereich. Diese Feststellungen des Gutachters Dr. G., die mit den Diagnosen der Gutachterin G. im Wesentlichen übereinstimmen, stehen in Einklang mit allen bekannten Lebensumständen des Klägers. So hat sein Vorarbeiter bei den Kaliwerken gegenüber dem Gericht schriftlich bestätigt, dass er gelegentlich erforderliche Lese- und Schreibtätigkeiten für den Kläger übernommen habe. Es sei im Betrieb bekannt gewesen, dass der Kläger das nicht könne. Dr. L., Hausarzt des Klägers von Kind an, bestätigt ebenfalls diesen Befund. Der Erwerb des Führerscheins steht diesen Feststellungen angesichts einer Dauer von vier Jahren und der vom Kläger geschilderten allseitigen Bemühungen, insbesondere seines Vaters, nicht entgegen. Der Kläger gibt glaubhaft an, nur in näherer Umgebung seines Wohnortes allein zu fahren, da er Ortsschilder nicht lesen könne. Tatsächlich nahm er im Verlaufe des Verfahrens sämtliche auswärtigen Termine nur in Begleitung seiner Ehefrau wahr. Anhaltspunkte für eine Simulation sind nicht ersichtlich. Gegenteilige ärztliche oder sonstige Beobachtungen liegen nicht vor.
(3) Ferner besteht eine abhängige Persönlichkeitsstörung. Der Kläger wird in allen schwierigeren, aber auch alltäglichen Aufgaben von anderen Personen unterstützt und damit letztlich in außergewöhnlichem Maße fremdbestimmt. Vorehelich waren dies die Eltern, vor allem die Mutter, sodann seine Ehefrau. Als Folge der Fremdbestimmtheit bildeten sich eine passive Erwartungshaltung sowie häufige Überforderungsreaktionen bei Belastungen. Der Senat folgt auch hier den Feststellungen des Gutachters Dr. G ... Entgegenstehende Stellungnahmen finden sich nicht. Die Persönlichkeitsstörung besteht jedenfalls seit Rentenantragstellung. Der Kläger hatte sich schon damals als erwachsener Mann in der passiven, fremdbestimmten Rolle eingerichtet, wie beispielsweise die durchweg von seiner ukrainischen Ehefrau ausgefüllten Rentenanträge und Stellungnahmen sowie die ausschließlich in ihrer Begleitung durchgeführten Arztbesuche – bis in die Untersuchung hinein – belegen.
(4) Auch das Schmerzsyndrom in der Lendenwirbelsäule sowie in der linken Halbseite im Bauchbereich und bis ins Bein hinabziehend sowie die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bestanden bereits seit Rentenantragstellung im Februar 2002. Der Kläger befindet sich bereits seit 1987 wegen Rückenbeschwerden in ärztlicher Behandlung, was bei der seit frühester Jugend durchgehend ausgeübten körperlich schwersten Berufstätigkeit nicht verwundert. Er klagte seit ca 1994 – insoweit gleichbleibend – über zunehmende Beschwerden in der Lendenwirbelsäule, zuletzt mit Ausstrahlung in den linken Unterbauch und das linke Bein. Die Schmerzstörung hat zweifelsfrei auch somatische Ursachen. Nach allen einschlägigen ärztlichen Feststellungen leidet der Kläger an einem lokalen Lumbalsyndrom mit zeitweiliger Wurzelirritationssymptomatik links sowie an einem diffusen mittleren und unteren Zervikalsyndrom beidseits (vgl. Diagnosen im Gutachten Dr. S. vom 11. Februar 2004, Bl. 87 GA). Hiermit im Wesentlichen übereinstimmende Feststellungen finden sich in nahezu allen weiteren ärztlichen Stellungnahmen. Entgegenstehende Äußerungen liegen nicht vor. Allerdings haben diese Erkrankungen nur zu leichten Funktionseinschränkungen geführt. Auch dies ergibt sich aus allen einschlägigen ärztlichen Stellungnahmen. Es fehlt damit ein Korrelat für die vom Kläger geklagten starken und zunehmenden Schmerzen. Vor diesem Hintergrund wurde bereits im Entlassungsbericht der Landesklinik B. vom 15. Juli 2002 und im Entlassungsbericht des Johanniter-Krankenhauses im F. vom 6. März 2003 ein chronifiziertes Schmerzsyndrom diagnostiziert. Dem schloss sich die behandelnde Fachärztin für Allgemeinmedizin H. in ihrem Befundbericht vom 6. April 2003 an. Ebenfalls damit übereinstimmend gelangten die psychiatrischen und neurologischen Gutachter G. und Dr. G. zu einer entsprechenden Feststellung. Der Senat legt sie daher auch seiner Entscheidung zugrunde. Allerdings haben die Sachverständigen Dr. H. (SMD) und Dr. S. in ihren Gutachten ein chronifiziertes Schmerzsyndrom nicht diagnostiziert. Dr. H. war die Diagnose der Landesklinik B. noch nicht bekannt. Insoweit konnte sie sich damit in ihrem Gutachten nicht auseinandersetzen. Dr. S. kannte die Diagnose zwar, hat sich aber dennoch nicht mit ihr auseinandergesetzt und über die rein objektiv und röntgenologisch feststellbaren funktionellen Störungen hinaus keinerlei Feststellungen getroffen. Sein Gutachten ist insoweit lückenhaft und vermag die gegenteiligen ärztlichen Feststellungen nicht zu erschüttern. Soweit auch die behandelnden Ärzte Dr. W. und die Orthopädin K. in ihren Befundberichten eine chronifizierte Schmerzstörung nicht erwähnen, begründen sich daraus ebenfalls keine Zweifel an der Diagnose. Diese ist naturgemäß nur schwer zu stellen und erfordert eine komplexe Auseinandersetzung und Übersicht über alle medizinischen Gesichtspunkte. Eine ärztliche Stellungnahme, die sich gegen die Diagnose eines chronifizierten Schmerzsyndroms ausspricht, existiert nicht.
Eine solche Diagnose steht auch mit den sonstigen bekannten Lebensumständen des Klägers in Einklang. Die geklagten Schmerzen des Klägers sind nicht ohne somatischen Ursprung, sondern nur ohne ein ausreichendes somatisches Korrelat. Die Ausbildung einer chronifizierten Schmerzstörung steht ferner in ursächlichem Zusammenhang mit dem beim Kläger bestehenden Gefühl permanenter Überforderung, wie Dr. G. festgestellt hat. Deutlich zutage trat das Schmerzsyndrom bei der Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk in St., wo der Kläger eine erste Maßnahme im August 2009 bereits kurz nach Beginn wegen Rückenbeschwerden abbrach und während der zweiten Maßnahme im November 2009 nachhaltig über wiederkehrende Rückenschmerzen klagte und seine Tätigkeit unterbrechen musste.
(5) Die chronische Bronchitis bzw. ein Asthma sowie die Nephrolithiasis mit Harnstauung rechts ersten Grades sind ärztlich ebenfalls festgestellt (vgl. Gutachten Dr. S.). Die zu (1) bis (4) oben angegeführten Gesundheitsbeeinträchtigungen bestehen ohne Aussicht auf Besserung. Dies stellen sämtliche Ärzte übereinstimmend fest, soweit sie die jeweilige Diagnose stellen.
(6) Schließlich ist der Diagnose des Neurologen und Psychiaters Dr. G. zu folgen, wonach beim Kläger klinisch zweifelsfreie Zeichen eines Parkinsonsyndroms gefunden wurden. Entsprechende Anzeichen waren bereits in dem Arztbrief des Facharztes des Orthopäden Dr. N. vom 1. September 2009 erwähnt worden. Der Senat folgt insoweit auch der Einschätzung von Dr. G., dass das Syndrom bereits zumindest seit Anfang 2009 vorgelegen hat. Dabei berücksichtigt der Senat, dass der Kläger in seiner Eigenanamnese angegeben hat, schon seit vier Jahren das Zittern im linken Arm und Bein zu verspüren (S 11 oben des Gutachtens, Bl 438 GA).
b.
Trotz eines danach möglicherweise zeitweilig bestehenden restlichen Leistungsvermögens bestehen ernste Zweifel daran, dass der Kläger seit dem 1. Februar 2002 mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar ist. Es liegt eine Mehrzahl ungewöhnlicher und schwerer Leistungseinschränkungen vor, so dass eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen ist.
aa.
Nach dem Beschluss des Großen Senat des BSG vom 19. Dezember 1996 (GS 4/95, BSGE 80, 24) braucht einem Versicherten, der aus gesundheitlichen Gründen seine bisherige Erwerbstätigkeit nicht mehr verrichten kann, bei Verweisung auf das übrige Arbeitsfeld regelmäßig keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt zu werden, wenn der Versicherte zwar nicht mehr zu körperlich schweren, aber doch vollschichtig zu mittelschweren oder leichten Arbeiten in der Lage ist und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ungelernter Tätigkeiten verweisbar ist.
Hiervon ist eine Ausnahme zu machen, wenn bei dem Versicherten eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt oder der Arbeitsmarkt trotz an sich mindestens sechsstündiger Erwerbsfähigkeit deshalb verschlossen ist, weil der Versicherte eine solche Leistung nicht unter betriebsüblichen Arbeitsbedingungen erbringen kann. In diesen Fällen kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für die an sich noch mögliche mindestens sechsstündige Tätigkeit eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen vorhanden ist. Es kommen vielmehr ernste Zweifel daran auf, ob der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar ist. Eine Verweisungstätigkeit ist daher in solchen Fällen zu benennen (vgl etwa BSG 23. August 2001 – B 13 RJ 13/01 R, Juris (Rn 21); BSG 10. Dezember 2003 - B 5 RJ 64/02 R, SozR 4-2600 § 44 Nr 1; st Rspr).
Eine "schwere spezifische Leistungsbehinderung" betrifft die Fälle, in denen bereits eine einzelne schwer wiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Das Merkmal der "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt dagegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Mehrzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen und Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen - ohne im Einzelnen oder auf den ersten Blick ungewöhnlich zu sein - das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. Gemeint sind nicht die "üblichen" Leistungseinschränkungen wie z.B. den Ausschluss von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder Sitzen erfordern, im Akkord oder Schichtdienst verrichtet werden oder besondere Anforderungen an das Seh-, Hör- und Konzentrationsvermögen erfordern. Anerkannt sind dagegen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zB besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz sowie in Verbindung mit anderen Einschränkungen etwa Beschränkungen der Arm- und Handbewegungen oder das Erfordernis, zwei zusätzliche Arbeitspausen von je 15 Minuten einzulegen oder halbstündig zwischen Sitzen und Gehen zu wechseln. Maßstab sind dabei die tatsächlichen Verhältnisse der Arbeitswelt, insbesondere die dort an Arbeitnehmer gestellten Anforderungen (BSG 10. Dezember 2003, aaO).
Eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes in diesem Sinne kann dabei je nach Anzahl, Ausmaß und Art der Leistungsbeschränkungen nach Auffassung des Senats nicht nur zu besorgen sein, wenn der Versicherte nur noch körperlich leichte Tätigkeiten zu verrichten in der Lage ist, sondern im Einzelfall auch bei verbliebener Leistungsfähigkeit etwa für körperlich mittelschwere Tätigkeit (aA SG Dresden 12. April 2010 – S 24 KN 289/09, Juris). Denn es geht um die Prüfung, ob der Arbeitsmarkt möglicherweise für einen überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten schlechthin keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diesen Versicherten eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen gibt oder "ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist" (BSG 23. Dezember 2003 aaO). Dies ist – abhängig von Art, Ausmaß und Anzahl der ungewöhnlichen Leistungsbeschränkungen – grundsätzlich in allen Fallkonstellationen und somit auch bei einer Leistungsfähigkeit für körperlich mittelschwere Tätigkeit denkbar. Insbesondere kommen hier geistige und psychische Defizite in Betracht. Eine strikte Begrenzung der (Verschlossenheits-)Prüfung ausschließlich auf Versicherte, die nur noch körperlich leichte Tätigkeiten verrichten können, würde diese Möglichkeit ohne zureichenden Grund ausblenden. Sie kann dem Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 (aaO) nicht entnommen werden (in diesem Sinne auch BSG 27. März 2007 – B 13 R 63/06 R, Juris).
bb.
Im vorliegenden Fall liegt trotz eines etwaigen Restleistungsvermögens des Klägers eine Summierung ungewöhnlicher und zugleich schwerer Leistungseinschränkungen vor. Sofern diese nicht ohnehin zu einem vollständigen Erlöschen seines Leistungsvermögens führt, bestehen jedenfalls ernste Zweifel, ob der Kläger mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb zu den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes einsetzbar ist.
Beim Kläger treten zu den körperlichen Einschränkungen die leichte Intelligenzminderung, das hirnorganische Syndrom in Verbindung mit einer kombinierten schwersten Lese-Rechtschreib-Schwäche und weitgehenden Akalkulie sowie die abhängige Persönlichkeitsstörung hinzu; sie bilden zusammen so ungewöhnliche und schwere Leistungshindernisse, dass nicht einmal ein Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für einfache Verrichtungen wie zB Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten ohne konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit anzunehmen ist (vgl. die Aufzählung in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 19. Dezember 1996, aaO).
Bereits der beim Kläger in schwerster Form bestehende Analphabetismus schließt zusammen mit der weitgehenden Akalkulie das gesamte Feld von Tätigkeiten aus, in denen Lesen, Schreiben oder Rechnen bzw Umgang mit Zahlen in irgendeiner Form gefordert werden. Selbst für das Lesen von kurzen Notizen oder Ortsschildern, für einfache Berechnungen oder Einordnung von Jahreszahlen, Telefonnummern oder Hausnummern fehlen dem Kläger, wie oben festgestellt, die Fähigkeiten (bei der Arbeitserprobung in St. hielt Dipl. Psych. G. fest: "Zählen von eins bis vier in Ordnung"). Die daraus folgenden Einschränkungen in seiner Leistungsfähigkeit kann der Kläger nicht anderweitig durch gesteigerte Aufmerksamkeit oder auf sonstigem Wege kompensieren. Er ist im Gegenteil durch seine leichte Debilität, die im Bereich des abstrakt logischen Denkens deutlich ausfällt (IQ 55), zusätzlich in vielfältiger Weise eingeschränkt. So ist der Kläger nach den Feststellungen von Dr. G., denen der Senat folgt, in seiner Fähigkeit zur Bewältigung neuer Anforderungen und intellektueller Leistungen hochgradig reduziert und in der intellektuellen Bearbeitungsgeschwindigkeit deutlich beeinträchtigt (dreifacher Zeitbedarf). Dies stimmt mit den Feststellungen aus der Arbeitserprobung überein. Die Verlangsamung wird durch das psychoorganische Abhängigkeitssyndrom noch verstärkt. In seinem Reaktionsvermögen, seiner Aufmerksamkeit und der Übersicht ist der Kläger in besonderer Weise beschränkt.
Die ca 18-jährige Tätigkeit des Klägers im Kali und Salz-Betrieb belegt seine Leistungsfähigkeit demgegenüber nicht. Diese geistig äußerst anspruchslose Tätigkeit kann er unstreitig sowie nach allen ärztlichen Stellungnahmen nicht mehr verrichten. Er erlangte sie seinerzeit mit etwa 18 Jahren nach Fürsprache seines ebenfalls dort beschäftigten Vaters und konnte sie nur mit Unterstützung seiner Kollegen bzw des Vorarbeiters ausüben. Nach Auffassung der Gutachter G. und Dr. G. sowie der Auskunft der Bundesanstalt für Arbeit vom 14. Februar 2005 (Bl 141f GA) ist eine Beschäftigung des Klägers nur in einer geschützten Werkstatt für behinderte Menschen möglich. Diese Einschätzung wird durch die Arbeitserprobung des Klägers im Berufsförderungswerk Sachsen-Anhalt in St. bestätigt. In seiner arbeitsmedizinischen Stellungnahme gelangt der Facharzt für Innere Medizin Dipl.-Med. H. zu der Feststellung, dass der Kläger "nicht rehafähig" sei. Die Befundkonstellation des Klägers lasse auch perspektivisch keine Rückkehr auf den ersten Arbeitsmarkt erwarten. Zu dem gleichen Ergebnis gelangt die Dipl. Psych. G ... Die Maßnahme habe gezeigt, dass der Kläger für einen beruflichen Einsatz auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht ausreichend belastbar sei. Dabei haben sowohl Dipl.-Med. H. als auch Frau G. angegeben, dass der Kläger sich ernstlich bemüht habe, den Anforderungen der Maßnahme gerecht zu werden. Zwar fand die Arbeitserprobung erst Ende 2008 statt, hinsichtlich der geistigen und psychischen Beeinträchtigungen ist jedoch nach allen medizinischen Unterlagen von einem im Wesentlichen gleichbleibenden Zustand auszugehen.
c.
Die Beklagte war daher verpflichtet, eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Sämtliche von der Beklagten benannten Tätigkeiten sind mit dem gesundheitlichen und intellektuellen Leistungsprofil des Klägers unvereinbar. Weitere in Betracht kommende Tätigkeiten sind für den Senat nicht ersichtlich.
Zu beachten ist dabei, dass der Kläger neben seinen körperlichen Einschränkungen sowie seiner Lese- und Rechtschreibschwäche nebst Akalkulie in seinen allgemeinen geistigen Fähigkeiten, insbesondere seiner Auffassungsgabe, Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit, Umsicht, Arbeitsgeschwindigkeit und sprachlichen Gewandtheit stark eingeschränkt ist. In seinem gesamten Berufsleben hat er lediglich im Wesentlichen gleichbleibende, intellektuell einfachste körperliche Tätigkeiten verrichtet. Hinzu tritt aufgrund des Abhängigkeitssyndroms eine besondere Schwäche, sich auf neue Anforderungen umzustellen. Danach scheiden sämtliche von der Beklagten benannten Tätigkeiten aus.
aa.
Bei der Tätigkeit eines Verpackungshelfers bzw Verpackers von Kleinteilen wird als wesentliche Anforderung Konzentrationsfähigkeit und Daueraufmerksamkeit gefordert; der Arbeitsrhythmus wird in der Regel durch Maschinen und Mindeststückzahl vorgegeben (vgl Gutachterliche Stellungnahme Metzger vom 7. Februar 2007, Bl 376 ff GA; Berufenet Bl 315ff GA). Diese Anforderungen kann der Kläger seit Februar 2002 nicht erfüllen.
Außerdem dürften, ohne dass es darauf allerdings noch ankommt, Lese- und Schreibkenntnisse und (etwa für Wiegevorgänge) der Umgang mit Zahlen gelegentlich gefordert sein. Bei der Verpackung von Kleinteilen bestehen außerdem Zweifel an der ausreichenden Fingerfertigkeit des Klägers; bei anderen Verpackungsarbeiten wird mitunter schwere körperliche Tätigkeit und oft Fließbandarbeit sowie gelegentlich das Ausstellen von Lieferscheinen gefordert (vgl Berufenet Bl 315 ff GA).
bb.
Für die weiter benannten Tätigkeiten eines Verpackungsmittelherstellungshelfers (Bl 282 ff, 367 ff GA) und Montierhelfers bzw für Arbeitsplätze in der Kunststoff- und Metallindustrie (Bl 194 ff GA) hat die Beklagte nur eine unzureichende Darstellung der körperlichen und geistigen Anforderungen gegeben, obwohl der Senat sie dazu aufgefordert hat (Bl 356, 375 GA). Ohne eine solche Spezifizierung verbleiben durchgreifende Bedenken, ob der Kläger die dort gestellten Anforderungen an Konzentration, Arbeitsgeschwindigkeit, Umstellungsfähigkeit und Genauigkeit erfüllen kann (vgl Stellungnahme der BA vom 14. Februar 2005, Bl 141f GA; vgl auch Urteil des Sozialgerichts S 9, Bl 215 sowie Gutachten Dipl. Ing. L. vom 30. Dezember 2004).
cc.
Ein Tierpflegehelfer verrichtet schwere körperliche Arbeit bei Wind und Wetter; es treten Emissionen wie Dämpfe auf, die mit Atemwegserkrankungen nicht vereinbar sind. Zudem ist große Sorgfalt gefordert (vgl Berufenet, Bl 312 ff GA). Alles dies steht einem Einsatz des Klägers seit 2002 entgegen.
dd.
Der Tätigkeit eines Versandfertigmacher (Bl 193 u 527 ff GA) steht, wie schon das Sozialgericht erkannt hat, entgegen, dass sie ganz überwiegend im Sitzen ausgeübt wird und Stäube auftreten können (beim Abstauben der Gegenstände). Auch dürfte hier bei dem zu erwartenden Wechsel der Verpackungsgegenstände eine Umstellungsfähigkeit gefordert sein, wie sie beim Kläger nicht vorliegt (vgl Urt SG Bl 216). Ungeachtet dessen stellt die Tätigkeit immerhin noch "geringe Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit" (Bl 531 BA); insbesondere wird eine "Normalleistung" bzw ein "mittleres" Arbeitsergebnis erwartet, das von jedem hinreichend geeigneten Arbeitnehmer nach ausreichender Einarbeitung und Übung auf Dauer ohne Gesundheitsbeeinträchtigungen erreicht werden kann (Bl 531 GA). Diesen Anforderungen ist der Kläger seit Februar 2002 nicht mehr gewachsen, wie nach den Feststellungen des Berufsförderungswerkes St. und der Gutachter G. und Dr. G. feststeht.
ee.
Für einen Einsatz als Bürobote kam der Kläger schon deshalb zu keiner Zeit in Betracht, weil er nicht lesen und schreiben sowie mit Zahlen umgehen kann.
ff.
Als Museumsaufsicht kann und konnte der Kläger ebenfalls noch nie arbeiten. Dabei kann dahinstehen, ob damit das Besteigen von Leitern, Verkaufstätigkeiten und der Transport und die Verwahrung von (mitunter schweren) Objekten einhergehen (so LSG Baden-Württemberg 26. März 2010 – L 4 R 3765/08, Juris und 31. Oktober 2008 – L KNR 3903/07). Ferner soll offenbleiben, ob eine Museumsaufsicht viel stehen und gelegentlich lesen muss. Denn jedenfalls ist der Kläger für diese Tätigkeit ungeeignet, weil sie – für den Kläger ausgeschlossen – Publikumsverkehr mit sich bringt und der Kläger für die damit verbundenen Aufsichts- und Ordnungsfunktionen zu einfach strukturiert ist (vgl von der Beklagten vorgelegtes Gutachten L. , Bl 528 f GA).
gg.
Helfer in der Papierverarbeitung müssen gelegentlich schwere, den Rücken belastende Arbeiten ausüben. Gefordert wird auch rasches und umsichtiges Reagieren. Es treten Dämpfe von Lösungsmitteln und Schmieröl auf, häufig besteht Zeitdruck (vgl Berufenet-Info, Bl 381 ff GA). Dies steht einem Einsatz des Klägers seit Februar 2002 entgegen. Zudem dürfte wohl auch Lesen und Schreiben in einfacher Form verlangt werden (etwa beim Palettieren, Wiegen etc).
hh.
Auch als Pförtner an der Nebenpforte kann und konnte der Kläger schließlich nicht arbeiten. Hier werden ua durchschnittliche Anforderungen an Aufmerksamkeit und Übersicht gestellt und Lesen und Schreiben zumindest in reduzierter Form verlangt (vgl Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Wach und Sicherheitsunternehmen vom 20. Dezember 2007, Bl 268 ff GA). Dies konnte der Kläger noch zu keinem Zeitpunkt leisten. Weitere, vom Kläger nicht erfüllbare Anforderungen sind – ohne dass es darauf noch ankommt – der Umgang mit Publikumsverkehr, Kommunikationsfähigkeit, Zuverlässigkeit, Lernverhalten, psychische und physische Belastbarkeit und ein gewisses sprachliches Ausdrucksvermögen (vgl BSG 23. August 2001 – B 13 RJ 13/01 R, Juris).
3.
Das Sozialgericht hat Rente wegen voller Erwerbsminderung zu Recht unbefristet zugesprochen. Da mangels Benennbarkeit einer Verweisungstätigkeit ein Rentenanspruch unabhängig von der Arbeitsmarktlage besteht, ist die Rente unbefristet zu leisten, weil unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung behoben werden kann (§ 102 Abs 2 Satz 5 SGB VI). Aus medizinischen Gründen ist eine wesentliche Besserung nicht zu erwarten. Eine etwaige Aussicht auf Besserung der Parkinsonerkrankung durch medikamentöse Behandlung ist für die festgestellte Erwerbsminderung nicht erheblich. Begründete Aussicht für den Wegfall der Rentenberechtigung besteht nicht. Berufsfördernde Maßnahmen kommen angesichts der Ergebnisse der Arbeitserprobung wohl nicht in Betracht und sind von der Beklagten auch nicht konkret angeboten worden (vgl hierzu BSG 21. April 1993 - 5 RJ 48/92 - in Juris).
Die Rente beginnt mit dem 1. Februar 2002, da sie in diesem Monat beantragt worden ist und die Anspruchsvoraussetzungen vorgelegen haben (vgl § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
Login
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