L 13 R 5443/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 R 8597/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 5443/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Oktober 2010 abgeändert und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 28. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Dezember 2008 verurteilt, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Juni 2008 bis zum 31. Dezember 2008 sowie vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Mai 2014 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin ¾ ihrer außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin aufgrund ihres Rentenantrags vom 9. Juni 2008 gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2011 hinaus auf Dauer hat.

Die 1957 geborene Klägerin ist italienische Staatsangehörige. Sie hat keinen Beruf erlernt und war nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1971 als Küchenhilfe, Hilfskraft in einer Wäscherei, Hilfsarbeiterin in einer Schuhfabik, Hilfsarbeiterin in einer Metallfabrik und zuletzt wiederum als Küchenhelferin versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 1. September 2004 ist die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt, zuletzt bezog sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Klägerin ist ein Grad der Behinderung von 60 sowie das Merkzeichen G zuerkannt.

Am 8. Februar 2006 sowie am 30. November 2006 gestellte Rentenanträge lehnte die Beklagte bestandskräftig ab.

Am 19. November 2007 veranlasste die Bundesagentur für Arbeit eine gutachterliche Untersuchung, bei der Dr. B. angab, die Klägerin leide an stark ausgeprägtem Übergewicht mit verminderter körperlicher Belastbarkeit und Schwellung der Hände, chronischer Atemwegserkrankung mit Atemnot unter geringer körperlicher Anstrengung und nächtlichen Atempausen mit erforderlicher Heimbeatmungstherapie, rheumatische Erkrankung mit Gelenkbeschwerden, knöchernen Abnutzungserscheinungen der Kniegelenke rechts stärker als links mit belastungsabhängigen Schmerzen, mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit, mit Hörgeräten versorgt sowie einer Neigung zu depressiven Verstimmungen mit Belastbarkeitsminderungen. Dr. B. hielt die Klägerin für täglich weniger als drei Stunden leistungsfähig. Insbesondere stelle das ausgeprägte Übergewicht mit einem BMI von 56 einen gesundheitsbelastenden und gefährdenden Faktor dar. Die körperlichen Einschränkungen aufgrund des Übergewichtes überlagerten die anderen Erkrankungen.

Am 9. Juni 2008 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Eine von der Beklagten veranlasste internistische Begutachtung bei Dr. B. ergab, dass die Klägerin an Adipositas III. Grades (BMI 62), einem medikamentös sehr gut eingestelltem Bluthochdruck, einem Schlafapnoe-Syndrom mit nächtlicher Heimbeatmung mit einem CPAP-Gerät, einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung ohne Einschränkung der Lungenfunktion und einer fortgeschrittenen Kniegelenksarthrose rechts mehr als links mit Funktionseinschränkung leide. Aus internistischer Sicht sei die Klägerin noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne besonderen Zeitdruck, ohne Nachtschichtarbeit sowie ohne inhalative Belastungen sechs Stunden und mehr zu verrichten. Die seit längerer Zeit bestehende Adipositas habe sich seit der letzten Vorbegutachtung verschlechtert. Eine von der Beklagten veranlasste chirurgisch-orthopädische Begutachtung durch Dr. R. ergab bei der Klägerin eine fortgeschrittene Kniegelenksarthrose rechts mehr als links mit Funktionseinschränkung, ein massives Übergewicht mit Überlastungsbeschwerden am ganzen Körper sowie multiple Gelenks- und Wirbelsäulenbeschwerden bei auswärts diagnostizierter chronischer Polyarthritis. Aus chirurgisch-orthopädischer Sicht sei die Klägerin in der Lage, leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen vollschichtig auszuüben.

Mit Bescheid vom 28. August 2008, der erst am 23. September 2008 zur Post gegeben wurde, lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. In ihrem Widerspruch vom 9. Oktober 2008 machte die Klägerin geltend, ihr Hausarzt sei der Auffassung, sie sei unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes nicht einsatzfähig. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2008 zurück. Die Klägerin könne noch ohne Einschränkung auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, welche keine besonderen Fachkenntnisse voraussetzten und welchen sie gesundheitlich gewachsen sei, verwiesen werden. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten.

Hiergegen hat die Klägerin am 18. Dezember 2008 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Aufgrund ihres stark ausgeprägten Übergewichtes sei sie nur vermindert körperlich belastbar. Hinzu trete ihre rheumatische Erkrankung mit Gelenkbeschwerden, ihre chronische Atemwegserkrankung mit Atemnot mit Heimbeatmungstherapie sowie ihre weit fortgeschrittene Kniegelenksarthrose, die chronisch obstruktive Lungenerkrankung und mittelgradige Innenschwerhörigkeit und ihre Neigung zu depressiven Verstimmungen.

Das SG hat Beweis erhoben durch Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 27-34, Bl. 40-43 sowie Bl. 50-52 der SG-Akte Bezug genommen. Der Arzt für Innere Medizin - Rheumatologie T.-V- hat unter dem Datum des 11. März 2009 angegeben, die Klägerin sei insgesamt nur noch unter drei Stunden leistungsfähig. Der Facharzt für Allgemeinmedizin B. hat mit Schreiben vom 11. März 2009 dem SG mitgeteilt, die Klägerin könne nicht lange gehen, stehen und sitzen sowie keine weiten Strecken zurücklegen. Sie leide unter heftig auftretenden Schmerzen und Atemnot und sei depressiv verstimmt. Sofern überhaupt eine Beschäftigung möglich wäre, dann allenfalls unter drei Stunden täglich. Die Hals-Nasen-Ohrenärztin Frau Dr. T. hat dem SG in ihrer Auskunft vom 23. März 2009 mitgeteilt, die Gesundheitsstörungen wirkten sich so aus, dass die Klägerin keine Tätigkeiten ausüben könne, welche ein perfektes Gehör zur Voraussetzung hätten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie leichte Tätigkeiten noch im Sitzen für täglich drei bis sechs Stunden ausüben. Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. M. hat unter dem Datum des 28. März 2008 ausgeführt, die Klägerin sei bezogen auf ihre Tätigkeit als Küchenhilfe nicht mehr einsetzbar. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, welche überwiegend im Sitzen ausgeführt würden, seien sechs Stunden und mehr möglich. Die Ärztin für Innere Medizin, Pneumologie/ Allergologie, Somnologie Dr. E. S. hat mit Schreiben vom 9. April 2009 dem SG mitgeteilt, dass zwar ein schweres obstruktives Schlafapnoesyndrom bestehe, wesentlich sei jedoch das Obesitas-Hypoventilationssyndroms, welches mit einer druckkontrollierten Heimbehandlung behandelt werde. Die Klägerin sei nur noch in der Lage, leichte Tätigkeiten unter drei Stunden zu erledigen.

Das SG hat des weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens bei Prof. Dr. B ... Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 64 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen. Prof. Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 9. September 2009 ausgeführt, die Klägerin leide an einer Adipositas permagna (BMI deutlich oberhalb 40, außerhalb des Nomo-gramms nach H. Kaspar (1991)), einer fortgeschrittenen schweren Varusgonarthrose beidseitig, einer chronischen Lumbalgie bei deutlichem lumbalen Bandscheibenverschleiß ohne eindeutige neurologische Ausfälle sowie einer Arthropathie der Hände, bedingt durch Weichteilschwellung. Die Klägerin könne weder einer Tätigkeit als Küchenhilfe noch einer anderen leichten Arbeit nachgehen. Selbst die einfache körperliche Untersuchung bei der Begutachtung gehe mit einer großen Anstrengung einher und verursache erhebliche Schmerzen. Bei normalgewichtigen Patienten wäre bei den vorliegenden Befunden an den Kniegelenken bereits seit langem ein künstliches Gelenk eingebaut worden. Aber auch die eingeschränkte Funktion der Hände lasse eine leichte Tätigkeit nicht mehr zu. Die Leistungseinschränkung bestehe bereits seit November 2007.

Die Beklagte hat sich mit Schreiben vom 22. Dezember 2009 bereit erklärt, bei der Klägerin ein drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ab 8. September 2009 auf Zeit bis 31. Dezember 2011 anzunehmen und der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. April 2010 bis 31. Dezember 2011 zu gewähren. Die Klägerin hat das Angebot der Beklagten nicht angenommen.

Mit Urteil vom 18. Oktober 2010 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2008 verpflichtet, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2011 zu gewähren. Die Klägerin habe einen Anspruch auf die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als sechs Stunden täglich auszuüben. Die Rente sei nach § 102 Abs. 2 SGB VI auf drei Jahre zu befristen. Denn eine Besserung des Gesundheitszustandes sei nicht unwahrscheinlich, zumal das Hauptleiden der Klägerin in erster Linie durch die Adipositas Erkrankung bedingt sei. Bei einer starken Reduktion des Körpergewichtes, könnten auch die Folgeerkrankungen abgemildert werden, insbesondere auch künstliche Hüftgelenke eingesetzt werden. Die Rente beginne am 1. Januar 2009 und ende am 31. Dezember 2011. Soweit die Klägerin darüber hinaus eine Dauerrente begehre, sei die Klage abzuweisen gewesen.

Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 2. November 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25. November 2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Mit Bescheid vom 20. Dezember 2010 hat die Beklagte das Urteil des SG umgesetzt. Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2011 hat die Beklagte aufgrund eines Leistungsfalles im November 2007 einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Juni 2008 bis 31. Dezember 2011 anerkannt. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin nicht angenommen, die Beklagte hat das Teilanerkenntnis noch nicht durch Bescheid umgesetzt.

Zur Begründung der Berufung hat die Klägerin ausgeführt, seit dem Jahre 1990 wiederholt gewährte medizinische Rehabilitationsmaßnahmen hätten eine Besserung ihres Gesundheitszustandes nicht erreicht. Im November 2007 sei der ärztliche Gutachter der Bundesagentur für Arbeit zu dem Ergebnis gelangt, sie könne lediglich täglich weniger als drei Stunden tätig sein. Besonders das ausgeprägte Übergewicht stelle einen gesundheitsgefährdenden Faktor dar. Entgegen der Auffassung des SG sei eine Besserung des Gesundheitszustandes nicht wahrscheinlich. Abgesehen davon, dass nicht, wie vom SG angenommen, Hüftgelenksbeschwerden problematisch seien, sondern die Kniegelenksschmerzen, könne eine Operation mit Implantation von Knietotalendoprothesen wegen der Atemnot nicht in Betracht kommen. Zu berücksichtigen sei auch, dass eine Adipositas permagna III Grades vorliege und sie zur Fortbewegung einen Rollator benötige. In derartigen Fällen sei eine massive Gewichtsreduktion durch eine Magenbandoperation möglich. Zahlreiche Diäten seien gescheitert, ebenso medikamentöse Behandlung und Abnehmversuche unter ärztlicher Leitung. Prof. Dr. B. halte eine Besserung des Gesundheitszustandes nicht für möglich. Dies habe er in seinem Gutachten schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Sie sei nicht in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Im Übrigen bestünden besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Oktober 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28. August 2008 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 9. Dezember 2008 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auch für die Zeit vom 1. November 2007 bis 31. Dezember 2008 sowie ab dem 1. Januar 2012 auf Dauer zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung, soweit sie über das Anerkenntnis vom 7. Februar 2011 hinaus geht, zurückzuweisen.

Sie hat ausgeführt, dass der im Urteil des SG festgelegte Rentenbeginn mit der Begründung der Entscheidung nicht überein stimme. Sie habe sich davon überzeugen lassen, dass der Leistungsfall tatsächlich im Zeitpunkt der Untersuchung bei der Agentur für Arbeit am 19. November 2007 eingetreten sei. Diese Beurteilung habe der orthopädische Gutachter Prof. Dr. B. überzeugend bestätigt. Auch im Urteil selbst sei festgestellt, dass das unter dreistündige Leistungsvermögen bereits 2007 eingetreten sei. Vor diesem Hintergrund sei der Rentenbeginn des Urteils unzutreffend; vielmehr ergebe sich bei einem Leistungsfall im November 2007 bei einer Zeitrente ein Rentenbeginn im Juni 2008. Allerdings sei die Beklagte der Auffassung, dass ein Anspruch auf Dauerrente nicht besteht, da eine Besserung nicht ausgeschlossen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg.

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist form- und fristgerecht § 151 Abs. 1 SGG eingelegt. Sie ist jedoch nur zum Teil begründet.

Nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben und der Senat eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält, konnte der Rechtsstreit ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 153 Abs. 1 SGG i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG) entscheiden werden.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 SGG) der Klägerin ist der die Gewährung einer Rente wegen voller und wegen teilweiser Erwerbsminderung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 28. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Oktober 2008. Der das Urteil des SG ausführende Bescheid vom 20. Dezember 2010 ist nicht nach §§ 153, 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich - auch nach Prüfung durch den Senat - ebenso wie das Urteil des SG teilweise als rechtswidrig, wodurch die Klägerin in ihren Rechten verletzt wird.

Soweit die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. November 2007 bis zum 31. Mai 2008 begehrt, ist die Klage und damit die Berufung unbegründet. Denn insoweit hat die Klägerin mangels Antragstellung - Antragstellung erfolgte erst am 9. Juni 2008 - keinen Rentenanspruch. Soweit der Leistungsfall bereits im November 2007 eingetreten ist, ergibt sich auch nicht unter Anwendung des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI ein früherer Rentenbeginn, denn der Klägerin steht nur ein Anspruch auf zeitlich befristete Rente zu (dazu siehe unten, § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI).

Hinsichtlich des Zeitraumes vom 1. Juni 2008 bis 31. Dezember 2008 war die Beklagte entsprechend ihres Teilanerkenntnisses vom 7. Februar 2011 zu verurteilen. Die Klägerin hat das Anerkenntnis nicht angenommen, sodass insoweit ein Teilanerkenntnisurteil zu ergehen hatte. Insoweit wird von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.

Das Teilanerkenntnisurteil war jedoch auf die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 zu beschränken, da bereits das SG und insoweit rechtskräftig, weil insoweit weder von der Klägerin noch der Beklagten angefochten, die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2011 verurteilt hatte.

Darüber hinaus hat die Klägerin auch einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Januar 2012, jedoch nur befristet bis zum 31. Mai 2014.

Hinsichtlich der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG). Auch hinsichtlich der Beurteilung der Erwerbsminderung schließt sich der Senat - nach eigenen Prüfungen - den Ausführungen des SG an. Die Klägerin ist damit nicht in der Lage, eine Erwerbstätigkeit von drei Stunden und mehr auszuüben. Der maßgebliche Leistungsfall ist im November 2007 eingetreten.

Nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der seit dem 1. Mai 2007 geltenden Fassung werden u.a. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn (§ 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn (§ 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist (§ 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI). Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI). Wird unmittelbar im Anschluss an eine auf Zeit geleistete Rente diese Rente unbefristet geleistet, verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn (§ 102 Abs. 2 Satz 6 SGB VI). Mit diesen Vorschriften hat der Gesetzgeber eine regelhafte Befristung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eingeführt; lediglich im Ausnahmefall des § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI sieht der Gesetzgeber eine unbefristete Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor. Voraussetzung einer Erwerbsminderungsrente auf Dauer ist damit, dass der Anspruch auf die Rente unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht und dass unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann.

Die der Klägerin zustehende Rente wird bei einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich unabhängig von der Arbeitsmarktlage gewährt. Somit kommt es darauf an, ob unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Da die Klägerin noch keine Rente über eine Gesamtdauer von neun Jahren bezogen hat, greift die gesetzliche Vermutung des § 102 Abs. 2 Satz 5 , 2. Halbsatz SGB VI nicht.

Die Beseitigung der Minderung der Erwerbsfähigkeit ist im Sinne des § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI unwahrscheinlich wenn schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine - rentenrechtlich relevante - Besserungsaussicht sprechen, so dass ein Dauerzustand vorliegt (BSG, Urteil, 29. März 2006 - B 13 RJ 31/05 R - BSGE 96, 147-153 = SozR 4-2600 § 102 Nr. 2 = juris Rdnr. 21 unter Hinweis auf Majerski-Pahlen, NZS 2002, 475 ff, 478, Jörg in Kreikebohm, SGB VI, 2. Auflage, § 102 Rdnr. 5). Von solchen schwerwiegenden medizinischen Gründen kann erst dann ausgegangen werden, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch hiernach - prognostisch (vgl. BSG a.a.O. Rdnr. 14) - ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht (BSG a.a.O.). Mit der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.), der sich der Senat anschließt, ist die Behebung der Erwerbsminderung i.S. des § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI unwahrscheinlich, wenn aus ärztlicher Sicht bei Betrachtung des bisherigen Verlaufs nach medizinischen Erkenntnissen - auch unter Berücksichtigung noch vorhandener therapeutischer Möglichkeiten - eine Besserung nicht anzunehmen ist, durch welche sich eine rentenrechtlich relevante Steigerung der Leistungsfähigkeit des Versicherten ergeben würde (BSG a.a.O.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Besserung auszuschließen ist; maßgeblich ist vielmehr, dass alle therapeutischen Möglichkeiten in Betracht gezogen werden, um ein qualitatives oder quantitatives Leistungshindernis zu beheben (BSG a.a.O.). Dabei sind alle nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse bestehenden Therapiemöglichkeiten, also auch Operationen, zu berücksichtigen (BSG a.a.O. Rdnr. 22).

Darauf, ob die Operation duldungspflichtig ist, kommt es nicht an; der Gedanke der Duldungspflichtigkeit kann nicht aus dem Verfahrensrecht der Mitwirkungshandlungen (vgl. § 65 Abs. 2 SGB I) in das materielle Rentenrecht übertragen werden (BSG a.a.O. unter Hinweis auf LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Februar 2004 - L 6 RJ 311/03 - NZS 2005, 31 = juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. April 2005 - L 11 R 3020/03 - juris). Auch stellt § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI schon seinem Wortlaut nach alleine darauf ab, ob unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung behoben "werden kann", nicht aber darauf, ob sie behoben "werden wird" (BSG a.a.O. Rdnr. 23). Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Behebung der Leistungsminderung ist gerade nicht erforderlich; Unsicherheiten der Prognose gehen zu Lasten des Versicherten (BSG a.a.O. Rdnr. 20).

Zwar hat der Gutachter Prof. Dr. B. mitgeteilt, dass innerhalb von drei Jahren keine so nachhaltige Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin zu erwarten sei, dass die Leistungseinschränkungen entfielen. Dabei ist er aber von einem unveränderten Gewichtszustand ausgegangen, auch wurde die Möglichkeit einer Knieoperation nicht berücksichtigt. Da jedoch mit der Rechtsprechung des BSG alle therapeutischen Möglichkeiten auszuschöpfen sind - hierzu gehören auch ernsthafte Maßnahmen zur Gewichtsreduktion und ggf. eine operative bzw. prothetische Versorgung der Knie - und diese Maßnahmen noch nicht alle durchgeführt wurden, ist eine Behebung der Erwerbsminderung nicht im Sinne des § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI unwahrscheinlich. Dies gilt umso mehr, als Prof. Dr. B. seine Leistungseinschätzung gerade unter Hinweis auf die bestehende Adipositas per magna und die schwere Varusgonarthrose beidseitig begründet. Beide Erkrankungen, aber auch die des Weiteren vorliegenden Lumbalgieen mit Bandscheibenverschleiß und die Arthropathie der Hände, sind grds. einer Behandlung und damit einer Besserung zugänglich. Die belastungsabhängigen Atembeschwerden der Klägerin stehen auch im Zusammenhang mit dem erheblichen Übergewicht, sodass auch insoweit eine gegenseitige Beeinflussung bei einer Gewichtsabnahme nicht ausgeschlossen ist und es sich damit nicht um einen die Erwerbsfähigkeit auf Dauer ausschließenden Zustand handelt. Insoweit sprechen keine schwerwiegenden medizinischen Gründe gegen eine - rentenrechtlich relevante - Besserungsaussicht; insbesondere im Hinblick auf operative Maßnahmen kann daher ein endgültiger Dauerzustand nicht angenommen werden. Denn entgegen dem Vortrag der Klägerin steht deren Atemnot einer Kniegelenksoperation ebenso wenig entgegen wie die Adipositas per magna. Gerade Prof. Dr. B. hat mit seinem Hinweis auf die operative Versorgung nichtadipöser Patienten deutlich gemacht, dass er eine operative Versorgung der Klägerin für angezeigt und überfällig hält. Auch hinsichtlich des Übergewichts hat die Klägervertreterin mit der Magenbandoperation selbst Möglichkeiten aufgezeigt, die grds. zu einer Gewichtsreduzierung führen können und unter bestimmten Voraussetzungen auch von der Krankenkasse übernommen werden (dazu vgl. die Rechtsprechung des BSG seit BSG, Urteil vom 19. Februar 2003 - B 1 KR 1/02 R - BSGE 90, 289-295 = SozR 4-2500 § 137c Nr. 1 = juris; insbesondere BSG, Beschluss vom 17. Oktober 2006 - B 1 KR 104/06 B - juris und BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 2/08 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 20 = juris).

Auch soweit die Klägerin von Prof. Dr. B. als wegeunfähig angesehen worden war, also nicht mehr in der Lage ist, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen, besteht dieser Zustand in Abhängigkeit vom allgemeinen Gesundheits- und Leistungszustand der Klägerin, sodass auch insoweit kein Dauerzustand vorliegt und eine Besserung nicht unwahrscheinlich ist.

Daher ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Behebung der Erwerbsminderung nicht unwahrscheinlich ist. Der Klägerin steht damit lediglich ein Anspruch auf eine zeitlich befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zu. Auch einen diese befristete Rente überdauernden Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hat die Klägerin nicht, denn auch insoweit ist die Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit aus den geradegenannten Gründen nicht unwahrscheinlich.

Die Rente war daher zeitlich zu befristen. Da derzeit, kurz nach Ablauf des ersten Drei-Jahres-Zeitraums (31. Mai 2011) und kurz vor Ende der im Urteil des SG bestimmten Befristung (31. Dezember 2011), eine Behebung der Erwerbsminderung innerhalb dieses Zeitraumes nicht absehbar ist, war die Rente bis zum 31. Mai 2014 zu befristen. Der Senat hält insoweit eine zweite dreijährige Befristung für zur Prüfung einer Besserung der Leistungsfähigkeit der Klägerin für sachgerecht.

Soweit die Klägerin eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer, also auch für die Zeit nach dem 31. Mai 2014, begehrt, war die Berufung damit unbegründet.

Auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) steht der Klägerin nicht zu, da sie keinen Berufsschutz genießt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass auch die Berufung im Ergebnis teilweise erfolgreich war und die Beklagte im Schriftsatz vom 7. Februar 2011 noch keine Erklärung zu einer Kostenübernahme abgegeben hat.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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