L 2 AL 23/10

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 11 AL 49/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AL 23/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III).

Der am 1968 geborene und seit dem Jahr 2005 geschiedene Kläger war im Zeitraum vom 1. Juni 2005 bis 5. Juni 2007 als Arbeitnehmer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis und die Beschäftigung des Klägers endeten am 5. Juni 2007 durch eine sofort wirksame Kündigungserklärung des Arbeitgebers. Am 6. Juni 2007 meldete sich der Kläger bei der Beklagten persönlich arbeitslos. In der Arbeitgeberbescheinigung schilderte der Arbeitgeber zum Kündigungsgrund arbeitsvertragswidriges und strafbares Verhalten des Klägers. Der Kläger erklärte gegenüber der Beklagten, diese Darstellung sei zutreffend. Im Zeitraum vom 1. Juni 2006 bis 31. Mai 2007 rechnete der Arbeitgeber ein beitragspflichtiges Bruttoentgelt von insgesamt 25.617,30 Euro ab. Darin war für den Zeitraum vom 1. März 2007 bis zum 31. Mai 2007 ein beitragspflichtiges Entgelt von insgesamt 4.459,38 Euro enthalten.

Die Beklagte nahm mit einem als rechtsbehelfsfähig bezeichneten Schreiben vom 27. Juni 2007 an, dass aufgrund arbeitsvertragswidrigen Verhaltens des Klägers eine Sperrzeit für den Bezug von Alg vom 6. Juni 2007 bis 28. August 2007 eingetreten sei. Des Weiteren bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Juni 2007 Alg ab dem 6. Juni 2007 in Höhe von täglich 27,23 Euro, wobei die Beklagte aber annahm, dass aufgrund einer Sperrzeit der Anspruch bis zum 28. August 2007 ruhe. Hiergegen erhob der Kläger keinen Widerspruch.

Der Kläger nahm ab dem 25. August 2007 ein mehr als 15 Arbeitsstunden wöchentlich umfassendes Beschäftigungsverhältnis auf. Die Beklagte hob daraufhin die Bewilligung des Alg ab dem 25. August 2007 auf. Das Arbeitsverhältnis endete am 16. November 2007. Der Kläger war bereits ab dem 25. September 2007 arbeitsunfähig und bezog seit dem 7. November 2007 Krankengeld, welches bis einschließlich 24. März 2009 gezahlt wurde.

Am 19. Dezember 2008 meldete sich der Kläger zum 25. März 2009 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg unter Angabe der Steuerklasse I und verneinte, dass er ein Kind bzw. einen Anspruch auf Kindergeld bzw. den Kinderfreibetrag habe. Der Arbeitgeber bescheinigte ein beitragspflichtiges Entgelt im Zeitraum vom 25. August 2007 bis 16. November 2007 von 2.677,29 Euro.

Die Beklagte gewährte daraufhin mit Bescheid vom 12. Februar 2009 Alg ab dem 25. März 2009 in Höhe von 20,76 Euro täglich für eine Anspruchsdauer von 360 Tagen. Hierbei berücksichtigte sie Entgelte im Zeitraum vom 1. März 2007 bis 31. Mai 2007 (angenommenes Entgelt in Höhe von insgesamt 5.459,38 Euro) und vom 25. August 2007 bis zum 6. November 2007 (Entgelt in Höhe von insgesamt 2.677,29 Euro) für insgesamt 166 Tage, woraus rechnerisch ein tägliches Entgelt von 49,02 Euro folgte.

Hiergegen erhob der Kläger am 17. Februar 2009 Widerspruch: Ihm stehe aufgrund der vorherigen Bewilligung des Alg im Jahr 2007 Bestandsschutz auf höheres Alg zu.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 2009 zurück: Ein Bestandsschutz komme nicht in Betracht, weil der Kläger tatsächlich kein Arbeitslosengeld erhalten habe.

Am 11. März 2009 hat der Kläger beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) Klage erhoben, welche das SG mit Urteil vom 21. Januar 2010 abgewiesen hat: Nach der für die Folgebewilligung von Alg geltenden Bestandsschutzregelung sei es nicht ausreichend, dass Alg zu einem höheren Leistungssatz bewilligt worden sei. Eine neue Bewilligung des Alg in Höhe des vorherigen Leistungsbezuges sei nur möglich, wenn der Kläger das vorher höhere Alg tatsächlich ausgezahlt erhalten hätte.

Gegen das ihm am 25. Februar 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. März 2010 Berufung eingelegt: Eine vorher höhere Bewilligung genüge für die Anwendung der Bestandsschutzregelung. Es komme – wie auch in der Kommentarliteratur vertreten – nicht darauf an, ob er eine Auszahlung erhalten habe. Eine weitere unbillige Härte liege darin, dass zur Bemessung ein Teil des niedrigeren Arbeitseinkommens mit herangezogen wurde, so dass nur das Entgelt für 150 Tage vor dem 1. Juni 2007 in die Berechnung einbezogen werden solle. Aus seiner Bereitschaft, ein Beschäftigungsverhältnis zu schlechteren Bedingungen einzugehen, dürfe ihm kein Nachteil erwachsen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 21. Januar 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm höheres Arbeitslosengeld zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Ausführungen im Urteil des SG. Ergänzend meint sie, dass der Kläger keine vollziehbare Bewilligung gehabt habe, weil sein Anspruch nach dem bewilligenden Bescheid ruhte, so dass die Bestandsschutzregelung nicht zugunsten des Klägers wirke.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Berufung des Klägers ist nicht erfolgreich.

Die Berufung des Klägers ist gegen das Urteil des SG nach § 143 SGG statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt. Die Berufung ist auch nicht gemäß § 144 Abs. 1 SGG ausgeschlossen, weil der Kläger die Bewilligung von insgesamt um 2.329,20 Euro höheren Leistungen erstrebt (360 Tage x (27,23 Euro/Tag - 20,76 Euro/Tag)).

Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat den Verwaltungsakt der Beklagten vom 12. Februar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2009 zu Recht nicht beanstandet. Die darin enthaltene Bewilligungsentscheidung ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 SGG. Der Kläger hat keinen höheren Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 25. März 2009.

Die Bewilligungsentscheidung der Beklagten findet ihre Grundlage zunächst in §§ 117 Abs. 1, 118 Abs. 1 und 119 Abs. 1 SGB III. Danach hat der Kläger ab dem 25. März 2009 dem Grunde nach Anspruch auf Arbeitslosengeld. Er ist im Sinne der genannten Vorschriften arbeitsuchend und ohne Beschäftigung, arbeitslos gemeldet und steht den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung. Der Kläger erfüllt auch die Anwartschaftszeit im Sinne der §§ 118 Abs. 1 Nr. 3, 123 SGB III für den Bezug des Arbeitslosengeldes, weil er in der Rahmenfrist von zwei Jahren vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen des Anspruchs (§ 124 Abs. 1 SGB III) am 25. März 2009 mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Das Arbeitsverhältnis vom 27. August 2007 bis zum 16. November 2007 begründete die Versicherungspflicht zur Arbeitslosenversicherung als Beschäftigter gemäß § 24 Abs. 1 SGB III. Durch den Bezug des Krankengeldes bestand ebenfalls ab dem 7. November 2007 bis zum 24. März 2009 eine Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III, weil der Kläger unmittelbar vor dem Beginn der Zahlung des Krankengeldes versicherungspflichtig beschäftigt war.

Grundlage der Höhe der Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab dem 25. März 2009 ist aber nicht die Höhe des zuletzt bezogenen Arbeitslosengeldes bzw. dessen Bemessungsentgelt, sondern das Bemessungsentgelt, das im Bemessungsrahmen erzielt wurde.

Die Beklagte hat die Bewilligung des Arbeitslosengeldes zu Recht nach Maßgabe der §§ 129, 130 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1, 131 Abs. 1 und 133 SGB III vorgenommen. Die Höhe des Arbeitslosengeldes beträgt nach § 129 Nr. 2 SGB III für den Kläger des 60 v.H. des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelts), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, welches sie im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III umfasst der Bemessungszeitraum die bei Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst gemäß § 130 Abs. 1 Satz 2 SGB III ein Jahr, das mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor Entstehung des Anspruchs endet. Nach § 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB III wird der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre erweitert, wenn (Nr. 1) der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält oder (Nr. 2) es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum auszugehen. Der Bemessungszeitraum ist hier schon deshalb auf zwei Jahre zu verlängern, weil im einjährigen Bemessungszeitraum (25. März 2008 bis 24. März 2009) keine Ansprüche auf Arbeitsentgelt bestehen. Dies hat die Beklagte auch so vollzogen, wenn sie die Entgelte im erweiterten Bemessungsrahmen vom 25. März 2007 bis 24. März 2009 ihrer Berechnung zugrunde legt. Die Anwendung der weiteren Möglichkeit, den Bemessungsrahmen nach § 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB III um zwei Jahre zu verlängern, würde zum gleichen Ergebnis führen. Die Erweiterung des Bemessungsrahmens gemäß § 130 Abs. 3 Nr. 1 SGB III von einem auf zwei Jahre ermöglicht es entgegen des Wunschs des Klägers nicht, im Bemessungsrahmen liegende niedrige Monatsverdienste von der Bemessung auszunehmen, sondern dient einzig und allein der zeitlichen Erweiterung des Bemessungsrahmens. Die Übrige Berechnung des Leistungsanspruchs auf Alg ist rechnerisch korrekt und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Stattdessen dürfte die Beklagte dem Kläger zu hohes Alg bei den vom Kläger angegebenen Leistungsmerkmalen (Steuerklasse I, keine Kinderfreibeträge) nach einer angenommenen Gesamtlohnsumme von 8.136,67 Euro (tägliches Entgelt 49,02 Euro) zu einem Leistungssatz von 20,76 Euro täglich bewilligt haben. Denn die Beklagte hat damit – ohne dass dies für die hiesige Entscheidung Bedeutung erlangt – ihrer Berechnung ein zu hohes Bruttoentgelt zugrunde gelegt. Im erweiterten Bemessungsrahmen sind von den Arbeitgebern nur 4.459,38 Euro und 2.677,29 Euro, d.h. insgesamt nur 7.136,67 Euro bescheinigt. Das nach § 131 Abs. 1 SGB III zu ermittelnde Bemessungsentgelt beträgt danach täglich nur 42,99 Euro (7.136,67 Euro/166 Tage) statt 49,02 Euro. Hieraus folgt gemäß § 133 Abs. 1 SGB III das Leistungsentgelt (21 v.H. des Bemessungsentgelts, Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag) von 19,12 Euro.

Ein höherer Anspruch als bewilligt steht dem Kläger auch nicht durch die besitzstandswahrende Regelung zum Bemessungsentgelt nach § 131 Abs. 4 SGB III (eingeführt durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen auf dem Arbeitsmarkt v. 23.12.2003; BGBl. I S. 2848, in Kraft seit dem 1.1.2004) zu. Nach dieser Vorschrift ist Bemessungsentgelt mindestens das Entgelt, nach dem das Arbeitslosengeld zuletzt bemessen worden ist, wenn der Arbeitslose innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Entstehung des (neuen) Anspruchs Arbeitslosengeld bezogen hat. Die der Regelung vorgehende Vorschrift des § 133 Abs.1 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung war ähnlich formuliert: Hat der Arbeitslose innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bezogen, ist Bemessungsentgelt mindestens das Entgelt, nach dem das Arbeitslosengeld oder die Arbeitslosenhilfe zuletzt bemessen worden ist.

Die Vorschriften bezwecken und bewirken eine Abweichung von der Regelbemessung des Arbeitslosengeldes: Der bisherige Bestand des Anspruchs eines Arbeitslosen soll für einen Zeitraum von zwei Jahren auch dann gewahrt bleiben, wenn aus den letzten Beschäftigungen ein geringerer Anspruch auf Alg folgen würde. Dem liegt nach den Gesetzesmaterialien die Erwägung zugrunde, die Bereitschaft der Arbeitslosen zu fördern, auch eine geringer entlohnte Beschäftigung aufzunehmen (vgl. BT-Drucks. 13/4941 S. 178; Brand in Niesel/Brand, SGB III, Kommentar, 5. Aufl., § 131 Rn. 22).

Der Kläger hat aber nicht im Sinne des § 131 Abs. 4 SGB III vor der Entstehung des neuen Anspruchs höheres Arbeitslosengeld "bezogen", wenn ihm Alg nach einem höheren Arbeitsentgelt nur bewilligt, aber wegen des ruhenden Anspruchs nicht ausgezahlt war. Dies ergibt sich schon aus der sprachlichen Fassung der Vorschrift. Der Begriff "Bezug" knüpft nicht an ein (Verwaltungs-)Rechtsverhältnis wie eine Anwartschaft, einen Vertrag oder einen Verwaltungsakt an. Der "Bezug" von Alg im Sinne des § 131 Abs. 4 SGB III ist daher keine juristische Tatsache, sondern ein tatsächlicher Vorgang. Mithin setzt ein Bezug nur voraus, dass der Leistungsberechtigte tatsächlich Leistungen erhalten hat. Ein Bezug liegt nur vor, wenn ein Anspruch – aus welchem Rechtsgrund auch immer – erfüllt wurde. Nicht ausreichend ist daher, dass die Leistungen nur bewilligt sind. Diese Auslegung des Begriffs Bezug durch den Senat wird dadurch gestützt, dass im SGB III der Begriff "Bezug" bzw. "beziehen" auch an anderer Stelle so verwendet wird, dass darunter die tatsächliche Leistungserbringung verstanden wird. Zum Beispiel wird in § 311 SGB III (Meldung der Arbeitsunfähigkeit) sprachlich zwischen den "Beziehern" von Alg und Antragstellern, also Nichtleistungsbeziehern, unterschieden. Im Übrigen fügt sich die Auslegung des Senats in die bereits von der Rechtsprechung geübte Praxis, dass nicht allein die Bewilligung Anknüpfungsgegenstand für die Besitzstandswahrung im Sinne des § 131 Abs. 4 SGB III ist.

Die vom Kläger in seiner Berufungsbegründung herangezogene Kommentierung (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, Kommentar, § 131 Rn. 56) nach der eine Bewilligung vorausgesetzt ist, es auf die tatsächliche Auszahlung aber nicht ankommt, ist nach Meinung des Senats nicht so zu verstehen, dass allein die Bewilligung die Besitzstandswahrung auslöst. Die Kommentierung erfolgt ersichtlich nicht wegen eines etwa unklaren Inhalt des Begriffs "Bezug" in Bezug auf den Fakt der Auszahlung. Damit soll auch nicht gesagt werden, dass auf die Auszahlung gänzlich verzichtet werden kann. Mit der etwas missverständlichen Formulierung soll zum Ausdruck gebracht werden, dass der Bestandsschutz nicht an die tatsächliche Höhe der Auszahlung anknüpft, sondern an die Höhe des zugrunde liegenden Anspruchs. Nach Meinung des Senats zielt die - im Übrigen vereinzelt gebliebene - Formulierung in der zitierten Kommentierung auf die Klärung der Rechtsfrage, ob die auf die Bewilligung folgende Auszahlung oder der tatsächliche Anspruch für den Umfang des Besitzstandsschutzes maßgebend ist. In dieser Frage, bzw. dazu, ob die Bewilligung noch solange bzw. soweit maßgeblich sein kann, wie sie nicht aufgehoben ist, finden sich in der Rechtsprechung widersprechende Entscheidungen (dafür LSG Celle-Bremen vom 31.05.2006 - L 7 AL 161/03 – Juris; dagegen z.B. LSG Schleswig-Holstein v. 26.09.2008 – L 3 AL 81/07 – Juris). In diesen Fällen fand jedoch zum einen eine Auszahlung der Leistungen statt und zum anderen besteht an sich Klarheit darin, dass nicht die (womöglich rechtswidrige) Bewilligung und Auszahlung die Begründung für den besonderen Bestandsschutz ist, sondern das höhere Arbeitsentgelt der Vergangenheit (vgl. LSG Schleswig-Holstein v. 26.09.2008 – L 3 AL 81/07 – Juris Rn. 41 m.w.N.; Coseriu/Jakob in Mutschler/Bartz/Schmidt-de Caluwe, SGB III, Kommentar, 3. Aufl., § 131 Rn. 44). Es handelt sich bei der Bestandsschutzregelung in § 131 Abs. 4 SGB III nämlich nicht um eine Folgewirkung der Bestandskraft eines früheren Verwaltungsaktes, sondern um eine Sonderbestimmung zur Bestimmung des Bemessungsentgelts in ausgewählten Fällen. Aus der Diskussion um die Konkurrenz zwischen der Bestandskraft der vorgehenden Bewilligung und einer Folgebewilligung nach dem an sich aus dem Arbeitsentgelt folgenden zutreffenden Bemessungsentgelt kann daher für die Auslegung des Begriffs "Bezug" nichts gewonnen werden. Letztlich ist also für die günstigere Bemessung nach dem vorherigen Arbeitsentgelt immer der tatsächliche Bezug vorausgesetzt gewesen (vgl. auch Rolfs in Gagel, SGB III/SGB II, Kommentar, § 131 Rn. 35). Aus der obigen Problematik heraus kann dem noch hinzugefügt werden, dass nur der rechtmäßige tatsächliche Bezug relevant ist, wobei es auf die Auszahlung aufgrund einer früheren Bewilligung ankommt (vgl. LSG Bayern v.14.01.2010 – L 8 AL 220/08 – Juris).

Damit befindet sich die vom Kläger herangezogene Kommentierung in Übereinstimmung mit der sonstigen Kommentierung und Praxis, dass Anknüpfung für den Bestandsschutz nicht die vorgehende Bewilligung oder deren Höhe (mithin deren Auszahlung) ist. Entscheidend ist der wirkliche Anspruch, der entstanden und zu erfüllen war. Es geht nicht darum, die Bestandskraft der vorherigen Bewilligung zu beachten und damit womöglich einen rechtswidrigen Zustand weiter zu perpetuieren. Denn bei der Prüfung des Anspruchs nach neuerlicher Arbeitslosmeldung und Arbeitslosigkeit ist bei neuer Anwartschaft grundsätzlich eine vollständig "neue" Anspruchsprüfung vorzunehmen, d.h. die korrekte Bewilligungshöhe zu finden. Nur die dadurch mögliche geringere Anspruchshöhe aufgrund eines niedrigeren Arbeitsentgelts in der Zwischenzeit soll für einen Übergangszeitraum von (jetzt) zwei Jahren verhindert werden. Dies hat aber mit der Bestands- und Wirkungskraft der vorgehenden Bewilligung nichts zu tun.

Nur so kann auch das gesetzgeberische Ziel erreicht werden, dass sich Arbeitslose unter Verzicht auf das Arbeitslosengeld zu der Aufnahme einer Beschäftigung trotz geringerem Arbeitsentgelt bereit finden. Beziehen die Arbeitslosen tatsächlich kein Alg, besteht aus der Sicht der Arbeitslosenversicherung keine akute Veranlassung, die Aufnahme einer geringer entlohnten Beschäftigung im Hinblick auf die Vorbeschäftigung mit einem besonderen Anreiz zu versehen.

Im Übrigen dürfte sich der Gesetzgeber auch wegen der ansonsten erheblichen verwaltungspraktischen Probleme entschieden haben, für den Bestandsschutz nicht an die Bewilligung, sondern an den tatsächlichen Bezug anzuknüpfen. Wollte man nur die Bewilligung heranziehen, würde der Bestandsschutz nicht nur in einem wie hier gelagerten, sondern in allen Fällen relevant, in denen der Anspruch zwar zuerkannt ist, aber ruht und daher nicht zu erfüllen ist. Eine solche Konstellation tritt nicht nur - wie hier - während eines verhältnismäßig kurzen Zeitraums wie einer Sperrzeit nach § 144 SGB III ein, sondern kann vielfältige Gründe haben (vgl. §§ 142, 143, 143a SGB III), die zu einem weitaus längeren Ruhenszeitraum führen, so dass die gleichmäßige Anwendung der Bestandsschutzfrist von zwei Jahren nach dem letzten Bezug nicht gewährleistet wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision ist nicht gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen. Insbesondere hat die Auslegung von § 131 Abs. 4 SGB III keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie sich anhand bereits geübter Praxis ableiten lässt und hierzu keine uneinheitliche Praxis vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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