L 1 R 290/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 6 R 151/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 290/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 27. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung des Sozialgerichts Halle, dem Kläger zusätzlich Gerichts-kosten in Höhe von 200,00 Euro aufzuerlegen, wird aufgehoben.

Das Verfahren ist in beiden Instanzen gerichtskostenfrei. Die Beteiligten haben sich in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger streitet mit der Beklagten wegen der Erhebung von Beiträgen und Säumniszuschlägen.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 20. April 2001 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 30. August 2001 fest, dass der Kläger aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit als Handelsvertreter im Zeitraum vom 15. Oktober 1999 bis zum 30. September 2000 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) versicherungspflichtig ist, und setzte Beiträge für diesen Zeitraum fest. Die diesbezüglich beim Sozialgericht Halle (SG) erhobene Klage (Az. S 12 RA 60/02) wies das SG mit Urteil vom 25. November 2003 ab. Der Kläger nahm im Berufungsverfahren (Az. L 1 RA 40/04) am 14. April 2005 die Klage zurück.

Mit Bescheid vom 28. Juni 2005 forderte die Beklagte von dem Kläger Beiträge und Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 4.132,36 EUR. Hiergegen erhob der Kläger am 1. August 2005 Widerspruch und wandte sich auch in der Folgezeit gegen Mahnschreiben der Beklagten, die mit weiteren Bescheiden vom 29. September 2005 und vom 28. Oktober 2005 die Summe der Forderung (einschließlich Säumniszuschlägen) auf 4.257,62 EUR feststellte. Seine Widersprüche begründete der Kläger nicht, sondern teilte mit, dass er sich das Recht vorbehalte, einen gesonderten Schriftsatz durch einen beauftragten Rechtsbeistand nachzureichen. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers daraufhin zurück und führte aus, dass die Bescheide nach der bekannten Sachlage nicht zu beanstanden seien.

Mit einer am 17. Juli 2006 beim SG erhobenen Klage wandte sich der Kläger gegen die Beitragsforderungen und Säumniszuschläge. Mit Urteil vom 9. Juli 2008 (S 4 R 575/06) hob das SG die streitbefangenen Bescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2006 auf. Die Beklagte habe ihrer Entscheidung die Bezugsgrößen der Beitragsbemessung zugrunde gelegt, die in den alten Bundesländern gegolten hätten. Der Kläger habe seine selbständige Tätigkeit aber in den neuen Bundesländern verrichtet. Deshalb sei die Bezugsgröße Ost maßgeblich.

Mit Bescheid vom 26. September 2008 erklärte die Beklagte erneut, dass der Kläger in der Zeit vom 15. Oktober 1999 bis zum 30. September 2000 versicherungspflichtig gewesen sei und setzte die Höhe der fälligen Beiträge auf 2.091,10 EUR fest. Hiergegen legte der Kläger am 30. Oktober 2008 Widerspruch ein, ohne diesen zu begründen. Mit weiterem Bescheid vom 26. November 2008 setzte die Beklagte erneut die Pflichtbeiträge für die Zeit vom 15. Oktober 1999 bis zum 30. September 2000 und beginnend ab dem 15. Oktober 1999 Säumniszuschläge fest. Die Gesamtsumme beläuft sich laut diesem Bescheid auf 4.187,19 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 31. Oktober 2008 zurück. Nach der bekannten Sachlage sei ihre Entscheidung nicht zu beanstanden.

Hiergegen hat der Kläger am 26. Februar 2009 beim SG Klage erhoben, die er nicht weiter begründete. Er hat darauf verwiesen, dass das Verfahren bereits gerichtlich erörtert worden sei. Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 27. Juli 2009 die Klage abgewiesen und entschieden, dass der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen habe, sowie ihm zusätzliche Gerichtskosten in Höhe von 200,00 EUR auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe sich an die Vorgabe des Urteils des SG vom 9. Juli 2008 gehalten. Die Versicherungspflicht des Klägers sei dem Grunde nach für den Zeitraum vom 15. Oktober 1999 bis zum 30. September 2000 durch vorausgegangene Verfahren bereits abschließend geklärt. Ihrer Höhe nach seien weder die Beitragsfestsetzung noch die Berechnung der Säumniszuschläge zu beanstanden. Die Beitragsforderungen seien auch noch nicht verjährt. Die Kostenentscheidung folge daraus, dass es sich um ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren handle, in dem der Kläger um die Beitragshöhe wegen einer selbständigen Tätigkeit streite. Die Verhängung weiterer Kosten in Höhe von 200,00 EUR ergebe sich aus § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wegen rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme des Gerichts. Es dränge sich der Verdacht auf, der Kläger wolle lediglich die Zahlung der Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung ohne sachlichen Grund hinauszögern. Mit gesondertem Beschluss hat das SG am 27. August 2009 den Streitwert auf 2.091,10 EUR festgesetzt.

Gegen den ihm am 11. August 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 26. August 2009 Berufung eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, er wolle eine Doppelbescheidung durch die Beklagte vermeiden. Er wolle "nicht durch Doppelbescheidung für eine imaginäre Altersrentenleistung durch sozialversicherungspflichtige Beiträge (über)zahlen, die ihm dann ab dem Renteneintrittsalter wegen schwebender Rechtswirksamkeit nicht zugestanden wird".

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 27. Juli 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 26. September 2008 und vom 26. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2009 aufzuheben.

Die Beklagte verteidigt ihre Verwaltungsentscheidungen und beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 27. Juli 2009 zurückzuweisen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 29. April 2010 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und unter anderem auf die fehlende hinreichende Erfolgsaussicht des Berufungsverfahrens im Hinblick auf die Hauptsache verwiesen. Der Kläger hat sich zu den Gründen dieser Entscheidung trotz Aufforderung nicht geäußert.

Die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtakten mit den Az. S 12 RA 60/02 und S 4 R 575/06 haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf deren Inhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat in der Hauptsache keinen Erfolg (unter 1.). Im Hinblick auf die erstinstanzlichen Kostenentscheidungen ist die Berufung hingegen erfolgreich (2.).

1.

Die Berufung ist in der Hauptsache unbegründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 26. September 2008 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2009 rechtmäßig ist und den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Das SG hat die dagegen gerichtete Klage deshalb zu Recht abgewiesen.

Bezüglich der Versicherungspflichtigkeit dem Grunde nach wird auf die Entscheidung des SG vom 25. November 2003 verwiesen; im Berufungsverfahren (Az. L 1 RA 40/04) nahm der Kläger die Klage zurück. Soweit die Beklagte in ihrem Bescheid vom 26. September 2008 erneut erklärt, dass der Kläger in der Zeit vom 15. Oktober 1999 bis zum 30. September 2000 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig war, wiederholt sie die bereits getroffene Entscheidung, ohne dass dem ein neuer Regelungsgehalt zukommen würde. Die Beklagte hat mit dem zuletzt genannten Bescheid und dem weiteren Bescheid vom 26. November 2008 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2009 der Höhe nach zutreffend die bereits zum Zeitpunkt ihrer Entstehung fälligen Beiträge berechnet und Säumniszuschläge festgesetzt. Bei ihrer Berechnung ist die Beklagte nunmehr zutreffend von der Bezugsgröße Ost ausgegangen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, weshalb die Festsetzungen nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen sollten.

2.

Soweit das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid entschieden hat, dass der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, ist dies unzutreffend. Denn nach dem hier anwendbaren § 193 SGG sind Kosten nicht zu erstatten. Es handelt sich – abweichend von der Auffassung des SG – nicht um ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren im Sinne von § 197a SGG, sondern um ein privilegiertes Verfahren nach § 183 SGG. Nach letztgenannter Vorschrift ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit u. a. für Versicherte kostenfrei, soweit sie in dieser Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Der Kläger ist als Versicherter beteiligt. Denn er ist aufgrund der Entscheidung der Beklagten, die auch das SG für zutreffend gehalten hat, versicherungspflichtig nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI.

Der Senat hat den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle hinsichtlich der Auferlegung von Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG aufgehoben, da die Voraussetzungen nicht nachweisbar erfüllt sind. Die Entscheidung des SG, wonach dem Kläger Gerichtskosten in Höhe von 200,00 Euro auferlegt werden, verletzt diesen in seinen Rechten. Gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt wurde und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Der Kläger muss offensichtlich gegen bessere Einsicht gehandelt haben (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, § 192 Rdnr. 9). Es ist zweifelhaft, ob der Kläger trotz des Hinweises des SG in der Anhörung zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid das Verfahren rechtsmissbräuchlich fortgesetzt hat. Allein der Verdacht, der Kläger führe nur deshalb das Verfahren fort, um die Zahlung der Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung ohne sachlichen Grund hinauszuzögern, reicht hierfür nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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