L 1 U 2159/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 3624/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2159/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14.04.2011 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente im Streit.

Die 1956 geborene Klägerin macht Ansprüche aus einem Ereignis vom 06.11.2006 geltend, als sie bei ihrer Tätigkeit als Maschinenbeschickerin für die G.F. GmbH in F. mit ihrem linken Innenknöchel an einer Metallpalette anstieß. Der noch am selben Tag aufgesuchte Prof. Dr. W. diagnostizierte eine Prellung. Es liege eine Schwellung über dem linken Innenknöchel bei schmerzbedingt eingeschränkter Pronation und Plantarflexion vor.

Eine Magnetresonanztomographie (MRT) vom 22.03.2007 durch Dr. S. zeigte Hinweise auf eine deutliche Teilruptur des Ligamentum deltoideum (Deltaband), aber auch ältere Risse des Ligamentum talofibulare anterius und des Ligamentum calcaneo-fibulare (Außenbänder).

Der Heilungsverlauf verlief schleppend, die Klägerin klagte bei ihrer stufenweisen Wiedereingliederung über Schmerzen und brach mehrfach Belastungserprobungen ab.

Am 26.04.2007 beschrieb Prof. Dr. W. ein chronisches Schmerzsyndrom des linken Sprunggelenkes. Mit Stellungnahme vom 26.06.2007 wies Prof. Dr. W. darauf hin, dass die Frage des Ursachenzusammenhangs zwischen den aktuellen Beschwerden und dem Ereignis vom 06.11.2006 nur schwierig zu klären sei. Prinzipiell sei ein Distorsionstrauma des Sprunggelenks durchaus geeignet, eine Partialruptur des Ligamentum deltoideum, des Ligamentum talofibulare anterius und des Ligamentum calcaneo-fibulare zu verursachen. Von einem Distorsionstrauma sei jedoch im Durchgangsarztbericht nicht die Rede gewesen, was allerdings darauf beruhen könne, dass das direkte Traum im Vordergrund gestanden habe und das Distorsionstrauma deswegen nicht erinnerlich gewesen sei.

In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 23.08.2007 vertrat Dr. K. die Auffassung, dass lediglich die Teilruptur des Deltabandes Unfallfolge sei. Da die Befunde der Außenbänder in der MRT als alt bewertet und hier auch nie Beschwerden geäußert worden seien, könnten die Vernarbungen an den Außenbändern nicht als Unfallfolge angesehen werden. Insoweit werde auch im Vorerkrankungsverzeichnis eine Distorsion des oberen Sprunggelenks (OSG) vom 06.03.2006 aufgeführt. Die ebenfalls vorliegende Reizung der tibialis posterior-Sehne werde möglicherweise durch die bestehende Senkfußbildung oder ein unphysiologisches Gangbild verursacht.

Nach stationärer Behandlung der Klägerin vom 05.09.2007 bis zum 26.09.2007 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. empfahl Prof. Dr. W. eine weitere Belastungserprobung, woraufhin mit einem Wiedereintreten der Arbeitsfähigkeit ab 05.11.2007 zu rechnen sei. Die Beklagte leistete Verletztengeld bis 30.11.2007, woraufhin eine weitere Krankschreibung zu Lasten der Krankenkasse nach diesem Zeitraum erfolgte.

Mit Bescheid vom 19.08.2008 anerkannte die Beklagte das Ereignis vom 06.11.2006 als Arbeitsunfall. Als Unfallfolgen wurden festgestellt: Folgenlos verheilter Teilabriss des Deltabandes sowie Prellung und Zerrung des linken Sprunggelenks. Nicht als Unfallfolgen anerkannt wurden, und zwar weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung: Vernarbungen der Außenbänder des linken Sprunggelenks, massiver Senk-Spreizfuß, knöcherne Veränderungen in den Sprunggelenken und im Bereich der Fußwurzel beidseits. Über den 30.11.2007 hinaus seien Leistungen nicht zu gewähren.

Den deswegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2009 zurück. Es seien keine Unfallfolgen mit einer messbaren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mehr vorhanden. Eine Verletztenrente sei daher nicht zu gewähren. Die andauernden Beschwerden seien auf bereits vor dem Unfall bestehende Veränderungen im Bereich beider Sprunggelenke und Fußwurzeln zurückzuführen.

Am 18.05.2009 stellte die Klägerin wegen einer Verschlechterung ihrer gesundheitlichen Situation einen Überprüfungsantrag im Hinblick auf die Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente. Sie legte eine Krankschreibung durch den Orthopäden Dr. N. ab 05.05.2009 wegen der Diagnose "M.42. 17 G" (Osteochondrose der Wirbelsäule im Lumbosakralbereich) vor.

Auf Nachfrage der Beklagten erklärte der behandelnde Dr. N. mit Schreiben vom 29.07.2009, hinsichtlich des linken Sprunggelenks habe sich keine in Zusammenhang mit dem Unfall stehende Verschlechterung eingestellt. Die bestehenden Beschwerden seien auf die degenerativen Veränderungen und den ausgeprägten Senk- Spreizfuß zurückzuführen.

Mit Bescheid vom 08.09.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztengeld ab dem 05.05.2009 und eine Verletztenrente aus Anlass des Arbeitsunfalls ab.

Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und stellte einen Überprüfungsantrag hinsichtlich eines Arbeitsunfalls vom 04.12.1998.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2009 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 08.09.2009 als unbegründet zurückgewiesen. Es sei weiterhin keine messbare MdE aufgrund des Unfalls vom 06.11.2006 anzunehmen. Außerdem seien die Krankschreibungen ab dem 05.05.2009 nicht aufgrund von Unfallfolgen vorgenommen worden. Daher sei weder Verletztengeld noch eine Verletztenrente zu gewähren.

Die Klägerin hat deswegen am 28.12.2009 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben, mit der sie auf eine Verschlimmerung der Unfallfolgen hinwies.

Da SG hat Dr. N. als sachverständigen Zeugen befragt, bei dem die Klägerin seit Januar 2009 in ausschließlicher orthopädischer Behandlung war. Dr. N. hat seine Beurteilung aus dem Verwaltungsverfahren bekräftigt. Die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit vom 05. bis 15. Mai 2009 sei nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen, sondern auf chronisch degenerative Veränderungen der Wirbelsäule.

Im Auftrag des SG hat Dr. T. am 29.01.2011 ein orthopädisch-rheumatologisches Gutachten erstellt. Danach sei es durch den Unfall zu einer Prellung des Innenknöchels links mit Teilläsion des Innenknöchelbandes gekommen, was jedoch inzwischen folgenlos abgeheilt sei. Unfallunabhängig bestünden ausgedünnte, jedoch intakte Außenknöchelbänder links, ein Senk-Spreiz-Platt-Knickfuß beidseits sowie ein chronisch rezidivierendes lumbales pseudoradikuläres Schmerzsyndrom bei Arthrose der Wirbelkörpergelenke und Bandscheibendegeneration L5/S1 beidseits. Seit dem 06.11.2006 liege keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) aufgrund des Arbeitsunfalles mehr vor. Die Erkrankung ab dem 05.05.2009 beruhe auf den Senk-Spreizfüßen und dem Schmerzsyndrom der Klägerin.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 27.01.2011 einen Unfall vom 04.12.1998 als Arbeitsunfall anerkannt, jedoch Leistungsansprüche hieraus abgelehnt. Das Widerspruchsverfahren ist insoweit noch anhängig.

Mit Urteil vom 14.04.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und sich hierbei vollinhaltlich auf die Ausführungen der Gutachterin Dr. T. gestützt. Da die Unfallfolgen seit dem 06.11.2006 keine messbare MdE mehr bedingten, komme es mangels messbarer MdE auch nicht darauf an, ob aus dem Unfall vom 04.12.1998 ein Stützrententatbestand folge. Das Urteil des SG ist dem Bevollmächtigten der Klägerin am 26.04.2011 zugestellt worden.

Die Bevollmächtigten der Klägerin haben am 26.05.2011 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt, welche nicht begründet worden ist.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14.04.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2009 aufzuheben sowie unter Abänderung des Bescheides vom 19.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2009 die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 06.11.2006 Verletztengeld ab dem 05.05.2009 sowie im Anschluss hieran Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf dessen Entscheidungsgründe.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des LSG Bezug genommen.

II.

Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Senat hat über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG durch Beschluss entschieden, weil er das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Im Anhörungsverfahren (vgl. die Hinweise des Berichterstatters vom 03.08.2011 und 11.10.2011) haben sich keine Gesichtspunkte ergeben, von dieser Verfahrensform abzuweichen.

Streitgegenstand ist lediglich der Arbeitsunfall der Klägerin vom 06.11.2006 mit den hieraus resultierenden Ansprüchen. Hierbei ist, da die Klägerin einen Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gestellt hat, ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Nicht umfasst vom vorliegenden Berufungsverfahren werden die Unfälle der Klägerin vom 04.12.1998 und vom 06.03.2006, da nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) insofern eigenständige Verfahren durchzuführen sind (vgl. BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 3/07 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 13 Rn. 12; BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 2/07 U R - juris Rn. 15 f.). Ob sich aus diesen beiden Unfallereignissen gegebenenfalls Stützrententatbestände ergeben können, kann hier offen gelassen werden, da jedenfalls der Arbeitsunfall vom 06.11.2006 über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus keine messbare MdE hinterlassen hat.

Gemäß § 26 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld § 45 SGB VII und Rente § 56 SGB VII ). Insbesondere nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Verletztengeld nach § 45 Abs. 1 SGB VII wird erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und 2. unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt oder bestimmte vergleichbare Leistungen hatten.

Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII).

Erforderlich ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).

Unstreitig handelte es sich bei dem Vorfall vom 06.11.2006 um einen bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall. Allerdings lagen aufgrund dieses Arbeitsunfalls ab dem Monat Mai 2009 keine Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vor, und es bestand auch keine messbare MdE mehr über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus. Ein Anspruch auf Verletztenrente bestand daher zu keinem Zeitpunkt, und ein Anspruch auf Verletztengeld jedenfalls nicht mehr ab dem 05.05.2009.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Urteil des SG Bezug genommen, denen der Senat sich ausdrücklich anschließt. Das nach dem Unfall angefertigte MRT des linken Sprunggelenks der Klägerin vom 22.03.2007 (Dr. S.) hat zwar die als Unfallfolge anerkannte Teilruptur des Ligamentum deltoideum (Deltaband) bestätigt, aber auch schon vor dem Unfall bestehende Risse des Ligamentum talofibulare anterius und des Ligamentum calcaneo-fibulare (Außenbänder) gezeigt. Sowohl die Beratungsärztin Dr. K. als auch die für das SG tätig gewordene Gutachterin Dr. T. haben deswegen in schlüssiger Weise die Auffassung vertreten, dass lediglich die Teilruptur des Deltabandes Unfallfolge sei und die ebenfalls vorliegende Reizung der tibialis posterior-Sehne sowie die weiteren Beschwerden der Klägerin durch unfallunabhängige Erkrankungen verursacht werden.

Nachdem auch der die Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet ausschließlich behandelnde Dr. N. sowohl gegenüber der Beklagten als auch gegenüber dem SG erklärt hat, dass sich hinsichtlich des linken Sprunggelenks keine in Zusammenhang mit dem Unfall stehende Verschlechterung eingestellt habe und die bestehenden Beschwerden allein auf die degenerativen Veränderungen und den ausgeprägten Senk- Spreizfuß zurückzuführen seien, waren weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht veranlasst. Alle in das vorliegende Verfahren involvierten Ärzte einschließlich des ausschließlich die Klägerin behandelnden Orthopäden Dr. N. lehnen einen Ursachenzusammenhang der aktuellen Beschwerden der Klägern mit dem Ereignis vom 06.11.2006 ab.

Insoweit zur Begründung der Berufung am 05.09.2011 ein italienischer Untersuchungsbefund vorgelegt worden ist, der offenbar von einer Orthopädietechnikerin verfasst worden ist, bestand keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung oder zu weiteren Ermittlungen. Dass die Klägerin wegen Fehlbildungen an den Füßen auf orthopädie-technische Unterstützungsmaßnahmen angewiesen ist, ergibt sich bereits aus den vorliegenden ärztlichen Äußerungen, ohne dass die betreffenden Ärzte insoweit einen Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 06.11.2006 angenommen hätten. Da der Klägerbevollmächtigte auch entgegen der Aufforderung gemäß § 142 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 202 SGG keine Übersetzung dieses Dokuments vorgelegt hat, sind weitere Ausführungen hierzu nicht veranlasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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