L 4 R 319/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 9 R 7758/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 R 319/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn bei der Rentenberechnung für diese Zeiten bereits Entgelte bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt worden sind.
Bemerkung
Zur betrieblichen Voraussetzung beim „Deutschen Innen- und Außenhandel Chemieausrüstungen“.

Zur Glaubhaftmachung von Jahresendprämien.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. März 2010 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 7. März 2011 wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung weiterer Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Alters-versorgung der technischen Intelligenz sowie höherer Arbeitsentgelte für bereits festgestellte Zeiten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG).

Der 1931 geborene Kläger erwarb mit einer Urkunde vom 25. Juni 1953 die Berufsbezeich-nung "Ingenieur in der Fachrichtung Maschinenbau". Mit einer weiteren Urkunde vom 9. Mai 1974 wurde ihm der akademische Grad des Diplomingenieurs verliehen. Vom 1. August 1953 bis zum 19. April 1954 arbeitete er als Ingenieur bei der M P. In der Zeit vom 20. April 1954 bis zum 10. Juli 1957 war er bei dem D I- und A C als technischer Verkäufer und später als Reiseingenieur angestellt. Der Betrieb war dem Ministerium für Außenhandel und Innerdeut-schen Handel als übergeordnetem Organ unterstellt. Anschließend war der Kläger vom 15. Juli 1957 bis zum 31. August 1960 im Ministerium für Kohle und Energie – Zf W – als Referent und dann in der Z f w E als Oberreferent tätig. Schließlich war er vom 1. September 1960 bis über den 30. Juni 1990 hinaus bei der Bauakademie der Deutschen Demokratischen Republik – IürH, L und G dB – als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. Dem Kläger wurde 1969, 1977 und 1986 der Ehrentitel "Aktivist der sozialistischen Arbeit" verliehen. Sein Forschungs-bereich wurde in den Jahren 1969, 1971-1978 und 1981 bis 1983 mit dem Ehrentitel "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" ausgezeichnet.

Auf Antrag des Klägers bewilligte ihm die Beklagte als Rentenversicherungsträgerin mit Be-scheid vom 20. September 1995 für die Zeit ab dem 1. Juli 1995 eine Altersrente für langjährig Versicherte. Am 23. April 2008 beantragte der Kläger die Berücksichtigung seiner Jahresend-prämien bei der Rentenberechnung und reichte zu diesem Zweck zahlreiche Belege nach. Mit Bescheid vom 7. August 2008 stellte die Beklagte als Zusatzversorgungsträgerin fest, dass die Voraussetzungen des § 1 AAÜG erfüllt sind. Zudem stellte sie die Zeiten vom 1. August 1953 bis zum 19. April 1954, vom 15. Juli 1957 bis zum 31. Dezember 1976 und vom 19. Februar 1977 bis zum 30. Juni 1990 als solche der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die dabei erzielten Arbeitsentgelte fest. Hinsichtlich der Zeit vom 20. April 1954 bis zum 10. Juli 1957 wurde die Anerkennung der Zugehörigkeit zu dem ge-nannten Zusatzversorgungssystem ausdrücklich abgelehnt, da es sich bei dem Deutschen In-nen- und Außenhandel Chemieausrüstungen weder um einen volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch um einen gleichgestellten Betrieb gehandelt habe. Für die Zeiten vom 1. Januar 1959 bis zum 31. Dezember 1959, vom 1. Januar 1973 bis zum 31. Dezember 1973, vom 1. Januar 1978 bis zum 31. Dezember 1978 sowie vom 1. Januar 1982 bis zum 30. Juni 1990 wurde die Anerkennung höherer Arbeitsverdienste abgelehnt, weil deren Zufluss weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden sei. Mit einem weiteren Bescheid vom 20. August 2008 stellte die Beklagte als Rentenversicherungsträgerin die Altersrente des Klägers neu fest und legte dabei die mit Bescheid vom 7. August 2008 getroffenen Feststellun-gen zugrunde. Sie berücksichtigte unter anderem hinsichtlich der Zeit vom 20. April 1954 bis zum 10. Juli 1957 bereits Arbeitsentgelte bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze. Ge-gen den Bescheid vom 7. August 2008 richtete sich der am 22. August 2008 bei der Beklagten eingegangene Widerspruch, den sie mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2008 zu-rückwies.

Am 23. Dezember 2008 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben, mit der er die Anerkennung der vollen Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz seit 1953 bis zum 30. Juni 1990 sowie die Berücksichtigung seiner Jahresendprä-mien von 1981 bis 1989 begehrt hat. Er hat eidesstattlich versichert, dass in der Zeit von 1981 bis 1989 wie auch in den Jahren vor 1981 jedes Jahr Jahresendprämien an ihn ausgezahlt wor-den seien. Lediglich das Prozedere sei ab 1981 ein anderes als bis 1980 gewesen. Bis 1980 sei die Prämienauszahlung mit einem Begleitschreiben erfolgt, ab 1981 jedoch nur noch gegen handschriftliches Quittieren in namentlich geführten Empfängerlisten, die dann der Institutslei-tung zurückgegeben worden seien. Darüber hinaus hat der Kläger vorgetragen, der Empfang der Prämien sei unbestreitbar, die genaue Höhe trotzdem nicht zu beziffern. Die Höhe lasse sich jedoch anhand des empirischen Verhältnisses zwischen Gehalt und Prämie bestimmen und mit einem Durchschnittsbetrag in Höhe von 1.321,- Mark beziffern. Das Sozialgericht hat die Registerakten hinsichtlich des Deutschen Innen- und Außenhandels Chemieausrüstungen in Form von Ablichtungen zu den Gerichtsakten genommen. Mit Urteil vom 11. März 2010 hat es die Klage – mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung – abgewiesen. Die Zeit vom 20. April 1954 bis zum 10. Juli 1957 könne nicht als Zeit der Zugehörigkeit zur zu-sätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz festgestellt werden, da es sich bei dem Deutschen Innen- und Außenhandel Chemieausrüstungen nicht um einen volkseigenen Produk-tionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einen gleichgestellten Betrieb gehandelt habe. Die geltend gemachten Jahresendprämien könnten nicht berücksichtigt werden, da weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht sei, dass diese dem Kläger ausgezahlt worden seien. Der Kläger hat gegen die ihm am 18. März 2010 zugestellte Entscheidung am 12. April 2010 Berufung eingelegt. Er hat den aus seiner Sicht jährlich als Jahresendprämie anzuerkennenden Betrag auf 1.337,- Mark berichtigt. Im Laufe des Verfahrens hat der Kläger eigene Ermittlun-gen angestellt, und zwar durch schriftliche Anfragen beim Landesverwaltungsamt Berlin, bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sowie beim Bundesarchiv. Das Landesverwal-tungsamt hat mitgeteilt, die Quittungslisten der Bauakademie seien nicht aufbewahrungspflich-tig gewesen, so dass sie bei der Übernahme der Lohn- und Gehaltsunterlagen der Bauakademie nicht übergeben worden seien. Eine Anfrage bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung könne dagegen möglicherweise Erfolg haben. Die Senatsverwaltung hat den Kläger ebenfalls wissen lassen, dass keine Quittungslisten mehr vorlägen. Die Personalakten der Jahrgänge bis 1938 seien in Abstimmung mit dem Landesarchiv bereits vernichtet worden. Das Bundesarchiv hat dem Kläger die dort vorhandenen Unterlagen der Bauakademie übersandt, in denen auf die Festlegungen zum Prämienfonds Bezug genommen wird. Es konnte lediglich eine Quittungs-liste für das Jahr 1982 ermitteln, aus der ausdrücklich hervorgeht, dass der Kläger im Jahr 1983 eine Jahresendprämie in Höhe von 1.150,- Mark erhalten hat. Im Übrigen seien die Quittungs-listen über die Jahresendprämien nicht in den Bestand des Bundesarchivs gelangt. Der Kläger hat dem Senat die Unterlagen aus dem Bundesarchiv mit Schriftsatz vom 20. August 2010 zu-kommen lassen. Es handelt sich dabei um eine Niederschrift vom 26. Februar 1981 unter ande-rem zur Jahresendprämierung 1980, einen Auszug aus der Anlage 2 zum Betriebskollektivver-trag 1982, eine Auflistung der Jahresendprämienbezieher vom 18. März 1983, einen Auszug aus einem Entwurf einer Anlage 2 zum Betriebskollektivvertrag 1983, einen Auszug der Anla-ge 2 zum Betriebskollektivvertrag 1984, einen Auszug aus dem Geschäftsbericht 1984 Teil I, einen Auszug aus dem Betriebskollektivvertrag 1985, einen Auszug aus dem Geschäftsbericht 1985, einen Auszug aus einem Entwurf einer Anlage 2 zum Betriebskollektivvertrag 1986, ein Schreiben der Direktion Kader und Weiterbildung der Bauakademie betreffend einen Entwurf zum Betriebskollektivvertrag 1988 nebst Auszug aus diesem Entwurf, eine Anlage 2 zum Be-triebskollektivvertrag 1988, einen Auszug aus dem Geschäftsbericht 1988 und eine hand-schriftliche Aufstellung über Prämien 1989. Daraufhin hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2010 ein Teilanerkenntnis abgegeben. Mit einem weiteren Bescheid vom 7. März 2011 hat sie die im Jahr 1983 für das Jahr 1982 gezahlte Jahresendprämie in Höhe von 1.150,- Mark berücksichtigt und im Übrigen die mit Bescheid vom 7. August 2008 getroffenen Rege-lungen beibehalten. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis der Beklagten hinsichtlich des Jahres 1983 angenommen und die Berufung bezüglich der Anerkennung einer Jahresendprämie für das Jahr 1981 zurückgenommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. März 2010 aufzuheben und die Beklagte un-ter Änderung des Bescheides vom 7. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 25. November 2008 und des Bescheides vom 7. März 2011 zu verpflichten, die Zeit vom 20. April 1954 bis zum 10. Juli 1957 als Zeit seiner Zugehörigkeit zur zu-sätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und die dabei erzielten Arbeits-entgelte sowie hinsichtlich der Jahre 1982 und 1984 bis 1989 jeweils weitere Arbeitsent-gelte in Höhe von 1.337,- Mark festzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 7. März 2011 ab-zuweisen.

Sie hält die getroffene Entscheidung für zutreffend. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die vorgelegen haben und Grundlage der Ent-scheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Bescheid vom 7. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2008 und des Bescheides vom 7. März 2011. Der Bescheid vom 7. März 2011 ist gemäß § 96 Abs. 1 in Verbindung mit § 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Über ihn hat der Senat im Wege der Klage zu entscheiden.

Die beim Sozialgericht erhobene Klage ist bereits unzulässig, soweit der Kläger hinsichtlich der Zeit vom 20. April 1954 bis zum 10. Juli 1957 einen Anspruch auf Feststellung der Zuge-hörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und der erzielten Ent-gelte geltend gemacht hat. Dem Kläger fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, da ihm die begehrte Feststellung keinen rechtlichen Vorteil verschaffen kann. Ein solcher würde sich nur dann er-geben, wenn aufgrund dieser Feststellung höhere Entgelte bei der Rentenberechnung berück-sichtigt werden könnten, die wiederum eine höhere Rente zur Folge hätten. Das ist hier jedoch nicht der Fall, da die Beklagte hinsichtlich des genannten Zeitraumes bereits Arbeitsentgelte bis zur Höhe der gemäß § 260 Satz 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) auch im Beitrittsgebiet geltenden allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt hat, die sich nach der Anlage II zum SGB VI in der allgemeinen Rentenversicherung auf 9.000,- DM belief. Die Berücksichtigung weiterer Arbeitsentgelte ist ausgeschlossen (vgl. Bundessozi-algericht, Urteil vom 16. November 2000, B 4 RA 72/00 R; Urteil vom 9. November 1999, B 4 RA 2/99 R; Urteil vom 31. Juli 1997, 4 RA 35/97).

Die Klage wäre hinsichtlich der Zeit vom 20. April 1954 bis zum 10. Juli 1957 aber auch un-begründet, da der Kläger insoweit keinen Anspruch auf Feststellung der Zugehörigkeit zur zu-sätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und der erzielten Entgelte hat. Als Rechtsgrundlagen kommen ausschließlich die §§ 5, 6, 8 AAÜG in Betracht. In dem Verfahren nach § 8 AAÜG, das einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) ähnlich ist und außerhalb des Rentenverfahrens durchführt wird, ist die Beklagte als Zusatzversorgungsträgerin nur dann zu den von dem Kläger begehr-ten Feststellungen verpflichtet, wenn dieser gemäß § 1 Abs. 1 AAÜG dem persönlichen An-wendungsbereich des Gesetzes unterfällt. Erst wenn das zu bejahen ist, wird in einem weiteren Schritt festgestellt, ob er Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, die einem Zusatzversorgungs-system zuzuordnen sind (§ 5 AAÜG).

Das AAÜG ist auf den Kläger anwendbar. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonder-versorgungssystemen im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 des Vierten Buches des Sozialgesetzbu-ches [SGB IV]) erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts finden grundsätzlich alle Vorschriften des AAÜG dann Anwendung, wenn der Versorgungsträger mit einer positiven Statusentscheidung feststellt, dass zum 1. August 1991 Ansprüche oder Anwartschaften auf Grund der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem im Beitrittsgebiet erworben wor-den sind oder eine Anwartschaft fingiert ist (Urteil vom 27. Juli 2004, B 4 RA 8/04 R; Urteil vom 9. April 2002, B 4 RA 31/01 R). Das ist im vorliegenden Verfahren der Fall. Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 1 AAÜG erfüllt sind.

Der Kläger hat jedoch aus § 5 Abs. 1 und Abs. 2 AAÜG nach Maßgabe der Regelungen der DDR keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Nach § 1 der Verordnung über die zusätz-liche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestell-ten Betrieben (VO-AVItech) vom 17. August 1950 (GBl. DDR I S. 844) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzli-che Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestell-ten Betrieben (2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR I S. 487) hängt ein solcher Anspruch von drei Voraussetzungen ab, nämlich erstens von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbe-zeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), zweitens von der Ausführung einer entspre-chenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), die drittens in einem volkseigenen Produktions-betrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens im Sinne des § 1 Abs. 1 der 2. DB oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb verrichtet worden sein muss (be-triebliche Voraussetzung). Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein (Bundessozi-algericht, Urteil vom 28. September 2011, B 5 RS 8/10 R; Urteil vom 19. Juli 2011, B 5 RS 3/10 R).

Die genannten Voraussetzungen lagen beim Kläger nicht vollständig vor. Es fehlte an der be-trieblichen Voraussetzung, da der Kläger weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt war. Der Deutsche Innen- und Außenhandel Chemieausrüstungen war kein Produktionsbetrieb. Hierun-ter fallen nämlich nur Produktionsdurchführungsbetriebe, die ihr Gepräge durch die Massen-produktion erhalten haben (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Juli 2011, B 5 RS 7/10 R, Ur-teil vom 23. August 2007, B 4 RS 3/06 R). Der Deutsche Innen- und Außenhandel Chemieaus-rüstungen war dagegen, was bereits anhand des Namens deutlich wird, ein Handelsbetrieb. Dafür spricht zumindest als Indiz auch, dass der Betrieb keinem Industrieministerium, sondern dem Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel als übergeordnetem Organ un-terstellt war (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Juli 2011, B 5 RS 7/10 R; Beschluss vom 13. Februar 2008, B 4 RS 133/07 B; Urteil vom 6. Mai 2004, B 4 RA 52/03 R; Urteil vom 9. April 2002, B 4 RA 41/01 R). Entscheidend ist aber, dass nach § 8 des Statuts der volksei-genen Handelsunternehmen "Deutscher Innen- und Außenhandel" vom 6. November 1952 (MinBl. DDR 1952, S. 177, 178) deren Aufgaben insbesondere im Abschluss von Handelsver-trägen, in der Kontoführung, der Inanspruchnahme von Bankkrediten und der Vornahme von Abrechnungen mit Handelspartnern bestanden.

Auch eine Einstufung des Deutschen Innen- und Außenhandel Chemieausrüstungen als gleich-gestellter Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2. DB scheidet aus. Nach dieser Vorschrift waren den volkseigenen Betrieben gleichgestellt: Wissenschaftliche Institute, Forschungsinstitute, Versuchsstationen, Laboratorien, Konstruktionsbüros, technische Hochschulen; technische Schulen; Bauakademie und Bauschulen; Bergakademie und Bergschulen; Schulen, Institute und Betriebe der Eisenbahn, Schifffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesens; Maschinen-Ausleih-Stationen und volkseigene Güter, Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie); Verei-nigungen volkseigener Betriebe, Hauptverwaltungen und Ministerien. Hierunter fällt der Be-trieb nicht.

Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Fest-stellung höherer Arbeitsentgelte für die Jahre 1982 sowie von 1984 bis 1989. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz für jedes Kalenderjahr als Ver-dienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Hierzu gehören nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch die in der DDR gezahlten Jahresendprämien, die die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen als Be-standteil ihres Arbeitseinkommens erhalten konnten. Die Prämien waren im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben. Sie wur-den aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert. Die Voraussetzungen ihrer Ge-währung mussten in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerk-schaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [AGB-DDR] vom 16. Juni 1977 [GBl. DDR I S. 185]) und demnach auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 AGB-DDR). Die Jahresendprämie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufga-ben. Sie war deshalb auf das Planjahr bezogen und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 AGB-DDR bestand ein Anspruch auf eine Jahresendprämie, wenn die Zah-lung einer solchen für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollek-tivvertrag vereinbart war, der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leis-tungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war. Die Feststellung von Beträgen, die als Jah-resendprämien gezahlt wurden, hängt davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 AGB-DDR erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweis-last (Bundessozialgericht, Urteil vom 23. August 2007, B 4 RS 4/06 R).

Nach diesen Maßgaben liegen die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Jahresend-prämien in den streitgegenständlichen Zeiträumen im Sinne eines Vollbeweises nicht vor. Es fehlen jegliche Belege darüber, dass dem Kläger in diesen Zeiträumen ein konkreter Betrag als Jahresendprämie zugeflossen ist. Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen bestehen insoweit nicht. Nach den vorliegenden Mitteilungen des Landesverwaltungsamts Berlin, der Senatsver-waltung für Stadtentwicklung und des Bundesarchivs sind die entsprechenden Quittungslisten vernichtet worden.

Prämienanspruch und Prämienzufluss sind hinsichtlich der streitigen Jahre auch nicht glaubhaft gemacht worden. Die Möglichkeit der Glaubhaftmachung ergibt sich aus § 6 Abs. 6 AAÜG. Danach wird der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) ist eine Tatsa-che dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrschein-lich ist. Es reicht dabei die "gute Möglichkeit" aus, dass der entscheidungserhebliche Vorgang sich so zugetragen hat, wie behauptet wird, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände im Vergleich mit den anderen ernsthaften Möglichkeiten mehr für diese als für die anderen Möglichkeiten spricht. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht hingegen nicht aus. Dem Tatsachengericht obliegt es in den Grenzen des Grundsatzes der freien Beweiswürdi-gung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG), sich nach dem hier erforderlichen Beweisgrad der Glaub-haftmachung eine Überzeugung davon zu bilden, ob die für sein Urteil erheblichen Tatsachen vorliegen oder eine von ihnen nicht gegeben ist (Bundessozialgericht, Beschluss vom 7. April 2011, B 9 VG 15/10 B; Urteil vom 4. Dezember 2006, B 4 R 29/06 R; Beschluss vom 8. Au-gust 2001, B 9 V 23/01 B).

Danach kann hier allenfalls von einer einfachen, nicht jedoch von einer "guten Möglichkeit" ausgegangen werden, dass der Kläger in den streitigen Jahren die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Jahresendprämien erfüllte und diese ihm auch zuflossen. Die pauschale eides-stattliche Versicherung des Klägers, dass er alljährlich eine Jahresendprämie erhalten habe, begründet für sich genommen keine überwiegende Wahrscheinlichkeit der für die Berücksich-tigung von Jahresendprämien erforderlichen Tatsachen. Auch unter Einbeziehung der vorlie-genden Unterlagen ändert sich an diesem Ergebnis nichts. Der übersandte Auszug aus dem Betriebskollektivvertrag 1985 enthält die Vorschrift, dass ein Mitarbeiter dann einen Anspruch auf eine Jahresendprämie hatte, wenn die Mittel des Prämienfonds des Instituts beziehungswei-se der Einrichtung sowohl die Mindesthöhe der Jahresendprämie als auch eine leistungsgerech-te Differenzierung gewährleisteten, die vorgegebenen kollektiven und individuellen Leistungs-kriterien erfüllt wurden und der Mitarbeiter während des gesamten Planjahres Angehöriger der Bauakademie war. Zwar liegen die entsprechenden Regelungen der Betriebskollektivverträge für die übrigen streitigen Jahre nicht vor, ohne dass insoweit Anhaltspunkte für weitere Ermitt-lungen bestehen. Es kann jedoch zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass diese vertragliche Vorschrift entsprechend auch in den übrigen streitigen Jahren galt. Ansonsten würde der geltend gemachte Anspruch bereits daran scheitern, dass bereits eine im jeweiligen Betriebskollektivvertrag getroffene Vereinbarung über die Zahlung einer Jahresendprämie nicht zugrunde gelegt werden könnte. Nach dem Wortlaut der Vertragsvorschrift ist davon aus-zugehen, dass die dort genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein mussten. Dass sämt-liche Voraussetzungen in den streitigen Jahren erfüllt waren, kann jedoch anhand der vorhan-denen Unterlagen nicht bejaht werden. Die Frage, ob die Mittel des Prämienfonds sowohl die Mindesthöhe der Jahresendprämie als auch eine leistungsgerechte Differenzierung gewährleis-teten, kann aus heutiger Sicht nicht mehr beantwortet werden. Insbesondere die geforderte Ge-währleistung einer leistungsgerechten Differenzierung knüpft an eine Einschätzung der Leis-tungen und des Stellenwerts der gesamten Mitarbeiter der Einrichtung an, die heute nicht mehr nachvollziehbar ist. Soweit sich im Übrigen aus den eingereichten Betriebskollektivverträgen und Geschäftsberichten ergibt, dass in den jeweiligen Jahren Prämienfonds eingerichtet und Prämien auch verbucht wurden, ist daraus nicht ersichtlich, ob es dabei um Jahresendprämien geht. Soweit der Kläger eine handschriftliche Aufstellung über Prämien 1989 eingereicht hat, wird daraus nicht deutlich, von wem diese Aufstellung stammt, in welchem Zusammenhang sie erstellt wurde und ob sich lediglich um einen Entwurf oder um ein Original handelt. Auch für die Beantwortung der Frage, ob sowohl die vorgegebenen kollektiven als auch die individuel-len Leistungskriterien erfüllt wurden, fehlen ausreichende Anknüpfungstatsachen. Bekannt ist hinsichtlich der streitgegenständlichen Jahre lediglich, dass dem Kläger 1986 der Ehrentitel "Aktivist der sozialistischen Arbeit" verliehen worden ist und sein Forschungsbereich 1981 und 1982 mit dem Ehrentitel "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" ausgezeichnet wurde. Wei-tere Beweismittel sind nicht bekannt. Insbesondere sind die Personalakten des Klägers bereits vernichtet.

Selbst wenn man zu dem Ergebnis käme, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Jahresendprämie und deren Zufluss in den jeweiligen Jahren als glaubhaft gemacht anzusehen seien, könnte der jeweilige konkrete Betrag der Jahresendprämie nicht be-stimmt werden. Die vorliegenden Unterlagen hinsichtlich der streitgegenständlichen Jahre ent-halten hierüber keine Anhaltspunkte. Über die tatsächliche Höhe der Jahresendprämie ent-schied ohnehin der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerk-schaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Nur die handschriftliche Aufstellung der Prämien 1989 enthält genau bezifferte Prämien für einzelne Führungskräfte, nicht jedoch für wissenschaftliche Mitarbeiter. Eine Schätzung der möglicherweise bewilligten Jahresendprä-mien nach § 202 SGG in Verbindung mit § 287 ZPO kommt nicht in Betracht. Eine solche Schätzung setzt nämlich voraus, dass die erforderlichen Anknüpfungstatsachen zur Überzeu-gung des Tatrichters nachgewiesen sind. Der Tatrichter überschreitet die seinem Ermessen ge-setzten Grenzen, wenn er zu einer Schätzung greift, ohne für sie eine tragfähige Grundlage zu haben (Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Januar 1995, VI ZR 62/94; Urteil vom 23. Oktober 1991, XII ZR 144/90; Urteil vom 16. Oktober 1990, VI ZR 275/89; Urteil vom 15. März 1988, VI ZR 81/87; Urteil vom 22. Dezember 1987, VI ZR 6/87). An hinreichenden Anknüpfungstat-sachen für eine Schätzung fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. Der vom Kläger vertretene Ansatz, die Höhe der Jahresendprämien anhand des empirischen Verhältnisses zwischen Ge-halt und Prämie zu bestimmen, wird den Anforderungen an eine Schätzung nicht gerecht, da die Höhe der Jahresendprämien nach dem AGB-DDR nicht auf der Grundlage der Höhe frühe-rer Jahresendprämien festgelegt wurde, diese also keine relevanten Anknüpfungstatsachen dar-stellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved